Now Reading
Erst rappen, dann reden // Al Pone Interview

Erst rappen, dann reden // Al Pone Interview

Graue Tage, genauso trübe Gedanken, traurige Interludes auf Endlosschleife, das Leben so hart wie 3-Wochen-altes Brot. Für Al Pone genau die Zeit, auf die er gewartet hat – um sein Debüt-Album in der Mood fertig zu machen, in der er es begonnen hat. Auf “Benjamin” wagt er den Schritt in die ungeschönte Ehrlichkeit über Sucht und Realitätsflucht.

Was zunächst als persönliches Projekt begann, hat sich über zweieinhalb Jahre in ein Album verwandelt, das sich im flackernden Neonlicht verschwitzter Clubs genauso wohlfühlt wie in der schonungslosen Selbstreflexion. Nach seinen EPs „Balkanski“ und „Jebiga“ zeigt der Grazer Rapper mit Balkan-Blueprint damit auch, dass er sich musikalisch neu erfinden kann.

The Message: Auf deinem Album geht es viel um persönliche Issues, gleichzeitig ist es sehr nah dran an Rausch und Konsum. Sind das Themen, die dich persönlich schon länger begleiten oder ist es eine Kunstfigur, die da aus dir spricht?
Al Pone: Nein, das ist definitiv ein reales Thema. Ich gebe auch offen und ehrlich zu, ich habe ein Suchtproblem. Ich gehe zur Therapie und weiß, dass mein Konsumverhalten auf meiner Vergangenheit basiert. Ich weiß, woher das kommt. Es ist definitiv real, da ist nichts glorifizierend. Ganz im Gegenteil, ich habe eher versucht hervorzuheben, dass es nicht nur cool ist, zu konsumieren.


Es gibt ja auch die andere Seite der Medaille.
Natürlich. Ich sage mal so, wenn du in dem Ding drinnen bist, weißt du, dass du scheiße machst. Aber du willst es dann oft besser aussehen lassen, als es eigentlich ist. So war das zum Beispiel bei “Tussastop”, die EP, die ich mit Spello gemeinsam gemacht habe. Was wir da gerappt haben, das würde ich heute nie wieder sagen. Die Texte haben wir aber vor über 10 Jahren geschrieben. Es passiert einfach immer wieder mal, dass man Sachen besser dastehen lässt, als sie eigentlich sind – was jetzt nicht unbedingt gut ist – ich denke dennoch, es ist irgendwo eine Verarbeitungsstrategie des Ganzen.

Foto von Elena Laaha

In welchem Zeitraum ist das Album entstanden?
In den letzten zweieinhalb Jahren. Nach der „Balkanski“-EP habe ich als allererstes „Jebiga“ aufgenommen. Dann ist Winter geworden und mir ist es ziemlich Arsch gegangen. Ab da habe ich einfach nur mehr deepe Sachen gemacht. Im Frühling darauf wollte ich das dann als EP releasen. Mir war dann aber bewusst, dass es schon zu spät war – die Leute wollen im Sommer keine deepen Tracks hören. Von meinem Umfeld ist dann die Idee gekommen, daraus ein Album zu machen. Ich habe die Tracks also beiseite gelegt und an „Jebiga“ gearbeitet. Und so ist es in einem Zeitraum von knapp zwei Jahren entstanden, wo aber extrem viel Pause zwischen den Tracks war.


Hast du dich dann nach der Pause bewusst wieder den deepen Sachen zugewendet oder hast du einfach auf die nächste Winterdepression gewartet?
Ich hab quasi auf die nächste Winterdepression gewartet und es ist dann wirklich so passiert – ich war wieder in dem Film drin. Es war erschreckend einerseits, aber ja, es ist einfach ein Part von mir, deswegen heißt das Album ja auch „Benjamin“.


Du hast bereits sehr persönliche Tracks releast, bei dem Album hat man das Gefühl, du gehst noch einen Schritt weiter und öffnest dich noch mehr. Wie war es für dich, damit an die Öffentlichkeit zu gehen?
Ich war mir unsicher. Ich habe früher sehr viele deepe Tracks gemacht. Im Grazer Umfeld hab ich damit aufgehört, es ist mehr um Technik gegangen und darum, wer die längeren Reimketten hat. Das hat mir technisch einen extremen Vorsprung verschafft, aber irgendwann wollte ich wieder das machen, auf das ich wirklich Lust hatte. Daraufhin sind Leute zu mir gekommen, die gesagt haben “Danke, dass du diesen Track gemacht hast – dadurch habe ich erst gemerkt, dass ich nicht allein mit dem Problem bin”. Dass sich Leute damit identifizieren konnten, war quasi die Feuerfreigabe für mich.

Und das hat es dann auch leichter gemacht, damit raus zu gehen?
Ja, ich habe gemerkt, dass Leute das tatsächlich hören wollen und somit war der Sprung leichter, mich zu… (denkt nach) entblößen, sage ich jetzt mal ganz deppert. Weil das ist ja das, was du machst. Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich viele Dinge auf dem Album nicht gesagt habe – Themen, wo ich gemerkt habe, ich bin einfach noch nicht bereit, darüber zu reden. Weil ich es mit mir persönlich noch nicht geregelt habe.


