Festlegen möchte sich die Künstler*in Skofi nie, egal ob es um ihr nächstes Projekt, das Musikgenre oder die eigenen Pronomen geht. Was dabei herauskommt? Eine vielfältig*e Musiker*in, die immer für neue Überraschungen sorgt. Wir sprechen über KI-Songs, ihren Uropa, den Meistergeiger und Schallplatte hören beim Tschick Rauchen.
The Message: Wann hast du zuletzt ausgeschlafen?
Skofi: Das war circa vor eineinhalb Wochen. Ich schaue immer, was in einer Woche so abgeht, und plane dann einen fixen Tag zum Ausschlafen ein.
Was geht so in einer Woche ab bei dir, hast du noch einen Side-Job?
Ich arbeite als Küchenhilfe in einem kleinen vegan-vegetarischen Café. Die sind urcool, weil ich meine Arbeitszeiten sehr flexibel einteilen kann und auch leicht mal frei bekomme, wenn ich ins Studio muss.
Ernährst du dich auch vegan?
Yes, Go Vegan! Es ist mittlerweile auch so einfach, weil es so viele, extrem geile Ersatzprodukte gibt.
Kochst du auch zuhause gerne?
Ja, deshalb mag ich es auch dort so viel Zeit in der Küche zu verbringen. Zuhause komme ich leider kaum dazu und habe nach der Arbeit auch weniger Bock.
Wurdest du bei der Arbeit schon mal erkannt?
Bei dieser Arbeit noch nicht, aber ich habe mal in einem Kleidungsgeschäft auf der Mariahilfer Straße gearbeitet und da steht man natürlich wie die Puppe im Schaufenster. In dieser Zeit wurde ich öfter erkannt.
Was machst du, um neben der Musik und deinem Nebenjob so richtig runterzukommen?
Kochen und seit dieser Woche auch Schallplatten auf Repeat hören und dabei Kaffee trinken, Tschick rauchen und einfach aus dem Fenster schauen – Das hat auch sehr geholfen!
Schon mit 14 hast du damit begonnen, selbst erste Beats zu produzieren. Was waren das für Beats und wie hast du die genau produziert?
Ich hatte lange keinen eigenen Laptop, wir hatten nur einen Stand-PC. Mein iPod Touch hatte allerdings Garage Band und mit so einem Adapter „I Rig“ für 15 Euro, konnte ich meine Gitarre daran anschließen und Melodien kreieren. Auf diesem kleinen Ding habe ich auch meine ersten Beats gemacht – sehr typische Anfänger-HipHop-Beats, sehr simpel! Ich hab’s damit echt geschafft, paar MP3-Dateien rauszuballern (lacht).
Stand für Dich immer fest, dass du Musik machen willst? Erzähl mal von deinem Werdegang…
Ich bin in Wien aufgewachsen, habe Matura gemacht und dann begonnen Politikwissenschaft zu studieren, das war aber nichts für mich! Der Hörsaal war immer bummvoll und ich war selten da. Ich habe das Studium dann abgebrochen, um zu hackeln und mir meine eigene Wohnung zu leisten. Das Musikmachen stand damals dann schon mehr im Mittelpunkt.
Dein Uropa war Meistergeiger, hätte sich deine Familie auch eine klassische Musikkarriere für dich gewünscht?
Meine Familie stand immer hinter mir und hat mich unterstützt! Sie wünschen sich aber schon, dass ich regelmäßiger mit Band auftrete oder selbst wieder mehr Instrumente spiele. Meine Mum war noch lange hinterher, dass ich nochmal ein Studium beginne, um mir alle Möglichkeiten aufzuzeigen. Mittlerweile sehen sie, dass ich unabhängig bin, und vertreten die Einstellung „Leben und Leben lassen“.
Sind deine Eltern genauso musikalisch wie du und dein Urgroßvater?
Beide haben hobbymäßig musiziert und im Kindesalter mit Klavier begonnen, später haben sie dann auch in Bands gespielt. Meine Mum klassische Gitarre und mein Dad Keyboard. Deshalb standen bei uns auch immer Instrumente rum, an denen ich mich schon früh ausprobieren konnte.
