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Die „5 Minuten Ruhm“ im Fokus // Son Griot, Schakal & DJ Flash Interview

Die „5 Minuten Ruhm“ im Fokus // Son Griot, Schakal & DJ Flash Interview

Schakal

„Die Clubszene ist mir viel zu hell, das schaut unnatürlich aus“, sagt Son Griot. Als wir in seinem Studio in Salzburg-Taxham zum Interview eintreffen, geht der Rapper mit seiner Crew letzte Details der Videos durch. Neben ihn sitzen drei Oberösterreicher: Rapper Schakal, DJ Flash sowie Raphael Rauch, der das Filmmaterial zum Album des Trios produziert hat – und davon gibt es jede Menge. Durchs Album zieht sich eine Story über den Werdegang eines jungen Rappers, von den ersten geschriebenen Zeilen bis zu den titelgebenden „5 Minuten Ruhm“. Parallel zum Vinylrelease am 3. September ist als visueller Startschuss „Intro + Druck auf Play“ erschienen. Fortan erscheinen im zweiwochentakt Videosingles, die am Ende einen Kurzfilm ergeben. Erst dann wird das Mundartrap-Album mit Featurebeiträgen von Flip, Chakuza, Skero, BumBumKunst, Moz, Antrue, Chill-Ill, Ansa und Forty Five auf Beats von DMC, Flip und Freshmaker auch digital erhältlich sein.

Im Interview sprechen wir über die Motivation hinter dem arbeitsintensiven Projekt, Hürden bei der Gestaltung und die Entwicklung der Nischen Storytelling- und Mundartrap in Österreich. Außerdem erläutern die drei Musiker in der Runde, was sie davon abbringt, auf einen massentauglicheren Style-Zug aufzuspringen.

DJ Flash, Son Griot & Schakal (v.l.n.r.) | Alle Fotos: Zoe Goldstein





Interview: Simon Nowak & Hilde Mayer

The Message: Was hat euch dazu motiviert, albumfüllend den Karriereweg eines jungen Rappers zu erzählen? Den Traum von damals nachzeichnen und nachleben?
Son Griot:
Das war die Ausgangsidee. Wir haben über ein gemeinsames Album gesprochen und gesagt: Wenn wir eines machen, dann definitiv eines mit einem Konzept. Wir wollten den Rapsound von damals mit heutigen Bildern kombinieren. Als Darsteller haben wir absichtlich nicht jemanden genommen, der wie in den 90ern mit schiefer Cap und Baggy durchs Video geht. Visuell ist es 2021, aber von der Geschichte soll sich jeder angesprochen fühlen können. „5 Minuten Ruhm“ ist die Geschichte von 99 Prozent der Rapper in Österreich.

Und die Entscheidung, dass ihr zu jedem Track ein Video dreht, das am Ende einen Kurzfilm ergibt? Es ist ja ein Riesenprojekt.
Schakal:
Es war von Anfang an klar. Wir wollten was machen, das noch kein anderer gemacht hat.
Son Griot: Als Künstler willst du das eh immer – aber machst meistens doch etwas, das in ähnlicher Weise schon existiert.
Schakal: Wir wollten kein Video machen, wo wir vor der Kamera stehen und reinrappen. Man sieht uns in den Videos so gut wie gar nicht – aber DJ Flash verkauft immer wieder mal was (lacht). Es war uns wichtig, die Geschichte von jemand anderem erzählen zu lassen.
Son Griot: Wir haben daher immer aus der Sicht einer dritten Person gerappt.

Die Pandemie ist euch bei Drehtagen in die Quere gekommen, ihr musstet zum Beispiel Live-Mitschnitte immer wieder verschieben. Über welchen Zeitraum sind die Videos entstanden?
Son Griot: Das Gefährliche bei solchen „Großprojekten“ ist immer das Durchhaltevermögen. Der Dreh hat sich über zwei Jahre und viele Drehtage gezogen und der Hauptdarsteller Roni ist trotzdem nie abgesprungen. Am Anfang war er glaube ich 16, mittlerweile ist er 18, 19. Man merkt seine Entwicklung. Die Videos sind chronologisch abgedreht worden, er wird mit jedem Track selbstbewusster. Wenn du einen Schauspieler nimmst, würde es visuell vielleicht anders sein, aber du merkst ja, dass Roni kein Schauspieler ist. Er wollte eh Rapper werden.
Raphael: Bei einem professionellen Schauspieler würde es auffallen, wenn du andere Leute dabei hast. Das würde nicht zusammenpassen. Aber dadurch, dass er es nicht gelernt und vorher nie gemacht hat, passt es mit den anderen Statisten zusammen.
DJ Flash: Es passt für mich zu HipHop. Es muss nicht immer perfekt sein. Es ist genauso wie wenn ein DJ auflegt. Ich höre es mir lieber an, wenn sich mal ein Übergang verrennt, als wenn alles perfekt ist. Dann weiß ich, dass er live spielt. Dann schaut der Schauspieler halt mal in die Kamera.

