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„Der Bounce ist das Wichtigste“ // Hidden Gemz Interview

„Der Bounce ist das Wichtigste“ // Hidden Gemz Interview

Seit ein paar Jahren dreht ein musikalischer Rohdiamant seine Runden: Hidden Gemz. In Wien hat sich die vierköpfige Band bisher auf diversen Bühnen einen Namen gemacht. Viel jugendliche Energie trifft auf HipHop-Tracks, die gut produziert sind und nicht vor Funk- und Rock-Elementen zurückschrecken. Am 20. April erscheint die Debüt-EP „The Gemz Mixtape“ via Ink Music. Das Interesse an der Releaseshow am selben Tag ist beachtlich. Ursprünglich fürs Café geplant, bespielen die Gemz nun doch die große Halle des Wiener Flex.

Im Interview sprechen die Bandmitglieder Didier Kurazikubone (Vocals), David Murg (Bass, Keys, Vocals), Mateo Schmid (E-Gitarre) und Jonas Strondl (Drums) über die Bandgeschichte, ihre Kompromissbereitschaft beim Songwriting, das Mysterium des Bounces und Mike-Tyson-Feelings.

The Message: Ihr existiert als Band schon länger, nennt euch aber erst seit rund einem Jahr Hidden Gemz. Davor habt ihr Livercheese geheißen. War der Switch aus Eigenantrieb oder ist er euch angeraten worden?
Jonas:
Der Name ist entstanden, als wir noch nicht in der aktuellen Konstellation waren. Es hat sich so weitergeführt und wir haben den Namen beibehalten. Irgendwann wurde uns von außen gesagt, dass wir den Namen ändern sollten, damit wir ein bisschen seriöser und internationaler rüberkommen.

Mateo: Sonst ist es halt Leberkäse. Und die Leute, die nicht wissen, was Leberkäse ist, weil sie keine Österreicher sind, hören nur Leber und Käse und finden es vielleicht ekelhaft.

Jonas: Voll. Dann haben wir uns entschlossen, den Namen zu ändern, uns Gedanken gemacht und unsere Leute befragt. Es wäre ein langer Prozess, uns damit anzufreunden. Aber jetzt sind wir sehr zufrieden damit.

Waren eure Band-Anfänge im Evangelischen Realgymnasium Donaustadt? Der Kinderchor aus der Schule steht in den Credits eurer EP.
Jonas: Genau, bei zwei Tracks. Wir dachten, es wäre cool, einen Kinderchor oben zu haben und dann dachten wir an unsere Schule, weil es da den Schwerpunkt Musik gibt. Die waren voll motiviert, das war cool.

Seid ihr bewusst wegen des Musikschwerpunkts in diese Schule gegangen?
David: Definitiv, das war kein Zufall.

Ihr habt mal angedeutet, dass euch die Schule rein musikalisch nicht besonders viel gebracht hat. Warum nicht?
Jonas
: Es hat schon ein bisschen was gebracht. Wir haben viel live gespielt, die Schule hat viele Events organisiert. Aber den Main Focus haben wir uns selbst erarbeitet. Wir haben viel gelernt, aber ab einem gewissen Punkt musst du selbst schauen, wie du weitermachst.

Didier: Ich finde, die Schule hat grundlegend gute Angebote, aber es kommt am Ende drauf an, ob du was lernen willst. Es hängt auch von der Eigeninitiative ab. Wir alle lieben Musik und für uns war klar, dass wir das machen wollen. Deshalb haben wir die Angebote genutzt und den Shit gemacht, auf den wir Lust hatten.

David, Mateo, Didier & David (v.l.n.r.) sind Hidden Gemz. Foto: Jannis Koehling

Gab es einen Moment oder ein Erlebnis, nachdem klar war, dass ihr das Bandprojekt ernsthaft angeht?
Jonas:
Ich glaube, wir haben es immer voll ernst genommen. Nicht, dass wir am Anfang gedacht haben, dass das unser Ding wird und wir es in zehn Jahren noch tun. Aber wir haben alle die Einstellung, dass wir, wenn wir was machen, es gescheit machen wollen. Ich glaube, diese Mentalität hat sich durchgezogen.

Didier: Ein Hauptantrieb war immer, dass es uns allen Spaß gemacht hat.

Mateo: Seit ich klein war, hatte ich den Traum, in einer Band zu spielen. Als ich dann in einer Band war, hatte ich richtig Lust, live zu spielen. Irgendwann hat sich das ein bisschen upgegradet. Da hatte ich nicht nur Lust, oft live zu spielen, sondern ich wollte ein eigenes Album rausbringen und so weiter.

Jonas: Ich glaube, jeder von uns hat schon in der Volksschule ein bisschen damit begonnen, Musik zu machen. Auch mit Instrumentalunterricht. Dadurch, dass wir alle voll motiviert waren, haben wir uns gut gefunden. Wir hatten alle dasselbe Ziel. Wenn wer keinen Bock gehabt hätte, hätten wir es gemerkt und es hätte nicht funktioniert.