Welche Instrumente kannst du spielen?
Ich hatte acht Jahre Geigenunterreicht, in der Oberstufe Klavier und gleichzeitig habe ich mir noch selbst Gitarre spielen beigebracht, wodurch ich auch etwas Bass spielen kann.
Also bist du eher autodidaktisch veranlagt?
Da hast du Recht, so habe ich noch gar nicht darüber nachgedacht. Selbst zu schauen, wie es funktioniert, hat für mich einfach einen kreativen Aspekt. Ich habe begonnen alles selbst zu machen, als ich meine Geigenlehrerin fragte, etwas in Richtung Jazz zu machen – damit war sie komplett überfordert! Ab diesem Moment hatte ich keinen Bock mehr und habe mein Ding gemacht.
Du machst noch immer dein eigenes Ding. Wie wichtig ist es dir, weiterhin Independent zu bleiben?
Vor einiger Zeit hatte ich mal gesagt, dass ich unbedingt Independent bleiben will, aber mittlerweile ist mir das nicht mehr so wichtig. Ich bin zwar sehr stolz darauf, mein Album und alles drumherum in Eigenregie gemacht zu haben, aber ein zweites Mal mache ich das sicher nicht (lacht). Ich hatte jetzt noch nicht aktiv Zeit nach etwas zu suchen, aber ich bin offen für alles, was in diese Richtung auf mich zukommt.
Verarbeitest du viel aus deinem täglichen Leben in deiner Musik?
Ja genau! Ich könnte nie aus dem nichts einfach einen „Happy Track“ raushauen wie manch andere Artists – Das finde ich wirklich bemerkenswert, wenn Leute die Fähigkeit haben, sich vom Musikmachen abzugrenzen und beispielsweise trotz ärgster Depressionen einen Sommerhit machen.
Ziemlich echt! Wie schafft man es in dieser oberflächlichen HipHop-Welt real und authentisch zu bleiben?
Ich glaube die Antwort ist, sich nicht nur in dieser HipHop-Szene aufzuhalten. Wenn du dich mit mehreren Genres auseinandersetzt, fällst du nicht so in diesen Tunnel aus Oberflächlichkeiten hinein und hast diversere Menschen um dich herum.
Wie schreibt Skofi ihre* poetischen, bildlichen und nahbaren Songtexte?
Sehr spontan. Oft hängt es von meinem Tages-Vibe ab. Es kommt eigentlich nie vor, dass ich den Text schon im Vorhinein schreibe. Manchmal fallen mir in der Nacht oder in der U-Bahn ein paar Zeilen ein, aber am leichtesten fällts mir, wenn der Beat und die musikalische Grundstruktur zuerst da sind. Dann schreibe ich auch viel in den Öffis mit dem Beat im Ohr.
Er, Sie, They/Them – du switcht immer mal zwischen den verschiedenen Pronomen. Wie genau lebst du das aus?
Mit dem „Er“ Pronomen bin ich bisher noch nicht gegangen. Ich find’s aber lustig, dass Menschen wegen meines androgynen Looks denken ich sei ein kleiner Junge (lacht). Trotzdem möchte ich mir alle Optionen für die Zukunft offenhalten. Aktuell nutze ich eigentlich nur „Sie“ oder gar keine Pronomen beziehungsweise das They/ Them aus dem englischen, aber eigentlich ist es mir echt egal, was von beidem.
Ist Genderfluidität auch etwas, auf das du beim Musikmachen achtest?
Es ist mir auf jeden Fall wichtig. Einmal hat mir eine Non-Binäre Person geschrieben, dass ich in meinen Texten häufig an „Du“ adressiere. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich unterbewusst nicht direkt an Gender oder binäre Geschlechter denke.
Auf dem Song „Spiegelverkehrt“ von deinem Album „Lass mich los“ sagst du: „Es ist so viel passiert/ Will mich nie mehr verlieren…“. Wodurch hast du dich verloren, wie hast du dich wiedergefunden und verarbeitest du das auf Deinem Album?
