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„Am Ende ist alles Jazz“ – Phoenix Muhammad Interview

„Am Ende ist alles Jazz“ – Phoenix Muhammad Interview

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Phoenix Muhammad läd zur Audienz. Ein paar Tage nach seinem 21. Geburtstag sitze ich in seinen vier Leipziger Wänden und amüsiere mich über die Kombination aus Leergut, Familienpizza-Kartons und Solei-Gläsern. Im entspannten Ambiente einer Rapper-Junggesellen-Bude, gut unterhalten durch das Kommen und Gehen einiger seiner Dudes, unterhalten wir uns über seinen Werdegang. Der Deutsch-Libanese hat einiges zu sagen! In welcher Sprache, da ist er flexibel …

Interview: Farid Kjazimi

TM: Du rappst auf Englisch, bist aber deutsch- und arabischsprachig aufgewachsen. Wie hängt das zusammen?
Phoenix Muhammad:
Ich bin bilingual aufgewachsen. Mein Vater ist Libanese und meine Mum Deutsche, so haben sie mir gleichzeitig beide Sprachen beigebracht. Als ich dann so ca. vier Jahre alt war, wurde ich eingeschult, weil man meinte, ich wäre hochintelligent, wobei man jetzt weiß, dass das nicht stimmt. Damals dachte man das zumindest. Dann bin ich auf die International School gekommen und habe so mit fünf bereits die Basics in Englisch gelernt. Das ist bisschen verkümmert, weil ich dann im Libanon grausamen Englisch-Unterricht hatte. Als ich dann so neun Jahre alt war, habe ich angefangen, HipHop zu hören. Das war voll mein Ding. Ich hab angefangen, die Texte zu übersetzen, da gab‘s auch Internetseiten, auf denen man sich das angucken konnte. Ich hab das alles studiert und irgendwann hat sich der Wortschatz auch durch Rap-Mucke ergeben. Aber auch durch viele Filme und Serien auf Englisch. Was den normalen Gebrauch der Sprache angeht, meine Cousins sind auch sehr amerikanisch. Einer meiner Cousins hat sogar in den Staaten gewohnt, wodurch auch nochmal ein kleiner Einfluss herkommt. Ich werde auf jeden Fall auf Trab gehalten.

Kommen wir von deiner bürgerlichen Person zu dir als Künstler. Du heißt mit Vornamen Muhammad, wo genau kommt also der Phoenix her?
Der Phoenix ist nun mehr auch der dritte Name, den ich mir gegeben habe. Ganz am Anfang habe ich mich Mad Kid genannt, als ich fünfzehn war. Den Namen habe ich aber nicht lange behalten, da ich gemerkt hatte, dass Mad Kid gar nicht geht. Ich bin Soulmad! Das kleine Kind ist jetzt erwachsen geworden. Als ich dann 18 wurde, habe ich mir wiederum Gedanken darüber gemacht und gemerkt, Soulmad klingt einfach nach nichts. Ich hab einfach rumüberlegt, wie man sich nennen kann und bin dann auf den Namen Phoenix Muhammad gekommen. Der Phönix ist nämlich das Symbol des Libanons. Man leitet die phönizische Kultur zum Libanon zurück. Und die Libanesen sind auch ziemlich stolz auf ihre phönizische Vergangenheit. Darum heißt dort auch alles Mögliche Hotel Phönix oder Phönizia, wenn es edel ist. Demnach gehört der Phönix für mich zum Libanon, natürlich aber auch die Symbolik des Phönix für die Wiederauferstehung. Um immer etwas Neues zu schaffen und dabei immer was Neues zu kreieren. Das war so meine Grundintention dahinter.

Hast du früher auch andere Elemente der HipHop-Vierfältigkeit ausprobiert?
Ich habe auf jeden Fall Liebe für alle Elemente. Viele meiner Freunde sind Sprüher, aber ich kann einfach nicht malen. Und beim Tanzen, naja… Ich tanze gern im Club, wenn ich paar Drinks drin habe, aber Breaken wäre auch nicht mein Ding. Und DJing hab ich auch nie probiert. Ich stand zweimal in meinem Leben hinter einem Plattenspieler und habe sogar einmal bei D’n’B ‘ne Platte angeglichen bekommen. Aber da habe ich mich nie reingefuchst. Ich bin der absolute Rap-Nerd. Aber was Beatsbauen angeht, bin ich auch ein bisschen hinterher. Ich habe schon, während ich angefangen habe zu rappen, auch angefangen Beats zu bauen. Die waren damals zwar noch grottiger als meine Raps und ich habe es halt auch hart schleifen lassen über die Zeit, aber ab und zu kommt auch mal ein fetter Beat bei rum, wo ich mir denke: Ja ok, der ist nice.

