Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
1/3 Instrumentals, 1/3 Underground-Deutschrap, 1/3 Emotrap, wo hoid jemand bissi…
Unser Rückblick auf die vergangenen Release-Wochen ist von einer traurigen Meldung überschattet. Der Wiener Neustädter Rapper Ericson ist Mitte November verstorben. 2008 auf dem „Slangsta Paradise“-Sampler vertreten, war der gebürtige Venezuelaner in weiterer Folge vermehrt im Slangsta-, Cyklone– sowie Stiege44-Umfeld aktiv. Mit seinen spanischsprachigen Raps war Ericson in den vergangenen Jahren auf einigen Tracks als Featuregast vertreten, viele davon fasste er auf seinem Mixtape „Pasado Presente Y Futuro“ zusammen. Erst Ende Oktober veröffentlichte er als Teil der neuen Crew DeFacto mit Illusion, Flowsta und Arisdopeles den Track „Kopflastig“ – den wir in dieser Ausgabe lieber an anderer Stelle behandelt hätten. Unser aufrichtiges Beileid gilt der Familie und allen Hinterbliebenen. Ruhe in Frieden, Ericson! Seine Kollegen haben mittlerweile ein Spendenkonto für das Begräbnis und als Support der Familie in der schweren Zeit eingerichtet.
Nun zum Musikalischen: Über das Debütalbum von Diskoromantik sowie die neue Doppelsingle von KeKe haben wir bereits gesondert berichtet, auch sonst gab es in den vergangenen Wochen einige Releases, Videos und Tracks. Wie gewohnt haben wir einiges davon zusammengetragen.
Text: Simon Nowak, Simon Huber, Mira Schneidereit & Michi Koffler
Releases
Snessia – Intakt
Nach ihrem Vorboten und Intro „Applaus“, den wir in der vergangenen Ausgabe vorgestellt haben, folgt mit „Intakt“ nun die Debüt-EP der Linzerin Snessia. Trotz der relativen Kürze werden auf den sieben Tracks vielfältige Themen angesprochen, die sie zum Teil auf Bandcamp separat erklärt. Vom Frausein in der Szene, Vorurteilen, Motivationsproblemen oder Self-Care wird eine breite Palette abgedeckt, die einen Einblick zur Person hinter der Musik geben. Alle Beats wurden von Def Ill produziert, der neben klassischeren Beats wie auf „Hinten nach“ zum Teil auch mit Dubstep- oder Drum’n’Bass-Elementen spielt und generell wie auch auf seinen eigenen Releases musikalisch keine Grenzen kennt. Bis auf einige Haus-Maus-Reime, die zum Teil zu vorhersehbar und simpel gehalten sind, liefert Snessia mit „Intakt“ ein sehr hörenswertes Debüt, das ihr einen guten Grundstein für das weitere Schaffen legt und vielleicht auch weitere Frauen dazu animieren kann, erste Schritte in eine nach wie vor männlich dominierte Szene zu wagen. Features kommen aus dem direkten C.O.C.-/Beatzarilla-Labelumfeld, genauer gesagt von K.S. Kopfsache, Miss BunPun (fka Misses U) und Def Ill, der auch einen Part beigesteuert hat.
Flo Knixx – Chosen 1
Bei Flo Knixx aka Mr. Kniddy steht eher die Spontanität im Vordergrund, auf längere Planungen verzichtet er. Obwohl der St. Pöltner Rapper seit sieben Jahren Musik macht, drei Alben, drei EPs, ein Mixtape und einige für sich stehende Tracks rausgebracht hat, blieb er bis dato unter unserem Radar. Gut also, dass er uns im Vorfeld der „Chosen 1“-EP angeschrieben und auf sich aufmerksam gemacht hat. „Ich würd sagen ich mach moderne Oldschool-Trap-RnB-Conscious-Rap-Banger, die manchmal Reggae-Melodien und Boombap enthalten und manchmal bissl dirty san“, deutet Flo Knixx dabei an, dass er sich in keiner bestimmten Rap-Nische verorten lassen möchte und jedes Release für sich stehen soll. Durch die fünf Tracks auf „Chosen 1“ zieht sich Mundartrap, der mit einigen Singsang-Sequenzen ausgestaltet ist. Auf den meist ruhigen, melancholisch angehauchten Instrumentals gibt sich Flo Knixx nachdenklich und selbstreflexiv. Immer wieder geht es darum, mit sich selbst und der Welt klarzukommen, Rückschläge zu verarbeiten, auf sein Inneres zu hören und allen Umständen zum Trotz zielstrebig nach vorne zu blicken.