Ich habe mich darin verloren, Dinge nicht loslassen zu können, die sowieso nicht veränderbar sind. Dadurch saß ich öfter frustriert im Studio. An Silvester von 2022 auf 2023 hat dann vor allem ein persönliches Ereignis dazu beigetragen, dieses Nicht-Loslassen-Können zu reflektieren. Bei den ersten Sessions mit Skyfarmer im neuen Jahr, habe ich gemerkt, wie mir das Musikmachen hilft. Ich habe auf „Lass mich los“ definitiv verarbeitet, wie ich mich im Frust verloren und durchs Songs machen irgendwo wiedergefunden habe. Das hat mir geholfen alles nicht mehr zu sehr an mich heranzulassen.
Auf Deinem Song „That’s Life“ sprichst su in der Hook über Wien und singst: „Noch ein Jahr ist gone/ Doch ich bleib bleib hier/ Ich verzeih dir/ Doch vertreib mir /Meine Zeit nicht mehr mit Bad Vibes/ Auch wenn diese City Sad bleibt/ Ayo that’s life yeah“. Es klingt so, als hätte Wien dich runtergezogen oder als wärst du sogar gerne weggezogen. Stimmt das?
Es geht weniger um die Stadt an sich als um die Artist-Szene. Wien ist ein Dorf, jede Bubble überschneidet sich – gerade im Musik- und Kunstbereich kennen sich alle. Ich hatte manchmal Phasen, in denen mich diese Strukturen genervt haben. Bisher habe ich nur in Wien gewohnt und könnte auch gar nicht sagen, ob dieser Wunsch nach Anonymität in anderen Städten wie London, Barcelona oder Berlin überhaupt gegeben wäre, vielleicht ist es da ja genauso. Ich erzähle auf dem Song eher von einem Wunschdenken. Letztlich hat es mich aber doch immer hier in Wien gehalten – das zwischen mir und dieser Stadt ist eben eine Hassliebe.
Deine ersten Veröffentlichungen waren auf Englisch, mittlerweile machst du auf Deutsch Musik. Wieso hast du die Sprache gewechselt?
Nach bereits einjähriger Zusammenarbeit mit Skyfarmer, hatte der erste Corona-Lockdown zur Folge, dass wir uns zum ersten Mal für zwei Monate nicht gesehen hatten. Er schickte mir plötzlich Beats in einem völlig neuen Style – Trap-Beats. Darauf probierte ich was auf Deutsch aus und wir beide waren direkt hyped, auch wenn da noch viel Platz nach oben war. Von diesem Moment an wusste ich, dass ich nicht mehr zurück zum Englischen will.
Fällt es dir jetzt leichter, Texte auf Deutsch zu schreiben?
Am Anfang fiel es mir auf Englisch leichter, weil eine andere Sprache als die Muttersprache mehr Distanz zur eigentlichen Bedeutung schafft. Auf Deutsch hatte ich immer das Gefühl, dass emotionale Texte über Liebe oder Gefühle eher cringe klingen, weil die Worte einfach eine stärkere Wirkung zeigen. Außerdem habe ich für mich festgestellt, dass es auf Deutsch noch viele neue Wege des Schreibens gibt, die noch nicht umgesetzt wurden, also habe ich mehr Spielraum für Varianz.
Apropos Texte schreiben – In Zeiten von künstlicher Intelligenz könnten Teile deiner kreativen Arbeit bald ersetzt werden. Hast du Respekt vor so einer Zukunft?
Ich würde nicht mehr sagen Respekt, sondern echt Angst! Weniger auf mich als Solo-Artist bezogen, als mehr auf meine Producer. Ich glaube es wird schnell kommen, wie es jetzt vielleicht auch schon der Fall ist, dass Leute sich KI-Beats checken, weil die einfach billiger sind.