Wenn man sich die Beats deiner aktuellen EP anhört, merkt man, dass du sehr viel Wert auf die richtige Auswahl des musikalischen Klangbildes legst. Würdest du auch über deine eigenen Beats rappen oder meinst du, da fehlt es noch an Qualität?
Das kommt drauf an, ich bin  super Beat verwöhnt in einem Team, in welchem man bei Resistant Mindz sieben Produzenten am Start hat. Die Leute sind alle seit Jahren dabei, bauen seit über zehn Jahren Beats und kennen sich ein bisschen besser aus als ich und haben demnach auch einen besseren Sound. Wenn ich mir da einen Defekto oder einen Mr. Beef oder Chris Medleigh angucke, dann ziehe ich da meinen Hut vor. Das ist eine Liga, in der ich mich nicht befinde, was meine Beats angeht. Das ist eigentlich der primäre Grund, warum ich nicht auf meine rappe. Weil die anderen einfach fetter sind. Ich will jedoch in Zukunft an den Punkt kommen, an dem ich mich auch selber produziere.

Du hast schon angesprochen, dass du beim Label Resistant Mindz bist, welches auch in Leipzig ansässig ist. Du wiederum bist neben all den Produzenten der einzige MC auf dem Label. Fühlst du dich trotzdem richtig aufgehoben?
Es war auf jeden Fall der erste logische Schritt für mich. Es war und ist genau das Richtige für mich. Ich bin einfach musikalisch durch die Jungs sehr gereift, weil sie auf jeden Fall meinen Horizont erweitert haben und ohne Resistant Mindz wäre mein Style jetzt nicht der, der er nun mal ist. Die Jungs haben mich sehr geprägt und sind halt auch alle meine großen Brüder. Die sind ja alle fast dreißig und ich als 21-jähriger Stift habe da so ein bisschen den Kleinen-Bruder-Charakter.

Wie würdest du denn deinen eigenen Style beschreiben?
Ich denke tatsächlich sehr viel über meinen eigenen Style nach. Mein oberstes Ziel ist nicht zu klingen wie irgendwer anders. Das finde ich, habe ich mit der EP auch sehr gut geschafft. Einfach unique zu sein. Was natürlich auch damit zu tun hat, dass ich hier auf einem anderen Teil der Erde bin als die meisten anderen englischsprachigen Rapper. Es ist schwierig zu beschreiben. Es sind wohl einfach Bruchteile eines Porträts der Endphase meiner Jugend. Es erzählt im Prinzip die Geschichte von mir von 17 bis 20 Jahren. Die ganze Scheiße, die ich durchgemacht habe, verschiedene Verhaltensmuster und Denkstrukturen, die ich da verarbeitet habe.

Die Beats auf deiner EP wirken sehr neumodisch und dem Zeitgeist entsprechend. Ist das eine bewusste Entscheidung gegen klassische Boom Bap und 90’s Oldschool-Beats?
Ich habe damals mit 15 angefangen auf Boom Bap-Beats zu rappen. Das war genau mein Ding, ich habe nur Boom Bap gemacht. Es musste für mich alles Real-HipHop sein. Ich bin einfach Anti-Soulja Boy und irgendwie Anti-Alles gewesen. Aber ich finde mittlerweile die meisten Boom Bap-Sachen einfach langweilig produziert. Es gibt ziemlich viele Produzenten in Deutschland, die einfach nur Hypes feiern, die aber immer dieselben Beats bauen und es wird jedes Mal wieder gefeiert. Das ist so ein 0815-Schema. Ich kann es nicht nachvollziehen, ich kann es nicht verstehen, ich finde es langweilig! Ich hasse es irgendwas zu machen, das jemand vor mir schon gemacht hat. Und wenn ich mir jetzt Deutschrapper XY anhöre und weiß, der hat jetzt den Song von ‘nem Ami übernommen und versucht den Text noch darauf zu überschreiben, dann turnt mich das einfach mega ab. Ich will auf jeden Fall was haben, wo die Leute sagen: Alter, das habe ich noch nie gehört, aber es ist derbe-fett!