Ihr habt mal gesagt, dass ihr probiert habt, mit Produzenten zusammenzuarbeiten, aber zum Schluss gekommen seid, dass es am besten ist, wenn ihr es selbst macht. Weil der Sound in Richtungen gegangen ist, die euch nicht gepasst haben?
David
: Genau.

Foto: Jannis Koehling

Jonas: Ich glaube, wir haben alle ähnliche Vorstellung, wie unsere Songs klingen sollen. Die wurde nicht so erfüllt. Es ist schwer zu beschreiben und ich glaube, wir konnten es nicht wirklich ausdrücken. Aber es war wirklich nur in der Produktion. Wir haben schon mit anderen Leuten gearbeitet, Songwriting Sessions, Arrangements und so weiter gemacht und das war immer cool. Auch, um Meinungen von Außenstehenden zu bekommen. In der Produktion konnten wir, weil wir Zugriff auf die Tracks hatten, alles ausprobieren. Das ist mit einer anderen Person schon schwieriger. 

David: Das Arbeiten mit andern hilft schon, weil wir uns zu viert oft verkopfen oder Möglichkeiten für andere Sachen nicht sehen. Dass man zum Beispiel mal die Gitarre auslässt für zwei Takte oder so.

Ihr habt einen akribischen Zugang an die Produktionen, probiert viel, sammelt Ideen und baut zuerst die Instrumentals. Ihr habt mal über Taktverschiebungen und verrückte Ideen gesprochen. Was war die bisher verrückteste Idee?
Mateo:
Wir hatten mal eine Fusion-Band zu dritt. Da haben wir auch alles Mögliche gemacht.

Jonas: Ganz viel Instrumental-Zeugs und voll die abgefuckten Nerd-Sachen, die im HipHop-Kontext keinen interessieren. Ich glaube, man hört es noch ein bisschen raus, aber wir haben es runtergeschraubt. Eh cool, aber verwirrt nur und lenkt vom Song ab. Wir spielen jetzt sicher songdienlicher.

Ihr könntet ja mal einen Hidden Gemz Hidden Track machen, wo es komplett eskaliert.
Jonas:
Irgendwann müssen wir das echt machen. Ich hätte so Bock drauf.

Mateo: Nur mit dem weirdesten Scheiß.

Didier: 30 Minuten Free Jazz.

Jonas: Hidden Jazz.

Abgesehen davon: Ist die Conclusio, dass simpler oft besser ist?
Jonas
: Im kommerziellen Bereich auf jeden Fall.

Strebt ihr den an?
Didier: Im Grunde schauen wir beim Songwriting darauf, was der Song braucht, was ihn besser macht und wie wir das besser rüberbringen. Wenn es davon ablenkt, was der Song einem mitgeben soll oder was man dabei fühlen soll, ist es überflüssig.  

Jonas: Wir machen nur Sachen, die wir selbst richtig cool finden. Wir schauen nicht so darauf, was besser ankommen könnte. Wenn es uns gefällt, passt es und wenn es gleichzeitig erfolgreich ist, umso besser.

Habt ihr ähnliche Vorstellungen davon, was einen guten Hidden-Gemz-Track ausmacht?
Mateo: Der Bounce ist das Wichtigste.

Wie definiert ihr den Bounce?
Mateo: Bounce ist, wenn du es hörst und einfach…

Jonas: …kopfnickst.

Mateo: Auch wenn ein Song langsam ist, kann er richtig viel Bounce haben.

Didier: Man hört und fühlt es direkt, ohne dass man es sich erklären kann. Es sitzt.

Bei der EP habt ihr die Tracks gemeinsam eingespielt, oder? Also mehr mit Bandaufnahmen als mit einzelnen Spuren gearbeitet.
Mateo:
Bei manchen haben wir alles gleichzeitig eingespielt, ein paar sind einzeln aufgenommen. Es ist ein riesiger Unterschied. Bei „Walk with That“ haben wir angefangen, einzeln aufzunehmen. Schlagzeug, Bass und dann Gitarre. Wir haben gemerkt, dass es nicht funktioniert. Dann haben wir es live eingespielt und es war ein Weltenunterschied. Wir haben den Song zuerst mit Metronom eingespielt, dann ohne und dann war der Bounce hundertmal mehr da.

Jonas: Ich glaube, das ist das Feeling, das wir durchs viele Proben und Live spielen entwickelt haben. 

Das Cover der Debüt-EP „The Gemz Mixtape“.

War von Anfang an klar, dass ihr englischsprachige Musik macht?
David:
Wir hören alle fast nur englischsprachige Musik. Das war damals auch schon so.

Didier: Es gibt Phasen, in denen ich mehr Deutschrap höre, aber ja, größtenteils englische Musik. Wir hatten glaube ich nie den Gedanken, dass wir Tracks auf Deutsch machen.