Das ist jetzt eine Verallgemeinerung, aber Männern unter sich fällt es ja generell schwer, über psychische Probleme zu sprechen. Ist es in deinem Umfeld auch so? Hat sich in deinem Umfeld daran etwas geändert, seitdem du über diese Themen rappst?
Es war bei mir tatsächlich schon immer das einzige Sprachrohr. Früher war es mir nicht so bewusst, dass das über Rap passiert. Mittlerweile ist es mir vollkommen bewusst, dass es über Rap passiert. Gerade im Rap-Umfeld haben so viele dieselben Struggles. Die wenigsten springen über ihren Schatten und reden darüber. Vielleicht sind auch oft die Lebensumstände schuld daran. Wenn du jetzt z.B. in einer Beziehung bist und in Tracks Dinge sagst, über die du mit deinem Partner, deiner Partnerin nicht redest, dann kann es passieren, dass die Person sagt „Okay, wieso rappst du in deinem Track drüber und erzählst es mir nicht?“.


Aber da fängt es schon an, oder? Also, dass du mit deiner Beziehungsperson nicht über deine Probleme reden kannst.
Aber das ist der Stempel, den man aufgedrückt bekommt als Mann. Du darfst nicht über Gefühle reden.


Ja, aber du darfst über Gefühle rappen?
Anscheinend. Anscheinend, ja, es ist wirklich dumm. Andererseits finde ich es krass, wie easy und selbstverständlich ich mittlerweile darüber rede, dass ich in Therapie bin. Ich finde es wichtig. Und ich finde, jeder sollte zur Therapie gehen, nicht nur Leute, die ein Problem haben. Das ist so wie Wasser-Trinken. Du sollst nicht erst trinken, wenn du durstig bist, weil dann ist es schon zu spät. Es ist aber dem Patriarchat geschuldet. So fortschrittlich wir im Westen auch sind, wir laufen immer denselben Probleme nach bzw. sie laufen uns nach. Und dazu gehört auch, dass du als Mann stark sein musst und nicht weinen darfst. Das ist kompletter Schwachsinn.

Foto von Ramona Lavrincsik

Aber kannst du es bei dir persönlich festmachen – den Unterschied zwischen “Ich rappe über meine Issues” und “Ich rede mit meinen Leuten über die Issues”?
Es ist tatsächlich so, dass ich oft erst nachdem ich Tracks geschrieben habe – teilweise erst Monate nachdem ich Tracks geschrieben habe – merke, wie kaputt ich bin. Und es ist auch ein Teil vom Verarbeitungsprozess, der auf lange Sicht gesehen dazu führt, dass ich über diese Probleme reden kann. Wie das Menschen machen, die keine Musik machen? Frag mich nicht.


Macht es für dich einen Unterschied, zu schreiben, wenn es dir schlecht geht und zu schreiben, wenn es dir gut geht?
Es geht beides. Es ist, glaube ich, ehrlicher, wenn es mir scheiße geht. Z.B. „Insania“ habe ich in einer Zeit geschrieben, wo ich komplett am Arsch war. Ich bin damals auch zum ersten Mal zum Arzt gegangen und habe gesagt “Mit mir stimmt etwas nicht.” Der Arzt hat dann gesagt, dass ich erste Anzeichen von einem Burnout habe. Und in der Zeit ist der Track entstanden. Ich schreibe aber genauso gern Tracks, wenn ich gut drauf bin – dann sind es meistens Tracks, die live ballern und für die Performance gut sind.


Das heißt, du hast auch ein ähnliches Level an Produktivität?
Meine Stimmung schränkt mich nicht zwingend in meiner Produktivität ein. Es wird wie gesagt einfach nur ehrlicher. Man muss aber auch dazu sagen, du begibst dich da schon in Tiefen. Mir ist dann bei einer Session sehr wohl bewusst, dass es mir richtig scheiße gehen wird, wenn ich ein bestimmtes Thema aufmache. So in die Richtung “Wenn ich da jetzt weiterschreibe, wird es mir wahrscheinlich noch beschissener gehen.” Das ist der bittere Beigeschmack, aber es gehört halt irgendwie dazu.


Nimmst du in Kauf für die Kunst.
Alles für die Kunst.

Soundtechnisch hast du dich vom Balkan zumindest temporär abgewendet. War das eine bewusste Entscheidung?
Jein. Ich wollte nicht zwanghaft den Jugo raushängen lassen. Das Thema war schon präsent, aber ich wollte nicht etwas reinzuquetschen, was nicht notwendig ist. Es ist einfach nicht passiert – wäre es nötig gewesen, hätte ich es zugelassen und gesagt “Okay, das hat seine Daseinsberechtigung am Album.” Und ich habe ja auch bewusst alles umgeschmissen mit dem Album. Nach „Balkanski“ und „Jebiga“ konnte ich das erste Mal meine Zielgruppe eingrenzen. Ich wusste, wenn ich das Album jetzt so mache, verbrenne ich alles wieder. Hat auch Spaß gemacht – weil so konnte man was Neues starten.

