Seit gut zehn Jahren werden mir stets dieselben Fragen gestellt. „Wie ist es als Frau im Rap? Wie gehst du mit Sexismen in einer so männerdominierenden Szene um? Was hältst du von der Frauenquote?“ Sind diese Fragen berechtigt? Ja. Werden mir noch weitere Fragen zu anderen Themenbereichen gestellt? In den meisten Fällen nein.
Um mich kurz vorzustellen: Mein Name ist Yasmo und ich stehe seit 2007 auf Bühnen. Dementsprechend habe ich in meiner Karriere schon einigen Kontakt mit Medienvertreter und Medienvertreterinnen gehabt und ein Bild zeichnet sich ab: Frauen auf Bühnen werden meist als Exotinnen angesehen und sind dazu verpflichtet, in irgendeiner Form Rechenschaft über ihr Frausein abzugeben. Bevor sich jetzt jemand angesprochen oder angegriffen fühlt – meine Erfahrung zeigt mir auch, dass sich Männer bei Sexismuskritik sehr oft persönlich angesprochen fühlen, so als wären sie die gesamte patriarchalische Struktur (was eine Person ja gar nicht sein kann, sorry, Sir!) – möchte ich zunächst einige Sachen klarstellen.
Wer meint, ich sei keine Rapperin sondern mache Poetry Slam, hätte also keine Berechtigung, über Frauen im Rap zu schreiben, wer meint, mediale Präsenz von Rap in Österreich gibt es ohnehin nicht, wer meint, Medienstruktur in Österreich sei nicht der Rede wert usw. wird mit diesem Kommentar nicht glücklich werden und kann den Tab jetzt schon schließen. Auch finde ich die letzten beiden Aussagen, die immer wieder mal fallen, sehr respektlos den unzähligen Leuten gegenüber, die meist in ihrer Freizeit und aus Leidenschaft versuchen, Künstlern und Künstlerinnen mediale Plattformen zu bieten.
Wer weiterlesen möchte: Ich definiere mich als Rapperin und als Autorin und finde sehr wohl, dass es mediale Präsenz gibt. Ich erwarte mir aber nicht, bzw. habe dies auch nie getan, dass jemand einfach auf mich zukommt, weil er oder sie mein Myspace-Profil (ja, so lange rappe ich schon) gesehen hat und jetzt etwas über mich schreiben will. Ich mach Pressearbeit, schick jedes neue Album an Redaktionen (Postrechnungen kann man übrigens abschreiben, also alles halb so wild) und sehe das auch als Teil der Arbeit an – man fängt ja in den meisten Fällen nicht mit einer Agentur an. Mein erstes Album, das 2011 erschienen ist, habe ich übrigens gute zehnmal in die FM4-Redaktion getragen, ein Jahr nach Erscheinung kam „Useless Information“ dann erst in den Airplay.
Nun aber zurück zum Thema: Wie ist es als Frau?
Diese Frage wird mir in fast jedem Interview gestellt. Wenn ich über andere Rapperinnen lese, finde ich diese Frage auch und manchmal gibt es Porträts über Frauen, die eigentlich der Feminismusfrage und nicht der Künstlerin dienen. Das ist ja alles schön und gut, Sexismus ist ein grundlegendes Problem, das AUCH im HipHop stattfindet, aber nicht nur. Oft wird so getan, als wäre Sexismus gleich HipHop und alle anderen Musikszenen sind voll in Ordnung, weil sie nicht darüber sprechen, welche Mütter wo gefickt werden. Das ist natürlich vollkommener Blödsinn.
Siehe oben: Sexismus und diese patriarchalische Struktur, in der wir leben, ist allgegenwärtig. Also auch in Interviewfragen zu finden. Denn lese ich Interviews mit männlichen Kollegen oder Porträts über sie, ihre Arbeit, neues Album etc. wird NIE die Frage gestellt „Wie ist es für dich als Mann?“ oder „Wie gehst du mit Sexismus um?“, wobei ich mir letztere Frage noch für dezidiert linke Rapper vorstellen kann.
Jetzt kann man natürlich sagen, dass der oder die Interviewende einen feministischen Anspruch hat und deswegen Fokus auf dieses Thema legen möchte, man kann auch sagen, dass ich mich öffentlich dezidiert als Feministin positioniere und deswegen zu diesem Thema befragt werde, aber in erster Linie definiere ich mich, wie alle anderen Künstlerinnen das meines Erachtens auch tun, als Künstlerin. Also fragt was zur Kunst! Man macht es sich nämlich ein bisschen einfach, zu denken „Ah, ich will was über eine Rapperin schreiben, also stell ich ihr Fragen zu ihrer Rolle als Frau.“ Oder eben auch „Ich will was über Feminismus und Musik schreiben, wo geht’s denn am ärgsten zu? Aja, HipHop.“ Dass sie Rapperin ist, worüber sie schreibt, wie sie ihre Musik aufbaut etc. rückt damit in die zweite Reihe und was übrig bleibt ist dann wieder eine Künstlerin, die über das Patriarchat schimpft. Classic.
Stellt uns doch Fragen zu unserer Arbeit, nicht zu unserem Geschlecht. Genauso wie Künstler und Künstlerinnen schreiben auch Journalisten und Journalistinnen das Narrativ mit, also bringt uns bitte nicht in die Position, uns als Frauen für unser Geschlecht zwei Absätze lang erklären zu müssen, bevor wir dann noch in einem Nebensatz über unser neues Album sprechen können. Frei nach dem Motto „Actions speak louder than words“ wäre es eine bessere Aktion, nach den Inhalten zu fragen. Die Bühne haben wir uns selbst gebaut, wenn ihr uns also auch etwas Bühne schenken möchtet, macht die Recherche auch bei uns und fragt uns, was wir mit dieser einen Zeile meinen – nicht nur, wie es für uns als Frau ist.
Und wenn ihr darüber reden möchtet, wie Ungleichverteilung, Sexismus etc. im HipHop funktionieren, dann bitte ich darum, diesen Anspruch und die Fragen, die damit einhergehen, an alle zu stellen, sonst schafft man damit selbst nämlich Ungleichverteilung.
Nach ihrem ausverkauften Konzert im Wiener Konzerthaus präsentieren Yasmo und die Klangkantine am 27. April noch einmal live ihr aktuelles Album im WUK Wien.
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