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Austro Round-up (KW 10-11/21)

Austro Round-up (KW 10-11/21)

Carl Roush by Astrid Knie

Der März brachte eine regelrechte Flut an Releases. Über die Alben/Tapes von Azman, Kardinator, Kerosin95, Miss BunPun haben wir bereits im Rahmen von Interviews berichtet, über die „Lamo“-EP von Testa & Mo Cess zudem mit einem eigenen Artikel. Doch auch abseits davon ist seither eine Menge neue und interessante Musik erschienen, wie das Austro Round-up zeigt.

Text: Simon Nowak, Michi Koffler, Francesca Herr, Mira Schneidereit & Raphaela Salhofer

Releases

Carl Roush Vollroush

Wer einen möglichst großen Bogen um den musikalischen Playlist-Einheitsbrei anno 2021 machen möchte, könnte mit „Vollroush“ von Carl Roush glücklich werden. Denn eines ist klar: Die Wiener Kunstfigur bewegt sich mit ihren Tracks in einer eigenen Welt. Der Anspruch lautet schließlich, weirde Tracks für weirde Zeiten zu liefern. Mit Quasimoto-esk gepitchter Stimme und vermeintlich hingerotzten, selbstironischen Lyrics auf 8-Bit-artigen Produktionen stechen die 15 Tracks aus der Masse heraus. Hinter der Fassade der überzeichneten Tracks verbirgt sich durchaus Gesellschaftskritik, Carl Roush gibt sich rebellisch und gleichgültig zugleich. Wiederkehrend befasst er sich mit den üblichen Generation-Y-Dilemmata – die Hingabe zum Rausch und zu antrainierten Süchten, die eigene Planlosigkeit, die Social-Media-Hassliebe und die Krux mit dem Materiellen.

Auf „Vollroush“ hat der Wiener Rapper, Produzent und Multiinstrumentalist fast alles im Alleingang fabriziert – und etwa Gitarre, Bass, Keyboard, Synths, Drums eingespielt. Punktuell holte er sich noch Unterstützung. Bei der am Motown-Sound orientierten Single „Nickerchen Man“ von der Sängerin Sara Filipova und dem Drummer Herbert Pirker, im Outrotrack „Mieser Harald“ von Rosi Spezial in Form einer Schimpftirade auf Gsibergerisch. Am Ende steht ein natürlich gewöhnungsbedürftiges, aber interessantes Album mit viel Scheiß-drauf-Attitüde. Wenn es wieder möglich ist, sollen Liveshows mit einer dreiköpfigen Liveband geplant sein. Könnte spannend werden, wenn die Herangehensweise jener der Albumaufnahmen ähnelt.

Chaoz Wach oba grod

Nach der „Badass EP“, die Chaoz mit seinem Bruder Lenny420 veröffentlichte, folgte kürzlich das erste Solo-Album des Linzers. Der im Bluntkartell-Kollektiv verwurzelte Linzer Rapper fügt sich nahtlos in die Reihe der Rapper mit Street-Bezug ein. Die 14 Tracks sind dabei durch und durch oldschool. Textlich werden keine Experimente gemacht. Technisch versiert, rappt er in charmanten Dialekt über seine “Fans hinter Gitter”, Drogen und oft leider auch sehr platt über Tussis und Pussies, wirkt dabei aber durch und durch authentisch.

“Wach oba grod” startet mit “Hättiwadi”, einem absoluten Banger, der HipHop-Hände in die Höhe schnellen lässt. Mit der Energie geht es stabil weiter, holt uns ab und zu runter um uns Zeit zum verschnaufen zu geben und den Blunt weiter zu reichen. Nachdenklicher ist “Zellenhaus”, wo Chaoz über seine Erfahrungen mit der Justizanstalt reflektiert und in “RIP Bobby”, das neben mit “Hättiwadi”, “Kickdown” und “Fans hinter Gitter” als Videoauskopplung erschienen ist. Gäste auf dem Album sind bekannte Bluntkartell-Gesichter wie Grandmaster Flow, Taiga und SaniTäter. Ein gelungenes erstes Album, der einzige Minuspunkt ist der fahle Nachgeschmack, den Sexismus als Stilmittel nunmal hinterlässt.

Beatbangers Freigeist & Schuft

Nach den 2020 erschienenen EPs „Definitive Banger“ und „King of the Chill – Kapitel 1“ melden sich die Beatbangers mal wieder mit einem Longplayer zurück. Auf „Freigeist & Schuft“ geben sich die selbsternannten Quatschköpfe aus dem Vorarlberger  Feuerfabrik-Kollektiv laid-back. Das Rap-Duo liefert auf elf Tracks das gewohnte Programm – neben entspannten Representern, Nacht- und Veltlinerhymnen dringen hin und wieder, etwa auf „Leto’s Busen“, auch persönlichere Lines durch.

