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„Mein Mittelfinger hat Migrationshintergrund“ // Antifuchs Interview

„Mein Mittelfinger hat Migrationshintergrund“ // Antifuchs Interview

Maske auf, Jordans an, Mic in die Hand – mehr braucht Antifuchs nicht, um völlig in ihrem Element zu sein und auf Bühnen und in Studios zu zeigen, was sie kann und dass sie’s kann. Ihr Signature Move ist der Mittelfinger, ihre Antihaltung Grundeinstellung. Spätestens seit ihrem Debütalbum „Stola“ 2018, das auf Wolfpack Entertainment erschienen ist, hat sie ihren Namen auf die Deutschrap-Karte gepackt und kreiert mit ihrer prägnanten Stimme und auf technisch hohem Niveau Tracks, die ins Ohr gehen und im Gedächtnis bleiben. Thematisch bewegt sie sich meistens zwischen Weed, Rap und Representen – zeigt aber auf den neuen Video-Releases auch eine persönlichere Seite, die gespannt aufs kommende Album macht.

Antifuchs hat uns auf der „22 Years The Message Magazine„-Party ihren ersten Solo-Gig in Österreich beschert und mit ihrem Back-up Der Schakal das Fluc ganz schön eingeheizt. Für das Interview treffen wir den MC aus dem Norden am Nachmittag auf der Hotelterasse. Mit „Hi, Fuchs“ und ihrer unverkennbar derben, aber sympathischen Lache stellt sie sich vor und wir unterhalten uns mit ihr über Hype, den Umgang mit kreativem Output und die Freiheiten der Maske. Außerdem haben wir gerätselt, wann das Sonderposition-Thema wohl endgültig vorbei ist und Frauen in der Rapszene nicht mehr auf Optik und Geschlecht, sondern höchstens auf Skills reduziert werden.

Fotos: Alexander Gotter

The Message: Du hast dein Debütalbum im März 2018 releast und fandest es paradox, als Newcomer bezeichnet zu werden, obwohl du seit 15 Jahren Sound machst. Deine Intention war es, dich mit dem Album zu etablieren. Inwiefern ist dir das gelungen?
Antifuchs:
Für mein Gefühl habe ich mich auf jeden Fall etabliert, bei der Außenwelt bin ich mir nicht so sicher. Die neuen Songs wurden ständig mit dem alten Album in Zusammenhang gebracht und ich dachte mir nur: „Habt ihr das alte Album überhaupt gehört?!“ Da merkst du, dass die Leute sich weniger mit dir als Künstler beschäftigen, wenn die Medien um dich herum sich nicht mit dir beschäftigen. Ich habe immer noch so einen kleinen Underdog-Status, nicht mehr Newcomer – die Welt um mich herum weiß schon Bescheid, die Rapper wissen wer man ist – aber zum Mainstream sind es gefühlt noch zehn andere Welten, die dazwischen liegen. Aber in der Musikwelt finde ich jetzt langsam statt und hab mich da breit gemacht. (lacht)

Auf „IWNWIW“ rappst du: „Ist Zufall, dass ihr feiert, denn ich will keinen Hype“. In wie weit stimmt das?
Ich habe früher immer gesagt: Ich bin nicht auf einen Hype aus mit meiner Musik, sondern ich möchte einen langfristigen Erfolg damit generieren. Wenn du einen Hit hast, damit völlig durch die Decke gehst und dann nicht nachlegen kannst, steigt der Druck. Aber ich glaube, ich hätte nichts gegen einen Hype. Wenn’s passiert, wäre ich auf jeden Fall dabei! (lacht)

