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„Mich zieht’s raus aus Wien“ // Wandl Interview

„Mich zieht’s raus aus Wien“ // Wandl Interview

Wandl
Wandl testet die Reißfestigkeit seiner Kapuze.

Inspiriert von Brainfeeder– sowie Stones-Throw-Künstlern, konnte sich der in St. Pölten aufgewachsene Wandl in den vergangenen Jahren einen Namen als begnadeter Produzent machen. Seine bis dato veröffentlichten Solo-Projekte – etwa die „Far Way Home„-EP oder die „Rap Remixes Vol. 1“ – sowie die Zusammenarbeit mit Crack Ignaz auf „Geld Leben“ weisen jeweils einen ganz speziellen Flavour auf. Demnächst steht das Release seines ersten Studioalbums am Programm: „It’s All Good Tho“ erscheint am 2. Juni über das Wiener Label Affine Records. Es verspricht facettenreiche Tracks, auf denen der Wahl-Wiener auch verstärkt als Sänger in Erscheinung tritt – und teilweise Brutales von sich gibt. Wir haben Wandl vorab getroffen, um über den bald erscheinenden Longplayer, Produktionsprozesse, Selbstzweifel, Kritik zu „Geld Leben“ sowie die österreichische Musikkultur zu plaudern.

Interview: Simon Nowak & Valentin Gatol
Fotos: Daniel Shaked

The Message: „It’s All Good Tho“ stellt eine Melange aus zahlreichen Einflüssen dar – die musikalische Bandbreite reicht von Neo-Soul, R’n’B, Trap, cheesy Pop-Balladen bis hin zu HipHop. Inwieweit hast du bewusst auf diese große Vielfalt geachtet?
Wandl:
Es war gar nicht so bewusst. Ich arbeite an verschiedenen Sachen und experimentiere, das ist ganz natürlich entstanden. Das liegt auch daran, dass ich über einen längeren Zeitraum wirklich am Album gearbeitet und mich in verschiedene Richtungen ausprobiert habe. Ich hoffe, dass sich das alles ausgeht und klangtechnisch unter einem Deckmantel Platz hat.

Während deine HipHop-lastigen Produktionen weitgehend samplebasiert sind, hast du diesmal viel selbst eingespielt. Welche Machart taugt dir mehr?
Mir macht beides extrem viel Spaß. Wenn man mit Samples arbeitet, hat man sehr schnell ein Erfolgserlebnis und es bleibt auch für einen selber oft frischer zum Hören – weil’s nicht von einem selber ist. Das Einspielen ist viel persönlicher.

Es nimmt wohl auch bedeutend mehr Zeit in Anspruch.
Ja, sicher. Da muss man aber auch schauen, wie man es sich selbst spannend macht. Dieses Re-Samplen, also Sachen immer wieder herauszuspielen und quasi mich selbst zu choppen, hat es für mich wieder voll spannend gemacht, an der Musik zu arbeiten. Es fühlt sich wie ein Sample an, aber ich weiß ja, dass ich es selbst gemacht habe. Das ist natürlich schon ein größeres Erfolgserlebnis.

Trifft es auch auf die Vocals zu, dass du dich nun mehr traust, vermehrt deine eigene Stimme zu verwenden?
Ja. Ich habe darauf geachtet, dass ich von meiner eigenen Stimme, also meiner Sprechstimme, ausgehe. Ich habe auf den EPs zwar auch schon gesungen, aber beim Album war das eine andere Herangehensweise. Ich habe viel mehr geschrieben, teilweise auch ohne Beat. Außerdem wollte ich es nicht zu überladen haben. Hoffentlich sind Stimme und Produktionen gleichberechtigt, weil beides sehr große Leidenschaften von mir sind.

Der Track „Fever“ behandelt unter anderem Selbstzweifel und Wut. Er soll damit tiefe Einblicke in dein Seelenleben geben. Inwieweit prägen dich diese Wesenszüge?
Also ich weiß nicht, ob das jeder Künstler in diesem Ausmaß hat, aber ich bin schon sehr getrieben von eigenen Zweifeln und Ansprüchen, die ich an meine Musik stelle. Das ist sicher zum großen Teil der Grund dafür, dass ich so produktiv bin und soviel mache – weil ich einfach nie so ganz zufrieden bin und dann einfach immer einen Schritt weitergehen will oder muss. Auch, weil ich mich ungern wiederholen möchte. Nach „Geld Leben“ habe ich bewusst diesen Sound mal ein bisschen abgehakt und das war mir auch wichtig. Jetzt muss ich wieder schauen, wie ich das irgendwie neu machen kann und dabei noch ein bisschen persönlicher werde. Das hängt glaube ich stark mit meinem selbstkritischen Wesen zusammen.

