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Austro Round-up // August 2020

Austro Round-up // August 2020

Taiga
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Über den zweiten Streich der „Maasnbriada“ Skero & BumBumKunst sowie die „Endlich EP“ von Johnny Aitsch haben wir bereits berichtet. Dass auch abseits davon jede Menge passiert ist, zeigt unser Monatsrückblick. Das neue Round-up verschafft einigen weiteren Alben und EPs aus der erweiterten österreichischen HipHop-Landschaft eine Plattform. Obendrein haben wir die dazugehörige Spotify-Playlist um etliche weitere neu erschienene Singles erweitert.

Text: Simon Nowak, Mira Schneidereit, Francesca Herr & Simon Huber

Crack Ignaz – Sturm und Drang

Nach seinem minimalistischen Auftritt auf dem neuen und viel gehypten KitschKrieg-Album, releaste Crack Ignaz im August sein Album „Sturm und Drang“. Der Vorgänger „Bullies in Pullis II“ mit Young Krillin ist mittlerweile schon gute zwei Jahre alt. Den Auftakt zum Comeback lieferte er Anfang des Jahres mit dem Track „Herzschmerzgang“, der auch auf dem Album vertreten ist. Für die Produktion von „Sturm und Drang“ holte sich der Salzburger Rapper gleich drei verschiedene Produzenten ins Studio, wobei der Großteil der 13 Beats vom britisch-italienischen Producer BVRGER stammt. „Ähä“ wurde von HNRK produziert, „Ave Manie“ von Fid Mella. Die Featuregästeliste hat Ignaz dagegen minimal gehalten. Lediglich Hare Squead ist vertreten, der unter anderem schon mit dem US-Rapper GoldLink zusammengearbeitet hat. Die Beats halten sich oft im Hintergrund und haben eine träumerische Ästhetik, die hin und wieder von einem harten Bass unterbrochen wird. Mit dem AutoTune konnte es der Rapper natürlich nicht ganz lassen, doch dieser hält sich diesmal ziemlich in Grenzen. Auffälliger erscheint der Wechsel von Mundart auf Hochdeutsch – da herrscht definitiv noch Gewöhnungsbedarf.

Die emotionsgeladene Gesamtaura passt zur dramatischen Tragik des Sturm und Drangs, was sich gut mit dem Albumtitel vereinen lässt. Dass Crack Ignaz dabei allerdings nicht ganz wie ein junger, freier Poet, ähnlich eines Stürmer und Drängers rüber kommt, liegt vor allem daran, dass das Album kein lyrisches Meisterwerk ist. Trotzdem liefert Crack Ignaz Sound für die Fans und auf jeden Fall ein solides Comeback-Album. Highlights sind unter anderem die Tracks „Firn“, „Flaschenpost“ und „Zufällig“.

Dame – Rock EP

Dame wagt mit seiner neuen EP einen Schritt aus den ohnehin schon weiten Genre-Grenzen des HipHop, das ist aber eigentlich nichts Neues. Meist tut er das mit Gesang, jetzt setzt er auch melodisch auf härtere Gitarrenriffs. Alles andere wäre beim Namen „Rock EP“ aber ohnehin unzulänglich. Entstanden ist das Stück während der Corona-Zeit, wie es in den dazugehörigen TrackbyTrack-Kurzvideos auf Facebook heißt. Die Veröffentlichung war nur eine Frage der Zeit, Dame teaserte schon im Vorfeld mit Hörproben an. Trotzdem hält die EP einige Überraschungen parat. Zum Beispiel die endgültige Version von „PANIK!“. Bereits vor fünf Monaten als Wohnzimmer-Session am Piano veröffentlicht, stand darin ganz klar Dames Auseinandersetzung mit den eigenen Panikattacken im Vordergrund. Jetzt mit den letztlich sehr lauten Instrumentals wirkt der Track wie eine Neuinterpretation, die im ersten Moment aber leicht vom Thema ablenkt. Dass Dame mit der EP aber nicht nur einen spontanen Ausflug in den Rock macht, sondern schon länger Berührungspunkte mit dem Genre hat, zeigt sich dann in Tracks wie „Hauptsache Echt“.