Traust du dich mehr, seit du dir einen Namen gemacht hast?
Nö, eigentlich nicht. An meiner Arbeitsweise hab ich von der EP bis zum ersten Album nichts verändert. Es ist immer noch dieser Kreativprozess, der einfach kommt und gegen den ich nichts machen kann. Dann müssen die Gedanken und alles, was da in meinem Kopf ist, irgendwie raus. Ich mach das immer sehr moodabhängig – ich hatte zum Beispiel ’ne Phase, in der es mir nicht so gut ging, da ist dann „Still“ entstanden. Dann hatte ich eine Phase, wo ich im Studio saß und mir einfach Rapper eingeladen habe und gesagt hab: „Hey Leute, wir jammen heute einfach. Wir machen Session bis morgens und knallen Hits raus!“ Da ist dann „Anti für immer“ entstanden. Wir hatten diesen Vibe im Studio, so viel Power, weil beide Künstler einfach Bock darauf hatten. Ich lass‘ mich auch weiterhin von diesen Gefühlslagen steuern. Fremdgesteuert vom Unterbewusstsein. (lacht) Aber dadurch entsteht auch so viel Verschiedenes, ich leg‘ mich da nicht so fest.

Du hast in einem Interview gesagt, du findest es spannend, dich musikalisch nicht in eine Schublade packen zu lassen und alles zu machen, worauf du Bock hast. Ist Rap für dich ein Rahmen, den du auch gerne mal sprengst?
Ja, absolut. Rap ist quasi mein Handwerk, aber ich schau‘ immer wieder auch gerne über den Tellerrand und auch mal unter den Teller. (lacht) Ich lass‘ mich da nicht eingrenzen und genieße die Freiheiten, die ich mir nehme.

Du bist dir über die Jahre aber trotzdem treu geblieben, obwohl du dir selbst keine Grenzen setzt. Was ist das Geheimnis dahinter?
Ich mache mir darüber auch Gedanken, weil du ja einen Wiedererkunnungswert für die Leute haben willst. Ich versuche, an alle meine Songs mit einer gewissen Anti-Attitüde heranzugehen. Manchmal leb‘ ich sie so aus, dass ich auf einem eigentlich süßen Song „Baklava & Bitches“  Sachen wie „Scheiß auf Fuckboys“ rappe und das Thema dann doch auf meine Art und Weise behandle, auch wenn es ein Mädchenthema ist. Das ist mir wichtig, bestimmte Themen nicht auszuschließen, weil sie nicht zu meinem Image passen, sondern sie trotzdem zu nehmen und es auf meine Art zu machen.

Apropos „Baklava & Bitches“, du meintest mal, du hast keinen Liebeskummer, du hast nur Bars. Jetzt sind zwei Songs entstanden, die aber in die Richtung gehen …
Ich habe mir so ein paar Grundattribute für das kommende Album gesucht und habe da auch das Thema Liebe nicht außen vor gelassen. Ich habe in letzter Zeit gemerkt, wie viele Leute das eigentlich beschäftigt. Bei „Baklava & Bitches“ gab’s erst nur den Titel und dann ist diese Idee entstanden mit „Ich will Baklava, du willst Bitches“. Das ist eigentlich schon ganz geil umgesetzt und wurde so nicht erwartet. Ich mag’s ganz gerne, wenn man etwas offensichtlich sieht und dann aber doch so einen „Aha-Moment“ hat, wenn man sich tiefer damit beschäftigt und nicht das kriegt, was man erwartet.

Die Maske gibt dir Freiheiten, wie etwa als Frau nicht auf Optik reduziert zu werden und den Fokus auf die Skills zu richten. Würdest du ohne Maske etwas anders machen?
Ich habe ja vorher auch Musik ohne Maske gemacht und gerade wenn’s um Video und Auftritte geht, war ich sehr, sehr schüchtern. Es fiel mir schwer, diesen inneren Schweinehund zu überwinden und mich wirklich eins zu eins so zu präsentieren, wie ich bin. Seitdem die Maske da ist, habe ich diese Scheu nicht mehr, direkt vor dem Publikum zu funktionieren. Ich brauche nicht mehr diese Phase, warm zu werden – es ist mir einfach scheißegal, ich zieh‘ die Maske an, bin Anti und die Leute müssen mit mir zurechtkommen. (lacht)

