Als er 1997 THE MESSAGE gründete, hatte er gar keine…
Manches Mal kommt es zu sogenannten Karteileichen. Leider! Vor allem wenn man in der Situation steckt, das geführte Gespräch eigentlich gedruckt bringen zu wollen und dann durch die Umstände einer „übergeordneten Macht“ umdisponieren zu müssen. So lag, aus verschiedensten Gründen, dieses Interview gute 12 Monate in den Posteingängen diverser Redakteure. Jetzt beschlossen wir es aus den Schubladen ans Licht zu holen, zumal es einiges an Aktualität besitzt.
„Grotesk“, das aktuelle Album von Texta, das auch in den österreichischen Album-Charts vertreten ist, hat die Linzer Rap-Urgesteine wieder ins Licht der Hip Hop Szene gerückt und für mediales Interesse gesorgt.
Flip, Produzent, MC und geheimes Mastermind der oberösterreichischen Crew, hat The Message anlässliche seines eigenen Album Releases „Umberto Ghetto“ vor gut einem Jahr Rede und Antwort gestanden und mit uns im ersten Teil des Interviews über seinen musikalischen Werdegang, die vorteilhafte Sturheit im österreichischen Hip Hop Universum und deren Problematik, sowie das Zustandekommen der Kooperation mit Hoanzl gesprochen.
Text: Julia Gschmeidler
Interview: Daniel Shaked
Fotos: www.danielshaked.com
Um chronologisch zu beginnen, wie war es am Ende der 80er Jahre in Linz das erste Mal mit Hip Hop in Berührung zu kommen, wenn es selbst in Wien, als der österreichische Nabel der Welt, in diesem Musikgenre schwer war an Sachen ran zu kommen?
Linz war super, die Hip Hop City! (lacht) Nein, wie so oft im Leben gibt es Zufälle, die einen zu etwas bringen und bei mir war es eine Radiosendung, die ich mit neun oder zehn Jahren gehört habe. Ich kann mich heute noch daran erinnern, dass sie mir irre getaugt hat, ohne zu wissen, worum es genau geht. Auch ein Beitrag von der damaligen ORF-Sendung „Ohne Maulkorb“, in der man gesehen hat, wie DJs cutten und BBoys breaken, hat mich schon als Kind faszniert, ohne zu wissen, was der Begriff Hip Hop überhaupt bedeutet. 1983 oder 84 hat dann ein Schulkollege von mir von seinem amerikanischen Cousin zwei Platten mitbekommen, die eine war von U.T.F.O. – „Roxanne, Roxanne“ und die andere das erste Album von den Fat Boys, wie diese gerade von The Disco Three zu den Fat Boys geworden sind und das hat mir irre getaugt. Ab dem Zeitpunkt habe ich begonnen mich für diese Musik zu interessieren. 1984 habe ich mir dann „Beat Street“ im Kino angeschaut und mir danach den Soundtrack dazu gekauft.
Wie alt warst du zu diesem Zeitpunkt?
So zehn oder elf Jahre. Der Film hat mich einfach fasziniert. Ich kann mich erinnern, dass jemand einen Cousin aus München hatte und der ist einmal nach Linz gekommen. Der hat gebreakt und wir haben mitgemacht und mit Kartons aufgelegt, das war alles so kindlich naiv. Aber das Musikalische hat mir ab dem Moment getaugt und ich habe begonnen, lokale Plättenläden in Linz zu durchstöbern, bevor ich mit dem Bus nach Hause gefahren bin. Ich bin nämlich nicht einmal in Linz aufgewachsen, sondern in Ansfelden, wo es noch weniger Gleichgesinnte gegeben hat, die sich für diese Musik interessierten, da war ich der Einzige in der Klasse. Das Fat Boys Album hat noch ein paar anderen gefallen, aber Rapmusik und Hip Hop waren sonst generell uninteressant und ich dachte, ich sei die einzige Person in der Stadt, der das gefällt, obwohl es damals schon ein paar Leute gegeben hat, die Platten gekauft haben und auch schon DJs waren.
Trotzdem warst du damals auf dem Gebiet solo unterwegs und hattest niemanden, der dich auf deinem musikalischen Werdegang unterstützen konnte. Wie vollzog sich der Prozess, in dem du dir das Wissen aneignen konntest?