Also beziehst du diese Eigenschaften vor allem auf dein musikalisches Schaffen?
Das ist meine Arbeit und meine Leidenschaft. Ich kann mich nirgends so gut ausdrücken und meine Gefühle zeigen, wie in der Musik. Weil ich ganz andere Sachen sagen kann als im echten Leben, eben noch viel freier und impulsiver.

Verortest du da auch den Ursprung für dein Faible für das Marode? Deine Vocals handeln ja teilweise auch von Selbstverletzung sowie vom Tod.
Klar, also jeder denkt irgendwann über den Tod nach. Ich weiß nicht, ob’s da noch viel zu sagen gibt, was nicht eh schon gesagt worden ist. Aber mich hat’s immer schon zu skurrilen, düsteren Sachen hingezogen, auch wenn ich jetzt an österreichische Künstler denke – Hader ist wohl das beste Beispiel. Das sind auch sehr düstere Sachen, aber immer auch mit einem lustigen Aspekt. Ich habe am Album auch ein bisschen versucht, den Tod und das ganz Düstere den lieblichen Sounds mit hochgepitchter Stimme gegenüberzustellen. Dass es nicht ganz untergeht in dieser Schwermütigkeit.

Du hast einmal Kamp als deinen österreichischen Lieblingsrapper bezeichnet. Passt doch gut ins Bild.
Klar, was der über seine Depressionen und seinen Rückzug von der Gesellschaft erzählt, hat mich damals schon getroffen. Er hat das mit so einem Schmäh gemacht, dass es im ersten Moment gar nicht so schmerzhaft ist. Wenn man sich mehr damit beschäftigt, wirkt es schon ziemlich tragisch, aber es ist trotzdem mit Humor gemacht.

Es hält sich bei ihm auf jeden Fall die Waage – einerseits dieses Kränkliche und Kaputte, andererseits dieses selbstironische Element, wo er im nächsten Moment über sich selbst lacht.
Voll, er ist sicher auch eine Inspiration gewesen. Natürlich auch Whizz Vienna. Schade, dass der nicht mehr so viel macht, aber ich glaube in einem Interview hat er eh so gesagt: ‚Wie lange kann man wirklich erfolglos Musik machen?‘

Beim Spielen von Shows wirkst du – im Kontrast zu deinen häufig traurigen Inspirationen – extrem energisch. Worauf führst du das zurück beziehungsweise was gibt dir diese Energie?
Die Musik natürlich (lacht). Wenn ich mich künstlerisch ausdrücken kann, dann bin ich aufgedreht. Es ist ganz wichtig für den künstlerischen Prozess, dass man alles rauslassen kann, dass alles ungefiltert ausbrechen kann. Ich tanze auch extrem gern, auch schon sehr lange. Als 12-Jähriger habe ich mit B-Boying angefangen. Das schließt sich für mich aber gar nicht aus. Ich bin ja nicht immer todtraurig, habe viele Facetten und viele verschiedene Phasen.

Back to music: Du bist Multiinstrumentalist, hast auf deinem Album unter anderem Geige, Klavier und Gitarre eingespielt. Wie viele Instrumente beherrscht du?
Ich bin bestimmt kein virtuoser Instrumentalist. Da ist der Anspruch für mich schon ein größerer, wenn ich mir zum Beispiel die Leute von der JazzWerkstatt Wien anschaue. Da denke ich mir jedes mal: ‚Fuck, die sind wirklich virtuos mit ihren Instrumenten und können auf so viele Sachen reagieren, auch beim Live-Spielen.‘ So orge Fähigkeiten habe ich nicht. Geige kann ich zum Beispiel nicht mehr so gut spielen. Das habe ich sehr früh, also mit fünf bis elf, gelernt. In der Schulzeit war Gitarre dran, ich habe ja auch in Gitarre maturiert. Ein Jahr habe ich Klavier gelernt und ein Schlagzeug habe ich dann auch mal bekommen. Die letzten paar Jahre habe ich auch sehr viel Klavier gespielt, mir eher selbst ein bisschen etwas beigebracht.