Auf Beat-Ebene unterstützt Stammproduzent und Crewkollege Devillion, darüber hinaus haben die Beatbangers ihre internationalen Connections spielen lassen. So produzierte Chef Boy Dee aus Stockholm den Titeltrack, obendrein haben The Doppelgangaz wie schon auf „Einheizbrei“ einige exklusive Produktionen beigesteuert. „Freigeist & Schuft“ erwartungsgemäß wenig zeitgeistiger Sound, aber eine umso gelungenere Kombination aus smoothem Boombap und grimy Dopp-Bangern zum Mitnicken.

Silk Mob Mobbed & Silked

Ziemlich genau ein Jahr ist es mittlerweile her, dass der Silk Mob sein selbstbetiteltes Debütrelease veröffentlichte. Donvtello, Opti Mane, Jamin, Fid Mella und Lex Lugner haben das Jubiläum zum Anlass genommen, eine Alternativversion digital zu veröffentlichen. Den Vinyl-Heads waren die von Lex Lugner gestalteten, extra smoothen „Mobbed & Silked“-Versionen (hört sich eben noch passender an als Chopped & Screwed) bereits von den Seiten C und D bekannt. Schöne Sache, dass sie nun nicht mehr nur den Hörer*innen der auf 300 Stück limitierten Platten vorbehalten sind.

Videos

Vorsicht feat. Kinetical & P.tah Spaceship

Vorsicht heißt es nicht nur aufgrund der Härte dieses Beats, sondern ist auch der Name eines Produzentenduos bestehend aus Mirac und Sebasi_808. „Spaceship“ ist nach „Frida Kahlo“ und „100 %“ die mittlerweile dritte Single, die die beiden zusammen produziert haben. Diesmal liefern Kinetical & P.tah, die 2020 den ersten Message Award für ihr Album „Lift“ gewonnen haben, die dazugehörigen Bars. Wie sonst auch sorgen die englisch und deutsch gemischten Lines für ein einzigartigen Sound. Kombiniert mit trappiger Grimeästhetik und abwechselndem Flow der beiden ergibt sich ein energiereicher Song. „Your out of time we’re outta space“. Nicht nur P.tah und Kinetical heben ab, sondern auch die Crowd, wenn sie irgendwann mal zu diesem Banger durch die Gegend springen kann.

Al Pone & Wolfi F. Lucky Luke

Es gibt viele Möglichkeiten, die den Titel „Schnellster Cowboy“ einbringen: sehr schnell reiten können zum Beispiel, oder wenn die Sonne einen zu langsamen Schatten wirft. Aber der schnellste Cowboy, weil du sehr sehr gut koksen oder kiffen kannst, das ist ein neues Maß. Und in so mancher Szene durchaus auch eine, nennen wir es körperliche Leistung. Ob Al Pone und Wolfi F. tatsächlich so gut sind, womit sie sich in „Lucky Luke“ brüsten, kann schon sein, werden wir aber nicht prüfen. Zwar mit starken Beats, die auch ins Ohr gehen, reichts nur thematisch nicht zum „Benjamin Raich„, es geht um Drogenkonsum und das übliche „meine Crew ist cooler als deine“. In Sachen Rhymes und der Dichte an Vergleichen und Referenzen lassen die beiden Grazer aber ebenfalls einige sehr schnell hinter sich. Vielleicht schwingt hier aber auch die Sehnsucht nach Parties im Club mit zumindest da waren die beiden offensichtlich schneller.

T-Ser & Slav V-Town

„V-Town“ heißt die erste Feature-Single der Rapper Slav und T-Ser. Es geht genau darum, was der Titel verspricht, nämlich ums representen ihrer Stadt tja, die Zeiten der Strawa-Connection sind bei T-Ser eben schon lange her. So rappen die beiden „V-Town übern Gürtel mit Kickdown“, während sie gerade literally über den Gürtelasphalt brettern. Der trappige Beat stammt aus der Feder von HARDY, einem der zwei Mitglieder der Schlager-Trap-Boyband Gloriettenstürmer und foodforthought von Heiße Luft. Es gibt keine Liebe, nur Misstrauen und viele Referenzen zwischen Hauptbahnhof bis Kagran. 

Dyin Ernst Als ob

Wenn JerMc sein Alter Ego Dyin Ernst zu Wort kommen lässt, wird Nomen zum Omen, Ernst und Melancholie sind vorprogrammiert. „Ich werd euch beweisen, dass ich euch nichts zu beweisen hab“ heißt es auf der neuen Single „Als Ob“. Gut gemeintes Selbstbewusstsein wird dann aber doch abgeklatscht von einem „Lass es lieber“, von Lines über’s Aufhören und Aufgeben – „Als ob das noch was werden würde“. Der melodische, basslastige Beat kommt von Hardy X – was das „X“ wohl vom „normalen“ Hardy unterscheidet? –, das Mixing hat Odrizz übernommen. Ein Track, der auf jeden Fall etwas in uns auslöst, unter die Haut geht und mitreißt. Das Video fängt die Gefühle in verwackelten Bildern im Breitbildformat ein. Ein gelungener Vorgeschmack für die EP „Gilbert Jonas“, die demnächst erscheinen soll.

