Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
1/3 Instrumentals, 1/3 Underground-Deutschrap, 1/3 Emotrap, wo hoid jemand bissi…
Auch abseits des überraschenden neuen Albums „Zukunft“ von RAF Camora hat sich in den vergangenen zwei Wochen einiges getan. Hauptsächlich, aber nicht nur musikalisch, wie unser neues Austro Round-up zeigt.
Text: Simon Nowak, Hilde Mayer, Simon Huber
Releases
Strange – Spiegelscherbe
Mit Videosingles wiederholt im Austro Round-up vertreten, steht bei Strange nun auch das erste Album zu Buche – zumindest in Rapsphären, denn er ist auch als Schlagzeuger in den Punkbands Antimanifest und Grazer Grant zu hören. Längst ein fixer Bestandteil der Grazer HipHop-Szene und etwa bei Freestyle-Cyphers sehr aktiv, werkelte Strange seit 2017 am Debütalbum. Es bietet zahlreiche selbstreflexive und verarbeitende Tracks. „Ich schau rein und seh mich selbst – alle Facetten, die ich vielleicht noch nicht gesehen hab, aber gerne kennen würde. Sachen, die in meinen Tiefen schlummern“, erklärte Strange kürzlich auf FM4 Tribe Vibes den Albumtitel. Beim gedankenversunkenen Storytelling dringen immer wieder Wortschöpfungen durch, die auch die Verbindung zum zweimaligen Featuregast Fate, der etwa auf „Sommergrellen“ vertreten ist, untermauern. „Wir rappen schon lange zusammen, da ist eine gute Connection da, auch wenn ich sicher lesefauler als er bin. Ich bin weniger literarisch belesen als Fate, aber auch ein Wortnerd“, sagt Strange.
Verständlich gerappt, energisch geflowt und oft mit bildlichen Lines ausgeschmückt, harmoniert seine Stimme gut mit den samplelastigen Beats, die etwa Fensterlos, Kizmet, Schieber, Ju, Despo und Wolfi F. beigesteuert haben. Über 14 Tracks mag sich ein ähnlicher Style ziehen, langweilig wird es aber nie. Ein starkes Debütalbum, das vorerst digital über das von Strange gegründete Conscious-Rap- Label Kopfherzhand erschienen ist – eine Vinyl-Version soll in den kommenden Monaten folgen. Live zu sehen wird Strange am 20. und 21. August im Rahmen des von ihm mitorganisierten Rapfestivals Moonshinerz im Grazer Music House. Neben Strange werden auch Def Ill, Spello & Wolfi f., Kizmet & MDK, siebzig prozent, Fate, Al Pone, Snessia, Ban Dan, ebna und Kalp One am Mic zu hören sein – und weitere im Rahmen der Freestyle Cypher.
Deecent – Nuthin‘ But A Dee Thang
Bereits Ende Mai veröffentlicht, aber erst kürzlich an uns herangetragen wurde die neue EP – und mittlerweile sechste CD – von Deecent. Wohin die Reise geht, deuten Titel und Cover an: Benannt nach dem „The Chronic“-Klassiker von Dr. Dre & Snoop Dogg, der mittlerweile fast 30 Jahre am Buckel hat, orientiert sich der Tullner Rapper in erster Linie an dieser HipHop-Ära – wobei er sich nicht unbedingt auf die Westcoast beschränken möchte. „Meine Inspiration ziehe ich hauptsächlich aus den 80ern, 90ern und frühen 2000ern der amerikanischen HipHop-Kultur, aber auch vereinzelt aus der deutschen Rap-Szene. So gehören zum Beispiel Bizzy Montana oder Vega genauso zu meinen Idolen wie KRS-One, Nas, Eminem und Rakim“, schreibt er uns.
Wenig überraschend dringen auf den sechs Tracks nostalgische Rap-Vibes mit persönlichen Lines, HipHop-Liebesbekundungen und wenig Verständnis für so manche Entwicklung weg von früheren Idealen der Kultur durch. Visuell hat Deecent ein Videosnippet mit mehreren Drehorten veröffentlicht. Mit dem als Featuregast vertretenen 1210Recordz-Labelgründer PhööniX ist in der Zwischenzeit mit „Lyrical Menace“ ein weiterer Track erschienen. Das Besondere daran? Auch Westcoast-Legende MC Eiht ist darauf zu hören. Der Kreis schließt sich also quasi.