Ich musste mir alles zu hundert Prozent in Eigenregie erarbeiten. Ich habe mir dann die Hinterseiten von den Plattencovers angesehen und die Shout Outs durchgelesen, da ging es dann um Big Daddy Kane oder KRS One und als ich dann das nächste Mal im Plattengeschäft war, schaute man schon genauer und so kommt man dann auf die Idee des Plattensammelns, ab 1987 habe ich dann bewusst Platten gekauft, da war ich 13 oder 14.
Gab es damals schon einen musikalischen Bezug deiner Familie und wenn nicht, wie hat sie deine Musikleidenschaft aufgenommen?
Nein, den gab es nicht. Meine Eltern waren musikalisch eher desinteressiert, meine Mutter hat zwar gern gesungen und tut das heute auch noch in einem Chor, mein Vater hat sich aber null für Musik interessiert. Als ich ihn neulich fragte, wie das bei dieser 68er Bewegung war, in der er ja gerade 23 Jahre alt war, meinte er nur, dass er das nie wirklich spannend fand, weder die Musik, noch die Hippies. Nur der Sport hat ihn fasziniert, das war sein Ding. Meine Mutter hat damals in einem Bauernkaff gewohnt und Theater gespielt, sie haben aber beide sub- oder popkulturell überhaupt nichts mitbekommen. Die haben auch keine Platten von den Beatles, von den Rolling Stones oder von Jimi Hendrix, nada. Mein Vater hatte nur ein paar Platten von Milva, Heino und Tom Jones und solche Geschichten, das war es dann aber auch. Ich kann mich noch erinnern, dass unsere damalige Nachbarin, Karin Küblböck, die Mitbegründerin von Attac, mir Ö3 am Radio gezeigt hat, weil ich nicht einmal daran gedacht habe, dass ich auch herumdrehen kann und es auch noch einen anderen Sender als Ö1 gibt. Das war für mich damals schon flashig und ich hab dann Popmusik gehört als Kind und die Charts mitgeschnitten. Aber Ende der 80er Jahre hat mich diese Art von Musik fast nicht mehr interessiert.
Da wird man dann als weißer Mittelstandfuzzi damit konfrontiert, der sich noch nie mit Rassismus auseinandergesetzt hat. In den 70er Jahren gab es in Linz drei Schwarze und die Vorstellung, dass man nur aufgrund seiner Hautfarbe vielleicht diskriminiert werden könnte, war für mich irreal.
Hast du die englischen Raptexte damals eigentlich verstanden?
Nein, gar nicht. Natürlich habe ich Englisch in der Schule gelernt und mich später erst mal mit Public Enemy und deren Album „It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back“ 1988 auseinandergesetzt, ich fand es furchtbar am Anfang und nicht anhörbar. Ich wollte es sofort wieder verkaufen und habe mich ein paar mal durchgequält, bis ich irgendwann komplett reingekippt bin und Public Enemy rauf und runter gehört habe, bis ich dann auch die Texte gekannt habe. Man hat dann schon etwas gelernt und Public Enemy war auch einfacher zu verstehen, Chuck D hatte auch simple Rapstrukturen und hat extrem deutlich gerappt. Bei EPMD habe ich zum Beispiel Jahre gebraucht um zu verstehen, was die genau sagen. Ich war der Einzige weit und breit, der in meiner Umgebung Hip Hop gehorcht hat und alle haben mich extrem gehatet dafür, da war auch gerade die große Guns’n’Roses und die Ärzte Zeit.
War das eine Art pubertärer Rebellion?