Da habe ich was für dich dabei! Ich habe mir von Chat GPT eine Hook im Style der Musikerin Skofi aus Wien schreiben lassen und das kam dabei raus: „In den Gassen von Wien, da ist’s so schön/ Die Donau singt ihr leises Lied, so zart und licht/ Skofi spielt ihr Cello, sanft und schön/ Die Stadt erwacht im Klang, das ist unser Licht.„
Jetzt bin ich aber erleichtert (lacht). Als ich das mal ausprobiert hatte, war das sogar noch besser, aber das ist schon wirklich schlecht. Ich glaube, ich habe in meinen Songs noch nie das Wort Donau oder Cello verwendet (lacht).
Welche Worte würdest du wählen, um deine Musik zu beschreiben?
Eigentlich ist es ein Satz, den man schon parat haben sollte, oder? Ich nehme jetzt mal locker und fluffig!
Dein Hauptproduzent ist Skyfarmer, könnte man euch als Duo bezeichnen?
Ja und nein. Irgendwie sind wir für immer ein Duo, da wir vom gleichen Startpunkt angefangen haben, als wir beide noch nicht in der Musikszene waren. Gleichzeitig machen wir aber auch unser eigenes Ding und sind sehr unterschiedlich.
Wie habt ihr euch kennengelernt?
Zuerst über Instagram und dann sind wir uns Mal im Flex begegnet – Beim zusammengelegten Goldroger- und ERRdeKa-Konzert. Skyfarmer war wegen ERRdeKa da und ich wegen Goldroger. In der Wechselpause sind wir uns im Foyer über den Weg gelaufen, haben kurz gequatscht und direkt einen Studiotermin ausgemacht. Das hat dann einfach funktioniert.
Welche Produzent*innen stehen ganz oben auf deiner Wunschliste für eine Zusammenarbeit?
Thani, ein deutscher Produzent, ich liebe seine Productions. Er verarbeitet sehr viel Dubstep und macht sehr krasse elektronische und basslastige Sachen. Sein Sounddesign ist für mich sehr besonders, da es sich stark vom Rest abgrenzt.
Deine Musik ist sehr vielfältig und nicht wirklich in ein Genre einzuordnen, hast du weiterhin Ambitionen, dich in verschiedene Genre-Richtungen auszuprobieren?
Ich will mich nie auf nur ein Genre festlegen, denn es kann sich jeden Tag ändern, auf was ich Lust habe. Ich möchte mich nicht unter Druck setzen und schau einfach was passiert, wie es sich fügt und was dann dabei rauskommt.
Können wir in Zukunft auf ein Dubstep- oder Drum’n’Bass-Projekt von dir hoffen?
Ich glaub schon, dass da was kommt! Ich glaube, dass Drum’n’Bass einfacher umzusetzen ist, da diese Musikrichtung in Österreich schon immer sehr präsent war, wodurch Producer einen einfacheren Zugang finden können. Dubstep scheint mir im deutschsprachigen Raum etwas schwieriger umzusetzen, da kommt Thani am ehesten an die geilen Sachen aus UK und den USA ran. Der Wiener Producer Sentic Cycle geht aber auch in diese Richtung, mit ihm habe ich schon ein paar Dinge ausprobiert, bin aber mit meiner Performance noch nicht ganz zufrieden. Da muss ich noch eine Nuss knacken, um mit bisherigen Veröffentlichungen aus diesem Bereich mithalten zu können.
Auf was können wir uns 2024 von Skofi freuen?
Auf jeden Fall viel neue Musik. Ich habe gerade richtig Bock, wieder regelmäßig ins Studio zu gehen. Außerdem möchte ich nächstes Jahr unbedingt mit Live-Band auftreten.
Welche Botschaft würdest du jungen Menschen, Newcomern oder vielleicht auch deinem jüngeren Selbst mitgeben?
Macht’s euer Ding, geht den Passionen aus eurer Kindheit nach. Lasst euch nicht von eurem Weg und euer Selbst abbringen, nur weil andere Menschen sich anders kleiden oder sich anders verhalten. Bildet euch eure eigenen Meinungen und steht zu euren Werten! Ich weiß, das klingt ur kitschig, aber ich wünschte ich hätte diese Botschaften früher verfolgt!
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