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Xatar und Haftbefehl polarisieren als Coup // Pro & Contra Review

Xatar und Haftbefehl polarisieren als Coup // Pro & Contra Review

Haftbefehl-Xatar-Coup-Der-Holland-Job
Four Music (Sony Music) / VÖ: 12.08.16

Coup: Mit Mittelmaß in die Charts

Schon seit mehreren Jahren featuren sich die Künstler der Camps „Alles oder Nix“ und „Azzlackz“ gegenseitig. Die Formation Coup geht nun allerdings einen Schritt weiter, besteht darin das Gipfeltreffen der beiden Stammesoberhäupter Haftbefehl und Xatar auf Albumlänge. Neben dem „Baba“ und dem „Bira“ versammelt sich auf dem gemeinsamen Album auch Deutschraps-Beatelite.

Eigentlich sollte da doch nicht so viel schiefgehen können, oder?

Der erste Track mit dem Titel „Tret die Tür ein“ startet wuchtig: „In-die-Fresse-Rap“ ohne Schnörkel auf einem „Star-Wars-Beat“, wie Xatar sagen würde. Und auch der nächste Track „500“ stellt eines der Highlights des Albums dar. Auf einem Beat von Tai Jason schaffen es sowohl Hafti als auch Xatar dank ordentlicher Sechzehner und passender Hook zu glänzen. Marschmusik für Goldkettenträger quasi – mehr Power geht nicht. „Gib Geld“ wurde ebenfalls wie „Tret die Tür ein“ von Die Achse (Bazzazian und Farhot) produziert, zehrt aber leider mit einem zu anstrengenden Sample gehörig an den Nerven. Xatar stürzt bei dem Beat gänzlich ab, Haftbefehl strahlt hingegen gewohnte Souveränität aus. Als Unterstützung für die Hook stöhnt die für Cloudrap bekannte Haiyti den Songtitel wiederholt ins Mikrofon. Sie sorgt damit für einige der wenigen femininen Klänge bei dieser testosterongeschwängerten Vorstellung.

Tracks wie „Ich zahle gar nix“ reihen sich in die Tradition „Starker-Beat-schwacher-Rap“ ein. Die Aufzählung jeglicher Luxus-Konsumgüter kommt ein Jahrzehnt zu spät. Das Zusammenspiel aus hohen und tiefen Bläser-Samples auf „Paranoid“ funktioniert erneut hervorragend, die eingesungene Hook von Yasin El Harrouk bringt frischen Wind in die Produktion. Nur Haftbefehl und Xatar lassen wieder aus.  Der Überraschungseffekt bleibt auf der Strecke und Xatar beendet seinen 16er mit „Du siehst, ich kann nicht weinen, meine Tränen sind Eis, denn meine Zelle war unbeheizt“. Die sinnbildlich verdrehte Täter- und Opferkultur gäbe hier Anlass zu einem weiteren Diskurs, dennoch wäre es im Rahmen einer Plattenkritik zu viel erwartet, die Werte- und Gerechtigkeitsvorstellungen von Straßenrappern zu thematisieren.

Nach dem Beatmix von Der Achse und Brenk Sinatra auf der Video-Single „Kanack“ driftet das Album schließlich in die Monotonie ab. Auf der Baibu-Produktion „Gib mal her“ langweilt Xatar mit der bisher unkreativsten Form, ohrwurmtaugliche Hooks zu schreiben: Die stupide Wiederholung des Songtitels macht noch keinen Hit aus (auch wenn manche Deutschrapper anderes behaupten). Währenddessen versucht Haftbefehl aus seinem Part ein Flowmassaker zu veranstalten – was aber im Flowselbstmord endet. Der Offenbacher stolpert überhastet über den Beat und motiviert sogleich zum Skippen. „Zu ’nem Hit gehört noch mehr dazu, als ’ne Kick und Snare„, rappt Haftbefehl da. Ja, da schau her!

Etwas angenehmer ist „Tach Tach“ – von den Enginearz zusammengeschraubt – das zumindest theoretisch Hitpotenzial hätte. Aber erneut sorgt hier die einfallslose Hook für ein schwaches Erinnerungsvermögen an den Song. Lediglich Xatars subtile Disses in Richtung KC Rebell, Banger Musik und Düsseldorf schreiben sich in das Gedächtnis ein. Textlich schwierig auch „Zwei Rolis pro Arm“ auf einem Beat von „AoN“-Hausproduzent REAF: Xatar liefert einen Storyteller, Haftbefehl einen typischen Haftbefehl-Part. Das passt nicht wirklich zusammen. Zum Überstreuen wurde das Ganze auch noch durch die nächste mittelmäßige Hook zusammengeklebt. Dem nicht genug, erinnert „Alles Kebap“ anschließend stark an die Nummer „Gute Nacht“ vom letzten Xatar-Album „Baba aller Babas“. Das Konzept ist eigentlich recht spannend: Der Bonner erzählt dem Offenbacher, was man über ihn so alles auf der Straße spricht – und umgekehrt. Schwachstelle wieder einmal die lieblos wirkende Hook von Xatar, der Beat könnte die Musikkulisse einer Zirkusvorstellung eines traurigen Clowns sein.

