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„80 Prozent im Deutschrap reden dasselbe“ // Bouncy Interview

„80 Prozent im Deutschrap reden dasselbe“ // Bouncy Interview

Foto: Lara Heußner

Foto: Lara Heußner

Mit gerade einmal 19 Jahren hat der Wiener Newcomer Bouncy bereits einiges vorzuweisen. Mit einem Sound, der eine anziehende Spannung zwischen rohen Drillelementen und smoothen Synthsphären schafft, landete der Rapper bereits einen Major-Deal bei Mom I Made It, war bei Diffus zu Gast, in Modus Mio gefeatured und auf Platz eins der Deutschrap Underground – Playlist. In dieser ist aktuell seine neuste Single Sinner (wie immer) zu hören. The Message besucht Bouncy an einem verregneten Herbsttag im Studio in der VILLA LALA. Das Konzert am Vorabend zeichnet sich in müden Augen ab, das Heimspiel im The Loft ist zu voller Zufriedenheit abgelaufen. Zu Beginn des Gesprächs lassen wir den Auftritt Revue passieren, dessen Setlist die Vielfalt Bouncys bisheriger Releases unterstreicht.

Deine bisherigen Veröffentlichungen weisen eine ziemliche Bandbreite auf. Wie würdest du den Stilbruch zwischen erster und zweiter EP beschreiben? Was hat damals von diesem Turn up – / in-your-face – Sound zu dem smootheren Soundbild geführt?

Die Songs, die ich rausbringe, sind immer mein aktuelles Ich. Bei Bouncy Tunes (Bouncys erste EP, 2022) war halt sehr viel Party Shit. Wir waren viel unterwegs. ILDB (Bouncys zweite EP, 2023) ist nach Winter raugekommen. Da war eine ruhige Zeit und da waren eher chilligere, vibigere Sachen mehr mein Mood. Mir war bewusst, dass sich das dann ein bisschen spalten wird.

Ich habe den Sound auf ILDB als noch einzigartiger als den auf der ersten EP empfunden. (Bouncy: Safe, ja.) Wie kam es zu diesem Sound, der sich bis jetzt durchzieht? Würdest du klare Soundvorbilder festmachen?

Bouncy Tunes war produktionstechnisch auf keinem hohen Level. Wir hatten nicht die Mittel. Es klingt eigen, aber Sound und Beats sind nichts komplett neues. Nachdem ich Bouncy Tunes gedroppt habe, hatte ich andere Möglichkeiten, Musik zu machen, einen eigenen Sound zu kreieren. ILDB ist in baba Studios entstanden. Zu ILDB habe ich viel Gunna gehört, oder YSL. Das hört man ein bisschen an den Samples. Es ist flächig, es ist simpel, sehr vibey. Ansonsten ist es schwer zu sagen. Ich habe Zeiten, wo ich nur House, nur Rap oder nur Rock höre. Ich versuche immer, Kleinigkeiten rauszunehmen und es zu einem zu machen.

Auch inhaltlich bist du einen Schritt weitergegangen. Du hast in der ersten EP ein sehr klares Bild von dir selbst abgegeben (Bouncy lacht), wie du, zumindest in deiner Künstlerperson, drauf bist. Dann bei ILDB wirst du sehr viel persönlicher. War diese neue Phase zu beginnen, eine bewusste Entscheidung?

Ich bin älter geworden. Wo ich Bouncy Tunes geschrieben habe, ich war 16. Ich bin jetzt 19. Und du weißt, 16 auf 19 ist schon ein Unterschied. Und ILDB war auch eine Zeit, da hatte ich meine erste Freundin. Da hat man ein bisschen dieses harte Ding gelassen und sich auf diesen Vibe eingelassen. Und ich will mich auch gerne weiterentwickeln und finde es auch nicht schlecht, wenn sich jedes Projekt anders anhört. Aber ja, zu deiner Frage: Man ist reifer geworden, hat mehr Sachen erlebt, hatte auch anderes und mehr zu erzählen.

Du wirst in den neuen Sachen offener und erzählst mehr ambivalente und auch negative Gefühle. Gibt es auch Dinge, über die du in deiner Musik nicht sprechen möchtest?