Skofi & Skyfarmer WischWeg

„Dieses Jahr nicht viel passiert, manchmal depri, mal verwirrt“ – es sind nachvollziehbare Lines, die auf Skofis neuer Single zu hören sind. Wir alle brauchen schön langsam eine „Auszeit von der Auszeit“. Aber Gedanken wie diese kann man um einiges erträglicher machen, wenn man einen House-Beat drunter legt und einen Banger daraus macht, der zum Springen und Tanzen einlädt. Gesprungen und getanzt wird auch im dazugehörigen Video. Der Naschmarkt-Parkplatz wird zur Tanzfläche, Skofi und ihr Stammproduzent Skyfarmer genießen mit ihren Friends die letzten Sonnenstrahlen, der Dresscode ist angepasst an die schönen Altbau-Fassaden im Hintergrund. Ein wahrer Feel-Good-Track mit einem schönen, Wien-verherrlichendem Video.

See Also

Illpower Meine Hood

Nach ihrer 2019 erschienenen EP „Doppel L“ veröffentlichten die drei Jungs der Gruppe Illpower ihren neuen Track „Meine Hood“. In der Single geht es auch um genau das die Hood der drei Grazer. Der von den 90s inspirierte Old-School-Beat stammt von den beiden Illpower Mitgliedern und hauseigenen Produzenten Klangbauer und Cyu. Rapper Onkel Ossi flaniert in gemütlichen Flows darüber, macht den Track zu einem entspannten Kopfnicker. Eine gelungene Hommage an ihre Heimat sowohl soundtechnisch als auch visuell.

Huhnmensch Eisiger Wind

Nach einer kleinen Pause meldet sich Huhnmensch mit einer Single zurück. „Eisiger Wind“ heißt der Track und es geht, wie es der Titel vermuten lässt, um Wien. Windig ist es sowieso immer und kalt ist es zumindest die Hälfte des Jahres. „-2 Grad“ heißt es im Track konkret, dürfte circa Durchschnittstemperatur sein. Letztendlich geht’s dann aber doch nicht nur um das schlechte Wetter in Wien, sondern auch um die ganz vielen anderen Sachen, die eher zur Kontra-Liste zählen. Hinterzimmer-Handshakes zum Beispiel, Verschwörungstheoretiker oder Marcel Sabitzer auch wenn der schon eine Weile weg ist. Ganz generell wird’s nämlich erst dann problematisch, wenn die „eisige Brise zum Teil der Familie“ wird. „Ich übernimm die Vorreiter-Rolle und verpiss mich aus Wien, in Form einer Wolke“ lautet der Vorsatz. Der energetische Beat, basierend auf einem altbewährten Sample, kommt von Emil F., der auch das Video geschnitten hat.

Co Lee Song of the Psycho

Runter von der Couch beim Therapeuten, bewegt sich Co Lee einen Monat später wieder zu Boombap wippend durch Wien. Mit „Song of the Psycho“, produziert von Oidabeats, beruft sich der Rapper auf sich selbst im Video dann auch in mehrfacher Ausführung und stellt klar, dass er keinen Bock auf das stereotype Rapper-Gehabe hat: „Enough of all the posers with the cup full of sprite / Don’t you fuckin‘ tell me what’s the popular type / Imma do my thing until I run out of time„. Und das kann sich sehen lassen. Co Lee beweist wieder aufs Neue, warum er den Flow beherrscht und rappt sich auch problemlos durch Tempiwechsel, während er uns die eigene Psyche vor die Füße wirft.

Nike101 Mach mich high

Nike101, die ab sofort über das Label futuresfuture veröffentlicht, kennt man unter anderem aus ihren „Thug Life Austria„-Moderationen. “Mach mich high” ist nach “Platz ein”, „Psychose“ und “KAFA Bye” die vierte Track-Veröffentlichung der Wienerin. Es handelt sich abermals um einen in diesen Zeiten schon fast nostalgisch anmutenden Party-Anthem, der diesmal aber schon ein wenig gewitzter daherkommt. Klar, Luft nach oben ist immer noch zur Genüge da. Der Spaß an der Sache sei ihr eben viel wichtiger als große Rapkarriere-Ambitionen, wie die Künstlerin in Online-Diskussionen gegenüber Kritiker*innen betont. Mal sehen, wie sich das jetzt mit der neuen Labelheimat weiterentwickelt.

Weitere Videos

BanDan Socken
Emir Bergob
Emirez & Pireli Hooligan
Matthew & HinterkopfAnfang vom Ende
Joshi Mizu Odyssee
Liseth Namen
Semkoo Ubijam se
Testa & Mo Cess Trotz

Tracks

A.geh Wirklich? Kumm z’ruck
Aums Alles so leicht
Dinka Maximus & PMC Eastblok Zu Befehl
Diskoromantik feat. food for thought & 08 Wir sind wir
Moglee Distanz
Sonix & Calvin Sober Blind
TripFace Kältebrand
Wal de Mar PNB
Wavyfrisch Hoppala

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