Ein bisschen tiefgründiger wird es dann aber doch noch. Auf „Lauf der Dinge“ liefern die beiden eine melancholische und traurige Sicht auf das Leben auf der Straße. Neben dem guten Konzept lenkt vor allem Joy Denalanes Gesang viel Aufmerksamkeit auf sich – wenngleich ihre faszinierende Stimme für Floskeln wie „Und dann zeig mir deine Freunde und ich sag‘ dir, wer du bist“ etwas verschwendet wirkt. Xatar ist leider das Talent, komplexe politische Themen auf simple Aussagen herunterzubrechen, im Angesicht von Zeilen wie „Deutschland, du hast so Kopf gefickt, dass ’n Kölner DJ im Irak Bomben legt“ abhanden gekommen.

Die erste Single und gleichzeitig Abschlusstrack des Albums namens „AFD“ glänzt mit wenig politisch durchdachten Aussagen. Wahrscheinlich hatten Haftbefehl und Xatar eigentlich nur Gutes im Sinn, als sie diesen Song als Ausrufezeichen gegen Rechtspopulisten geschrieben hatten. Doch leider entwickelte sich „AFD“ zum Rohrkrepierer als Startschuss zur Albumpromo. Zeilen wie „Böhmermann ist gefickt – der Flüchtling ist dran schuld“, „Arbeitslose voll – der Flüchtling ist dran schuld“ und „Flüchtlinge bringen Flous durch Waffenexporte“ entbehren jeglicher Logik. Und die Zeile „Das Boot ist zu voll – der Flüchtling ist dran schuld“ führt zu Wortwitz an Stellen, an denen eigentlich Betroffenheit herrschen sollte.

Fazit: Als Gemälde würde „Der Holland Job“ nur in einem oberflächlich schönen Licht erstrahlen. Emotionale Tiefe, Straßengefühle, Schmerz und der künstlerische Hunger, ohne den Haftbefehl und Xatar nicht ihre Karriere hingelegt hätten, kommen beim Hörer nicht an. An Stellen, an denen einst Passion und Kreativität regierten, herrscht nun Einfältigkeit. Xatar und Haftbefehl sind satt. Sie sind der Gegenentwurf zu einem van Gogh, der erst nach seinem Tod Ruhm erlangte und nie Geld für seine Kunst bekam. Doch die beiden Rapper kennen schon zu Lebzeiten den Wert ihrer musikalischen Gemälde, was ihre Leistungen auf Albumlänge korrumpiert. Sie wissen inzwischen ganz genau, wie sie mit wenig oder gleichbleibenden Einsatz einen stets steigenden Umsatz erzielen können. Ein temporäres Vergnügen, welches mit der Zeit im gegenteiligen Effekt enden kann. Zu wünschen wäre es keinem der beiden, denn eigentlich lieferten sie über die vergangenen Jahre hinweg genügend Beweise dafür, dass sie eigentlich so viel mehr können. Xatar und Haftbefehl sollten sich bewusst machen, dass sie in der Deutschrap-Königsklasse spielen. Sie haben eine Verantwortung ihrer Zuhörerschaft gegenüber – aber auch ihrer Kunst und somit auch an sich selbst. Und diese Verantwortung verlangt mit mehr zu glänzen als mit Mittelmaß. Gemessen am Stellenwert der Künstler und auch der künstlerischen Möglichkeiten wäre auf „Der Holland Job“ deutlich mehr möglich gewesen. So wirkt das Album an manchen Stellen passionslos und nicht zu Ende durchdacht.

