Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
Rund 15 Jahre lang war es ruhig um Unison, bestehend aus MC Shnek, Whizz Vienna und DJ Crum. In den vergangenen Monaten mit den Singles „Remember When“, „Pressure Gets Too Deep“ und „Vinyl Love“ zurückgekehrt, ist mit „Expectations“ am 24. Juni das Debütalbum des Trios erschienen – vorerst nur digital. Es folgt auf die in den 00er-Jahren veröffentlichten EPs „Sound Networks“ und „Re:actions“. Auf den neuen Tracks treffen eindringliche englischsprachige Raps auf Beats, die neben nostalgischen Boombapklängen etwa Rocksteady-, Boogie- und moderne elektronische Einflüsse bieten. Neben Whizz Vienna, der mit vier Beats vertreten ist, haben DJ Crum, die Polterguyz (Crum & VAL EBM), Mono:Massive sowie DJ Ride aus Portugal Produktionen beigesteuert.
Bevor Unison am Freitag beim Heimspiel im altehrwürdigen Wiener Roxy die neuen Tracks live präsentieren, haben wir beim Italiener mit Shnek und Crum – Whizz Vienna war leider verhindert – über alte Zeiten, neue Musik und diverse Entwicklungen dazwischen geplaudert.
The Message: Stimmt es, dass die Gründung von Unison damals auf den Vertrieb Soulseduction bzw. das Wiener Plattengeschäft Black Market zurückgegangen ist?
Shnek: Ja, Whizz hat damals zufällig im Lager vom Black Market gearbeitet.
Crum: Dort habe ich ihn kennengelernt und so ist Unison entstanden. Ich war Platten kaufen, er war gegenüber im Lager. Ich habe damals schon aufgelegt, er hat mich als DJ erkannt. Wir haben geplaudert und er hat gemeint, dass er produziert. Ich habe gesagt, dass der Shnek ein alter Freund von mir, ein super Rapper ist, der Drum ‚n‘ Bass macht. Fragen wir ihn mal, vielleicht will er auch mal über HipHop-Beats was machen. Kurz darauf waren wir beim Whizz in der Thin King‘s Kitchen aufnehmen. Trishes hatte das Label Beattown. Es hat sich von alleine ergeben und war eine Reihung glücklicher Umstände, alles ist ohne viel System oder Plan dahinter entstanden.
Shnek, wie blickst du auf deine Drum ‚n‘ Bass-Zeit zurück?
Shnek: Es war eine geile Zeit mit unfassbaren Momentaufnahmen, besonders die trife.life!-Zeiten. Nach der Unison-Geschichte bin ich ins Produzieren gegangen und habe mich dafür mit Concept zusammengetan. Parallel dazu MCing, Auflegen, Partys machen und so weiter.
Es gab eine Zeit, in der am Freitag eure DnB- und am Samstag die Message-Partys im Roxy waren, oder?
Shnek: Ja, genau. Wir haben zehn Jahre lang die Partys gehabt. Am Freitag all souled out, am Samstag die Message-Partys. Das Roxy war wie eine kleine Familie, ein freundschaftliches Ding.
Crum: Wien hat damals gefühlt überhaupt die zweitgrößte Drum n‘ Bass-Szene der Welt gehabt.
Shnek, du bist Halb-Engländer und hast Teile deiner Jugend dort verbracht. Hast du den Bezug zur Szene von dort importiert bzw. schon viele Leute gekannt?
Shnek: Wir haben einen engen Bezug zur Londoner Szene gehabt, aber ich kannte die Szene nicht aus England, weil ich dort in einer Kleinstadt in der Nähe von Bournemouth war. Natürlich kam Inspiration. Ich bin in London und Bristol viel Skateboard gefahren, da bekommt man das Urbane, die Kultur mit. Aus der trife.life!-Crew hat Aziz viele Kontakte nach London gehabt. Sie sind immer gern hergekommen und haben sich gefreut, bei uns spielen zu dürfen. Zum Beispiel DJ Marky, DJ Lee oder Stamina MC.
„Unsere Platten sind in Japan so gut angekommen, dass sie 500 Stück nachbestellt haben“
Was hast dich dort noch geprägt?
