Selten hat es um ein Deutschrapkonzert im Voraus so viel Wirbel gegeben. Das Wien-Konzert von RIN soll zuerst im Flex stattfinden, wird aber ins WUK hochverlegt. Die Tickets sind nach kurzer Zeit ausverkauft und der Schwarzmarkt in der Facebookveranstaltung explodiert. Hunderte Fans suchen in den Kommentaren nach Tickets und bieten teils astronomische Summen.
Entsprechend dicht gedrängt stehen die Fans schon beim Supportact Minhtendo, der die Stimmung mit Cloudrap- und Traphymnen anheizt. Der Altersdurchschnitt liegt vermutlich knapp unter der Volljährigkeit. Adidas-Jogginghosen, weiße Shirts und Bauchtaschen sind der Dresscode. Passend dazu gibt es für jeden Tourstop ein eigenes Merchshirt. In der Umbaupause tönen einige Jazzstandards durch die Boxen, was den Jungs vor mir nicht wirklich taugt. Sie hören „Blackout“ am Handy und tanzen dazu. Ihre Tickets haben sie noch zum Originalpreis erstanden; sie können die Wucherpreise am Wiederverkaufsmarkt aber nachvollziehen: „So sind nur die echten RIN-Fans hier. Alle anderen verkaufen ihre Tickets. Mir hat jemand 120 Euro geboten, aber ich schau mir lieber RIN an.“
Als Rin die Bühne betritt, könnte die Spannung nicht größer sein. Die Crowd ist ab dem ersten Song im Bann des Rappers und zeigt sich bis zum letzten „Oh Junge“-Adlib textsicher. Wenige Minuten später öffnen sich schon die ersten Moshpits. RIN rappt die meisten Parts zwar live mit, das Playback im Hintergrund und der omnipräsente Autotuneeffekt helfen ihm aber über die eine oder andere Pause hinweg. Der technisch beste Rapper ist RIN definitiv nicht. Seine Stärke liegt in seiner Bühnenpräsenz. Er ist sichtlich gut gelaunt, freut sich über die mitgröhlenden Fans und springt über die Bühne wie ein Gummiball. Die Ansagen zwischen den Songs kommen selbstbewusst, sympathisch und natürlich mit jeder Menge Autotune daher.
Songs wie „Doverstreet“, „Dontlike“ oder „Dizze Rascal Type Beat“ funktionieren live extrem gut. Es geht um Freunde, Drogen, Sex und Konsum. Der Lebenssinn ist purer Hedonismus, es geht nur um Spaß. Für alles andere bleibt keine Zeit, schließlich ist es schon wieder Donnerstag und da wird Supreme gekauft. Die Crowd feiert dazu ekstatisch. Schwieriger wird es bei den „gefühlvolleren“ Songs wie Gamma, Nightlife oder Monica Belluci. Sobald es thematisch um mehr als Mode geht, zeigt sich, wie wenig Tiefgang RIN in seine Texte bringt. Live genauso wie auf seinem aktuellen Album „Eros“ (Review) wirken einige Nummern wie Lückenfüller. Die letzten beiden Songs „Bros“ und „Blackout“ bringen die Stimmung auf einen neuen Höhepunkt. Es geht mal wieder um die Jungs und Klamotten, das Publikum fühlt lautstark mit. Als Zugabe folgt direkt noch einmal „Bros“. Auf „Bianco“ müssen die Wiener leider verzichten.
RIN spielt knapp eine Stunde und das ist zu lang. In seinen Hits zeigt er, dass er mehr kann, als nur die Ami-Trap-Formel anzuwenden. Durch seine sympathische Art und eigene Sprache gibt er dem Ganzen eine persönliche Note. Zu einem richtig guten Konzert gehört aber mehr als eine Handvoll Partybanger über Marlboro und Supreme. RIN steht zu Recht im Scheinwerferlicht, für die Champions League des Deutschrap fehlt es aber noch an Abwechslung und inhaltlicher Tiefe.
Fotos von David Lindengrün
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