Krank Spenca & DJ Sticky – Call of Kranky

Lange hat sich Krank Spenca für sein Debütalbum Zeit gelassen. Nach diversen EPs, auf der er sich inhaltlich wie musikalisch ausprobiert hat, ist es nun mit „Call of Kranky“ soweit. Entgegen der Befürchtung im Video zum Intro hat es natürlich trotzdem geklappt. Und zwar mit ganzen 19 Anspielstationen, mittlerweile durchaus eine Seltenheit. Anders als bei vorherigen Releases gibt es auf dem Album kaum Ausreißer nach unten, Krank Spenca schafft es dagegen, verschiedene Facetten zu vereinen. Neben persönlichen Tracks zu Beginn, gibt es auch klassische Representer und einen Legalize-It-Posse-Track mit verschiedenen östereichischen RapperInnen, darunter Young Krillin und Heinrich Himalaya. Sogar Hunney Pimp hat ihr Alter Ego Madda Rah nach langer Zeit wieder mal ausgepackt. Die Beats kommen durchwegs von DJ Sticky. Tracks wie „Pervers und bees“ hätte sich „Kranky“ vielleicht sparen können. Das mag daran liegen, dass die Klitoris nicht jener Teil des weiblichen Genitals ist, in den man etwas reinsteckt und somit das Gesamtkonzept des Tracks durch Unwissenheit nicht mehr ganz aufgeht.

Rotten Sensei – Shinigami

Ähnlich umfangreich fällt das mit 16 Tracks bestückte Album von Rotten Sensei aus. Benannt nach dem in der japanischen Kultur verankerten Todesgott, lassen sich vor dem Hören düstere Texte vermuten. Doch schnell stellt sich heraus, dass der Linzer Rapper dem Ende noch möglichst lange entkommen möchte, Selbstzweifel mit aller Macht bekämpfen will. In einigen Tracks schneidet er persönliche Abgründe aus der Vergangenheit an, den ungesunden Lifestyle scheint er aber längst gegen regelmäßiges Pumpen eingetauscht zu haben. Heute schlüpft er musikalisch lieber selbst in die Rolle des „Killer on Demand“, der seine Lines wiederkehrend gegen Famegeilheit, Luxuskleider, musikalischen Einheitsbrei und andere Seelenlosigkeiten richtet. Auch wenn es den einen oder anderen Skip-Kandidaten gibt und beim Sprachausflug „Daily Mess“ das oberösterreichische Englisch stark durchdringt, sorgt Rotten Sensei letztlich für eine durchaus ansprechende Kombination aus Battletracks, Motivationstracks und persönlichen Einblicken. Erschienen über Cabinet of Curiosities, konnte er auf Unterstützung aus dem lokalen Rapumfeld zählen. Def Ill produzierte sämtliche Tracks, ist rappend auf zwei davon (einmal als Ruffian Rugged) vertreten. Labelboss K.S.Kopfsache sorgte neben einem Part auch für mentale Unterstützung und Videoproduktionen. Das Cover kommt von Mamutizm, der vor rund 20 Jahren selbst als Rapper in der Crew Brotlose Kunst aktiv war.  

Koko Tai Gegenwind EP

Über vier Jahre ist es mittlerweile her, dass Koko Tai mit dem cloudigen Track „Klagenfurt“ in Erscheinung getreten ist. Der YouTube-Klickzähler steht mittlerweile bei über 1,2 Millionen und somit bei der verdoppelten Einwohnerzahl Kärntens. Wie Ernst Palicek nach „Summer in Wien“ verzichtete er darauf, kurze Zeit später mit einer weiteren flashigen Single nachzulegen und schien somit zum One-Hit-Wonder zu verkommen. Warum er so rasch wieder von der Bildfläche verschwand, thematisiert er auf der frisch erschienenen „Gegenwind“-EP. Diese dient als Aufarbeitung einer dreijährigen Leidensgeschichte inklusive Drogenkonsum und psychischem Verfall, die wie er auf „Koko, wo bist du?“ andeutet , von Missverständnissen mit einer Liebschaft ausgegangen sein dürfte. Auch die weiteren fünf Tracks fallen emotional aus, handeln von Koko Tais Kampf mit sich selbst und mit den Gegebenheiten um ihn herum. In Eigenregie produziert, bieten sie eigenständigen, verspielten und leicht abstrakten Sound. Trotz der inhaltlichen Schwere schafft es Koko Tai, zu unterhalten auch dank immer wieder eingestreuter humorvoller Lines. Eines der interessantesten österreichischen Releases der vergangenen Monate.

Lenny420 – Badass EP

Vor einem Jahr noch ohne Studio zu Handy-Aufnahmen gezwungen, kann Lenny420 mittlerweile auf zwei Kollektive zählen. So ist der Linzer Teil der deutschen Undergroundrap-Plattform 2tight Recordz und des derzeit sehr aktiven Bluntkartells aus seiner Heimatstadt. Seither releaste er etliche Tracks, war folglich auch in einigen Videos zu sehen – meist im Duo mit seinem Bruder Chaoz, der im Gegensatz zu ihm auf Mundart rappt. Die beiden präferieren merklich eine harte und technische Schiene, sie finden sich wiederholt auf bouncigen Beats zwischen Battle- und Streetrap-Ästhetik wieder. Daran knüpfen auch das Intro „Weil du Wack Bist“ und die Videosingle „Badass“ aus der kürzlich erschienenen Solo-EP von Lenny420 an. Daneben runden etwa ein Bruderliebe-Track mit Chaoz, ein Storyteller über Lebensverläufe und Posse-Representer ab. Schön produziert, sauber und unterhaltsam gerappt. Eine gelungene EP, wenn man über die ein oder andere stumpfe Line hinwegsieht – oder diese eben als Stilmerkmal anerkennt.  

