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„Ein vertontes Besäufnis“ // Huhnmensch & Alesh the 3st Interview

„Ein vertontes Besäufnis“ // Huhnmensch & Alesh the 3st Interview

Huhnmensch

Ausgestattet mit neu angeschafften Hühnermasken, begrüßen uns Huhnmensch und Alesh the 3st in ihrem Habitat, der Wunder-Bar. Wir treffen die beiden im Wiener Innenstadtlokal, um bei einem Bier über das neu erschienene „Promille Tape“ zu plaudern, bei der Alesh the 3st die meisten Beats beigesteurt hat – im Gegensatz zu den vorigen Releases, die der Rapper zusammen mit Stanley Stiffla und Emil F. unter dem Crewnamen Huhnmensch veröffentlicht hat. Während immer wieder schaulustige Passanten grinsend durchs Fenster blicken, unterhalten wir uns über feuchtfröhliche Aufnahme-Sessions, das Dahinvegetieren, Kamp’sche Einflüsse, Hühnerbilder an der Wand und das Verzehren von halben Artgenossen.

Huhnmensch
Fotos: Moritz Nachtschatt

The Message: Es ist schon paar Mal durchgesickert, dass ihr gerne in der Wunder-Bar hängt. Was verbindet ihr mit ihr? Ist sie euer Stammlokal?
Huhnmensch:
Das war sie vor allem in der Teenie-Zeit. Emil F. war in der Stubenbastei, viele Kellnerinnen waren derselbe Jahrgang. Wir sind hier hergekommen, weil es immer sehr chillig war und die Schule ums Eck war.

Gibt es zur Wunder-Bar auch einen musikalischen Bezug, oder ist das strikt vom alkoholischen Leben getrennt?
Huhnmensch:
Nein, das ist strikt nicht getrennt. Gerade wir zwei haben hier vor vielen Jahren schon Freestyle-Sessions abgeliefert. Sie haben quasi die Sounds übernommen und unsere Beats gespielt. Es waren alles Sachen, die hier gingen.
Alesh the 3st: Der hausinterne Produzent von Huhnmensch ist natürlich Emil F., aber ich bin sein Saufbruder!

Sind die Texte vom „Promille Tape“ auch allesamt beim Tschechern entstanden?
Huhnmensch:
Es haben sich über die Monate paar Tracks angesammelt, wie es öfters ist. Ich habe dann versucht, irgendeinen roten Faden zu finden. Die Texte sind tatsächlich alle alkoholisiert entstanden – und eingerappt worden. Wir haben das durchgezogen und gedacht: Okay, so ist es zumindest irgendwie stringent.
Alesh the 3st: Deswegen machen wir auch kein Album, weil es gesundheitlich nicht zum Aushalten wäre. „Laserschwert“ war zum Beispiel ein einziges vertontes Besäufnis. Der Beat ist cool, ich habe dann schnell das Umfeld informiert, dass wir eine Session starten. Die sind gekommen und haben feuchtfröhlich recordet, die Texte sind eigentlich vor Ort geschrieben worden.
Huhnmensch: Es war wirklich bei jedem eine zuare Gschicht.
Alesh the 3st: Und sehr schnell geschrieben.

Textlich geht es bei dir ja immer um die eigene Stagnation, das Hängenbleiben und Zuschauen, was so rund um einen alles passiert …
Huhnmensch:
Hauptsächlich um nix, kann man sagen.

Das ziehst du seit deinen ersten EPs vor knapp zehn Jahren konsequent durch. Wo siehst du die größten Unterschiede, wenn du den Bogen von den ersten Releases zum „Promille Tape“ spannst?
Huhnmensch:
Hm, gute Frage. Vielleicht ist das Energetische weggefallen, die Hoffnung und diese Sachen. Jetzt ist es wirklich reines Beobachten vom Dahinvegetieren der Gesellschaft, des Planeten und von mir selber. Damals war noch der Gedanke da, dass man ein Thema kickt, eine Message raushaut. Von dem habe ich mich über die Jahre ziemlich befreit (lacht).

Du hast ja eine Vergangenheit als Freestyle-Rapper. Basiert bei denen Tracks viel auf Freestyles, die du dann ausbaust, oder setzt du dich eher mit einem Stift und Papier hin?
Huhnmensch:
Ich habe eine Art Routine – einen Vollzeitjob im Museum, dann komme ich nach Hause, checke mir mein Essen, drehe Beats auf und habe dann immer dieses leere Blatt vor mir. Die meiste Zeit passiert gar nichts und ich mache es nach zwei wieder zu, weil ich mir denke, dass es heute nichts wird. Manchmal habe ich schon in der Hackn eine Idee, oft ist der Ursprung irgendein Rhyme und hin und wieder gelingt was. Aber es gibt de facto nichts mehr aus Freestyles.
Alesh the 3st: Wir sammeln laufend und es passiert auch nüchtern, dass wir in einer Chatgruppe Reime und Songideen austauschen. Gute Sachen bleiben dann sowieso hängen.

