Now Reading
"Ich finde schon, dass ich ganz gut rappen kann!" – Casper Interview

"Ich finde schon, dass ich ganz gut rappen kann!" – Casper Interview

15 Minuten Zeit, ein aufgedrehter Casper und wir. Zur Begrüßung ein schüchternes „Hi, ich bin Benni.“ und beim Abschied ein charmanter Knicks und: „Es war mir ein inneres Blumenpflücken“.
Casper-Interview-Alexander-Gotter-feature

 

Statt ein hektisches Interview in der viel zu knappen Zeit zu führen, verbrachten wir die ersten 5 Minuten damit, mit Casper seine revolutionären Poetry Slam Idee zu diskutieren, bei der er afrikanische Frauen mit Bongos auf die Bühne holt und sowas sagt wie: „Donner. Grollen. Aber dann Schock! Stress! Trauma! Panik! Stille.“. Weiter ging es mit Sofafürzen, die keine waren und imaginäre Zaunpfähle unsererseits, die neben ihm einzuprasseln schienen.

Wir hätten gerne noch eine Weile so weitergemacht, aber aufgrund von Zeitmangel kam es dann zu den vorbereiteten Fragen. Casper erzählte selbstkritisch über die ersten Gehversuche seiner Band und warum er professionelle Musiker ablehnt, über eine „halbe Mille“ Klicks innerhalb weniger Monate auf seiner Facebook Seite und von gefrorenen Schuhbändern in der Nähe der Zugspitze.

Interview: Ana-Theresa Ryue, Alexander Gotter
Foto: Alexander Gotter

Du kommst ja ursprünglich aus der Hardcore Szene, siehst du Gemeinsamkeiten bei HipHop  und Hardcore?

Ich glaube tatsächlich, dass es das in den Anfängen gab. Da gab es einen Do-it-yourself-Gedanken, man hat selbst Konzerte oder Jams veranstaltet und man hat sich gegenseitig connected und das lief auf so eine Buschfunk Underground Art, wie es im Hardcore immer noch ist. Es gibt dort immer noch eigene kleine Vertriebe, außerhalb von großen Strukturen. Jetzt ist Hiphop anders. Aber die frühere Mentalität hat schon Gemeinsamkeiten. Es war ja am Anfang schon so ein großes gegen Rechts, weitläufiger denken, sich Gedanken um sich selbst und die Umwelt machen. Das ist jetzt natürlich etwas gespalten, aber ansonsten in den Grundzügen sehe ich das schon. Aber dann wiederum: ich bin ja auch alt.

Du bist nicht nur alt, du bist auch, wie du gesagt hast, kein Fan von Crossover, aber du meintest:  Wenn man es richtig gut macht, kann es geil sein. Hast du was vor in diese Richtung?

Ne, gerade momentan mache ich ganz andere Musik. Wir arbeiten an einer neuen Platte und die wird so ein bisschen weltmusikig, kann man schon fast sagen. So eine Mischung aus Kanye West x Nick Cave x Tom Waits x Sizarr x Animal Collective. Es wird großartig! Aber wenn ich im Nachhinein die XOXO Platte höre, find ich die dann trotzdem noch zu gitarrig, es war eigentlich filigraner gedacht. Ich finde die Platte auch immer noch gut, aber das ist wie wenn man sich Bilder von sich von vor zwei Jahren anschaut, dann findet man das man auf zwei, drei Bildern gut aussieht und beim Rest denkt man sich „was hab ich mir dabei gedacht“.

Das Video zu Halbe Mille ist ein sehr selbstironisches geworden. Wolltest du damit mit dem Hipster-Ding aufräumen, indem du es auf die Schippe nimmst?

Mich hat das einfach so ein bisschen genervt: zuerst war es Emo-Kack, dann Hipster-Kack, dann war’s dies, dann war’s das. Und alle haben sich das Maul drüber zerrissen. Ich dachte die ganze Zeit immer so: „aber ich finde schon, dass ich ganz gut rappen kann“. Das ist vielleicht auf dem letzten Album nicht so gezeigt worden, weil es mir nicht wichtig war den Technik-Hammer auszupacken. Und dann haben wir aus Spaß Halbe Mille gemacht, was ich im Tourbus geschrieben habe. Und ich hab ja immer so einen Filmer dabei und mit dem haben wir an zwei Festivals an einem Wochenende das Video gedreht. Ich hätte dann auch nicht gedacht, dass es so gefällt. Ich hätte danach gerne eine EP gemacht, aber dann dachte ich das ja auch Quatsch.

Warum kam die nicht? Wäre die dann in die Down-South Richtung gegangen?

Ja, ich war ja auch betrunken, als ich den Text geschrieben habe. Ich liebe diese ganzen Down-South und Trap Sachen. Wobei sich diese ganze Trap Musik auch schon wieder abnutzt. Ich weiß nicht, wie die Leute das sehen, aber ich bin z.B. ein sehr sehr großer Kanye West Fan, ein Künstler der immer wieder die Grenzen verschiebt, der sehr filigrane, progressive Musik macht, die letzte Platte war für mich eine der besten Platten aller Zeiten. Und dann macht er momentan so richtig stumpfes, dummes Zeug, das ich trotzdem irgendwie feier. Aber ich möchte das bei mir nicht haben, dass die Leute sagen „da war er aber in seiner blabla-Phase“, „ne find ich kacke“, „aber hast du seine Spanien-Phase gehört“, „seine Bielefeld-Phase war ein bisschen schwierig, aber die Berlin-Phase ist super“. Ich liebe ja Künstler, die 50 Alben haben, wie Bob Dylan. Wo man dann sagt „Dylan geht nicht“, „aber kennst du seine Memphis-Phase, die ist schon so ein bisschen bluesy“.