Lil Baliil & C-Black – Real Warya

Dass der Name C-Black in der hiesigen HipHop-Landschaft einigen nicht geläufig ist, könnte mit dem umtriebigen Schaffen des Salzburgers zusammenhängen, das meist über die Landesgrenzen hinausführt. Er pendelt zwischen eingängigen HipHop-, Dancehall- und Afrobeat-Klängen, tritt als Rapper, Songwriter und Produzent in Erscheinung, hat Videos in seiner zweiten Heimat Kenia sowie im Grenzgebiet zwischen Israel und Jordanien gedreht und über die Jahre eine Menge internationaler Connections angehäuft. Rund drei Jahre nach seiner jüngsten Solo-EP „Da Product“ tritt er nun zusammen mit Lil Baliil, einem somalischen Musiker, in Erscheinung. Das Soundpendel schlägt dabei verstärkt in den Afropop-/Afrobeat-Bereich aus. Gewohnt eingängig, haben einige der Tracks Hit-Potenzial – auch wenn die teils auftretende Sprachbarriere hinderlich ist.

Elis Noa – What Do You Desire?

Wäre elektronischer Pop eine Gefühlslage, dann siedelt er sich irgendwo zwischen spätsommerlichem Donauinsel-Flair und herbstlich grauer Wiener Innenstadt an. Oder zumindest ist das genau die Gefühlswelt, die das Duo ELIS NOA mit ihrem Debüt-Album „What Do You Desire“ ausschickt. Musikalisch wandelt das Album von Downtempo-Klängen und Ausreißern zum R’n’B in Richtung Future Soul. Zwischen den Fragen nach dem eigenem Verlangen, dem Erkennen und der Suche nach Lust und die Brücke zwischen Selbstwert und der inneren Freiheit, baut sich innerhalb der elf Tracks ihr eigener unverkennbarer Sound auf. Mit teils schrägen Elementen, aber einer leichtfüßigen Herangehensweise, hauptsächlich Elisa Godinos Stimme zu verdanken. So bleiben ELIS NOA zugänglich genug für die Masse, lassen aber ausreichend Interpretationsspielraum offen, um ebenso das anspruchsvolle Nischenpublikum zufrieden stellen zu können.

K-C – Malaise

Sechs Jahre nach seiner vielversprechenden Debüt-EP gibt es ein neues Lebenszeichen von K-C aus Haag. Der Titel „Malaise“ verrät dabei schon, wohin die Reise geht. Das Unbehagen, das einen nicht nur aufgrund der aktuellen Situation angesichts der Weltlage begleitet, ist K-C nicht zu verübeln. Seinen Frust lässt er in seine reflektierten und kritischen Texte fließen. Gerade in der zweiten Hälfte des Albums scheint allerdings immer mehr ein zynisches Augenzwinkern durch, mit dem man den alltäglichen Wahnsinn dann doch irgendwie übersteht. Raptechnisch ist da freilich noch Luft nach oben, aber die Texte und das Mastering von SterilOne, der im Opener auch als Featuregast und bei einem weiteren Track als Produzent beteiligt war, reißen einiges raus.

Wavvvy – Plus Ultra EP

Mit „Plus Ultra“ veröffentlichte Wavvvy seine Debüt-EP. Eigentlich ist er als Produzent unter dem Alter Ego Skyfarmer bekannt. Nun wagt er sich erstmals an Rap heran. Das Album hat er natürlich selbst produziert und wird auf einem der drei Tracks von seiner stetigen Projektpartnerin und besten Freundin Skofi unterstützt. Das Fazit: top ausproduzierte Beats, eine Prise Autotune und sicher noch ausbaufähige Raps, die gfleichzeitig nicht nach einem ganz frisch gebackenem Rapper klingen. Während es auf „No Fucks“ eher schneller abgeht, fallen die Tracks „Honesty“ und „Traum“ deutlich melancholischer aus. Die einzigen Kritikpunkte sind die etwas fehlende Tiefe der Texte, ein Problem, dass sich Wavvvy allerdings mit etlichen anderen RapperInnen teilt. 