Du bist mit deinen 21 Jahren aus einer neuen Generation. Mit welcher Musik bist du aufgewachsen?
Mit neun Jahren bin ich in dieses ganze 50 Cent und Eminem-Ding eingetaucht, weil das da immer mehr Mainstream wurde. Das hat mich abgeholt. Der Groove, der Rap – ich dachte mir, was ist das eigentlich? Dann habe ich mich zu Hause hingesetzt und habe versucht, sogar die Silben nachzurappen, ohne dass ich irgendwas wirklich verstanden habe. Was mich dann aber tatsächlich wirklich abgeholt hat, und womit ich dann auch anfing mir Gedanken über die Inhalte der Texte zu machen, war Nas. Es war mein Cousin Rami, er hat mir symbolisch die „Massacre“ CD von 50 Cent aus der Hand genommen und mir „God´s Son“ von Nas damals in meinen Discman eingelegt und gemeint: „Hör dir Song Nummer sieben an!“ Das war „I Can“. Ich habe den Song hoch- und runtergefeiert und ihn sogar damals beim Talentwettbewerb im Leipziger Leibnitz Gymnasium performt. Nas ist auf jeden Fall der größte Einfluss gewesen. Was jedoch das Musikalische angeht, war es tatsächlich Kanye West gewesen, der mir gezeigt hat, dass man sich neu erfinden kann und Dinge anders angehen kann. Gerade das Sampling-Prinzip habe ich durch ihn verstanden. Und was er aus Musik formt, ist groß, auch wenn er nicht der beste Rapper ist. Für mich steht die Musik im Vordergrund und nicht nur der Skill, sondern dass das ganze einen geilen Vibe hat.

Hast du auch ein paar deutschsprachige Rapper über die Jahre verfolgt?
Das Problem ist, ich finde die meisten deutschen Rapper haben echt schlechte Beats. Musikalisch fuckt mich das halt sehr oft ab. An sich feier ich natürlich gewisse Leute in Deutschland zu Tode. Zum Beispiel jetzt aktuell Lakmann, der ist Hammer, Dilemma ist ein krasser Typ, Hiob natürlich auch, Sylabil Spill…das sind die, die ich heute feier. Ich war einfach auch zu jung, um Creutzfeld & Jakob früher zu kennen. Das hab ich erst relativ spät mit 14 mitgekriegt. Da war dann aber der Zug auch schon irgendwie abgefahren. Damals hätte es mich sicherlich geflasht, weil es was Neues gewesen wäre, aber da kam ich halt zu spät.

Du scheinst nicht der harte Realkeeper wie die ganzen HipHop-Dogmatiker zu sein, die versuchen, die letzten zwanzig Jahre aufzuarbeiten, um zu sagen, nur das ist Rap?
Absolut nicht, nein. Rap und HipHop entwickeln sich konstant. Wir alle hätten vor zehn Jahren bestimmt nicht gedacht, dass ein Flying Lotus sowas machen wird, was er jetzt macht und es ist trotzdem HipHop irgendwo, auch wenn es mittlerweile Jazz ist. Am Ende ist alles Jazz, was wir machen. Und deswegen kann ich alles feiern, was mich am Ende abholt und mich emotional berührt; da ist es mir auch egal, wer es gemacht hat. Trotzdem geht es mir in erster Linie immer um Originalität.

