I'm putting pistols in faces at random places. Free LX!
Drei vermenschlichte Hühner brechen gemeinsam mit dem Star der Rotkäppchensaga aus dem Zoo aus, um in der im gelobten Land gelegenen Seestadt ein neues Leben anzufangen“ – so beginnt die Beschreibung der „Tiere sind cool“-EP. Die Urversöhnung zwischen Huhn und Wolf fand schon auf der „Nicht alles was Flügel hat fliegt„-LP statt. Der nächste logische Schritt ist die frisch erschienene EP von Huhnmensch und dem bösen Wolf, zusammen mit dem rappenden Produzenten Emil F. und DJ Stanley Stiffla. Über das splash! Mag wurde bereits das fette und auch vor Fett triefende Video zu „Fritteuse aus der Zukunft“ premiert – eine kleine Österreich-Tour findet ebenfalls statt, die am 22. Juli auf dem HipHop Open abgeschlossen wird.
Die sieben straighten Boom-Bap-Tracks der EP gipfeln mit dem finalen Song „Seestadt“, der nun als The-Message-Premiere auch eine visuelle Untermalung erhält. Die Seestadt im 22. Bezirk wurde auf dem ehemaligen Flugfeld Aspern erbaut – nach Fertigstellung des Projektes sollen dort bis zu 20.000 Menschen leben und arbeiten können. Kritik am sozio-ökonomischen Strukturwandel zeigt sich zwischen den Zeilen des animalischen Rap-Kollektivs mit einem tierischen Augenzwinkern. Neben dem Kriminalroman „Seestadt“ von Fritz Lehner hat selbige nun auch einen Titel-Track mit authentischer Bildwelt.
Fotos: Niko Havranek
Interview: Wanja Bierbaum
The Message: Wenn ihr an das Mixery Raw Deluxe Battle 2001 im Wiener WUK zurückdenkt – hat sich die Wiener HipHop-Szene in euren Augen drastisch verändert?
Stanley Stiffla: Die Szene ist viel breiter Geworden – nicht nur in Wien, in ganz Österreich kannst du dir jetzt rauspicken, was du wirklich magst, weil es von Mundart bis Cloud-Rap – ich will es eigentlich nicht so nennen – alles gibt. Das gab es früher nicht! Diese Stadt-Szene an sich gibt es meiner Meinung nach nicht wirklich. Es macht jeder sein Ding mit seinen Leuten.
Emil F.: Zumindest in Wien. Wir haben aber auch nie wirklich viel mit einer „Szene“ zu tun gehabt.
Huhnmensch: Was sich wirklich getan hat, ist das Einbaumöbel – das gab es damals noch nicht. Und allein dadurch hat sich ur viel getan und eine Möglichkeit aufgetan, wo man freestylen kann. Als wir noch ganz jung waren, gab es das Atrium. Das war immer unsere erste Anlaufstelle.
Stanley Stiffla: Da kannten wir den Bösen Wolf noch lange nicht. (lacht) Damals hat er noch Metal gemacht.
Huhnmensch: Wir würden uns durch das Möbel ja gar nicht kennen. Möglicherweise.
Ihr tourt, spielt am HipHop-Open und wart der Opener für Sendemast im Rahmen der Veranstaltungs-Reihe Fear le Funk. Appletree zum Beispiel nutzt seine Arbeit als Artist und als Booker, um an beiden Seiten von der jeweils anderen zu profitieren – ein legitimer Schritt, gerade in Österreich. Stanley, du als Booker und tragender Teil von Fear Le Funk – wie entscheidest du, wann ein Booking für Huhnmensch durch Fear Le Funk passend ist?
Stanley Stiffla: Fear Le Funk gibt es seit fünf Jahren und Huhnmensch hat drei Mal in diesem Rahmen gespielt. Mir ist es sehr wichtig, dass das getrennt ist – wenn es sich anbietet, spielen wir. Ich kann es dann doppelt genießen – als Veranstalter und als Huhnmensch-DJ, wie zum Beispiel im Porgy & Bess bei Apollo Brown und Ras Kass.