Auf dem Instrumental von „Smoky Laut“ samplst du Filmmusik, zudem hast du dich kürzlich in Hamburg musikalisch am Theaterstück „Der gestohlene Gott“ beteiligt. Wie kam es bei dir zu dieser Verbindung zwischen Bild und Ton?
Das geht für mich Hand in Hand. Wenn ich gute Musik höre, löst das bei mir irgendwie einen Film aus. Das ist eh bei vielen Leuten so. Das braucht dann vielleicht gar kein Video, aber für mich ist das schon eine Farbe, oder ich stelle mir einen Menschen vor. Musik ist für mich immer auch etwas Bildliches und Plastisches. Auch live find ich das geil, wenn die LED-Installationen für ein Strobo-Gewitter sorgen.

Du zeichnest auch gerne selbst – besonders in Verbindung mit Musikhören?
Ja, immer. Wenn ich Musik höre und ein Blatt Papier habe, muss ich kritzeln. Das finde ich voll beruhigend. Ich glaube, dass ich so ein bisschen ADHS habe und ich sowieso oft irgendwie eine Beschäftigung mit den Händen brauche. Wenn ich mich auf eine Sache konzentrieren muss, muss ich mich auch anders beschäftigen – mir fällt’s sogar oft schwer, beim Musikhören nur dazusitzen. Da kritzle ich nebenbei und dann habe ich oft das Gefühl, besser zuhören zu können, als wenn ich das nicht mache.

Nachdem du die Arbeit fürs Theater in Hamburg beendet hast und nach Wien zurückgekehrt bist, hast du gemeint, nach Südfrankreich gehen zu wollen. Was hat es denn damit auf sich?
Das war bisschen ein Joke, aber ich hab’s mir auch echt überlegt. Mich zieht’s glaub ich raus aus Wien, das habe ich auch gerade in Hamburg so gesehen. Ich war zwar nur zweieinhalb Monate dort, habe aber eine ganz andere Perspektive bekommen. Die Probleme, die man daheim hat, kriegen irgendwie ein anderes Gewicht und ich glaub, ich habe mich einfach persönlich anders entwickelt in Hamburg. Ich habe mich anders ausleben können als hier und deshalb habe mich gedacht: ‚Ich sollte die Zeit noch nutzen, solange ich so jung bin und mal schauen ob’s mir woanders auch gutgehen kann.‘

Führst du das auch ein bisschen auf die österreichische Musikkultur zurück, die einer Weiterentwicklung in diesen Sphären hinderlich sein könnte?
Man kann es sich wohl überall gemütlich machen. Man kommt im Leben nur weiter, wenn man sich in ungemütliche Situationen bringt und dann sieht: ‚Hey, das war vielleicht gar nicht so schlimm.‘ Also sich seinen Ängsten stellen und diese zu überwinden ist von Zeit zu Zeit sehr wichtig. Alleine in einem anderen Land zu sein, ist ja ein grusliger Gedanke, aber die Erfahrung, die man macht …

Du hast erwähnt, für deine Zusammenarbeit mit Crack Ignaz auf „Geld Leben“ Hate von österreichischen Rappern bekommen zu haben. Was waren die konkreten Kritikpunkte?
Wenn man Backpacker ist, findet man’s vielleicht ein bisschen zu weird oder so – keine Ahnung – oder zu unseriös. Ich find’s eigentlich ganz schrecklich, wenn man Musik so seriös betrachtet. Aber was war der Hate? Ein Kommentar, an den ich mich erinnern kann: ‚Da sind ja nur Kinder auf den Shows.‘ Ich mein, Oida, was gibt’s denn Geileres, als wenn junge Leute die Musik hören, die ich mache? Außerdem stimmt es gar nicht, dass nur Kinder bei den Shows waren, es hat viele Leute beschäftigt. Das war ein bisschen ein dummer Einwand. Aber „Geld Leben“ ist generell echt sehr wenig gehatet worden. Eigentlich eh schlimm, weil ich mir schon gedacht habe, dass es vielleicht zu gefällig ist und ich noch weirdere Sachen machen muss (lacht).