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Kommen wir zu deinem aktuellen Release. Du hast am 28. November eine EP mit dem Namen „PHNX“ rausgebracht. Wie lange hast du jetzt an der Scheibe gearbeitet?
Das ist total unterschiedlich. Die Smash-Single „Californium“ ist innerhalb von zwei Tagen im Studio entstanden. Das aber auch nur, weil ich einmal das Mikro falsch aufgebaut hatte und mich irgendwie selbst aufgenommen habe. Da war es ein halbes Jahr von der Aufnahme zur Veröffentlichung. Andererseits habe ich aber auch Songs wie „High Philosophy“ drauf, bei welchen ich den Beat schon seit anderthalb Jahren auf dem Rechner liegen hatte und nie was draus gemacht habe, es dann aber halt von der Klangästhetik gut reingepasst hat. Ich arbeite gern an einem Konzept und gehe gern eine EP als Ganzes an. Ich möchte im Vorfeld dann auch wissen, dass der Song auch unbedingt mit rein muss, da Studiozeit auch nicht unbegrenzt ist. Ich geh mit einer fertigen Vision an den Aufnahmeprozess ran. Ich habe mir sehr viel Zeit gelassen in dem kreativen Prozess des Schöpfens und habe mich dann beim Aufnehmen sehr konzentriert, sodass ich hinterher nicht noch thematisch irgendwelche Brücken bauen musste. Generell wollte ich eigentlich ein Album raushauen. Es kamen zu viele neue Songs dazu, die mich voll geflasht haben.

Hast du bei der Veröffentlichung deiner EP ein paar Erfahrungswerte mitgenommen, sodass du das nächste Mal etwas anders machen würdest?
Ich habe viel darüber gelernt, wie im Jahr 2014 das Business funktioniert. Ich weiß, dass ich beim nächsten Mal am besten drei Videos im Voraus fertig habe und dass ich eine Promoagentur im Rücken habe. Am Ende habe ich gelernt, dass man mit mehr Geld mehr erreichen kann. Und das ist eine traurige Erkenntnis. Ich muss auch mehr connecten, dass die Leute auch mehr auf den Boy aufmerksam werden.

Jeder Beat der EP ist von einem anderen Produzenten. Wie bist du mit den Einzelnen in Kontakt getreten?
I
ch habe den Maltin Worf aus Dresden mit drauf, der hat mal in Leipzig gewohnt und mir damals die Visitenkarte von seinem ehemaligem Label oder seiner Crew in die Hand gedrückt. Das habe ich mir dann auch reingezogen, war aber nicht ganz so überzeugt. Ich hatte dann zwei Gigs in Dresden und jedes Mal war Maltin am Start. Da hab ich dann noch mal gefragt, warum ich den damals nicht schon dope fand? Ich hab‘s da voll bereut, dass ich ihn nicht viel eher angeschrieben habe und gleich zu ihm gemeint, dass wir unbedingt was zusammen machen müssen. Er hat mir dann ein ganzes Live-Set an Beats geschickt und gemeint, dass ich mir ein paar picken kann. Torus aus Holland hatte ich angeschrieben, da hatte er noch einen ganz anderen Namen. Damals war er noch voll unbekannt. Er hat mein Zeug gefeiert und ich habe sein Zeug gefeiert. Ben Jamin hab ich am Anfang der Soundcloud-Zeit ausgecheckt. Damals war Soundcloud noch der Hammer. Das war so eine logische Weiterführung von MySpace aber halt noch exklusiver. Es war halt nicht jeder Depp dort, es waren fast ausschließlich ernstzunehmende Künstler da. Von Ben wird hoffentlich auch noch der ein oder andere Club-Banger kommen.

Deine nächste Veröffentlichung wird eine weitere EP mit dem Namen „MHMD“ sein. Sind auf der EP die gleichen Produzenten vertreten oder werden ein paar neue auf der Platte stattfinden?
Also es geht mir auf jeden Fall mehr um den Beat als um den Produzenten an sich. Es ist mir halt relativ egal, wer drauf ist, solange das Ding dope ist. Natürlich will ich mein Team dabei haben, weil die mich musikalisch am besten verstehen und kennen. Dieses Mal will ich auf jeden Fall Mr. Beef und Dyze mit drauf haben, Chris Medleigh ist auf jeden Fall auch wieder mit am Start und Maltin auch. Wenn Ben mir noch mal so einen schönen Banger bauen würde, wäre ich auch nicht böse. Eigentlich bin ich fertig mit dem Ding vom Schreiben her, aber vielleicht werden ja noch ein, zwei Songs ausgetauscht.

www.facebook.com/phnxmuhammad

(FK)