Disorder – Alles auf Null
Selbstreflexion ist eine Eigenschaft, die nicht bei allen Rappern gut ausgeprägt sein mag – oft steht das Ego zu sehr im Vordergrund. Dass das auf Disorder eher nicht zutrifft, unterstrich er kürzlich mit einem Posting als Beitext zu seiner neuen EP. Der Linzer lieferte einen kritischen Rückblick auf seinen musikalischen Entwicklungsprozess. Neben dem Album „Die Welt ist perfekt“ im Duo Antifamilia trat er in den vergangenen Jahren auch vermehrt solo in Erscheinung – der Hauptpunkt seiner Selbstkritik. So blickt Disorder auf ein „schreckliches“ Debütalbum „Generation nix“ sowie einen stilistischen und qualitativen Fleckerlteppich bei der 2019 erschienenen „Streichholz“-EP zurück. In diesem Kontext ist wohl der Titel von „Alles auf Null“ zu verstehen.
Um nun alles besser zu machen, habe sich der Rapper und Produzent viel Zeit für die sechs neuen Tracks und ihren Feinschliff genommen. Das ist ihnen – inklusive der vorab präsentierten Single „Natürlich kann geschossen werden“ – auch anzuhören. Disorder hat in der Zwischenzeit merklich an seinen Skills auf Beat- und Rap-Ebene gefeilt. Inhaltlich macht er sich wie gewohnt gegen die sozialen Ungerechtigkeiten dieser Zeit stark und zeigt persönliche Facetten von seinem „Leben zwischen Hantelbank und Klassenkampf.“
Zerotonin128, Heinrich Himalaya & Sampathie – Afoche Dinge
Noch kein vollwertiges Release, aber eventuell ein Teaser auf anstehende Projekte stellt die Doppelsingle „Afoche Dinge“/ „Knapp daneben“ dar, für die sich Heinrich Himalaya, Zerotonin128 (formerly known as AspekktOne) und die niederösterreichische Sängerin und Rapperin Sampathie zusammengetan haben. In beiden Fällen kommt der Beat von Zerotonin128, der bereits die ersten beiden Singles von Sampathie produziert hat und bei „Afoche Dinge“ auch einen Part rappt. Musikalisch orientiert sich der Sound eher am 808factory/team128-Umfeld, auch Heinrich Himalaya, der sich seit dem 2019 erschienenen „Monat Minus“ mit Food For Thought vom altbewährten Boombap-Sound entfernt, passt perfekt dazu. Thematisch behandeln die drei eher schwermütige Themen wie zwischenmenschliche Probleme, Trennung und den persönlichen Werdegang. Man darf gespannt sein, was da noch kommt. Schön zu sehen, wie gut vernetzt der Wiener Szene mittlerweile ist und dass scheinbare Generationsunterschiede kein großes Hindernis darstellen.