Nein, gar nicht. Das war für mich reines Interesse und die Begeisterung für den Sound und die Musik. Das rebellische Element hat mich eigentlich nicht so interessiert komischerweise. Natürlich fand ich es cool, als die 2 Life Crew „Lick My Pussy“ gesunden haben oder Ice-T hat mir auch getaugt als Teenager, aber meine Lieblingsbands waren trotzdem Public Enemy, De La Soul, Brand Nubian, A Tribe Called Quest und außerdem war es irgendwie spannend über Black Panthers oder Marcus Garvey zu hören, von denen man nicht wusste, wer das überhaupt ist. Da wird man dann als weißer Mittelstandfuzzi damit konfrontiert, der sich noch nie mit Rassismus auseinandergesetzt hat. In den 70er Jahren gab es in Linz drei Schwarze und die Vorstellung, dass man nur aufgrund seiner Hautfarbe vielleicht diskriminiert werden könnte, war für mich irreal. Welche Kultur und Geschichte diese Menschen haben, bekommt man in der Schule gar nicht mit und Migration war auch kein Thema. Dann hört man aber auf einmal Platten, auf denen über racism, corrupt cops und fight for your right erzählt wird und man sitzt zu Hause in seinem Zimmer und denkt: „Wow, org, wovon die reden“. Es hat ja kein Internet oder Magazine gegeben, in denen man vielleicht recherchieren hätte können.
Wie bist du dann zu den relevanten Informationen über diese Personen und Bewegungen gekommen?
Gar nicht. Ich habe zwar irgendwie versucht zu recherchieren, bin aber erst Jahre später darauf gekommen, wer das überhaupt ist.
Das heißt, du hast immer irgendetwas mitgerappt, ohne genau darüber Bescheid zu wissen und danach kam der Klick-Effekt?
Ja sowieso. Es hat mich dann schon interessiert, wer das sein könnte und dann findet man vielleicht ein Buch, in dem das Thema behandelt wird, aber man wusste ja auch nicht, dass es Samples gibt.
Auf den Plattencovers hast du die Liner Notes und Liedtexte gesehen, war es dann der nächste logische Schritt für dich, herauszufinden, was ein Sample ist und damit der Anfang des Plattensuchens?
Das ist viel später erst gekommen. Mit 18 oder 19 Jahren wusste ich dann im Rahmen von Tribe Vibes, dass es auch Samples gibt und dass das nicht die originale Musik ist, die die machen, sondern alles auf Sampling basiert. Aber woher das kommt und wie genau das funktioniert, lag letzten Endes im Bereich meiner Phantasie. Ich habe mir auch gar keine Gedanken darüber gemacht, woher das alles kommt. Natürlich hat man was von James Brown oder The Parliaments gehört und dass es wohl etwas von früher gibt, aber im Großen und Ganzen war das alles ein schwarzes Loch für mich und es gab auch nie jemanden mit Wissen darüber in meinem Bekanntenkreis, mit dem ich darüber reden hätte können. Woher hätte ich mir in den 80ern Wissen aneignen können? Im Laufe der 90er Jahre habe ich dann durch Tribe Vibes immer mehr darüber erfahren und irgendwann selbst damit begonnen, Beats zu basteln, diese klassischen Kassettendeck-Beats. Ich kann mich erinnern „Cheap Sunglasses“ von ZZ Top gesamplet zu haben, das war dasselbe wie „You’re Customer“ von EPMD oder „Im achtzigsten Stockwerk“ von Hildegard Knef habe ich auch schon Jahre vor den Fantastischen Vier bearbeitet. Ich habe einfach gesampled, was ich zu Hause hatte oder bei Freunden finden konnte und jeder hat bei sich nachgesehen, was es an verwertbarem Material gibt dann alles auf Kassetten aufgenommen. Das erste „Geschmeidig“ Album ist zum Beispiel rein aus Tape-Samples entstanden, zu hundert Prozent aus irgendwelchen Archiven. Skero selbst hatte damals einige Platten und hat noch andere Leute zusammen getrommelt, die einen Funkkatalog hatten. So haben wir ganz am Anfang die ganze „Geschmeidig EP“ zusammengestellt, da sind auch Black Sabbath Sachen von meinem Vater dabei, das Drumbreak von „3 Uhr 10“ hatte ich vom Klausi von einer Gitarrenband, die Bassline von „Da wo ich herkomm“ war von Louis Armstrong, die Bassline von „Der Kopf ist das Zentrum“ war von John Coltranes Platte „A Love Supreme“, die Huckey hatte, das Gitarrensolo von Cream hatte auch Klausi und haben wir in „Hip Hop Gedanken“ eingebaut und so bin ich dann mit Tapes herumgewandert und habe geschaut, welche Platten die Leute haben und dabei immer gleich alles aufgenommen.