2011 hast du für mehr Unbekümmertheit plädiert. Kannst du bei deinem Hype noch unbekümmert sein?

Als 2011 alles los ging und es so groß wurde und dieser Hype da war, da war es tatsächlich so, dass in der Zeit, wo die halbe Welt dachte ich hab gerade den Spaß meine Lebens, ich vielmehr die ganze Zeit gestresst war. Ich litt unter akuter Panik und Schlafmangel, weil ich nicht wusste was da passiert. Im Januar hatte ich vielleicht 20.000 Facebook Likes und dann innerhalb von zwei Monaten ne halbe Million. Und erst jetzt bin ich locker, wo das Gröbste durchgearbeitet ist. Ein Jahr haben wir immer in kleinen Läden gespielt, was ich gut kannte, und plötzlich wurden die größer und größer.

Du hast dich auf Twitter über das Salzburger Nachtleben beschwert?

salzburger nachtleben casper tweet

Ich habe mich nicht übers Salzburger Nachtleben beschwert, ich habe gesagt: das ist absurd! Ich habe dort Dinge gesehen die ich sehr lange nicht gesehen habe. Ich weiß ja nicht wie Salzburg in der österreichischen Wahrnehmung positioniert wird, aber diese Partymeile dort hat ja etwas sehr Ballermanneskes. Es war verrückt.

Du hast XOXO im Beatlefield Studio Krabbe (Berlin Kreuzberg) aufgenommen, jetzt nimmt dort Gerard aus Wien auf. Wie ist euer Verhältnis?

Ich hab den Gerard über die letzten Jahre immer öfter getroffen, aber wir haben noch keine Musik zusammen gemacht. Ich finde er ist ein sehr cooler Typ und ich hab schon ein paar Sachen von seiner neuen Platte gehört und glaube die wird richtig, richtig großartig. Ich halte ihn für einen sehr spannenden Newcomer, nicht nur für Österreich, sondern für die deutschsprachige HipHop-Szene allgemein.

See Also
(c) Philip Pesic

Deine Texte erzeugen bei mir sofort Bilder im Kopf. Wie schreibst du solche Texte? Streichst du die unnötigen Wörter weg und lässt das Bildhafte stehen?

Es wird mir oft gesagt, dass ich Sachen so schreibe, wie man sie eigentlich nicht sagen würde. Aber ich würde das genau so sagen. Vielleicht hab ich einen Hang zum Pathos, aber ich finde Sätze mit zu viel „ich, du, und, aber“ doof, denn man kann das oft weglassen. Man muss ja nicht jede Zeile Anfangen mit „Und dann bin ich da hingegangen und dann waren wir da, aber…“ – man kann das alles streichen und plötzlich klingt es irrsinnig wichtig.

Also kommen die Sätze so aus dir raus?

Ja, ich würde mir einen Hang zur Dramatik nicht absprechen. Ich sitze dann so in der Bibliothek in meinem Pfeifenzimmer, lese Nietzsche und Tolstoi und fühle mich weltschwer. Nein, natürlich nicht, ich hab keine Ahnung. Aber es klingt gut und manche Tappen in meine Falle.

Bei deinem ersten großen Splash Auftritt hat sich Dein Gitarrist am Ende von Michael X ziemlich verspielt.Wie geht ihr damit um?

Und es vergeht kein Soundcheck und kein Konzert, wo der nicht Scheiße dafür frisst. Das ist unglaublich! Man muss aber auch sagen, als ich die Band gegründet hab, standen wir ein bisschen vor so einem Zwieweg. Hmm, das Wort gibt’s gar nicht. Naja, also, nehm ich jetzt professionelle Musiker? Aber das fand ich irgendwie immer doof. Dann hast Du da so 40-jährige mit dem Bass hier, so weißte, oben keine Haare, aber hinten lang. Es gibt andere Rapper, die das machen, es klingt dann sehr genau und sehr sehr super, aber ich finds sehr seelenlos. Und dann hatten wir noch die Wahl, nehmen wir von meinen alten Harcore Bands irgendwelche Buddys aus Bielefeld. Und ich muss ganz ehrlich sagen, wenn ich mir Auftritte von letztem Jahr angucke… (lacht) Wir wussten sehr lange nicht so richtig, was wir tun. Aber es wird besser. Also mir gefällt das sehr. Von der ersten Tour, die wir gespielt haben, bis zur ersten Festivaltour sinds riesige Sprünge.

Wie war denn der Videodreh zu „Auf und Davon“?

Der war super. Der war kalt, aufregend, nur das blöde an der Sache war, ich hasse Schnee. Ich bin da in so ein Wasserloch reingefallen und da drin wars so kalt, als die mich rausgeholt haben, konnte man die Schnürsenkel von meinen Schuhen abbrechen. Aber wir durften halt auch vier Tage mit Huskys rumhängen, das war super. Und einer hatte zwei verschiedenfarbige Augen. Die waren total verspielt.

Warst du erkältet danach?

Ich war sehr erkältet danach. Wir haben tatsächlich immer morgens um sechs angefangen zu drehen bis abends um elf. Das war in der Nähe der Zugspitze.

Das schaut so weit weg aus.

Alles Computer, das wurde bei mir im Zimmer gedreht! Und eigentlich war ich in Unterhose und hatte ein Dosenbier in der Hand.