Dacid Go8lin – It’s Ur Birthday (Visual EP)
Von Dacid Go8lin kann man sich alles erwarten, das sollte mittlerweile klar sein – ob es nun politische oder feministische Statements, persönliche Geschichten oder emotionale Lovesongs sind. Die Videos dazu sind meistens arg, brechen Grenzen, die eh keine sein sollten oder sind von Sarkasmus überladen. Auf jeden Fall lösen sie immer etwas in uns aus. „It’s Ur Birthday“ heißt die neue EP, veröffentlicht wurde sie als visuelles Gesamtwerk. Das bedeutet 12 Minuten, vier Tracks, ein Video. Dabei stehen sowohl Lyrics als auch Video für Körperlichkeit und Gefühle. „Njoftova paqen në luftë dhe luftën në paqe e këto ishin fjalët dhe lotët e fundit e një dashurie të vërtetë.“ heißt es am Anfang des Videos – „Ich fand den Frieden im Krieg und den Krieg im Frieden und das waren meine letzten Worte und Tränen einer wahren Liebe.“ Die Tracks an sich sind abwechslungsreich. Während sie sich ablösen, bleiben die Bewegungen der Aerial-Silk-Künstlerin Natalia Catanea immer smooth. Deutsch, Albanisch und Englisch wechseln sich ab, die Gefühle bleiben dieselben – eine EP zwischen Sehnsucht und Liebeskummer.
Videos (KW46)
T-Ser & Meydo – Mamiwota
Auf einem Afro-Type-Beat von Jerry Divmond erschaffen die beiden Kollegen von Akashic Recordz einen chilligen Track, der uns dem Meer nachweinen lässt. T-Ser übernimmt den Part des Rappens, während Meydo die Hook auf „Mamiwota“ liefert. Die beiden beziehen sich musikalisch auf ihre afrikanischen Wurzeln, inhaltlich bedienen sie sich an der afrikanischen Mythologie. Mamiwata heißt so viel wie „Mutter Wasser“ und bezeichnet einen Wassergeist, der in verschiedenen Teilen Afrikas verehrt wird. Meist tritt er in Form einer schönen Frau auf. Genau darum dreht sich auch der Song: eine schöne Frau, Wellen und Kontrollverlust. Ein entspannter Track, der Sommergefühle aufleben lässt. „Lass mich von der Welle treiben / Verlier die Kontrolle sinke ein / Mamiwota.“
Crack Ignaz – Nicht von hier
Crack Ignaz packt auf „Nicht von hier“ wieder einmal seine harte Seite aus. Auf einem reduzierten Beat von HNRK stellt der Rapper Fragen wie „Von wo kommst du, ha?“ und zählt „nichts als Hunderter“. Nachdem er zuletzt auf „Lazy“ auf Mundart zu hören war, switcht Ignaz neuerlich und flowt diesmal auf Hochdeutsch fein drüber. Den Track schließt er mit der Line „Ignaz K ins Parlament“ ab. Auch wenn’s für eine politische Laufbahn nicht reichen sollte, macht der Song der musikalischen Karriere alle Ehre. „Nicht von hier“ ist zwar kein Abgeh-Banger für den Club, aber ein sehr stabiler Kopfnicker.
Bjøvan – Punkt
Tipps für die Gesundheit kommen diese Woche von Bjøvan – „Rede nicht so viel, ist nicht gesund“ heißt es auf seinem neuen Track „Punkt“. Auf einem basslastigen Beat von DVDN teilt der Grazer gegen alle Seiten aus, kritisiert den „übertriebenen fake Shit“ anderer Rapper – „auf Plastik rappen wie billig, aber jeder denkt, er ist Biggie“. Wie das Video zeigt, kommen solche Lines natürlich immer besser in Kombi mit weißem Jogginganzug und Moschino-Taschen. Punkt.
