"The hardest thing to do is something that is close…
Der deutsche Musikpreis „Echo“ ist seit zwei Jahren tot, das österreichische Pendant „Amadeus“ lebt. Noch, kämpft der Preis händeringend um Relevanz in einem veränderten Musikgeschäft. Völlig zu Recht, wie die HipHop-Nominierungen für den Preis 2020 zeigen.
Im Leben vermisst man oft etwas erst, wenn man es nicht mehr hat. Vielleicht hoffte der ein oder andere, dass es beim deutschen Musikpreis „Echo“ auch so sein wird. 2018 wurde dieser ins Nirvana geschickt, nachdem die Verantwortlichen in der Causa Farid Bang und Kollegah eine bemitleidenswerte Figur abgaben. Eine Vermisstenanzeige hat seither aber keiner gestellt, der „Echo“ ist einfach verschwunden. Ein deutlicheres Zeichen für Irrelevanz ist kaum vorstellbar.
In Österreich gibt es noch einen „großen“ Musik-Preis. Er nennt sich „Amadeus Austrian Music Awards“ und geht 2020 zum 20. Mal über die Bühne. Dabei hat er gegenüber dem „Echo“ theoretisch einen Vorteil: Verkaufszahlen sind nicht der einzige Faktor, der über eine Nominierung entscheidet. Eine Experten-Jury kommt ebenfalls zum Einsatz, quasi als Gegengewicht zu den teils irren Launen der Verkaufs-Charts. Unvorteilhaft nur, dass es irre Launen auch bei der Jury gibt. Das zeigt sich traditionell nirgends so gut wie in der Kategorie „HipHop/Urban”.
Obwohl HipHop längst zum Motor der Musikindustrie wurde, behandelt der „Amadeus“ diese Kategorie weiterhin stiefmütterlich, mit einem Hang zur Monokultur im Feld der Preis-Anwärter. Wenig überraschend ist RAF Camora auch 2020 ein Fixstarter und wird mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit den Preis gewinnen, da das Publikum mitvoten darf – mit Millionen Followern in den sozialen Medien wäre alles andere als ein weiterer RAF-Triumph eine Sensation. Neben RAF Camora wurde auch Dame ein weiteres Mal nominiert: Bei der hohen Chart-Platzierung für sein Album „Zeus“ (Platz 3 in Österreich) ist das ebenfalls keine große Überraschung, ausverkaufte Konzerte bekräftigen nur diese Entscheidung.
Sexismus gegen Rap
Weitaus kontroverser ist hingegen Yung Hurns erneute Nominierung. Die stößt angesichts des höchst fragwürdigen Frauenbildes, das der Donaustädter auf seinem letzten Album „Y“ zeigt, sogar regelrecht bitter auf. Fast scheint es so, als hätte die „Amadeus“-Jury die aufgekommene Sexismus-Debatte in der Deutschrap-Szene schlichtweg ignoriert. Ziemlich schwach für eine „Bubble“, die sich betont „woke“ zeigt.
Komplettiert wird das Feld mit den Neulingen KeKe und Hunney Pimp. Rein künstlerisch finden sich für beide einige Gründe, die eine Nominierung rechtfertigen. Hunney Pimp hat mit „Chicago Baby” ein beachtliches Album hinlegt, KeKe gilt mit ihrer EP und ihren Features auf dem letzten Trettmann– sowie Kummer-Release nicht nur in Österreich als Geheimtipp. In den Charts waren beide nicht vertreten, ihre kommerzielle Bedeutung ist bislang noch überschaubar.
Die Nominierung der beiden wäre trotzdem nachvollziehbar, wenn man im Gegenzug nicht Svaba Ortak ignoriert hätte. Svaba Ortak veröffentlichte im vergangenen Jahr mit „Eva & Adam” nicht nur eines der interessantesten Straßenrap-Alben im deutschsprachigen Raum, sondern landete mit Platz 4 auch weit vorne in den österreichischen Charts. Alles gute Gründe, um seine Leistungen mit einer Nominierung zu würdigen. Aber anscheinend hat Straßenrap beim „Amadeus“ weiterhin einen schweren Stand, kommerzielle Relevanz hin oder her.
Auch abseits der „HipHop/Urban“-Kategorie glänzen die Nominierungen des „Amadeus“ durch Vorhersehbarkeit. Verwunderlich, da das österreichische Musikgeschäft in den vergangenen Monaten kein Ruhepol war und durch Vielfalt glänzte. Nicht nur musikalisch: Einen Kid Pex hätte man beispielsweise mit einem „Special Award“ für sein soziales Engagement auszeichnen können. Schließlich hat er bewiesen, dass man als österreichischer Musiker gesellschaftspolitisch etwas bewirken kann. Aber hier zeigte sich der „Amadeus“ blind. Andreas Gabalier nicht zu nominieren muss als politisches Statement reichen, so lautete wohl der Gedankengang.
Daher wird von der 20. Ausgabe wohl wieder nur die Afterparty in Erinnerung bleiben. Die spielt beim „Amadeus“ die heimliche Hauptrolle. Einen besseren Indikator dafür, dass man sich das Spektakel getrost sparen kann, gibt es eigentlich nicht.
Die „Amadeus Austrian Music Awards“ werden am 23. April 2020 verliehen.
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