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Welche Produzenten feierst du aktuell besonders?
Ich habe auf SoundCloud letztens einen Dude entdeckt. Voll unbekannt, aber der macht sehr geile Sachen: jhawkDaSoul – dummer Name (lacht). Ich habe zuletzt echt wenige aktuelle Sachen gehört, kann es auch was Älteres sein?

Ja, klar!
Also ich höre viel von DJ Spinn, DJ Rashard und aus der Richtung viel Stuff. Paradox, ein Jungle-Produzent, finde ich sehr geil. Monte Booker von Soulection ist auch ziemlich crazy. Beim Track „Kolors“ mit Smino habe ich mir gedacht, das ist Future-Shit.

Was hat dich da geflasht, kannst du das benennen?
Es ist irgendwie voll poppig, aber trotzdem komplex mit verschiedenen Klängen, so: ‚Bu bu bu‘. Der Beat tropft irgendwie so dahin, ist aber trotzdem ur catchy. Es ist schon faszinierend, dass man das so vereinen kann. Ich will oft Ohrwürmer machen – also es ist ein Ziel, komplexe Sachen mit Ohrwurm-Charakter zu machen.

Wie würdest du deine Musik und die Arbeit dahinter jemandem erklären, der sich noch nicht damit auseinandergesetzt hat?
Ich versuch ganz einfach, das faktisch zu erklären. Ich sitze am Klavier und nehme circa 15 Minuten per Jam auf. Dann setze ich mich an den Computer, höre mir das an, suche mir ein paar Stellen raus und loope das vielleicht. Zur Ideenfindung: Das ist oft schwierig zu erklären. Oft fragen mich die Leute so: ‚Wie fallen dir diese Melodien ein?‘ Keine Ahnung, das kommt einfach durchs Machen und durchs häufige Hören. Auch durchs Nachahmen – es ist durchaus ein wichtiger Teil des Künstlerdaseins, Sachen nachzumachen. Also die Technik zu checken, um das System dahinter zu verstehen. Dann fallen einem irgendwann auch eigene Melodien ein, wenn man sich damit beschäftigt.

Also ist es generell immer ein ähnlicher Arbeitsprozess bei dir?
Na, es ist eigentlich sehr verschieden. Am Album sind sind ein paar Tracks nur von Reason, also nur aus’m Programm, manche sind samplebasiert, manchmal habe ich Drums und spiele dazu etwas ein. Ich muss mich immer ein bisschen am Riemen reißen, damit ich in kein Muster verfalle. Es wird für mich einfach langweilig, wenn ich merke, dass ich immer dieselben Schritte mache – so komm ich nicht ganz weiter. Dann muss man sich selbst pushen, andere Wege zu gehen. Ich habe mich zum Beispiel lange davor gedrückt, selbst aufzunehmen. Das war am Album ein Ziel, dass ich da fleißiger bin.

Inwieweit greift der Vorsatz der laufenden Neuorientierung von Arbeitsprozessen auch auf die Sound-Ebene über?
Es gibt bestimmt Parallelen von „Geld Leben“ und „It’s All Good Tho“. Ich hoffe auch, dass man irgendwie eine Linie erkennt. Aber sicher, ich will das noch ein paar Jahre machen und das würde mir zu langweilig werden, wenn ich denselben Sound mein ganzes Leben lang fahre. Da gibt’s ein paar HipHop-Produzenten …

… die im Prinzip seit Jahrzehnten genau das Gleiche machen.
Ja, voll. Die sind in Wirklichkeit immer lazier geworden.

Wobei das auch nichts Verwerfliches ist – vor allem, wenn der Sound immer noch Anklang findet. Ist doch genauso plausibel, wenn jemand für einen bestimmten Style steht und diesen für sich etabliert hat – natürlich eine ganz andere Herangehensweise.
Das ist auf jeden Fall ein anderer Zugang. Ich brauche das einfach für mich selbst. Ich würde wahnsinnig werden, wenn ich mich da immer selber kopieren müsste. Nein, das würde nicht gehen (lacht).

Am 3. Juni findet im WUK Foyer die Releaseshow von „It’s All Good Though“ statt.

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