Du wirst dann richtig zu einem Character mit der Maske?
Ja, gefühlt schon. Aber gleichzeitig hilft sie mir auch total, ich selbst zu sein. Ich habe wirklich so die Schwiegertochter-Attitude manchmal, gerade wenn ich neue Menschen kennen lerne und bin erst mal sehr höflich und gar nicht dieser Rapper, der ich eigentlich bin. Das nehme ich mir schon heraus, selbst zu entscheiden, ob mich jemand ohne Maske sieht. Auch in Berlin ist das eine große Freiheit, ich kann rumlaufen wie ich will und kein Schwanz erkennt mich.

Also ist es mehr Freiheit als Einschränkung?
Ja, aber es ist definitiv Fluch und Segen. Auf Veranstaltungen zum Beispiel, wenn ich irgendwo feiern bin – ich bin ja auch auf den Händen tätowiert und hab schon eine prägnante Stimme, die Wiedererkennungswert hat – du bist immer paranoid, wenn die Handys auf einer bestimmten Höhe sind. Es muss ja nicht mal jemand mit Absicht machen, du kannst auch nur irgendwas photobomben, fasst dir dabei ins Gesicht und es ist schon ein offensichtliches Bild. Deswegen gehe ich zu so etwas nur noch mit Maske, das erspart einfach unfassbar viel Stress im Kopf. Man muss das aber auf jeden Fall durchziehen. Ich werde oft gefragt, warum ich sie nicht einfach abnehme (lacht). Du musst stur und hartnäckig bleiben und dein Ding einfach durchziehen, egal wie komisch die anderen das finden. Das gehört zu mir und meinem Künstlercharakter.

„Frauen werden ekelhaft miteinander verglichen“

Juju hat auf „Intro gesagt: „Du wirst nicht sagen, es ist Frauenrap auf Deutsch, du wirst sagen, dieses Album hat rasiert“. Ist dieses Thema rund um Sonderpositionen weiblicher Rapper so langsam mal vorbei, je mehr Frauen in der Rapszene stattfinden?
Schwierig. Es ist immer noch ein Thema, weil auch so viel darüber geredet wird und weil es in Line-ups immer noch Defizite gibt. Diesen Festivalsommer hat sich das zwar geändert, tatsächlich gibt’s aber zwei Punkte, die mir wichtig sind: Ich wünsche mir mehr Frauen, weil wir alle ekelhaft miteinander verglichen werden. Es gibt keinen Platz, vor allem bei den Fans, für eine Ko-Existenz. Wenn sie eine feiern, feiern sie eine des Todes und dann kannst du nicht neben ihr existieren und sagen, du bist die Beste, weil sie ist doch die Beste. Gerade wenn größere Rapper anfangen, ihre Favoriten zu benennen, wirst du da schon kategorisiert in gut/nicht gut, könnte Queen sein/könnte nicht Queen sein. Gleichzeitig gibt es immer noch Männer, die sagen, dass Frauen nicht fluchen dürfen, nicht so reden dürfen wie Männer, sich nicht so anziehen dürfen. Die immer noch diese ganzen „männlichen Attribute“ ausschließlich  bei Männern sehen wollen. Und ich sage das in Anführungsstrichen, weil das Attribute sind, die die Gesellschaft Männern zugeschrieben hat. Ich glaube, wir müssen langsam mal mit einer Selbstverständlichkeit daran gehen und nicht mehr so viel labern, sondern einfach machen.