Zurück zur Ausgangsfrage: Der Sound ist eine klare 90er-Geschichte, das Visuelle spielt im Jetzt. Inwieweit lässt sich die Geschichte auf eine heutige Rap-Generation umlegen?
Son Griot:
Das ist das Schräge am Projekt. Man sieht Bilder, die nicht ganz mit dem Sound einhergehen. Der Versuch ist, unseren Sound in die heutige Zeit zu transformieren.
Schakal: Ich finde es eine Bereicherung für die Szene. Weil das was nachkommt ist sowieso eher ‚Ich fick den und den‘, Autos, Weiber, Drogen…

Aber das hat es vor 15-20 Jahren auch schon gegeben.
Schakal:
Aber es ist so plastikartig geworden.
Son Griot: Der Schauspieler ist eh ein gutes Beispiel: Er ist mit RAF Camora und Co aufgewachsen. Bei unseren Drehs gab es aber Cypher-Szenen wie früher. Das kennt der gar nicht mehr. Er geht in Clubs, aber dieses „Underground“-Ding, von dem wir reden und rappen, war ihm neu. Es hat ihn schon auch beeindruckt.

Rap-Klassiker aus den 90ern in der Tasche, Cuts auf „5 Minuten Ruhm“.

Können sich junge Rapper, die ganz anders aufgewachsen sind, in diesen Weg reinversetzen? Es ist ja nicht nur der Sound, auch die HipHop-Kultur ist nicht mehr dieselbe wie damals.
DJ Flash: Das Problem ist, das HipHop heute so breit gefächert ist. Ich kann von Tom (Son Griot, Anm.) und mir reden. Den Sound der 90er, wo ich als DJ und er als Rapper angefangen hat, gibt es heute nicht mehr. Es ist eine Mischung. Ich habe nichts gegen neuen Sound. Ich will halt keinen Rapper haben, der mir erzählt, wie lang sein Schwanz ist oder wie viele Weiber er flach legt. Es ist immer wieder witzig, wenn es wer mit Style macht. Aber für mich ist HipHop, dass ich eine Geschichte höre. Das geht den Jungen glaube ich irgendwo ab.
Raphael: Vielleicht können sich die Jungen nicht so mit der Musik identifizieren, aber mit der Geschichte. Bei jedem kommen irgendwann die 5 Minuten Ruhm, wenn er seinen ersten Gig hat. Das wird in 50 Jahren noch genauso sein.

Wie sehr seht ihr euch mit Storytelling im Dialekt heutzutage in einer Nische?
Son Griot:
Es geht im aktuellen HipHop-Geschehen viel mehr um Lifestyle und Trends. Das passt für die Generation und ich habe in gewisser Weise Respekt dafür. Aber es wäre unglaubwürdig, wenn wir so daherkommen. Es ist gut, dass es mehrere Rap-Genres gibt. Unseres ist halt wirklich Storytelling im Dialekt – und da fallen mir in Österreich oder allgemein im deutschsprachigen Raum nicht so viele ein, die das gemacht haben. Es ist eine Nische in der Nische.
Schakal: Ich bin der Einzige, der noch kein Kind hat. Wenn ich mal eines habe, möchte ich nicht hören: ‚Schau mal was der Vater damals gmacht hat.‘ Eher, dass sich das Kind das anhört und sich ein Bild machen kann. Ich will keine Musik machen, für die ich mich irgendwann schämen muss. Unser Album ist ja komplett real. Nix Überhebliches, sondern echte Geschichten von uns.