Shnek: Mein Onkel, der Reggae-Musiker ist, war ein großer Einfluss. Ich habe in England bei ihm gewohnt. Es hat mich extrem geprägt, zu einem Hippie zu ziehen und dort in die Schule zu gehen. Mit 18 kam der Punkt, wo es mich gelangweilt hat, am Land zu wohnen. Ich wollte wieder nach Wien, weil hier meine Wurzeln sind. Aber ich bin in der Zeit großer Reggae-Fan geworden. Man hört es glaube ich eh bisschen raus auf dem Album.
Crum: Man hört eigentlich dein ganzes Record-Knowledge raus. Es ist ein Wahnsinn, wie sehr du dich mit den Roots der HipHop- und Reggae-Musik beschäftigt hast.
Womit konkret?
Shnek: Wirklich mit Reggae aus den 1970er-Jahren, den Anfängen. HipHop kommt ja auch aus der Reggae-Kultur. Ich habe mich mit Kool DJ Herc und Co beschäftigt. Mich interessiert es, zurück zu den Wurzeln zu schauen, dass es vor den Blockpartys in der South Bronx schon lange Partys in Kingston mit Soundsystems gegeben hat. Zum Beispiel King Tubby mit seinen Remixes. Elektronische Musik hat ja genauso Wurzeln in Jamaika.
Wer aus der UK-Rap-Szene beeindruckt dich am meisten?
Shnek: Ich bin großer Fan von Chester P von Task Force, High Focus und Co, weil es ein Bezug zur anderen Heimat ist. Ich bin ja immer noch britischer Staatsbürger. Ich habe mich früher mehr als Engländer gefühlt, weil ich mehr Bezug zu England hatte. Mittlerweile habe ich viel mehr Bezug zu Wien, aber habe noch immer die britische Staatsbürgerschaft.
Zurück zu Unison: Ist früher in England oder generell im Ausland was gegangen? Euer Sound war ja immer international ausgerichtet.
Shnek: In England gar nicht. Aber lustigerweise in Japan.
Crum: Wir haben viele Platten in die ganze Welt verkauft. Am meisten in Japan, über Soulseduction. Das war DER österreichische Vinylvertrieb, zum Beispiel auch für G-Stone Recordings von Kruder & Dorfmeister. Die Platten sind in Japan so gut angekommen, dass sie 500 Stück nachbestellt haben. Insgesamt haben wir glaube ich 2.000 Stück von der „Sound Networks“-EP verkauft, was damals extrem viel war. Vinyl war ja am absteigenden Ast. Wir haben auf dem Donauinselfest gespielt, als es schon finster war, vor voller Crowd ein FM4-Fest gespielt und es im Gegensatz zu jetzt in die Rotation geschafft. So uninteressant waren wir glaube ich nicht.
Habt ihr auch internationale Shows gespielt?
Shnek: Nein. Wäre aber cool gewesen. Der, der in Japan so viele Platten von uns bestellt hat, hat gesagt, er würde uns gern nach Japan holen, wenn wir ein Album machen. Er ist dann leider bei einem Autounfall gestorben.
Meinst du Nujabes?
Shnek: Ja, genau.
Crum: Damals haben wir keine Ahnung gehabt, wer er ist. Er war ja nicht nur Produzent. Er hatte auch ein Label und war denke ich der Owner von Guinness Records, einem Plattenladen in Japan. Später waren wir mit „Sound Network“ auf einem Sampler von ihm, „Modal Soul Classics“.
Die Hauptzeit von Unison war Anfang/Mitte der 00er-Jahre. Danach hat Whizz mit Kamp „Versager Ohne Zukunft“ gemacht, Shnek mit Concept DnB produziert, Crum war im Slangsta-Umfeld aktiv. 2010, 2011 herum war das alles wieder vorbei. Stand damals zur Debatte, als Unison weitere Tracks oder ein Album zu machen?
Crum: Gar nichts, was Musik angeht. Wir haben aber immer Kontakt gehalten und sind seit jeher gut befreundet.
Shnek: Auch „Expectations“ war kein geplantes Ding. Crum hat mir vor gut einem Jahr aus irgendeinem Grund den Beat zu „Remember When“ geschickt, ich habe ihn mir angehört, geil gefunden und einen Text geschrieben. Ich bin zu ihm ins Studio, wir haben ihn aufgenommen und es hat uns getaugt. Es war wieder ein Spaß an der Sache.
Crum, du hast nach der Unison-Zeit ebenfalls mit dem Produzieren begonnen. Weißt du noch, wann du damit angefangen hast oder was die ersten veröffentlichten Beats waren?