Du bist damals mit Videobeattles in die Szene gekommen. Freestyle ist ja nicht so dein Ding, aber könntest du dir vorstellen, mal ein Written Acapella Battle zu machen?
Wenn ich mal wieder ’ne Phase hab, wo mir alle auf die Nerven gehen und ich mir denke, ich muss mal wieder zeigen, was Skills sind – das Format passt und es der richtige Gegner ist – kann ich mir das vorstellen. Aber ein Gegner, bei dem ich von vornerein schon denke, dass ich einfaches Spiel habe, reizt mich nicht. Ich hasse es, wenn es eine einfache Sache ist. Bei dem Toursupport von Callejon hab ich auch von vielen Männern gehört: „Wow, dass du dich da alleine als Frau hinstellst, das hat schon Eier“. Manchmal brauche ich das für mich, dass ich mir das selbst beweise und zeige, dass ich das kann, egal was die anderen denken.

Du hast die One-Take-Videos selbst gemacht, du hast betont, dass du deine Texte alle selbst schreibst – was ja heutzutage nicht selbstverständlich ist. Hast du das Gefühl, dich immer wieder beweisen zu müssen?
Als ich angefangen habe vor 16 Jahren, war das so ’ne Sache. Rap war sehr technisch zu der Zeit, weniger poppig und melodischer. Da wurde viel auf Technik geachtet, gerade in den Battlephasen, wo das VBT auch noch groß war. Ich hatte viele Homies in dem Bereich, die immer gleich gesagt haben: „Ne, ne, ne, so kannst du nicht aufnehmen, achte erst mal auf deine Skills“. Du musstest es sozusagen erstmals den Homies beweisen, bis du dann weiter nach außen kommst. Ich habe schon das Gefühl, dass du als Frau immer kritischer beäugt wirst. Und ich persönlich merke, dass ich’s mir auch selbst beweisen muss. Aber wenn ich das mehr von außen betrachte und mein Ego da ein bisschen zurücknehme, merk ich, dass das gar nicht unbedingt notwendig ist und dass ich mit meiner Präsenz und dem was ich mache, vielen Leuten schon genug bewiesen hab. Man sollte immer das machen, was einen selbst zufriedenstellt und glücklich macht und ich habe vor allem einen eigenen Anspruch an mich selbst. Bei „Still“ zum Beispiel bestehen die Parts aus sechs Zeilen. Vor zwei Jahren hätte ich gesagt: „Alter, nein, so wenig Worte auf einem Track dürfen nicht passieren, das ist wack!“ (lacht) Auf diesem Album habe ich aber irgendwie mehr Ruhe gefunden.

Geht das vielleicht auch deswegen, weil du schon so viele Tracks durchgespittet hast?
Ja, ich glaube schon. Ich hab schon draufgeknallt und jetzt kann man sich auch mal ein bisschen zurücknehmen und das Melodische fließen lassen. Die Entwicklung von Rap finde ich auch interessant – meistens macht ein Künstler einen Track und danach klingen seine nächsten zwei Alben genau gleich. Es funktioniert eben, man erfüllt immer wieder eine Erwartungshaltung. Das ist zum einen natürlich ein Vorteil für den Künstler, wenn er weiß, was bei seinen Fans funktioniert. Aber gleichzeitig macht man sich’s auch einfach. Ich könnte das niemals. Jeder Part muss gefühlt besser sein als der letzte. Oder wenn er technisch nicht besser ist, muss er mehr Gefühl drin haben. Ich vergleiche mich ausschließlich mit mir selbst. Der eigene Anspruch treibt einen so an, diese Beweise zu liefern.