Wie fühlt man sich, wenn man über fünf Jahre lang als Einziger eine Musikkultur verfolgt und dann plötzlich Gleichgesinnte kennen lernt?
Das ist damals über die Kapu passiert, wo ich 1992 mit meiner Gitarrenband Groove gespielt habe und da ist mir Huckey über den Weg gerannt, der damals ein wenig Hip Hop mäßig ausgesehen hat und irgendwann haben wir dann begonnen miteinander zu reden. Aber auch Andreas Kump von der Band „Shy“ war ein bisschen bewandert in dem Gebiet und irgendwann habe ich dann noch Skero und Laima kennen gelernt und Bert Estl von Soundsgood hatte auch viele Hip Hop Platten und das waren die ersten Leute, mit denen ich mich über mein Know-How austauschen konnte und da habe ich gemerkt, dass ich nicht der Einzige auf diesem Planeten bin, dem die Musik gefällt, obwohl ich das ja eigentlich auch schon von Tribe Vibes wusste.
War die Radiosendung damals prägend für dich?
Ja klar, woher hätte man sonst seine Informationen beziehen können ohne Internet und brauchbare Magazine. 1993 habe ich dann mein erstes Source Magazin in Kopenhagen gekauft und war ganz erstaunt, dass es so etwas überhaupt gibt.
Es gab immer eine starke musikalische Verbindung zwischen Linz und München, wie hat sich diese geäußert?
Die ersten konzertmäßigen Geschichten waren im Posthof und später in der Kapu, Ende 92 haben wir dann relativ früh Advanced Chemistry nach Österreich geholt und so haben wir damals die Protagonisten wie Akim (Anm. der Red.: Walta) von MZEE bzw. Mzee Fresh ein bisschen kennen gelernt. Im Jahr 1992 war die erste MC Jam und so waren die Connects nach Deutschland. Dann gab es noch die Tour „Kill The Nation With A Groove“, wo Cora E, Die Beginner oder Main Concept gespielt haben und zu dem Konzert sind wir dann alle hingefahren. Da hat es Texta zwar schon gegeben, aber es hat niemand gewusst, dass es Texta schon gibt. Wir sind damals als Fans hingefahren und dort haben wir David P. (Main Concept) kennen gelernt und auf die erste Hip Hop Jam am 8. Jänner 1994 eingeladen und somit war Main Concept auch der Headliner bei dieser Veranstaltung und ich kann auch mit Stolz behaupten, dass ich den ersten österreichischen Jam organisiert habe. Das waren also die Anfänge und danach hat sowieso alles eine Eigendynamik entwickelt. Etwas Lustiges, das mir noch eingefallen ist: Ich habe damals, um Geld zu verdienen, in einer Tanzband als Gitarrist gespielt und selbst keinen Sampler besessen. Und der Keyboarder dieser Band hat sich witzigerweise kein Keyboard, sondern einen ASR 10 Sampler mit einer riesigen Soundlibrary gekauft. Er wollte ein echtes gesampletes Piano und mit diesem Sampler haben wir im Tanzbandproberaum die ersten Beats gebastelt.
Hast du eine fundierte Gitarrenausbildung?
Ich war damals in der öffentlichen Musikschule und habe bis Ende 1994 in der Gitarrenband Groove gespielt, die sich danach in Freundschaft aufgelöst hat, das war allerdings eine Mischung aus Metal und Hardcore-Punk. Mir hat das Gitarrespielen einfach irre getaugt und das tut es auch noch bis zum heutigen Tag, auch wenn ich, ich glaube, sogar nur eine einzige Metal-Platte von White Zombie in meiner Sammlung habe und irgendwo habe ich noch Pantera auf Tape, denn ich war nie so der Fan von dieser Musikrichtung. Das Spielen jedoch fand ich immer lässig und ich war auch nie ein schlechter Gitarrist, auch heute spiele ich manche Beats auf der Gitarre ein.
Um genau zu sein, war „Paroli“ dann das erste Album ohne Atari.
Beats zu machen besitzt generell eher eine Learning-by-Doing Kompenente, bei dir war das eher noch Work-in-Progress..