Emil F.: Wenn man nur auf den eigenen Partys spielt, ist das schon ein bisschen whack.
Huhnmensch: Wir sind auch billig für ihn. (zeigt auf Stanley und lacht)
Neben den Freestyle-Sessions im Einbaumöbel gibt es auch das „Dreistil“-Battle im Loft. Man spürt eine leichte Anspannung zwischen den Lagern – warum lassen sich die beiden Rap-Veranstaltungen nicht so gut vereinen?
Huhnmensch: Also ich habe kein Battle mitbekommen. Der Wolf hat das sogar einmal gewonnen!
Böser Wolf: Es ist cool, dass die das auf die Beine gestellt haben. Das Konzept ist ur modern und das ist auch ein eigener Skill, aber ich fühl mich in der Szene dort nicht so zuhause.
Huhnmensch: Da gibt es auch wenig Schnittpunkte, weil das was ganz anderes ist. In Wirklichkeit sind im Möbel Leute die trinken, rauchen und freesylen. Dort gibt es ein durchstrukturiertes Programm.
Stanley Stiffla: Das Möbel war immer als Freiraum gedacht, ohne Eintritt – bis vor der Registrierungskassen-Pflicht gab es noch Getränke an der Bar.
Böser Wolf: Oder du bringst dein Bier einfach selber mit! Ich finde Freestyles einfach spannender, mit Beat – alles ein wenig kollegialer statt lauter Disziplinen. Da gibt es Leute, die Rappen ihr A-cappella-Ding, aber können keine drei Zeilen über einen Beat rappen. Es ist aber natürlich schon cool, dass da was passiert.
Emil F.: So Battles eignen sich halt besser für die Verbreitung auf YouTube. Die Freestyles hier leben vom Moment.
Huhnmensch: Ich würde mir auch nie auf YouTube eine Einbaumöbel-Session anhören. Ich bin gerne einfach dabei.
In Österreich gibt es eher partielle HipHop-Szenen – zum Beispiel der Hanuschplatzflow, die Eastbloks oder die Wienzeile. Habt ihr das Gefühl, dass durch mehr Zusammenarbeit innerhalb Österreichs die Szene mehr florieren könnte?
Stanley Stiffla: Ja, das kann ich so unterschreiben. Diese „große gemeinsame“ Szene hat es in Wien so nie gegeben. Jeder hat sein Ding gemacht – in einer Zwei-Millionen-Stadt auch kein Wunder, dass nicht alle zusammen aufwachsen. Das ist auch nichts Verwerfliches. In der Veranstalter-Ecke versuchen wir, dass wir uns nicht gegenseitig die Termine wegbuchen. Das funktioniert ganz gut zurzeit. Durchs Reden kommen die Leut‘ zamm.
Emil F.: Das Unity-Ding – zumindest was die Musik betrifft – war schon immer ein romantisches Klischee. Letztlich macht jeder seinen eigenen Sound, dadurch klingt es auch individuell und von den anderen losgelöst.
Fehlt in Österreich dazu die mediale Plattform?
Stanley Stiffla: Nun, es gibt Tribe Vibes auf FM4 und The Message – und das war’s dann im Wesentlichen auch. Die breiteren Medien klammern das Thema weitgehend aus. Vice und Noisey geben sich schon auch ein bisschen Mühe – auch wenn das nicht so wirklich mein Wahl-Medium ist. Oft wird einfach über klamaukigere Sachen wie Money Boy berichtet, was Schlagzeilen bringt.
Huhnmensch: Weil er fresh ist!
Stanley Stiffla: Sonst noch über Nazar – die Leute, die für Ö3 relevant sind.
Böser Wolf: Der wü’s auf jeden Fall. Van der Bellen hat gesagt, dass er ein guter Rapper ist.
Die „Tiere sind cool“-Scheibe ist am 25. Mai erschienen. Mal ganz grundlegend: Woher kommt die Faszination für die Tierwelt?