„Ich bin für Freiheit und Toleranz und leben und leben lassen“

Je mehr Reichweite, umso mehr Verantwortung. Ist es auch Privileg, alles sagen zu können und damit so viele Menschen zu erreiche? Und sollte man das nutzen, um sich politisch zu positionieren?
Ja, auf jeden Fall, du solltest dich als Künstler schon positionieren. Ich möchte nicht, dass mir irgendwelche Nazi-Spastis folgen und das sollte man klarstellen, dass das nicht geht. Ich denke, viele Künstler nutzen das auch, um durch ein aktuelles Thema Reichweite abzugreifen und in der Diskussion einfach stattzufinden. So kann das auch missbraucht werden. Aber dann hast du Themen wie die Europawahl, wo Künstler ganz viel bewirken können. Solche wichtigen gesellschaftlichen Themen sollten wir Künstler mit einer so großen Reichweite auf jeden Fall nutzen, weil wir damit der Gesellschaft auch viel zurückgeben können. Ohne die Gesellschaft wären wir Künstler ja auch nicht möglich. Du hast eine Verantwortung. Ich versuche ja, Politik möglichst aus meiner Musik rauszulassen, aber wenn ich irgendwo ein rassistisches Kommentar unter meinen Tracks sehen würde, würde ich sofort einschreiten. Das sollte auch im ganz normalen Alltag wichtig sein, seine Werte zu vertreten und zu wahren, weil wenn wir alle einen Fick darauf geben, dann wird die Gesellschaft irgendwann in Mord- und Totschlag enden. Ich bin kein Fan von irgendwelchen konservativen Gedanken, ich bin für Freiheit und Toleranz und leben und leben lassen. Ich denke, dass viele Künstler das auch so sehen, viele sollten das auch öfter sagen. Wir nutzen unsere Kanäle für allen möglichen Scheiß wie Werbung. Chemnitz zum Beispiel – wie schnell Künstler so viele Jugendliche dahin holen konnten, dass so ’ne krasse Gegendemonstration stattfinden konnte, die einfach ’ne Stärke beweist. Das ist eine Macht, die wir entweder missbrauchen oder sie ausschließlich für uns und unsere Kunst nutzen können. Oder wir können uns hier und da auch mal für ne gute Sache einsetzen.

Du hast selbst gerade gesagt, du lässt politische Themen eher raus aus deinen Texten, aber hast du das Gefühl, dass die Leute trotzdem wissen, wo du dich politisch einordnest?
Ich hoffe! Mein Mittelfinger hat Migrationshintergrund (lacht). Also mir ist das klar, aber manchmal bin ich mir gar nicht sicher, ob das den Menschen so bewusst ist. Deswegen – wenn ich mich angucke, ich könnte viel öfter was sagen. Ich nutze Social Media seit einem Jahr so richtig und musste mich da auch erst mal überwinden. Aber wenn du’s nicht machst, verlieren die Leute total den Bezug zu dir, das ist ganz merkwürdig. Früher war das nicht so.

Vor allem hatte das damals nicht so eine Relevanz wie heute. Mittlerweile kommt es ja teilweise mehr drauf an, wieviel Follower man auf Instagram hat und nicht wie viel Platten man verkauft.
Ja, total! Je mehr Follower du hast, desto mehr Leute klicken auf die Links, die du verbreitest, desto mehr Leute hören dann wahrscheinlich auch deine Musik. Aber diese Wertigkeit… Künstler schreiben mich an und fragen: „Machst du auch was mit unbekannteren Künstlern, die nur so und so viele Klicks haben?“, wo ich mir denke: „Alter, das spielt doch gar keine Rolle! Entweder wir fühlen uns gegenseitig oder es wird halt nichts mit ner Kooperation.“ Das ist schon mega interessant, was für einen Stellenwert das hat.

Apropos früher war alles besser. Du hast dieses Jahr 30er und hast mit 12 schon zu rappen angefangen. Auf „IWNWIW“ sagst du ja auch „Forever young“. Bleibst du wirklich für immer jung oder könnte es passieren, dass du irgendwann „zu alt für den Scheiß“ bist?
Total! (lacht) Also wenn daran denke, dass ich fast 30 bin, frage ich mich manchmal, wann ich denn vorhabe, erwachsen zu werden. Das sind Momente, wo du dein Leben nicht im Griff hast und alles entgleitet. Ich kann aber mit Stolz sagen: Wenn ich mal ’nen schlechten Tag habe und ungeschminkt Zigaretten holen gehe und dann nach dem Ausweis gefragt werde, ist das jedes Mal ein Erfolgsmoment für mich, das ist das Geilste überhaupt. (lacht) Dieses „Forever Young“ ist etwas, das im Kopf niemals aufhört. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich in den vergangenen zehn Jahren gealtert bin, das ist ganz komisch. Natürlich ist die Maske für mich ein sehr schönes Tool, um das Altern zu kaschieren, in der Öffentlichkeit zumindest. (lacht)