..ja klar, mir hat der Keyboarder von meiner Band gezeigt, wie man Midi programmiert auf dem Atari und auf dem Keyboard samplet. Die Produktion von der „Geschmeidig EP“ ist nur durch Tape Decks, den ASR 10 Sampler und den Atari 1400 zustande gekommen und das war auch die Produktionsweise bis 2004, um genau zu sein, war „Paroli“ dann das erste Album ohne Atari.
Wie hat sich die Art des Produzierens weiterentwickelt?
Den ASR 10 Sampler habe ich mir irgendwann selbst gekauft, mit ins Kinderzimmer geschleppt und dort lautark von der Tanzband begonnen mich damit zu beschäftigen.
Und wie hast du dir das Mischen beigebracht?
Die „Geschmeidig EP“ haben wir damals in der Kapu gemischt mit dem Klausi, der auch heute noch die Live-Technik dort macht. Ich habe aber keinen blassen Schimmer, wer das Ganze dann gemastert hat, immerhin wusste ich damals nicht einmal, was Mastern überhaupt ist. Ich weiß nur noch, dass ich Burstup von Schönheitsfehler die Nummern auf Tape gegeben habe, weil er es rausbringen wollte, aber ob er das auch gemastert hat, weiß ich nicht mehr. Die Maxi, die dann gekommen ist, wurde von Axel Raab gemastert, das „Gediegen“ Album wurde wieder in der Kapu mit so einem 16-Spur-Gerät aufgenommen, was der absolute Wahnsinn war, weil man eine Synthspur darauf aufgenommen hat und das Atari mitsyncen gelassen hat, was auch relativ gut funktioniert hat. Es war nur schlecht, wenn man erst in der Mitte oder am Ende der Nummer weggestartet ist und somit hat das Syncing nicht mehr hundertprozentig gestimmt. Das kann man auch heute noch hören am „Gediegen“ Album, wenn man sich zum Beispiel „Globaler Respekt“ anhört, merkt man, dass die Cuts nicht stimmen und das war der Wahnsinn, dem man sich damals hingegeben hat. Beim dritten Album haben wir uns dann ein digitales 8-Spur-Gerät gekauft und im Studio mit Alex Jöchtl abgemischt und „Blickwinkel“ war das erste Album, das ich auch selbst gemischt habe.
Es gab diesen Quantensprung in der Texta-Karriere, als sich die Möglichkeit für euch eröffnete, nach New York zu fahren, um dort sechs Nummern vom „So oder So“ Album zu mastern. Wie war das für euch?
Im Endeffekt war die Reise sehr interessant für mich, weil ich wissen wollte, wie dort gemixt wird. Zum Beispiel habe ich gelernt, dass sie dort sogenannte Vocal Rides machen, also mit dem Fader mit den Raps mitfahren und bei „Paroli“ habe ich dann das ganze Album mit Rides gemacht. Beim Soloalbum war ich dann aber zu faul dafür. Das sind die Geschichten, die die Amis machen, um mehr Lebendigkeit und Drive in die Raps zu bringen. Aber im Endeffekt sitzen die dort auch nur vor den NS 10, den grindigsten Yamaha Boxen und drehen die großen Speaker nicht einmal auf. In unserem Fall hatte Christoph Moser damals eine Tante kennen gelernt, die für Producer und Sound Engineers das Management machte. Die hatte unter anderem Just Blaze im Management und hat auch viel mit den Rockafella Leuten, auch mit Young Guru, der einige Jay-Z Alben gemischt hat. So ist die Connection nach New York entstanden und wir dachten uns, dass wir uns das einmal anschauen und sogesehen war es ein Versuch.
Ein essentieller Teil der Historie von Texta ist Christoph Moser vom Indie-Label Hoanzl. Wie habt ihr euch damals kennen gelernt?