Singles
Kid Pex feat. JB Rabitsch, Fuchs MC & Def Ill – Nazis
Für sein anhaltendes soziales Engagement, speziell im Rahmen von SOS-Balkanroute, hat Kid Pex Anfang des Jahres einen Ehrenpreis bei unseren The Message Awards erhalten und auch abseits davon ist er bekannt dafür, vor politischen Statements nicht zurückzuschrecken. Auf dem diesjährigen Popfest wurde erstmals die neue Single „Nazis“ live performt, die nicht nur wegen der Rapfeatures von Fuchs MC und Def Ill hervorsticht, sondern besonders durch den Ehrengast Bernhard Rabitsch im Refrain, einer zentralen Figur im Austropop beziehungsweise Austrorock/-punk der vergangenen Jahrzehnte und insbesondere durch die Band Drahdiwaberl bekannt. Dass rechtsextreme Tendenzen immer wieder mutieren und auch 2021 omnipräsent sind, sollte jedem bewusst sein. Das unterstreicht auch das Video. Es zeigt einige bekannte Spots in Wien, die nach ehemaligen Nationalsozialisten benannt wurden und bis heute sind, darunter die (mittlerweile vollgeschmierte) Statue von Karl Lueger oder die nach dem Radrennfahrer Franz „Ferry“ Dusika benannte Bahnradanlage – die übrigens demnächst abgerissen wird. Dann sollte zumindest dieser Name von der Wiener Stadtlandkarte verschwinden.
STSK – Traunicht
Lediglich das Regensburger Autokennzeichen erinnert an STSKs alte Heimat, seit einigen Jahren hat es sich der Wahlwiener in der österreichischen Bundeshauptstadt heimelig gemacht. Unter einem Akronym seines ehemaligen Künstlernamens Shawn The Savage Kid, das er als Beatproduzent schon länger verwendet, leitet er mit der Single „Traunicht“ einen künstlerischen Neustart ein. Auf einem selbstproduzierten Beat, der mehr Optimismus als die Texte versprüht, sinniert er über eben diese Ambivalenz, denn er traut „dem Frieden nicht über den Weg“. Ein gelungener Track, der Lust auf die weiteren für 2021 angekündigten Singles macht – und wer weiß, vielleicht steht ja auch irgendwann wieder einmal ein größeres Release an, das letzte Album unter altem namen liegt schließlich bereits über sechs Jahre zurück.
Christl & Mile – Purple
Dass Christl nicht nur coole Songs macht, sondern auch politisch für Aufsehen sorgen kann, hat die Sängerin bereits bei Veröffentlichung ihrer letzten Single „Object of Desire“ unter Beweis gestellt. Passend zum Song thematisierte sie hier Catcalls und sexuelle Belästigung und machte in einer Kunstaktion auf diese Probleme aufmerksam. Ihre aktivistischen Ansprüche behält sich die Sängerin auf ihrer neuen Single „Purple“ bei, auf der sie sich mit Identität und Gender Expression beschäftigt. Unterstützung erhält sie dabei von Mile, der aktuell vor allem als Teil von Sharktank bekannt ist und Christls R’n’B-Sounds durch einen nachdenklichen Rap-Part ergänzt. Doch damit nicht genug: Begleitend zum Song hat die Sängerin auch noch ein passendes Video-Projekt veröffentlicht, in dem sie Schauspieler*innen und Aktivist*innen über deren Genderidentitäten befragt. Es entsteht ein umfassendes Kunstprojekt, das auch noch gut klingt.
Mavi Phoenix – Tokyo Drift
Mit „Tokyo Drift“ releaste Mavi Phoenix seine dritte Single nach dem 2020 erschienenen Debütalbum. Waren auf „Boys Toys“ noch ernstere Themen und Mavis Transitionsprozess im Fokus, besticht die neue Single mehr mit Positivität und Leichtigkeit. Auch soundtechnisch zeigt Mavi sich wieder mal von einer anderen Seite. Im Gegensatz zu den vorigen Singles, die eher verträumte Pop-, beziehungsweise rockige R’n’B-Balladen waren, kommt der Rapper auf „Tokyo Drift“ wieder zu seinen Ursprüngen zurück und liefert, wie gewohnt unterstützt von Alex The Flipper, eingängigen HipHop-Sound und starke Lines. Auch das Musikvideo stellt Mavis neue Leichtigkeit dar. In Szene gesetzt vom Künstler Valentin Hansen surft Mavi auf einer E-Gitarre durch die Landschaft. Was bleibt da mehr zu sagen als – „Good music and the future? So bright“, wie Mavi selbst rappt.
byyrd – Vitamin Bomb!