See Also


Wie ist es soundtechnisch zu dem Bild gekommen auf dem Album?
Die ersten fertigen Tracks waren sehr Rap-lastig. Bei der Mitte vom Album habe ich gemerkt, dass ich etwas anderes brauche – und das war dann auch eine kurze Schaffenskrise. Es musste definitiv etwas anderes passieren. Nicht nur, weil es die Norm verlangt, sondern weil mir bewusst geworden ist: Du willst etwas anderes. Und ab dann habe ich einfach auf alles geschissen.


Das heißt, du hast keine Lust mehr auf die Rap-lastigen Tracks gehabt und hast nach etwas anderem gesucht?
Ich habe nach etwas anderem gesucht, aber ich wusste nicht wonach. Eine Zeitlang hatte ich dann einfach gar keinen Bock mehr – weder auf das, was ich bisher gemacht habe, noch darauf, etwas Neues zu finden. Aber irgendwann ist der Knoten aufgegangen.


Diese Club Sounds am Album – ist es das, was du dann gefunden hast? Oder ist das etwas, was du persönlich viel hörst?
Ich höre persönlich extrem wenig Deutsch-Rap, weil ich mir die Texte einfach nicht mehr geben kann. Ich höre mehr Jugo-Rap – und daher kommen auch diese elektronischen, schnelleren Einflüsse. Ich sage jetzt nicht, dass das ein extrem bewusster Prozess war. Es ist einfach passiert. Im Nachhinein ist es einem schon bewusst, woher es kommt. Es war auf jeden Fall der Balkan-Einfluss.

Es war also eine bewusste Entscheidung, etwas zu suchen, worauf du Bock hast und nicht die Überlegung in Richtung “Okay, ich brauche auf dem Album noch ein paar Tracks, die konzerttauglich sind”?
Nein. Ich habe von Anfang an mit dem Gedanken ans Konzerte-Spielen abgeschlossen. Ich war so “Hey, niemand gibt sich die Scheiße live.”. Natürlich werde ich es live spielen, aber das war einer meiner ersten Gedanken – wenn ich ein deepes Album mache, dann weiß ich was ich da mache und auf Konzerttauglichkeit wert zu legen, ist da kein Ding. Wirklich nicht. Das war das erste Mal, dass ich darauf geschissen habe.


Gerade von den eingefleischten HipHop Heads wird diese Richtung kritisiert – also die Mischung von Techno und Rap, Party-Beats, etc. Kannst du das nachvollziehen?
Ich verstehe ihren Standpunkt, weil ich selbst lange so gedacht habe. Die große Wende hat ja so 2015, 2016 stattgefunden, als Autotune ins Spiel kam. Ich war damals an einem Punkt, wo ich gesagt habe “Das ist alles Bullshit. Jeder, der mit Autotune rappt, ist ein Heisl”. Ich habe dann aber begriffen, dass sich Musik eben weiterentwickelt. Wenn ich mit Musik meinen Lebensunterhalt verdienen will, dann muss ich mich damit abfinden. Ich hätte mich aber nie damit abgefunden, wenn ich keinen Zugang gefunden hätte, das weiß ich auch. Aber ich habe dann irgendwann meinen Zugang gefunden.


Ich finde, man muss sich immer überlegen, warum es in eine bestimmte Richtung geht und warum diese Richtung so viel Anklang findet. Es war damals dieselbe Diskussion mit Cloud Rap. Es ist jetzt wieder dasselbe – es wird kritisiert, aber es wird nicht hinterfragt, woher es kommt. Und ich glaube schon, dass alles was mit Clubkultur und Partymusik in Verbindung gebracht wird, etwas mit Realitätsflucht zu tun hat und dass die junge Generation das gerade auch braucht irgendwie.
Ja, sowas von. Und dann ist eben die Frage – stellst du dich einfach komplett dagegen und wehrst das ab? Wir sind ja auch Teil davon und so wie du sagst, es hat ja einen Grund, warum die Leute das gut finden. Bei mir war es so, als ich begonnen habe, mit Autotune zu arbeiten, habe ich mich wieder gefühlt wie mit 15. Und das Gefühl hat seitdem nicht mehr aufgehört. Ich habe wirklich wieder richtig Bock, Musik zu machen. Aber eben erst, seitdem ich diese Entwicklung akzeptiert habe.

Wie war es für dich dann, all diese Tracks, die ja in unterschiedlichen Zeiträumen entstanden sind, auf ein Album zu packen und nebeneinander zu hören?
Als ich mich in die schnellere Richtung begeben habe, habe ich kurz gedacht, dass das alles nicht mehr zusammenpassen könnte. Mein Umfeld hat mir dabei geholfen zu sehen, dass es ein Gesamtpaket ist. Auch wenn es vom Soundbild her sehr unterschiedlich ist. Es ist schwierig, das große Ganze zu sehen, wenn du mittendrin bist.