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Kreiml & Samurai beschwören das Untier // Review

Kreiml & Samurai beschwören das Untier // Review

Honigdachs/VÖ 15.01.2016

Das zweite Album ist immer das schwerste.“ So lautet ein ungeschriebenes Gesetz in der Musikbranche. Zwar haben Kreiml & Samurai mit der Wienzeile schon zwei Platten releast, trotzdem war der Weg zur „Rückkehr des Untiers“ ein steiniger. Ein Festplattencrash warf den Release ein bis zwei Monate zurück, die Vocals mussten alle neu aufgenommen werden. Das verhalf den beiden aber wohl, eventuelle Unfeinheiten und Imperfektionen geradezurücken. Jedenfalls konnten sich Kreiml & Samurai abermals aus den Klauen ihres Maskottchens, dem Schweinehund, befreien und ein mehr als starkes Album abliefern. Vor allem für heimische Verhältnisse. Und das ist auch das, was ihnen zum Verhängnis wird: die mittlerweile hohe Erwartungshaltung ihnen gegenüber.

Im Intro lässt Samurai seine Vergangenheit als Opernsänger (ob er auch Karten umsonst hat, wie so ein richtiger Opernsänger?) aufblitzen. Skurril, witzig, das Untier macht sich bereit zum Angriff. Raptechnisch startet das Ganze mit „Tonzschui“. Und schon an dieser Stelle werden zwei Sachen klar, die sich auch im weiteren Verlauf des Albums bewahrheiten werden. Erstens: Die beiden haben eindeutig ein Händchen für Hooks. Dass die neue Platte live einwandfrei funktionieren wird, steht außer Frage: Mitgrölfaktor 1000 Prozent. Die zweite Tatsache ist, dass auf den Tracks oft irgendwas nicht zusammenpasst. In seltenen Fällen ist es der Beat, oft passt auch die ein oder andere Strophe nicht. Wobei sie eigenständig für sich funktioniert, nur scheint es so, als ob der Hund und das Schwein sich nicht bei jedem Track 100 Prozent auf ein Konzept geeinigt hätten. Auf „Tonzschui“ rappen die zwei über ihre Vergangenheit als aufmüpfige Schüler, wobei Samurai etwas abschweift. Kreiml zieht das Thema bei seiner Strophe durch und liefert die ersten „Haymaker“ des Albums.

„Kreiml hat aus Leidenschaft Feinde zum Verzweifeln ‚bracht
Bonzen in am rosa Hemd ham‘ gegen mich ka Leiberl g’habt.“

Auch beim nächsten Track zeigt sich etwas, was auch für den Rest des Albums gilt: Die Feature-Gäste – meist aus dem Honigdachs-Lager – liefern durchwegs starke Parts. So gibt sich Monobrother auf „D.B.M.W.“ die Ehre. Auch die Jungs von Siebzig Prozent aus Graz bekommen auf „Berg Ab“ ihr verdientes Rampenlicht und DRK Poet zerberstet auf „Schweinehorn“ – wie gewohnt – einfach alles, was sich ihm in den Weg stellt. Auf selbigem Track kommt auch noch Kardinal Kaos zum Einsatz.

Die Tracks selbst sind diesmal etwas weniger konzeptuell als beim letzten „Schweinehund„-Album: weniger Storytelling, dafür umso mehr Punchlines. Und die treffen ordentlich. Was nicht heißen soll, dass das Storytelling auf „Die Rückkehr des Untiers“ ganz ausbleibt. Auf „D.B.M.W.“ nehmen Kreiml, Samurai und Monobrother zum Beispiel den Standpunkt von drei mehr oder weniger charmanten Wienern ein: der „Vorstadt-Casanova“, ein am „Applaus-hängender“ Rapper und der „Wiener Frank Sinatra“. Somit findet sich auch die ein oder andere Parallele zum „Schweinehund“-Album, auf dem die drei sich „Auf’d Nocht“ in die Rolle von drei „Fremden“ (Polizist, Würstlstandbesitzer und Taxi-Fahrer) versetzen.