Wer das Video zum Beat „Fruit Punch“ aus byyrds im Mai erschienener Debüt-EP „Nesting“ gesehen hat könnte vermuten, dass frische Vitamine dem Wiener Produzenten und Rapper Flügel verleihen, wie es kein noch so gut vermarkteter Energydrink jemals könnte. Die Bestätigung liefert sein neuer Track „Vitamin Bomb!“, wo byyrd seine gewonnene Energie in zusätzliche Raps steckt. Fresher Sound und ein gut geflowter englischsprachiger Representer, dem es natürlich nicht an entsprechenden Wortspielen mangelt.
Grandmaster Flow & Lenny420 – Letzter Joint
420 letzte Joints, oder doch eher 4020? Wenn Grandmaster Flow & Lenny420 vom Linzer Bluntkartell davon rappen, ab sofort die Finger vom Ganja zu lassen und begleitend Schattenseiten des Konsums sowie Vorurteile gegenüber den Konsumenten aufzählen, dann nur mit viel Augenzwinkern. „Ich hab geträumt die ganze Welt wär in ‚ner Klimakatastrophe, Gott sei Dank waren das nur Halluzinationen“, rappt Grandmaster Flow etwa. Alles perfekt, Regierung, Staatsgewalt – kein Grund, sich wegzukiffen. Absolut nicht. Warum nicht gleich saufen und ein Leben ohne gefährliche Einstiegsdrogen leben wie jeder andere anständige Bürger? Die wiederkehrenden Alk- und Pharma-Vergleiche sind wohl nicht zufällig eingebaut – gezielt umgekehrtes Schwarz-Weiß-Denken quasi. Ausgeschmückt mit einem dancehalligen Beat, einer eingängigen Hook und Gartenparty-Video dient der sommerliche Track als erster Vorbote auf eine gemeinsame EP der beiden, die Ende August erscheinen soll.
Vorsicht feat. Polifame – Wiener Luft | Vorsicht feat. Kinetical, P.tah, Mo Cess, Polifame & Mosch – Wettergott
Auf offener See lässt sich das Leben genießen. Das weiß auch Polifame, der es sich am Segelboot in Bademantel und Ananas-Badehose mit edlem Tropfen in der Hand gut gehen lässt – und beim obligatorischen Sommerhit vor Vergleichen strotzende Representer-Lines abliefert. In Kombination mit dem gewohnt eingängigen Vorsicht-Beat eine durchaus gelungene Sache. Vorteil im Meer der Wiener: Wenn der Wind mal streikt, kann man auch einfach aussteigen (Köpfler vom Segelboot ist wohl nicht so empfehlenswert), das Boot inklusive Krokodil smooth im Gehen an der Leine führen. Kommt schon gut in der Abendsonne.
Abendsonne hätten sich Polifame und seine Duzz Down San-Kollegen auch am 17. Juli für ihre diesjährige Blockparty im Wiener Auer-Welsbach-Park gewünscht. Leider ist sie nach der coronabedingten Absage 2020 diesmal buchstäblich ins Wasser gefallen. In anderen Worten: Der Wettergott hat sich Beef mit der Gang eingebrockt, wie Kinetical, P.tah, Mo Cess, Mosch und Polifame im kurzfristig entstandenen Ersatzprogramm-Track auf Vorsicht-Beat festhalten. Gutes Omen: Im September 2020 konnte die zweite geplante DDS-Blockparty stattfinden und auch heuer ist im September eine geplant. Ob es dann zur Versöhnung mit dem Oaschloch-Wettergott kommt? Wir bleiben dran.
