"The hardest thing to do is something that is close…
Was dem Alexander Marcus seine rosa Hose, ist dem Crack Ignaz seine Herzchen-Brille. Natürlich musste die auch auf das Albumcover des Debüts „Kirsch“. Umgeben von einer Farbmelange aus Rosa, Weiß und Blau, erweckt die Gesamtkomposition des Artworks Assoziationen zu Atzen-Musik-Sangria-Krachern wie „Florida Lady“ – also generell Musik, die sich nicht durch lyrische Tiefe auszeichnet, sondern vor allem ein gewisses Feeling vermitteln will. Auch Crack Ignaz sieht sich nicht als der rappende Dostojewski, im Gegenteil: Er zelebriert vielmehr den einst von Money Boy im deutschsprachigen Raum etablierten „Swag“ in vollsten Zügen. Bei Crack Ignaz heißt das schlichtweg „Gödlife“, eine Ode an die angenehmeren Seiten des Lebens, die in der Welt des Salzburgers mit schönen Frauen, feinstem Weed und Gwalla schnell umschrieben sind.
All das verwundert wenig, wenn sich der musikalische Stil des Crack Ignaz vor Augen geführt wird. Der Hanuschplatzflower macht Cloud-Rap. Also jene Sparte Rap, die in den Vereinigten Staaten von Künstlern wie Bones (nicht die Knochenjägerin), Cities Aviv, Lil B oder A$AP Rocky populär gemacht wurde (ohne hier auf das schwedische Pendant Yung Lean zu vergessen). Dementsprechend klingt „Kirsch“: Überwiegend abstrakte, träumerische Beats treffen auf Auto-Tune und schrägem Gesang. Die Lyrics beschränken sich auf die vorhin skizzierten Themenfelder, mit der ein oder anderen größeren Ausschweifung Richtung Nonsens. In der Theorie relativ easy scheinend, aber in der Praxis umso schwerer umzusetzen, schwebt doch das Damoklesschwert der Peinlichkeit stets über die Häupter deutschsprachiger Cloudrapper. Nur über den blondgefärbten Afro des Crack Ignaz nicht.
Schafft es doch Ignaz, den Hörer von Sekunde eins an in seinen Bann zu ziehen und eine hohe Dichte an Hits abzuliefern: Tracks wie „Gödlife“, „Lagerfeld“, „Oder ned“ oder „Gwalla“ sind regelrechte Bretter, die sich in den Hörgang hineinbohren. Ganz zu schweigen von „Gustav Klimt“, dem Hi-Hat-Monster mit der aberwitzigen Aufforderung, den Rembrandt anzuschauen. „Sternenstaub“ oder „August“ vermitteln zwar den Geschmack von karamellisierter Zuckerwatte, die zwischen den Zähnen kleben bleibt, so kitschig wie hier zu Werke gegangen wird. Nur: Man nimmt das dem Typen mit der Herzchen-Brille einfach ab. Hinzu kommt, dass dieser so extrem locker (er würde es wohl „geschmeidig“ nennen) über die Beats flowt, als hätte er seit seiner Geburt nichts anderes gemacht. Der „US-Südstaaten-Slang meets Salzburger Dialekt“-Sprach-Mischmasch ist zwar mancherorts etwas unverständlich, aber wirkt umso authentischer. Ob das auch auf Hochdeutsch funktionieren würde, darüber herrschen Zweifel. Blieben doch Ignaz‘ vermittelte Natürlichkeit und Ungezwungenheit auf der Strecke.
Soundtechnisch bedient sich der „Alpenkönig“ ebenfalls nicht dem (im Deutschrap sehr gängigen) „Copy + Paste“-Prinzip, sondern bewahrt eine deutlich hörbare Eigenständigkeit. So passt nicht jeder Beat zu hundert Prozent in das gängige Bild des Cloud-Rap, was aber Crack Ignaz nicht davor bewahrt, auf souveräne Art über Instrumentals wie dem Feux-Kracher „Ned gescheid“ zu brettern. Die Produzenten, neben Feux unter anderem auch Lex Lugner und Wandl, liefern dabei eine nicht minder starke Vorstellung wie der Kollege am Mikrofon ab.
LGoony meinte einst, dass Crack Ignaz zu seinen wichtigsten Einflüssen zähle, da dieser einen ganz neuen Sound im Deutschrap geschaffen hätte. Dieses Album untermauert auf eindrucksvolle Art das Argument LGoonys. Hier treffen starke Beats auf einen glänzend aufgelegten Rapper. Während die Mixtapes noch schroff und ungehobelt klangen, wirkt „Kirsch“ im Vergleich viel ausgearbeiteter – um nicht zu sagen reifer. Alles wurde auf ein höheres Level gehievt, wobei dennoch der Eindruck vorherrscht, dass Ignaz noch nicht seinen künstlerischen Zenit erreicht hat. Aber schon jetzt äußerst überzeugendes Material liefert. Und folgerichtig eine Wertung von 4/5 Ananas erzielt.
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