Grandmaster Flow & Socn – Liebe diese Parts
Für die Rapper aus dem Linzer Bluntkartell neigt sich ein produktives Jahr dem Ende zu. Auch nach dem Start der wöchentlichen Podcast-/Videointerview-Serie „Blunt Talk“ erscheinen laufend neue Videos aus der Crew. Nachdem Chaoz kürzlich mit „RIP Bobby“ an einen verstorbenen Weggefährten erinnerte, knüpfen Socn & Grandmaster Flow mit „Liebe diese Parts“ quasi nahtlos an ihren gemeinsamen Track „Rapperlife“ an. Der zweite Vorbote auf die am 28.11. erscheinende „Dope Recognize Dope“-EP erweist sich als klassischer Representer mit einigen Giftpfeilen gegen die Abgründe der großen, durchkommerzialisierte Rapwelt – nix Neues, aber mit dem nötigen Hunger in den Lines umgesetzt. Das Video fällt dagegen eher in die Kategorie „Schnell was abdreht“.
Artist Spotlight #1: Ron21
Manche Rapper nutzen sich nach kurzer Zeit ab, weil sie wenig Verschiedenes zu erzählen haben. Dann gibt es wieder welche, die im Grunde immer wieder den gleichen Track machen, aber trotzdem nie wirklich uninteressant werden. Hierzulande etwa Jonny5, bei dem sich bei Drugdealer-Vibes alles um den Sport, Scheine zu machen, dreht – und sich neben dem düsteren Trap-Sound auch die immer gleiche nächtliche Street-Ästhetik durch die Videos zieht. In eine ähnliche Richtung könnte es bei Ron21 gehen, der wiederkehrend über sein Umfeld, den Struggle und das zwielichtige Leben in seiner Hood, der Wiener Großfeldsiedlung, rappt. Dass es keine gute Idee ist, sich hier als Außenstehender deppat aufzuspielen, macht er jedes Mal eindringlich klar. Ein altbekanntes Narrativ, in den Videos oft mit den üblichen Block-Shots und Posereien garniert. Warum das bei Ron21 auch beim x-ten Track nicht langweilig wird? Schwer zu sagen. Vielleicht liegt es schlichtweg daran, dass er raptechnisch auf einem guten Level ist, mit bildhaften Lines viel Glaubhaftigkeit vermittelt und merklich Herzblut reinsteckt. Auch die Beatwahl ist bis dato on point. Mit der jüngsten Single „Echt“, produziert von YxngOlii, unterstreicht Ron21 diese Eindrücke.
Weitere Videos
Auch in den beiden Wochen nach der vergangenen Round-up-Ausgabe sind etliche Videos und Tracks erschienen. Wir möchten sie abschließend aber zumindest erwähnen und verlinken. Hier findet ihr eine kleine Auswahl – sofern verfügbar, haben wir die unten stehenden Tracks auch der Spotify-Playlist hinzugefügt.
Slav – „150 KM/H“
Crack Ignaz – „Lazy“
Lent – „Visionär“
Alix Oder Nix – „Maschine“
Yung Hurn – „Nichts mehr fühlen“
Jonny5 – „Baile Funk“
Chefboicani – „Merkez“
Ben Saber – „El Hamma“
KDM Karat & FKN SKZ feat. Casino Fog – „Finito“
Canto – „Gib mir das“
Xena N.C. – „Warrior“
Ran DMC – „1210 Wien“ | Zwafoch ned Afoch „Viecher“
R.Mess – „Jacky“
Chaoz – „RIP Bobby“
Hoxha – „LBLU (Little Bitch Like You)“
Tracks
Young Krillin & Fid Mella – „Keine Hose Movement“
Paco.Tek feat. Beloskoni & Gonzalez – „Was machst du?“
Ikonik feat. El Greco – „Showdown“
Jules Hiero feat. Georgia Anne Muldrow & Declaime – „Honey Trap“
Merca & Cherry – „Blicke“
Ms Def & Miss BunPun – „Grau“
Nouv – „Mein Babe“
Don Dom „RAPertoire“
Rudi Ae – „Medium“
Du möchtest mit deinem Release/Video ebenfalls im Austro Round-up vertreten sein? Schicke uns gerne eine Mail an [email protected]
1/3 Instrumentals, 1/3 Underground-Deutschrap, 1/3 Emotrap, wo hoid jemand bissi rumschreit.