SzumK – Zeitraffer
Achtung, jetzt kommt Österrap-Gossip: Da schreibt man einen Round-up-Bericht über den aktuellen Track von SzumK, poppt original eine Nachricht auf, wo uns der Rapper via Twitch-Stream ausrichtet, dass wir nicht über ihn berichten sollen, solange wir österreichischen Artists seiner Meinung nach nicht die nötige Wertschätzung entgegenbringen. Er griff dabei unsere „The Message Show“ vom 25. Juni auf, in der wir uns in einem Block zugegeben abfällig über jene wiederkehrende Art von Mail-Zusendungen äußerten, wo uns Rapper*innen kontextlos ihre Musik-/Videolinks reinklatschen und aus dem Nichts heraus Berichte dazu erwarten. Lassen wir Faktoren wie qualitative Ansprüche, Subgenre-Fokussetzung, die enorme Menge an wöchentlich veröffentlichter Musik sowie die Zahl der damit verbundenen Einsendungen mal außen vor – andere Baustellen. Als Leute, die ausschließlich unbezahlt in ihrer Freizeit mit Herzblut für The Message schreiben, wünschen wir uns insbesondere bei frischen Gesichtern ein kleines Entgegenkommen in Form von paar Vorstellungssätzen über die jeweilige Person, ihr musikalisches Schaffen beziehungsweise das aktuelle Werk. Es soll ja schließlich darum gehen, dass wir etwas über ihre Musik schreiben und da ist eine Basis, etwas zum Anknüpfen sehr viel wert. Es braucht wirklich keinen selbstbeweihräuchernden Pressetext mit fünf Absätzen, viel lieber paar simple Grundinfos oder ein musikalischer Mini-Lebenslauf; ernst, mit Schmäh, wie auch immer. Dann wissen wir, woran wir sind. Diese Komponente kriegen viele unetablierte wie etablierte Artists auch sehr gut hin – danke dafür! Aber von nix kommt nix, auch unsere Ressourcen sind begrenzt. Offenbar haben wir diesen Punkt bei der Message Show nicht konstruktiv genug rübergebracht – sorry dafür! Dass es bei The Message nicht an Wertschätzung gegenüber talentierten und aufstrebenden Artists mangelt, sollten unsere regelmäßigen Reihen Austro Round-up, Beatshizzle, Word sowie Interviews/Porträts mit teils weniger etablierten Künstler*innen beweisen. Konzentrieren wir uns lieber aufs Schreiben. Schuster bleib bei deinen Leisten und so.
Vergangenes Jahr paar Mal auf gemeinsamen Tracks mit seinem musikalischen Langzeit-Weggefährten Spike in Erscheinung getreten, meldet sich SzumK nun solo zurück – mit einer gehörigen Portion Funk und ohrwurmiger Hook im Gepäck. Thematisch ist es freilich eher ein Frust von der Seele schreiben als ein lockerer Sommertrack. Schon wieder x Stunden im Büro für ein zu geringes Entgelt? Tja, der Lohnarbeits-Leistungsdruck kann ganz schön zermürbend sein. Wenn sich das Leben wie im Zeitraffer anfühlt, sind Gedanken, dem ganzen Zirkus zu entfliehen und mehr oder weniger konsequent aufs Gaspedal steigen eben manchmal nicht fern.
Yugo – Schweben
Mit „Schweben“ veröffentlichte Yugo eine wahre Liebeserklärung ans Skaten. Pure Freiheit statt Nine-to-Five Jobs und perfekt geplantes Leben findet der Wiener dabei auf seinem Board, dass ihn gemeinsam mit Slav und weiteren Freunden durch die Straßen seiner Heimatstadt trägt. In seiner Freiheit lässt sich Yugo dabei nicht beirren und ignoriert sowohl aufgeregte Nachbarn, die sich über ihn beschweren (geheimes Highlight des Videos), als auch Anrufe des Division-Labelgründers Elvir Omerbegovic. ”Minus am Konto, bin satt, ja. Board unter mir und ich schwebe. Acht km/h durch die Stadt. Elvir ruft an, doch ich hebe, hebe nicht ab, ab” textet der Rapper auf den Beat von Alexis Troy und liefert so den Soundtrack für die nächste Skate-Session.
Weiteres
Releases
Chefboicani – „5 Gassen EP“
Videos
Bibiza & beslik meister – „Daily“
Carl Roush – „Klicks Klicks Klicks“
Chakuza – „Wind verweht“
Dacid Go8lin – „Giwe“
Emirez & Pireli – „OK“
Gola Gianni – „Mary Poppins“
Ghosta & DäniX „Slang Rap Lebt“
Gyal – „T-White“
Hesi – „nit bei dia“
Jedal Strange feat. Mahagoni & Snessia – „HipHop is mehr“
Jonny Wolf – „Dream Sequence“
Lawrenco – „Whack“
Money Boy – „Boss Up“
Purge Mob – „Keep on Getting Money“
R.Mess – „Nintendo“
Savi Kaboo – „Off my mind“
Snessia – „Ich tu’s anyway“
Stüngö & Dynomite – „Atterseezeit“
Tracks
DaBertl – „1Mic 1Text 1Beat 1Mann“
Jokah Phillies – „Aphrodite“
Iloveakim & Sabrina – „Waves“
Kinetical & P.tah – „Mans Around (Fireclath Def Ill Remix)“
Philiam Shakesbeat – „Immer so“
Phöönix feat. MC Eiht & Deecent – „Lyrical Menace“
Rheventon – „Gang zur Prozession“
Saitayme – „Reset of the mind“
ShemA – „Ego“
Tudas & Yatay – „Toystoy“
Wavyfrisch – „xoxo Gemüse“
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1/3 Instrumentals, 1/3 Underground-Deutschrap, 1/3 Emotrap, wo hoid jemand bissi rumschreit.