Böser Wolf: Eigentlich war es Zufall, dass sich der Böse Wolf und das Huhn getroffen haben. (lacht)
Emil F.: Es musste einfach mal gesagt werden, dass Tiere cool sind!
Stanley Stiffla: Nur mit Katzen-Videos auf Facebook ist das eben nicht getan. Deswegen muss es diese Platte geben.
Warum kommen denn nicht mehr Releases aus dem Einbaumöbel-Umfeld? Potential wäre ja gegeben.
Böser Wolf: Freestylen und einen Text schreiben ist einfach ein Riesen-Unterschied. Es gibt Leute, die können das eine und es gibt welche, die können das andere. Es ist einfach mehr so ein Session-Ding im Möbel. Vieles wurde nicht so wahrgenommen und ist irgendwo zwischen „Ich mach was“ und dem Alltag steckengeblieben.
Huhnmensch: Da ist gar nicht das Ziel, mit einer Platte berühmt zu werden.
Emil F.: Da zählt mehr der Spaß.
Stanley, du engagierst dich politisch bei „Wien anders“. Wenn das Interview rauskommt, ist die Wahl schon vorbei – wie sieht für dich Österreich mit einem blauen Bundespräsidenten aus?
Huhnmensch: Klar, ein bisschen zach – aber ich würde trotzdem in die Arbeit gehen und Songs schreiben.
Stanley Stiffla: Wenn er Präsident wird, nur dann, weil die Großparteien kollektiv versagt haben – in so ziemlich allen Bereichen. Einen anderen Grund kann ich mir rational nicht erklären. Die FPÖ ist zurzeit einfach die Protest-Partei, bei der viele Menschen das Gefühl haben, dass sie etwas verändern können. Eine linke Protest-Partei gibt’s nicht – leider! Die Grünen sind für mich eine bürgerlich-linke Partei, insofern sind sie auch eine Partei, die das System erhalten will. Ich bin dagegen, die Menschen, die die FPÖ wählen, als dumm zu bezeichnen – aber manchmal erwisch‘ ich mich selbst dabei.
Bist du der Meinung, dass die fehlende Aufarbeitung der NS-Zeit mit hineinspielt?
Stanley Stiffla: Davon bin ich überzeugt! Österreich hat es sich leicht gemacht in der Geschichtsaufarbeitung, weil man sich als Opfer dargestellt hat. In der Unterstufe hast du ein paar Stunden, wo man das ein bisschen erklärt bekommt. Aber dass dort viele Österreicher federführend waren, das muss man sich selbst erarbeiten. Das ist sicher ein Grund, dass es eine rechts-populistische Partei bei uns einfach hat, trotz den Dingen, die in der Vergangenheit geschehen sind.
Was wäre denn ein politisch sinnvoller Schritt aus eurer Sicht?
Emil F.: Tiere sind cool! (alle lachen)
Huhnmensch: Man sieht nach den Wahlen, dass das viel mit der Bildung zusammenhängt.
Stanley Stiffla: Die urbanen Bereiche wählen eher nicht Norbert Hofer. Gerade am Land, wo ich unterstelle, dass die Probleme nicht so gravierend sein können wie in der Stadt, haben die Menschen am meisten Probleme mit der Flüchtlings-Thematik. Wie man dagegensteuern kann, ist die Frage.
DemoLux, P.tah, Con, Mirac und Kid Pex zum Beispiel haben sich auch musikalisch für Alexander Van Der Bellen geäußert. Wie steht ihr – vor allem in Anbetracht der Wahl – zu politischem Rap?
Emil F.: In erster Linie geht es um die Musik. Ich halte für meinen Teil nichts davon, unsere Musik politisch zu machen. Jeder kann rappen, über was er will.
Stanley Stiffla: So was kann man machen – für mich persönlich wäre der Sinn dahinter, die Menschen zu erreichen, die auf Politik scheißen, aber HipHop feiern. Im Endeffekt bleibt es ein Statement. Ich komme aber auch mit keinen Blau-Wählern in Kontakt – in Wien wird es vielen so gehen, weil das einfach eine andere Gesellschaftsebene ist.
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