„Man tauscht Kredibilität gegen eine neue Hörerschaft“

Dennoch gibt es in der Geschichte den „Fame“-Track, wo es kurzfristig ins Abgehobene und Übermütige geht. Blickt ihr da auf eine bestimmte Phase zurück?
Son Griot
: Ich habe beim Schreiben voll an eine Zeit gedacht. Das war zwischen meinem ersten und zweiten Release. 2006 nach der Releaseparty war ich das erste Mal auf einem Level, das ich nicht gepackt hab. Da sind ca. 200 Leute in die Postkutsche Mattsee gekommen, das war zu viel fürs Ego. Wir haben auch Shows in anderen Bundesländern gespielt. Du fällst automatisch in eine Hochmütigkeit rein. Vielleicht passiert das den Leuten, die heute anfangen nicht so, weil sie mit einem komplett anderen Mindset reingehen oder gar nicht mehr Live spielen (lacht).
Schakal: Man zelebriert es halt. Die ganzen Schulterklopfer, die dann kommen und so weiter.
Son Griot: RAF Camora war noch nicht so groß, es hat diese ganze Form von Deutschrap noch nicht gegeben. Es war ja viel mehr diese Underground-Geschichte damals.

Sind diese verlorengegangene „Realness“ und der Bedeutungsverlust von Storytelling Gründe dafür, dass ihr kaum mehr zeitgemäßen Deutschrap und österreichischen Rap hört?
Schakal:
Für mich schon.
Son Griot: Ja, weil sogar Leute die ich lange kenne inzwischen auf diesen Zug aufgesprungen sind, ich finde es so nicht mehr authentisch. Ich will keine Namen nennen, aber ich habe mich gefragt: Habt ihr das nötig gehabt, nur um vielleicht tausend Klicks mehr zu bekommen?
Schakal: Vor allem bist du als Musiker Sprachrohr nach außen und du sollst ja irgendwie ein Vorbild sein. Meine Freundin ist Mittelschullehrerin, die kriegt so viel mit, wie sich die Leute benehmen und was für Vorbilder die haben. Von den Musikgrößen, die man jetzt kennt, nehmen wir Capital Bra, wo die ganze Jugend echt glaubt das ist cool, das würd ich niemals machen.

Die Kamera im Visier: 5 Minuten Ruhm.

Aber bist du in diesem Sinne ein Vorbild, also erreichst du diese Leute?
Schakal:
Eher nicht und zwar aus dem Grund, weil sich große Plattenlabels mit anderen Artists beschäftigen. Die sollten vielleicht mal die Leute unterstützen, die was Positives und Gutes zu der Szene beitragen.
Son Griot: Ob das Album in einem Großstadtviertel mit hohem Migrationsanteil und stilistisch anderen Vorbildern einschlägt wissen wir nicht, die Story hat dort aber genauso ihre Relevanz wie überall anders.
Schakal: Wir haben das Album eh für uns gemacht.
Son Griot: Deswegen haben wir gesagt, wir wollen es visuell zumindest in diesen Cluster fassen, um niemanden innerhalb der Szene auszuschließen. Wir packen es in eine moderne visuelle Ästhetik, aber vom Sound her ist es Son Griot & Schakal. Um das Ganze breiter zu machen, aber trotzdem nicht unsere eigenen Werte zu verlieren.
Schakal: Wir haben in keinem Song eine Message verbreitet, die einen Jugendlichen auf einen falschen Weg bringen würde. Klar reden wir über Alkohol und Drogen, aber eher um darauf hinzuweisen, dass das eigentlich Scheiße ist und das sollte man meiner Meinung nach der Generation von heute ein bisschen mehr mit auf den Weg geben. Es ist immer die Frage, wie du das Sprachrohr ausnutzt. Ich mache lieber Geld mit was Sinnvollem, als dass ich mich zum Affen mache.

Habt ihr überlegt, es in ein moderneres oder kommerzielleres Soundbild zu packen?
Son Griot:
Wenn du als Künstler 15, 20 Jahre was machst, überlegst du dir bei jedem Projekt, ob es noch Sinn macht. Machst du etwas, das Relevanz hat oder nicht? Es wäre technisch kein Problem gewesen, das Album in eine Soundästhetik von jetzt zu packen, aber ich würde mich vielleicht nicht mehr hören können. Und die paar Leute, die meinen Sound hören würden sich vielleicht fragen, was ich da mache. Man tauscht Kredibilität gegen eine neue Hörerschaft. Diesen Transformationsschritt machen viele MCs, den habe ich bewusst nicht gemacht. Aber es ist nicht unbedingt zum Vorteil der Karriere. Am Titeltrack ist ein Freshmaker-Beat oben, der sticht raus. Das hätte ich vor ein paar Jahren niemals gemacht. Musikalisch habe ich immer viel ausprobiert, dieses Mal auch erstmalig mit einem Track in eine bisschen kommerziellere Richtung. Einfach mal machen, mal schauen wie das ankommt.