2 von 5 Ananas
2 von 5 Ananas

Text: Max Cornelius

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Coup landen mit „Der Holland Job“ einen wahren Coup

Mit Xatar und Haftbefehl haben sich zwei der zurzeit größten deutschen Gangsterrapper zusammengetan, um gemeinsam als Coup ein großes Kollaboalbum zu veröffentlichen. Doch der Weg dorthin war am Anfang alles andere als gelungen und vielmehr ein amateurhafter Versuch, eine ohnehin schon große Paarung zusätzlich noch in viel höhere Sphären zu hieven. Wenn man einfach von der ProSieben-Show „Studio Amani“, die keinen interessiert, verschwindet und alle Social-Media-Profile offline stellt, führt dies einfach nicht zum erwünschten Effekt. Das Wissen, dass ein gemeinsames Album die einzige logische Konsequenz aus diesem Theater sein musste, ließ nicht einmal annähernd Spannung entstehen. Dass Xatar dann in Interviews auch noch plötzlich Beef anzettelte, wirkte zudem wie eine einzige Verzweiflungstat.

Einen halbgaren, Hauptsache politisch anmutenden Song namens „AFD“ als erste Single zu veröffentlichen war vielleicht auch nicht die schlaueste Idee. Dank ihres actiongeladenen Kurzfilms, welcher neue Standards für Deutschrap-Videos setzte, sowie gelungenen Songs erzeugten die beiden doch noch so etwas wie Vorfreude. Das Wichtigste stellt am Ende jedoch die Musik dar und Coup ist mit „Der Holland Job“ ein wahrer Coup gelungen. Xatar und Haftbefehl kombinieren ihre unterschiedliche Herangehensweisen vorbildlich und gehen dabei keinen halbgaren Kompromiss ein.

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Schon das gewaltige Intro gibt den Ton des Albums an. Kreative, größtenteils nach vorne gehende Produktionen lassen die zwei Rapper glänzen. Xatars geordneter Vortrag trifft auf einen Haftbefehl, der endgültig durchdreht und sich noch mehr auf Flowvariationen als auf “Russisch Roulette“ fokussiert. Zum Glück geht seine einzigartige Ignoranz dabei nie verloren. Produzenten wie REAF, Die Achse und Brenk Sinatra drehen ebenfalls komplett am Rad und kennen bei ihrer Kreativität keinerlei Grenzen. Eine verspielte Melodie, die sich zu einem wahren Brett entwickelt, oder ein genialer Beatwechsel wie auf „Kanack“ gehören hier zum guten Ton. Dabei hört sich keine Verspieltheit nach einer zu viel an. Etwas, das ansonsten nur Größen wie Kanye West gelingt. Wenn man sich Coup anhört, käme man kaum auf die Idee, dass mehrere Produzenten an dem 13 Tracks starken Projekt gearbeitet haben.

So grandios die Produktionen auch sind – Xatar und Haftbefehl überzeugen auf ähnliche Weise. Sie liefern gekonnte Songkonzepte, die dafür sorgen, dass der Großteil der Songs für sich stehen kann. Sei es bei „Gib Geld“, auf dem Haiyti ein brutales Rendezvous vorhersagt. Oder bei „Alles Kebap“, welches davon lebt, dass die beiden authentisch übereinander erzählen. Manchmal reichen auch wahre Ohrwurmhooks wie auf „500“ oder „Ich zahle gar nix“, um die starken Parts zu veredeln.

Was bei Haftbefehls „Russisch Roulette“ schon wichtig war, schadet auch bei „Der Holland Job“ nicht: Xatar und Haftbefehl lassen stellenweise auch ruhigere, nachdenklichere Töne erklingen. Die Blicke auf Themen abseits von Gewalt und Geld heben das Niveau des Albums deutlich. Dabei fügen sich Tracks wie „Paranoid“ oder „Lauf der Dinge“ perfekt in das Gesamtbild ein. Natürlich ist die Hook auf „Paranoid“ reine Geschmackssache und natürlich erzeugen beide auch nicht die Gänsehaut, wie es Haftbefehl auf seinem letzten Album geschafft hat. Trotzdem klingen die Zeilen authentisch. Vor allem „Lauf der Dinge“ ist ein wahres Highlight: Die Parts, der Beat, Xatars Hook und dann noch eine Joy Denalane, die den Song durch ihren Gesang noch einmal mehr als nur sinnvoll ergänzt. Einzig die inhaltliche Tiefe fehlt an mancher Stelle, denn da wäre deutlich mehr möglich gewesen. Das artet jedoch zum Glück nur einmal in einen Track wie „AFD“ aus.

Fazit: Ja, „Der Holland Job“ ist kein Meisterwerk, aber dafür ein verdammt gutes Album geworden. Zwar fehlt eine übergeordnete Geschichte, die alles miteinander verbindet, aber trotz der genannten Kritikpunkte ist Coup hiermit ein klarer Höhepunkt des Jahres gelungen.

4 von 5 Ananas
4 von 5 Ananas

Text: Colin Smith

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