Ich kann nicht sagen, was ich in Zukunft erzählen werde. Aber aktueller Stand: Ich bin nicht so ein Fan, wenn Newcomer zu persönlich werden. Ich würd nicht erzählen, was ich erlebt hab, private Shit. Ich erzähle meinen Lifestyle, aber keine privaten und familiären Dinge. Aber ich werde safe auch Musik machen, in einigen Jahren, wo ich viel persönlicher werde, vielleicht die ganzen Storys erzähl.

Würdest du sagen, dass in deiner Musik Storytelling zentral ist, oder geht es dir eher um das Atmosphärische? Du kommst ja aus der Producer-Schiene.

Mein Ziel ist, beides zu kombinieren. Ich will Geschichten erzählen, aber nicht auf traurig, sodass es Leute mitnimmt. Ich will coole Storys erzählen, lustige Sachen, die ich mit meinen Jungs gemacht hab. Sachen, die Energy haben. Bei dem neuen Song „Sinner“, der jetzt rauskommt, habe ich beim zweiten Part einfach eine ganze Nacht erzählt, wenn man so richtig hinhört. Aber es ist so verpackt, dass es atmosphärisch ist, sodass es schön zum Anhören ist. Leute sollen mehr auf die Musik hören, aber wenn sie richtig hinhören, hören sie, was passiert ist.

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Findest du, den Vorwurf berechtigt, der aktuell sehr viel an Deutschrap herangetragen wird, dass es oberflächlicher wird, dünner, dass weniger politischer Inhalt vermittelt wird? Findest du, die politische Relevanz und die Qualität lassen nach?

Das ist schwierig zu sagen. Die Musik hat sich extrem verändert. Bis 2016/17 hat man noch ganz anders gerappt, jeder hat seine Story erzählt. Jetzt ist Musik schon oberflächlicher geworden. Wenn ich ehrlich bin, wenn du Deutschrap hörst, 80 Prozent der Leute reden über das Gleiche. Es ist austauschbar und immer weniger persönlich. Du kannst die ganzen Lieder nehmen, du kannst die ganzen Leute nehmen, du kannst genau das mit einem anderen Künstlern machen. Es wird sich genauso anhören. Warum? Weil Leute viel zu oberflächlich Sachen erzählen. Eigentlich ist Rappen ja wie Poetry. Du verpackst deinen Kopf in einen Text. Leute machen mittlerweile nur mehr Musik, weil Musik machen cool ist. Deswegen haben sie nichts zu erzählen und sagen nur Sachen, die eh auch jeder sagt. Es gibt wenige, die noch einen richtigen Character haben.

Die Sprache, in der du rappst, ist sehr divers aufgestellt: Du bindest türkische, englische und deutsche Worte mit ein. Ist es eine bewusste Entscheidung zu sagen, diesen Aspekt von mir möchte ich auch hineinbringen?

Mir ist meine Lingo wichtig. Alle die mich näher kennen, sagen, dass ich rappe wie ich rede. Das kommt mit der Zeit, wenn du ganze Zeit mit Gang chillst, irgendwann entwickelt ihr eure eigene Sprache, die nur ihr versteht. Genau wie ich eine Sache erzählen würde, schreibe ich es auch auf. Das ist mir wichtig, dass ich da auch Sachen reinmisch. Ist auch interessant für die Zuhörer, wenn mal jemand redet, wie man es nicht kennt.

Was sagst du zur aktuellen Szenensituation in Wien?

Es geht sehr nach vorne. Die neue Single von Sadi, die heute rausgekommen ist, habe ich sehr gefeiert. Auch Bibiza, mein Bro, hat crazy Song jetzt gedroppt und auch Tour zerfetzt. Ansonsten bin ich nicht ganz drin und verfolg die Musik hier nicht so. Nicht aus Disrespect, aber ich bin nicht in der Bubble, sodass ich das alles mitbekomme. Aber gibt schon crazy Musik. Wenn alle pushen, heißt, dass die ganze Szene sich pusht. Feier ich.