Vor dem „Gediegen“ Ablum wussten wir, dass es Ducksquad in dem Sinne nicht mehr gibt, also mussten wir selbst tätig werden. Zuerst wollten wir die Platte selbst rausbringen, dann haben wir aber mit dem Falkner Hansi von Attwenger geredet, der damals ein Label namens „Fish Records“ gegründet hat. Die machen dort Volksmusik-Sachen, zum Beispiel singt die Mutter vom Hans Kinderlieder mit der Gitarre. Es gab in Österreich eben keine Connects oder Lables, zu denen man hingehen konnte. Davor haben wir noch über Sony geredet, denn damals haben die österreichischen Majors begonnen, sich für diese Art der Musik zu interessieren, nachdem die Deutschrap-Welle mit Fanta 4 in Deutschland begonnen hatte. Die Gespräche mit den Majors sind dann aber alle im Sand verlaufen, weil die Beat 4 Feet Typen unser Album produzieren sollten und ab dem Moment war diese Idee auch gestorben für uns.
Ihr habt euch also damals schon nicht verbiegen lassen..
..nein, gar nicht. Die Gespräche mit Sony sind ab der Geschichte mit dem Drüberproduzieren über alle meine Nummern von Beat 4 Feet verworfen worden und ab dem Moment waren wir wieder auf uns alleine gestellt. Christoph Weiss von Ducksquad meinte dann, wir sollten einfach den Moser von Hoanzl fragen und der Hansi von Attwenger, die ihren Vertrieb auch über Hoanzl laufen haben, hat dann das Demo von „Gediegen“ an ihn geschickt und ihm hat das gleich getaugt. Wir haben uns dann mit Christoph Moser in Linz getroffen und uns gleich super verstanden. Huckey kannte ihn schon von früher und Christoph wusste auch, dass es uns gibt, als wir um 1996 einmal ein Konzert gespielt haben. Nach dem Treffen haben wir gleich einen einseitigen Vertrag zugeschickt bekommen und das hat dann gepasst. Da stand drinnen, dass wir 15 oder 20 % für das Album bekommen, was damals viel war, denn im Vergleich dazu gab es von den Majors nur um die 8 %. Bis zum heutigen Tag haben wir keinen richtigen Vertrag mit Hoanzl, das ist immer irgendwie weitergegangen. Ich denke, dass Texta spätestens mit „Gegenüber“ eine Herzensangelegenheit für Christoph wurde.
Habt ihr damals einen Sprung in den Verkaufszahlen und dem Feedback gespürt, als ihr von Ducksquad zu Tonträger und Hoanzl gewechselt habt?
Ja schon, obwohl man die zwei Labels nur schwer miteinander vergleichen kann. „Geschmeidig“ auf Ducksquad Records war ein reiner Vinyl-Release, der auf 1500 Stück limitiert war. Bei „Gediegen“ hingegen ist die ganze Deutschrap Geschichte damals explodiert. Wir haben auch ein Video zu „Walkmania“ gemacht, das auf einmal jeden Nachmittag auf MTV gelaufen ist.
Wie wichtig fandest du es als Produzent, dass jemand wie Christoph hinter dem ganzen Projekt steht?
Das war super und total wichtig, auch wenn er viele Sachen oft vergessen hat oder auch einmal seine Spinnerein hatte. Aber du hast trotzdem gewusst, dass er versucht etwas zu bewegen und er hat sich bei Hoanzl voll ins Zeug gelegt – das war für uns definitiv wichtig und entscheidend, weil Österreich sehr klein ist und jeder jeden kennt. Vielleicht hatte Christoph nicht immer den besten Ruf, aber er hat die Sachen immer auf die Reihe gebracht, auch wenn viele glaubten, dass er nur ein Dampfplauderer sei. Sein Herz und seine Seele waren immer dabei und die Taten waren da, das geht mir schon ab, muss ich sagen. Einerseits war er für mich persönlich sehr wichtig, aber auch für Texta und für die gesamte österreichische Hip Hop Szene, ich sehe eigentlich nirgends einen Ersatzmann. In Österreich hängt im Endeffekt alles an ganz wenigen Leuten.
(Christoph Moser ist am 2. Dezember 2008 im Urlaub in Vietnam ertrunken. Er war 46 Jahre alt. – R.I.P.)
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Als er 1997 THE MESSAGE gründete, hatte er gar keine Ahnung, was da alles auf ihn zukommen würde. Als Fotograf überlässt er lieber Berufeneren das Schreiben. Dafür fragt er gerne nach. Nur in seltenen Fällen haut er selbst in die Tasten. Aber da muss schon viel passieren. Einfach lieber am Auslöser