Früher hast du auch immer wieder bei Battles mitgemacht. Wann hat sich das aufgehört?
Huhnmensch:
Aufgehört haben wir eigentlich nie. Sobald keiner hinschaut, freestylen wir eh (lacht). Aber es war nie eine Ambition von mir, kompetitiv zu battlen. Es waren einfach Partys, wo ich dabei war und es sich ergeben hat, weil wer abgesagt hat oder es Gratis-Eintritt gegeben hat. Ich habe hohen Respekt vor diesen DLTLLY-Dudes, die das so durchziehen. Das schaue ich mir schön chillig im Internet an, ist ja recht lustig. Aber jedes Mal denke ich mir: Wie kann man sich es antun, sich monatelang mit einem Spasten zu beschäftigen für irgendein Live-Ding ohne Beat und ohne musikalischen Anspruch?
Alesh the 3st: Gibt’s eh auch mit Beat.
Huhnmensch: Ja, wäre trotzdem nichts für mich.

Wie steht es eigentlich um die Sessions im Einbaumöbel?
Huhnmensch:
Ab einer gewissen Zeit waren die Einbaumöbel-Sessions nicht mehr wirklich da, quasi nicht mehr von den Gründervätern. Dann habe ich das Interesse verloren. Es gab eine Zeit, da war das mega leiwand. Vor zehn jahren war ich jede Woche stundenlang dort. Man wird natürlich auch älter und hat keine Zeit mehr. Die Gründerväter sind erwachsen geworden und haben Kinder gekriegt, da kannst du nicht mehr bis fünf in der Früh bum zua auf lauter Bum-Zua-Leute aufpassen. Es sind halt keine anderen in die Bresche gesprungen.
Alesh the 3st: Aber es ist nicht aussichtslos.
Huhnmensch: Nein, es ist immer noch möglich.

Huhnmensch

Ich habe mich immer wieder gefragt, wo dein Künstlername herkommt. Von deiner Hendlbrust?
Huhnmensch:
Stiffla meint, dass das gar nicht stimmt und ich mir das über die Jahre zusammengedichtet habe. Ich glaube, dass ein Freund mal gesagt hat, dass ich mich wie ein Huhn bewege. Aber dann auch wieder wie Mensch, quasi wie ein Huhnmensch. Dieses Wort ist irgendwie so eklig und reibt sich an allem, dass es mir gefallen hat. Es ist nicht schön und klingt nicht gut.
Alesh the 3st: Er macht auch Huhngeräusche, wenn man genau hinhört. Vor allem bei den Adlibs.
Huhnmensch: Irgendwas hat dieses Tier mit mir.
Alesh the 3st: Man muss sich eine Back-up-Spur solo anhören, dann weiß man Bescheid.
Huhnmensch: Mach’s nicht!

Da muss ich an die „Trottelspur von Kamp denken.
Huhnmensch:
Ein guter Begriff, der passt.

Generell fallen bei deinen Tracks einige Parallelen zu Kamp auf. Wie groß war sein Einfluss?
Huhnmensch:
Ich bin voll inspiriert von ihm gewesen. Er war ein, zwei Jahre älter, immer ur dope und hat immer genau den Rap gemacht, den ich cool finde. Ich habe den Vergleich schon oft gehört. „Das ist ur kampig‘ und solche Kommentare höre ich auch intern oft.
Alesh the 3st: Man muss aufpassen, dass man seinen eigenen Stil findet und beibehält, wenn man so richtig Fan ist.
Huhnmensch: Ich habe mir schon oft gedacht: Ok, das ist melodisch und strukturiert, zwei Zeilen, alles Wort-Wort-Reime. Dann rappe ich es ur stolz in der Gang vor und Lesh so: ‚Kamp nicht so rum!‘

Gab es auch weitere Rapper, die du viel gehört hast und von denen du dich inspiriert siehst?
Huhnmensch:
Das ist bei mir recht schnell erzählt. Es sind vor allem die, die wie ich jetzt 34, 35 Jahre alt sind. Ich glaube, das war bei uns allen recht ähnlich. Es hat mit Texta und Blumentopf begonnen, dann kamen die Releases aus Hamburg – Eins Zwo und „Bambule“ –, dann waren wir eh schon hooked. Ami-Zeug kam bei mir erst nach Deutschrap. Stiffla war dagegen voll der Snoop-Dogg-Dude (lacht).

Alesh, wie produzierst du? Alles samplebasiert?
Alesh the 3st:
Mit Cubase und sehr, ja. Aber ich gehe nicht mehr diggen und mache es quantativ, sondern sample am liebsten irgendwelche Hawara, die Bands haben. Ich habe zig Probemitschnitte abgespeichert. Das kann man dann direkt an der Bar klären (lacht).
Huhnmensch: Wollen wir über Ella Guru reden?
Alesh the 3st: Wir haben sehr oft eine Blues-Band namens Ella Guru gefeaturt, die es in dieser Form nicht mehr gibt. Wir sind aber langsam durch mit ihnen. „Laserschwert“ vom neuen Tape ist zum Beispiel noch so eine Band-Geschichte. „Heast Hawara“ und „Stadtkind“ auch.
Huhnmensch: Wir wollten doch jede Antwort mit ‚Heast Hawara‘ beginnen, jetzt haben wir das kein einziges Mal gemacht!
Alesh the 3st: Hawara heast!