Honorable Mention #1: Heiße Luft Singles

Ursprünglich wollten wir in dieser Ausgabe ausschließlich Alben und EPs behandeln, doch Ausnahmen bestätigen die Regel zudem ließen sich die vielen neuen Singles aus dem Camp von Heiße Luft ohnehin problemlos zu einem größeren Projekt zusammenfassen. Im Kontrast zu den Label-Anfängen, in denen die Beteiligten für eine Flut an Releases sorgten, hat sich der Fokus mittlerweile verlagert. Bedeutet: Weniger vollwertige Releases, aber umso mehr Singles und Videos, mit denen sie meist in moderne Soundgefilde vordringen – auch dank der Hausproduzenten Melonoid & food for thought, die stets einen guten Job machen.

Im August stimmten JerMc und food for thought mit der Schnupfen-Hymne „Die Gsündesten“ auf ihre demnächst erscheinende EP „Most süß“ ein. HipHop Joshy lieferte nach längerer Pause wieder zwei Solotracks. Nach dem eher lockeren „Warm Up“ jüngst auch mit „Hop oder Drop“, mit dem er betont, alles auf eine Rap-Karte setzen zu wollen, um sich von den 9-to-5-Job-Fängen befreien zu können. Die Video- und Teigtascherlproduktion zu kombinieren, sieht schon einmal nach einem gelungenen Plan der Joshy’schen Selbstoptimierung aus, falls es mit der Musik alleine nicht klappen sollte.

Weiters trat mit Dirtysanchez, etwa bekannt aus DLTLLY-Battles und derzeit in Wien stationiert, ein Neuzugang in Erscheinung. Auf „Jungbulle“ setzt sich der Berliner auf smoothem Sound und mit ruhiger Erzählweise mit Racial Profiling auseinander. Obendrein lieferten die oben genannten Acts mit Unterstützung von Hardy mit „Kredits“ einen Posse-Track, der sich dem altbekannten Kampf um Anerkennung fürs Ackern widmet.

See Also

Honorable Mention #2: Taiga & Grandmaster Flow Mein Linz

Neben Lenny420 zeigten sich im Sommer auch weitere Mitglieder des Bluntkartells aktiv. Ein ambitioniertes Projekt haben Taiga & Grandmaster Flow gestartet. Mit „Mein Linz“ haben sie eine bewusst breitentaugliche Hymne für ihre Heimatstadt aufgenommen. „Wir sind im facettenreichen Kultur-Biotop in Linz aufgewachsen und haben die schönen Seiten, aber auch die Schattenseiten der Stadt kennen gelernt. Das wollten wir schon lange musikalisch und lyrisch verarbeiten“, sagen sie dazu. Die Einnahmen spenden sie ans Help-Mobil der Caritas, das Obdachlosen und Menschen in Not eine medizinische Basisversorgung bietet. Feine, unterstützenswerte Sache.

Honorable Mention #3: Podcasts

WNMRDMNP

Dass sich auch einige Podcasts wiederkehrend mit Rap auseinandersetzen und damit das Spektrum der Berichterstattung erweitern, dürfte mittlerweile zu jedem durchgedrungen sein. Österreich-Bezug bieten allen voran die geschätzten Kollegen von WNMRDMDP, die nach der Sommerpause mit einer neuen Ausgabe zurückgekehrt sind. Diesmal sinnieren sie zusammen mit Young Krillin über das Geschehen der vergangenen Wochen, obendrein haben sie den Salzburger Gast interviewt und dabei etwa über dessen Albumpläne gesprochen – interessante Ausgabe.

Gold & Beton

Mit gleich drei neuen Ausgaben ihres Podcasts Gold & Beton waren unsere Redakteurinnen Chiara Sergi & Sophie Krumböck im August besonders aktiv. Im kürzlich auf unserer Seite vorgestellten Format beschäftigten sie sich wie gewohnt mit Deutschrap-Themen und deren gesellschaftliche Wechselwirkungen. Zuletzt unterhielten sie sich über die Problematik von Kinder-Rapstars, „Industry Plants“ sowie die aus ihrer Sicht scheinheilige „Cancel Culture“.

Drama Carbonara

Foto: Polina Sattler

Eher über Lesegäste als die besprochenen Themen kommt es bei einigen Ausgaben des Comedy-Podcasts Drama Carbonara zu Berührungspunkten mit der österreichischen HipHop-Szene. Wöchentlich empfangen Asta Krejci-Sebesta, Jasna Hörth und Tatjana Lukáš in proseccoschwangerer Wiener Wohnzimmeratmosphäre Gäste. „Sie lesen bei uns dirty Geschichten aus Romanheften“, sagen sie gegenüber The Message. Anschließend kommentieren sie die Kurzgeschichten ausgiebig. Ein durchaus unterhaltsames Format. Mitgemacht haben etwa schon David Scheid (#21), Skero (#42) oder Yasmo (#44).