Jonas: Ich glaube, das Englischsprachige passt am besten zu unserem Sound. Wir haben es nie in Frage gestellt, weil es so gut gepasst hat.

Didier: Ich glaube, wir haben ein gutes Gefühl untereinander, wenn etwas für uns passt, aber gleichzeitig dieses Selbstbewusstsein, dass wir das, was sich für uns gut anfühlt, durchziehen. Wir müssen nichts machen, was sich für uns unnatürlich anfühlt. Uns leitet glaube ich am meisten, was wir im jeweiligen Moment fühlen.

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Habt ihr den Eindruck, dass englischsprachige Musik in Wien bzw. in Österreich ein Hemmschuh sein kann? Dass es auf Deutsch einfacher geht?
Jonas: Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass es mit englischsprachiger Musik ein bisschen schwierig ist, die Leute zu catchen. Deutschsprachige Musik bekommt schneller oder einfacher Anklang – was eh ein bisschen logisch ist, weil diese Sprache hier eben gesprochen wird. Wir waren mit unserer Musik noch nie im Ausland, aber wenn das mal der Fall ist, wäre es interessant, zu sehen, ob es einfacher geht.

Die Releaseshow am 20. April wurde vom Flex Café in die große Halle hochverlegt. Wart ihr überrascht davon, dass der Vorverkauf so gut läuft?
Jonas: Ich hätte es mir nicht gedacht. Die große Halle ausverkaufen wäre natürlich oag, aber es ist so schon super.

David: Das Live spielen habe ich sehr vermisst in letzter Zeit. Es gab im Oktober 2021 eine Phase, in der wir jede Woche irgendwo gespielt haben.

Jonas: Da haben wir alle Gürtellokale durchgespielt (lacht).

Didier: Wir haben viel Bock. Die Show im Flex, es ist ein komischer Vergleich, aber das gibt mir so ein Mike-Tyson-Feeling. Er war ja im Knast und hatte nach der Entlassung nach langer Zeit wieder einen Fight. Er hat seinen Gegner dermaßen zerstört. Ich habe das Gefühl, für uns ist es so ein bisschen, weil wir uns jetzt die ganze Zeit so im Studio eingebunkert haben. Aber jetzt sind wir endlich wieder draußen und können wieder das machen, was wir so fühlen.

David: Unsere Musik ist so gut, dass wir ihnen die Ohren abbeißen.

Jonas: Das hat der gemacht? Bam.

Ihr hattet bisher ein recht junges Publikum, oder?
Jonas: Schon, also primär in unserem Alter. Um die 20 würde ich sagen. Ich glaube im Porgy war es mal sehr gemischt.

Didier: Wenn wir mal ein R&B-Album droppen, dann kommen auch die 30- bis 60-Jährigen.

David: 70 BPM zum Mitviben.

Didier: Es wäre lustig, wenn wir einen Song hätten, der auffallend bei einer ganz anderen Altersgruppe ankommt. Entweder Oldies oder nur so Sechsjährige (lacht).

Mateo: Was ich lustig finde: Ich habe wirklich das Gefühl, dass kleine Kinder auf unsere Musik stehen. Ich habe das schon paar Mal gehört. Ein Mitarbeiter von meinem Vater hat zum Beispiel gesagt, dass seine Kinder unsere Lieder total mögen. Bei seiner Hochzeit wollten die Kinder, dass ich „Miss Monroe“ spiele, weil sie den Song die ganze Zeit zuhause singen.

Worauf führst du das zurück? Den Bounce?
Mateo: Ich weiß nicht.

Jonas: Kinder denken darüber nicht nach, Kinder fühlen. Vielleicht ist es das Mysterium des Bounces.

Vielleicht müsst ihr jeden Track Kindern vorspielen, um ihn zu testen.
Didier:
Album-Listening-Party mit Bällebad (lacht). Aber es ist eine gute Theorie – Kind fühlt einfach. Ich habe zwei Neffen, die circa sieben und fünf Jahre alt sind. Sie haben schon oft die Rooftop-Session gehört. Letztens habe ich mich verantwortlich gefühlt, ihnen Musik zu zeigen. Sie jetzt educaten, damit sie ein gutes Ohr haben, wenn sie groß sind. Ich habe viel probiert, manches ist gar nicht angekommen. Meine Schwester hat dann gesagt: ‚Du musst was nehmen, das ein Kind spüren kann.‘ Es muss von der Energie ankommen, einen reinziehen, aber nicht total verkopft sein.

Was hast du ihnen gezeigt?
Didier:
Ich glaube eh Sachen, die ich selber fühle. Paar 50-Cent-Songs, die haben gar nicht funktioniert (lacht). Dann was von Michael Jackson und ein Kendrick-Album. Ich glaube, dass Kinder anders hören als jemand, der sich dies oder das reindenkt. Rein aufs Gefühl bezogen.

Mateo: Zeig ihnen mal unsere EP. Meine Prediction ist: Sie werden fühlen!