Huhnmensch

Huhnmensch, auf deinem Instagram-Profil stellst du ausschließlich Bilder unter dem Hashtag #hühnerbilderanderwand rein. Mittlerweile ist diese Sammlung auf rund 250 angewachsen. Wie bist du zur Idee gekommen?
Huhnmensch:
Heast Hawara, es war ganz komisch. Ich habe im Museum, in dem ich arbeite, viele Hühnerbilder gesehen. Ich habe mir gedacht, dass das cool ist und habe sie paar Mal abfotografiert. Dann war es eigentlich als Kritik an Social Media geplant. Alle machen ihr Ding, ich mache nur Hühnerbilder – quasi eine Antihaltung. Es hat sich dann voll zum Hobby entwickelt. Ich freue mich voll, wenn ich irgendwo ein Huhn sehe – eine Hühnerjagd, ohne dass Hühner sterben.

Schaust du mittlerweile fast mehr auf die Wände als auf die Straße, damit du ja keines verpasst?
Huhnmensch:
Heast Hawara, das passiert von selbst. Ich hatte die Idee und vorher noch nie wo ein Hühnerbild gesehen. Ich habe mir gedacht, dass es vielleicht 15 geben wird, bis der Schmäh ausgereizt und der Account tot ist. Aber man ist dann automatisch aufmerksam und checkt, dass sie überall sind.

See Also

Machst du die alle selbst oder kriegst du auch welche zugeschickt?
Huhnmensch:
Heast Hawara, ich mache sie schon selbst, kriege mittlerweile aber auch Hühnerbilder als Fanpost (lacht). Ich habe meine eigenen Kriterien, also es soll kein echtes, gekochtes oder getötetes Huhn sein. Das checken manche nicht und schicken mir dann irgendwelche Bilder, die ich alle nicht verwenden kann. Aber die geilen kommen alle rauf.

Wie fühlt es sich an, als Huhnmensch Tiere zu fressen? Siehst du dich als Halbkannibalen?
Huhnmensch:
Heast Hawara, das ist schon gut, hin und wieder so ein McChicken-Menü.
Alesh the 3st:
Heast Hawara, das geht nimma!
Huhnmensch:
Geht nimma? Okay, cut, den Mäckinger können wir nicht supporten. Lieber Döninger!

Aus Prinzip Huhn, oder?
Huhnmensch: Heast Hawara, nein. Also ich schaue mir immer die zwei an, was fresher aussieht. Ein Tipp für alle anderen Menschen da draußen: Schaut’s immer, wo was auf der Schaufel liegt und nehmt’s den anderen! Nie den Schaufeldöner.

Wie ist dein Verhältnis zu Artgenossen im Musikbusiness? Gab es schon Revierkämpfe mit Kollegen wie DJ Hendl oder Brock Berrigan?
Huhnmensch:
Heast Hawara, Hendl ist ein super Mensch! Der studiert glaube ich gerade in Schweden und hat sich irgendwann das Bein gebrochen. Ich wünsche ihm gute Besserung und viel Hühnerliebe.

Huhnmensch

Nochmal zurück zum „Promille Tape“: Am Tisch steht ein Schnapsflascherl, das als Gimmick zur EP erhältlich ist. Wie kam es zur Idee, dass ihr selbst was brennt? Und was ist drinnen?
Huhnmensch:
Heast Hawara, es steht nicht drauf und wird auch nicht verraten, das darf dann jeder selber probieren. Es passt halt und ist eine naheliegende Idee. Es bricht sicher einige Gesetze, aber ich glaube, wir sind so klein, dass es wuascht ist und einfach nur ein Gag ist. Wenn das ein RAF Camora macht, schaut’s wohl anders aus, aber bei uns ist das unterm Radar.

Heute präsentiert ihr die EP erstmals live – im Rahmen der ersten Ausgabe der von Heiße Luft organsierten Veranstaltungsreihe „Heiße Nächte„. Habt ihr noch eine Botschaft an die Besucher, die heute ins B72 schauen?
Huhnmensch:
Heast Hawara, sie sollen auf jeden Fall viel trinken, am besten schon vorher. Wir werden auch fett sein. Vielleicht haben sie selber mehr Spaß, wenn sie auch fett sind. Es wird eine sehr lange Show, wir spielen mindestens 20 Tracks und schauen, wie dann die Energie ist. Es kann doch einiges weitergehen. Es sind auch einige KaKa-Freunde dabei, der Pool ist riesig.