Crum: Schwer zu sagen, wann ich angefangen habe. Es waren mehrere Beats für Kroko Jack, darunter der Titeltrack von „Beesa Bua“. Den habe ich zusammen mit VAL EBM gemacht. Mit ihm produziere ich immer noch hin und wieder unter dem Namen Polterguyz. Zu zweit war es mir immer lieber, alleine war es mir zu fad. Ich habe schon immer Layouts gemacht, aber zum Ausarbeiten habe ich mich meistens mit wem zusammengesetzt. Dann auch für die Slangsta-
Geschichten.
War das Ende beim Slangsta-Ding sehr abrupt?
Crum: Ja, aber ich habe mich nicht so viel damit beschäftigt. Ich war irgendwie dabei, aber ich habe mich nicht so damit assoziiert. Es war mehr ein Rapper-Ding, ich habe Cuts beigesteuert, paar Beats produziert und versucht, mich so gut es geht aus diesem „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“-Ding rauszuhalten. Das war mir zu mühsam. Aber es war eine coole Zeit, in der paar legendäre Sachen entstanden sind.
„Vor eineinhalb Jahren wäre ein Album noch undenkbar gewesen“
Du hast Shnek mit einem Beat zum Texte schreiben motiviert. Produzierst du generell gezielt auf was hin?
Crum: Ich habe immer wieder Beats gemacht, meist ohne Ziel dahinter. Ich habe oft gar keinen Bock gehabt, sie irgendwem zu geben. Ich habe mich selber auch nie so als Produzent gesehen. Es war eine Nebenbei-Geschichte. Aber ich habe die Beats meinen Leuten vorgespielt. Whizz hat mal gesagt: ‚Bist du deppat, die sind geil.‘
Warum hattest du trotzdem keine Lust, sie wem zu geben?
Crum: Seit meine Kinder auf der Welt sind – die sind jetzt fünf und drei – habe ich weiterhin aufgelegt und Scratch-Videos gemacht, aber mit der HipHop-Szene hat es sich mit den Kindern, dem Umzug von Wien aufs Land und der Pandemie im direkten Anschluss bisschen ausgeschlichen. Auch bewusst, weil mir das Familiending wichtiger ist. Jetzt, wo die Kinder schon etwas älter sind, kommt die Lust am Musik machen langsam zurück. Ich habe ein Studio im Keller und viele Beats rumliegen gehabt. Vor der Pandemie habe ich mit VAL EBM an einem Beatalbum gearbeitet, das nie rausgekommen ist. Wir wollten dann auch Whizz einbinden.
Shnek: Er hat uns seine komplette Festplatte mit rund 300 Beats gegeben. Ich habe mir alle angehört und ein paar rausgepickt. Einige davon wurden schon verwendet, „One Night“ zum Beispiel. Er hat gesagt, wir können ihn gerne nehmen. Er findet es geil, dass er immer noch so involviert ist und noch in irgendeiner Form Teil des Ganzen ist. Auch wenn das Beat-Ding für ihn eigentlich abgeschlossen ist.
Zurück zum Kinderthema: Shnek, war es bei dir auch so, dass die Kinder ein Knackpunkt fürs musikalische Schaffen waren?
Shnek: Auf jeden Fall. Ich bin stolzer Vater von drei Kids, das älteste ist 2013 geboren. Da ich aus der Drum ‚n‘ Bass-Szene komme, eine Zeit lang viel bei Partys gespielt und von der Musik gelebt habe, war es vom Lifestyle her undenkbar, dass du um zwei Uhr in der Früh zum Spielen anfängst, um vier nach Hause kommst und noch paar Bier trinkst. Ich war zehn Jahre lang jedes Wochenende irgendwo, habe mich produktionstechnisch und live auf der Bühne ausgelebt. Es hat mich dann nicht mehr so interessiert. Aber natürlich geht es einem irgendwann ab und man freut sich, wenn man wieder Musik macht. Es ist ja sehr schnell gegangen – vor eineinhalb Jahren wäre ein Album noch undenkbar gewesen.
Auch im Sinne einer temporären Ausflucht aus der Elternverantwortung?