I bin sche und hab an Schnee, was soll i sunst no ois mochen,
dass die Weiber bei mir öfter mit der Zung’n schnolz’n
als in unaussprechlichen Urwoldsproch’n“

Der nächste Track ist glücklicherweise der Gegenbeweis zu dem, was ich anfangs gesagt habe. Und wird bei mehrmaligen Zuhören auch im vorigen Track von Kreiml eingeleitet:

Jeder Text is a Affront, i schreib die Kündigung per SMS/
pick an zam und stell mi mit am Frühstück an mei Fensterbrett.“

Bei „Fenster“ passt einfach so gut wie alles: das wunderbar eingesetzte Julie-Driscoll-Sample, die Hook von Säbjul, das „Schweinehund“-Gegröle und die zwei durchwegs guten Strophen. Beim Hören kam mir automatisch das Bild des Voyeuristen aus „Die unabsichtliche Entführung der Elfriede Ott“ in den Kopf, der gleichzeitig auch der Erzähler der Geschichte ist. Passt ja ganz gut.

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Mit „Urlaub“ (feat. Johnny Aitsch), „Wandertag“ (ein unkomplizierter Battle-Track) und „Berg Ab“ folgen in der Mitte drei Highlights aufeinander, vor allem der Beat von „Wandertag“ bringt meinen Kopf noch immer ordentlich zum Nicken. An „Schweinehorn“ konnte ich – bis auf die DRK-Poet-Strophe – aufgrund des Beats jedoch keinen Gefallen finden. Anders ist das beim darauffolgenden „Not Operation“ (Medizin-Bars!) mit dem gewohnt starken 5Finga. Der Track ist nicht der einzige Beweis, dass Kreiml & Samurai auf ihrem Album äußerst reminiszent agieren. Allein die Beat-Wahl im mehr und mehr „trap-orientierten“-Genre könnte ein Indiz sein. Jedoch sind auch Bars wie „WZ ist der Rucksack zwischen Vollkoffern und Plaudertaschen“ (auf „Apropo“) Beweis genug, dass man sich eher an den „good ol‘ days“ orientiert. Jedoch tut man das ohne die Verbitterung vieler anderer „Backpacker“. Die Krönung dieser Würdigung der Vergangenheit stellt „Das alte Liedchen“ dar. Auch einer der Tracks, bei dem alles passt. Digga Mindz bringt sich mit seiner Strophe super ein und liefert auch den grandiosen Beat. Beendet wird „Die Rückkehr des Untiers“ passenderweise mit „Sperrstund“, welches einen würdigen Schlusspunkt setzt.

Fazit: „Die Rückkehr des Untiers“ ist ein angemessener Nachfolger für den „Schweinehund“. Auch wenn es weniger Storytelling gibt, sind die treffenden Punchlines mindestens genauso unterhaltsam. Kreiml & Samurai bzw. der Hund und das Schwein sind sich auf jeden Fall treu geblieben: Es wird gesudert, was das Zeug hält und die Suchtmittel sind das Zentrum in einem Leben, in dem das Versagen aussichtslos ist. Wahrlich ein Vortrag, mit dem sich viele Österreicher (unfreiwillig) identifizieren können. Und auch wenn die Platte noch nicht so rund klingt, wie sie könnte, und es noch Potenzial nach oben gäbe, leistet sie einen wichtigen Beitrag zur österreichischen HipHop-Kultur. 2016 könnte ein Schlüssel-Jahr für österreichischen Rap werden, wenn das mit den hochwertigen Releases nur so weitergeht. Von der garantierten Live-Tauglichkeit des Albums kann man sich übrigens am 16. Jänner in Innsbruck, am 22. Jänner in Graz, am 23. Jänner in Klagenfurt und schlussendlich am 30. Jänner im Wiener Werk X-Eldorado überzeugen.

4 von 5 Ananasse
4 von 5 Ananassen