"The hardest thing to do is something that is close…
Zwei Jahre nach dem enttäuschenden “Nasir” legt Nas mit “King’s Disease” sein 13. Studioalbum vor. Wie auf „Nasir“ mit Kanye West vertraut Nas erneut auf die Künste eines Produzenten: Für “King’s Disease” hat sich Nas mit Hit-Boy Unterstützung aus Südkalifornien geholt. Kein Unbekannter, hat dieser in seiner Diskografie Produktionen wie die Gassenhauer “Ni**as in Paris” von Jay-Z und Kanye West, “Backseat Freestyle” von Kendrick Lamar oder “Sicko Mode” von Travis Scott stehen. Also ein Hit-Produzent der neuen Schule, dem die Aufgabe zukommt, einen etwas eingerosteten Nas zu alten Höchstleistungen anzutreiben – diese waren in den vergangenen Jahren schließlich nur rar gesät.
Andererseits: Nas braucht nichts mehr zu beweisen. Schon vor “27 Summers” (so ein Titel des Albums) hat er sich mit seinem Debüt “Illmatic” (1994) einen Platz in den Rap-Geschichtsbüchern gesichert und sich auf den Genre-Thron gehievt. Wie das allerdings oft bei jung gewordenen Königen der Fall ist, wurde Nas seiner Rolle nicht immer gerecht. Doch musikalische Ausrutscher hin oder her: Den Regizid wagte keiner. Der Queensbridge-Veteran ist auch 2020 unbestritten eine Rap-Größe. Eine, die im altersweisen Zustand nicht nur vom Thron herab auf die Gefolgschaft blickt, sondern auch auf den eigenen Werdegang.
Vielleicht hat Nas da erkannt, dass Bescheidenheit nicht gerade zu den königlichen Charaktereigenschaften zählt. Ein Übermaß an Champagner und Kaviar kann ganz schnell den Charakter verderben und einen mental von seiner früheren Umgebung entfernen. Nas ist sich dem bewusst, wie der Titel “King’s Disease” beweist. Dieser ist eine Referenz auf die Stoffwechselerkrankung Gicht, die lange Zeit als Krankheit der Könige galt, weil sie aus einem üppigen Lebensstil resultiert. Oder, wie Nas auf „The Definition“ feststellt: “Just doing too much, you’ll get it”. Nas will auf diesem Album zeigen, dass er den Kontakt zur Basis ebenso wenig verloren hat wie die Qualitäten, die ihn zu Anfangstagen ausmachten.
Das gelingt Nas auf dem Album auch einige Male. Wenn er eine seiner Kernstärken, das atmosphärische Storytelling, ausspielen kann, fühlt man sich in die 90er-Jahre zurückversetzt. Exemplarisch stehen dafür das sinistre “Blue Benz” oder das Louie-Rankin-sampelnde “Car #85” mit bildhaften Zeilen wie “That’s NY, White Castles at midnight/ Fish sandwiches, forty ounces & fistfights”. Hier macht Nas ebenso kaum etwas falsch wie auf “10 Points”, das “Black Greatness” zelebriert, oder auf dem leider nur zu kurz geratenen “27 Summers”, auf dem Nas über seinen Werdegang sinniert.
Problematische Beziehung zu Frauen
Auch auf dem politischen “The Definition” macht Nas viel richtig. Hier rappt er etwa über den Klimawandel und kommt glücklicherweise ganz ohne den befürchteten Verschwörungskram aus. Die einzige fragwürdige Stelle ist die Spitze gegen Journalistin Gayle King. Sie aufgrund ihrer Erwähnung der Vergewaltigungsvorwürfe gegen Kobe Bryant zu attackieren und mit Whataboutism zu argumentieren, ist schwach. Einen ähnlichen Kratzer in einem sonst makellosen Track verpasst Nas dem Closer “The Cure”: Als fast 50-Jähriger eine Zeile wie “Still going deeper like I grew a new inch on my dick” zu rappen, ist keineswegs königlich. Diese Zeile ist noch missratener als der unnötige Doja-Cat-Diss auf “Ultra Black” („We goin‘ ultra Black, unapologetically Black/The opposite of Doja Cat, Michael Blackson Black”), der im Vorfeld für Aufruhr sorgte.
Generell wird es oft problematisch, wenn Nas seine Beziehung zu Frauen thematisiert. Das Gejammer auf “Replace Me” und “All Bad” (über Nicki Minaj) ist zwar nervig, aber noch im Rahmen des Erträglichen. Anders als manch Zeile auf “Til the War Is Won”, einem Song für alleinerziehende Mütter, auf dem Nas etwa rappt: “Single mothers, my heart’s bleeding for you/These coward men, that were beating on you (Never me)”. Angesicht der Missbrauchsvorwürfe, die Ex-Frau Kelis gegen Nas erhoben hat, mutet das geradezu grotesk an. Auch die Zeile “Mom’s gone, pop’s here, wish God reversed the roles” lässt einen sprachlos zurück.
Für solche Momente des Erstaunens sorgen die Beats nicht. Auf “King’s Disease” sind zwar keine Ausreißer nach unten zu hören, aber vieles spielt sich im Bereich des Unauffälligen ab. Hit-Material? Fehlanzeige. Hit-Boy setzt bei den Beats mit Vorliebe auf das Piano, das in nahezu jedem Song zu hören ist. Bläser, 80er-Jahre-Synthies und trappige Percussions gehören außerdem zu seinem Repertoire. Das Soundbild ist überwiegend soulig und jazzig gehalten, leider nur ein wenig zu weich. Immerhin weiß Nas damit aber mehr anzufangen als mit den Instrumentals, die ihm Kanye West beim vorherigen Release auftischte.
Enttäuschender sind hingegen die meisten der namhaften Features. “10 Circles”, der The-Firm-Reunion-Track mit Robin Thicke im Background und überraschender Beteiligung von Dr. Dre, ist so auch nur eine lauwarme Angelegenheit: starker AZ-Part, schwacher, unpassender Foxy-Brown-Part und irgendwo dazwischen Cormega. Big Sean auf “Replace Me” und Lil Durk auf “Til the War Is Won” sind absolut zu vernachlässigen, Charlie Wilson ist auf “Car #85” nicht wirklich präsent. Mehr Präsenz zeigt Anderson .Paak auf “All Bad”, der den Song noch retten kann, ohne dabei wirklich zu glänzen. Das spiegelt das Album im Gesamten wider: “King’s Disease” hat durchaus seine Momente, groß in Erinnerung bleibt davon aber wenig.
Fazit: Nas serviert mit seinem 13. Solo-Release ein passables Album mit überwiegend interessanten Inhalten sowie einigen fragwürdigen Zeilen. Die zurückhaltenden Beats pegeln sich auf einem ordentlichen Niveau ein. Auf manch Featurepart hätte er jedoch verzichten können, wenngleich ein Song wie “10 Circles” als The-Firm-Reunion theoretisch eine durchaus schöne Sache ist. Insgesamt besser als die Zusammenarbeit mit Kanye West. Royale Geschichte wird Nas mit “King’s Disease” aber nicht schreiben.
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