Shnek: Natürlich, immer für ein paar Stunden. Wir waren sehr effizient. Wenn ich bei ihm war, haben wir zwei Tracks aufgenommen, weil wir beide wenig Zeit haben – Vollzeit berufstätig mit Familien. Danke an dieser Stelle an unsere Frauen, die uns für die Zeit freigespielt haben. Wir haben alle Tracks verwendet und keine Skizzen mehr rumliegen. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir nicht die Zeit hatten, mehr zu machen.
Ist die fehlende Zeit manchmal ein Vorteil?
Shnek: Wenn du sie gescheit nützt und nicht rumgurkst. Früher, als wir Beats gemacht haben, sind wir den ganzen Tag rumgesessen. Dann gehst du Schwimmen, wieder ins Studio, pennst wo auf der Couch und machst am nächsten Tag wieder. Oft ist nichts dabei rausgekommen. Man hatte keinen Stress. Heute ist es so, dass ich um 6 Uhr aufstehen muss. Crum wird gleich nervös, wenn im Studio was nicht passt. Er will ja auch früh schlafen gehen.
Hilft euch das Musik machen?
Shnek: Schon ein bisschen. Seitdem ich wieder Musik mache, bin ich viel ausgeglichener, es macht mir viel Freude.
Hast du in der Zwischenzeit Texte geschrieben?
Shnek: Vor fünf, sechs Jahren hat mir Crum schon mal paar Beats geschickt. Ich habe damals paar Nummern geschrieben, sie aber nur am Handy gespeichert gehabt. Ich bin ja Lehrer und wir waren mit einer Schulklasse bei einer Bootstour auf der Alten Donau. Mir ist das Handy aus der Hosentasche ins Wasser gefallen – und damit alle Texte. Ich habe mir gedacht: ‚Lassen wir es bleiben‘.
Crum: Er hat mir damals gesagt, dass es ein schlechtes Omen ist. Ich wollte ihn nicht unter Druck setzen, aber habe ihn gefragt: ‚Kannst du nicht wieder bisschen was aufschreiben?‘ Aber ich kann es mir gut vorstellen, wenn du an etwas arbeitest und nur eine Version davon hast, in der so viel drinsteckt.
Shnek: Es hätte damals nicht so gepasst und wäre nicht so cool geworden. So gesehen war es für etwas gut.
Wie hat sich der Anspruch an eure Tracks generell verändert?
Shnek: Sie sind auf jeden Fall höher geworden. Damals haben wir uns überhaupt nicht so viele Gedanken gemacht. Ich mache mir mittlerweile meistens vorher Gedanken, was ich thematisieren will. Aber es kommt irgendwann von selbst, vor allem wenn du den Beat hörst. Bei „Pressure Gets Too Deep“ war ich am Bein verletzt, er hat mir den Beat geschickt, ich habe drauflosgeschrieben – auch weil es vielen Leuten so gegangen ist. Die Corona-Lockdowns – Arbeit, Zuhause mit Kids. Es geht im Track nicht um mich, aber wie es generell Leuten gehen muss, die es noch viel härter trifft als mich. Mir geht es ja nicht so schlecht.
Crum: Ich habe ja schon mit vielen Leuten an Tracks und Alben gearbeitet. Ich kann extrem kritisch und nervig sein – wenn mir was nicht taugt, führ ich mich auf. Aber ich bin wirklich sehr zufrieden damit, was der Shnek daraus gemacht hat. Er hat mich mehr als überrascht. Er hat viele Jahre nichts gemacht, sich aber gleichzeitig extrem weiterentwickelt. Die Raps sind viel besser als früher. Ich habe ihn gefragt, ob er heimlich geübt hat.
Shnek: Mich hat es überrascht, als DJ Stylewarz uns Props gegeben hat. Das war ein Motivationsschub.
Crums: Er ist sowieso DER deutsche HipHop-DJ, eine Instanz. Er war einer der ersten, dem ich es vorgespielt habe. Auf seine Meinung lege ich extrem viel Wert. Er ist mein DJ-Held in Deutschland. Da werden wir eh noch was machen.
Sind die alten Whizz-Beats dann noch ein Thema?
Shnek: Klar, seine Beats sind zeitlos.
Crum: Außerdem glaube ich, dass ich mit ihm noch Beats überarbeiten werde. Oder dass ich sogar noch Beats mit ihm produzieren werde.
Shnek: Da müssen wir ihn noch motivieren.
Crum: Er sagt ja, dass er das unbedingt machen will. Ich mache ihm keinen Druck. Er hat natürlich auch viel um die Ohren.
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