„Genießt eure Körper endlich!“

Du zeigst dein Gesicht nicht, aber deinen Körper sehr wohl und präsentierst dich mal „weiblich“/körperbetont, mal in Jogginghose und Hoodie. Ist das auch Teil der Anti-Attitüde, dass du dich genauso gibst, wie du gerade Bock hast?
Absolut. Ich finde, so lange mein Körper das mitmacht, kann ich auch zeigen, was ich hab. Ich wurde in feministischeren Interviews auch immer wieder auf Freizügigkeit angesprochen und ganz ehrlich, ey: Genießt eure Körper endlich. Das Problem ist, dass das immer gleichgestellt wird mit Sexismus. Du ziehst dich freizügig an – du willst gefickt werden. Nee, Alter, ich fühle mich einfach nur gerade selbst voll krass! Akzeptiert es doch einfach. Ich find das auch voll wichtig, das Frauen sich ausleben, wie sie Bock haben und auch Männer das machen. Und wenn ich mal einen Tag Bock habe auf ’nen XXL-Hoodie und ’ne XXL-Jogger und mir die Cap noch ganz weit ins Gesicht ziehe, dann ist das so. Wenn ich aber heute Bock habe, mit ’ner Hotpants und ’nem Croptop rumzulaufen, dann mach ich das. Wenn ich Bock auf ungeschminkt hab, schmink ich mich nicht. Wenn ich Bock auf geschminkt hab, Alter, dann steh ich zwei Stunden im Bad, trotz Maske. (lacht) Das ist ja das Schöne, dass wir die Möglichkeit haben, uns optisch zu verändern, ich finde das total wichtig. Das darfst du auch Männern nicht abschreiben. Bruder, wenn du fühlst, dass die Plautze raus muss, lass sie raus. Wenn sie schwitzt, komm mir halt bitte nicht zu nah (lacht) Wenn du ’nen geilen Arsch in ’ner Hotpants hast, dann zeig das, meine Fresse. Wenn’s mir nicht gefällt, guck ich weg, da muss ich auch gar kein Kommentar ablassen. Du darfst sein, wie du willst, ich darf sein, wie ich will. Wenn ich jetzt Bock hab, im Club eine Maske zu tragen, mach ich das. Da kann mich auch keiner davon abhalten.

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Kurzer Blick in die Zukunft: Es kommt ein Album von dir?
Ja, ich darf noch nicht so viel erzählen, aber ich arbeite am nächsten Album. Ich bin so ein Mensch, ich kann Sachen erst ankündigen, wenn sie wirklich fertig sind, deswegen haben wir jetzt auch angefangen, die Tracks nach und nach rauszuhauen. Die Singles, die jetzt raus sind, werden auf jeden Fall alle auf dem Album landen. Aber dadurch, dass ich jetzt schon so viel rausgehauen hab, wird das Album irgendwie immer größer. Ich werd’s Oldschool halten, werd doch mehr machen und hab mir ein, zwei Sachen überlegt, wie ich das Ganze noch ein bisschen persönlicher gestalten kann. Die Themen selbst sind nicht unbedingt persönlicher, aber es spiegelt mich ingesamt doch mehr wider. Ich glaube (klopft auf Holz), dass die Leute das ganze Konstrukt Antifuchs nach diesem Album peilen werden.

Antifuchs spielt am 29. November 2019 ihre „Mittelfinger Workout Tour“ in der Grellen Forelle in Wien

Interview: Ana Theresa Ryue
Fotos: Alexander Gotter