Immer diskussionsbereit – auch beim Shooting.

hr habt viele Mundart-Features am Album. Wie steht es eurer Einschätzung nach um Mundartrap? Die Slangsta-Hochphase ist lange her, letztes Jahr hat zum Beispiel auch ein Crack Ignaz hochdeutsche Tracks veröffentlicht.
Son Griot:
Wenn du die gehypten Rapper nimmst, ist da momentan wenig. Jetzt ist es eher eine plastische Soundästhetik und Mundartrap ist nicht gerade in der Hochphase, aber das wird wieder kommen.
DJ Flash: Da spielt die Einstellung eine große Rolle. Ich glaube, dass viele auf den Fame aus sind, die dann merken: Das funktioniert nicht, mach ich halt was auf Hochdeutsch. Deshalb finde ich es zum Beispiel von Texta und Kayo extrem cool, dass die weiterhin Mundart rappen. Da kommt ein Track raus, wo Flip auf Hochdeutsch rappt, Laima in Mundart und es interessiert keinen, es wird nicht thematisiert.
Schakal: Wobei man sagen muss, dass der Dialekt nicht so weit aus Österreich herausreicht, es viele ja nicht verstehen.

„Es bräuchte einen neuen Kroko Jack“

Aber ein Crack Ignaz ist ja gerade auch in Deutschland gehört worden.
Son Griot:
Eigentlich bräuchte es einen neuer Kroko Jack. Er hat das Genre stark geprägt und eine Reichweite im Land erlangt, die sonst kaum einer im Dialektrap hatte.
Raphael: In Bayern funktioniert das auch, Dicht & Ergreifend sind das beste Beispiel.

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(c) Philip Pesic

Aber aktuell gibt es – außer vielleicht mit Abstrichen Kreiml & Samurai – kein ähnlich erfolgreiches Pendant in Österreich.
Son Griot:
Es funktioniert ja kommerziell meistens besser, wenn du es auf lustig machst, den Schmäh reinnimmst. Tiefgründiger Dialektrap war noch nie der große Verkaufsschlager.

Braucht es wieder ein Genie, das diese Schiene ins Rollen bringt?
Son Griot:
Ja, genau. Aber diese Rolle muss man auch einnehmen wollen. Das macht verkrampft keinen Sinn. Wir können kein Projekt machen, das kommerziell zu 100 Prozent erfolgreich ist. In Österreich zählt nur der Schmäh.

Ihr habt lauter Mundart-Features am Album. Eine bewusste Entscheidung?
Schakal:
Ja, das war von Vornherein ein Kriterium. Der einzige hochdeutsche Part ist von Forty Fife beim „Kopfnicker“-Remix. Der ist über den YouTube-Kanal von Chakuza rausgekommen, da haben viele Leute drunter kommentiert: ‚Ich versteh zwar kein Wort, aber ist geil‘.
Son Griot: Viele haben gesagt, es erinnert sie vom Dialekt her an Stuttgart.

Euer Album ist über J.Dutt Music aus Stuttgart erschienen, also ein Mundart Album auf einem deutschen Label. Wie passt das zusammen?
Son Griot:
Die haben uns angeschrieben und gesagt, dass es sie voll an die 90er erinnert und dass sie es sie gern rausbringen würden. Wir haben es auch an Heiße Luft geschickt, aber die sind dann eher in eine andere Schiene gegangen, Honigdachs auch. Ich glaube wir haben zu früh angefangen, Labels zu suchen, da war das Album noch zu roh. Viele Labels sind zudem eher exklusiv, nicht so offen für Acts aus anderen Bundesländern und anderen Umfeldern.

Etwas, das sich ändern sollte?
Son Griot:
Ich würde es mir wünschen, sonst bleibt alles derselbe Einheitsbrei, wenn die Labels und Acts so in sich geschlossen sind.

Ihr habt das Album-Release auch nach hinten verschoben, um damit live auftreten zu können. Was ist jetzt geplant?
Schakal:
Am 13.11 ist die Release-Party, dann haben wir eine kleine Tour vor.

Wenn ihr die Entwicklungen verfolgt – habt ihr Sorge, dass das erst wieder ins Wasser fallen könnte?
Son Griot:
Ich hab schon Sorge, aber es kommt jetzt auf jeden Fall raus. Es haben schon so viele Acts während der Krise releast und es hat funktioniert. Es hat sich bei uns eh schon ewig gezogen mit dem Album. Auch wegen dem Filmen, wo man viele Leute braucht.