"The hardest thing to do is something that is close…
Neben FKA twigs wurde in den vergangenen Jahren vor allem der Name BANKS genannt, wenn es darum ging, Hoffnungsträger für das dahinsiechende Genre R’n’B zu finden. Im Falle FKA twigs erfüllte sich das Versprechen, setzte sie mit ihrem sperrigen, provokanten, feministischen, eigentlich nicht wirklich popkonformen Stil neue Impulse in der Musikwelt.
Im Gegensatz dazu enttäuschte BANKS mit ihrem Debüt. „Goddess“ bietet zwar Synthie-Granaten der gehyptesten Produzenten, welche die kontemporäre Musikwelt zu bieten hat (unter anderem Shlohmo und SOHN), scheitert aber an furchtbarster lyrischer Belanglosigkeit. „Goddess“ ist schlichtweg ein ungemein glattes Produkt mit kaum Aussagekraft und kurzer Halbwertszeit. Daran können auch die überzeugenden gesanglichen Leistungen, die BANKS auf Tracks wie „This Is What It Feels Like“, „Brain“ oder „You Should Know Where I’m Coming From“ darbietet, nichts ändern.
Auf dem Nachfolgealbum „The Altar“ will BANKS nun endlich ihre Kanten präsentieren. Sich bissig und angriffslustig zeigen. Der Opener „Gemini Feed“ ist ein Indikator dafür, wo die Reise in der ersten Hälfte des Albums hingeht. Auf einer synthieschweren Produktion von SOHN kredenzt BANKS einen eingängigen Break-up-Song, der spiegelbildlich für ihr neues Selbstbewusstsein stehen soll: BANKS lässt nicht mehr mit sich spielen. Wer ihr blöd kommt, muss die Konsequenzen tragen.
„Fuck with Myself“ folgt ebenfalls diesem Rezept, erinnert aber nicht nur durch die reduzierte musikalische Begleitung, sondern auch dank der lyrischen Doppeldeutigkeiten an FKA twigs. Während das folgende „Lovesick“ eine nahezu penetrant positive Stimmung entfacht und aus der stilistischen Reihe tanzt, läuft BANKS in „Mind Games“ wieder zu alter Coolness auf – in der ersten Minute sogar mit dem Verzicht auf Drums. Der stärkste Ausdruck ihrer neuen Selbstsicherheit besteht aber im wütenden Up-Tempo-Track „Trainwreck“, wenngleich ihre Rapversuche auf dem Trap-Instrumental zwar nett gemeint, aber ziemlich missraten sind. Dennoch ein deutlicher Beweis ihres künstlerischen Mutes.
Nach der Wut und Angriffslust schlägt BANKS in der zweiten Hälfte des Albums wieder überwiegend schüchterne Töne an und zeigt sich zerbrechlich. Diese Gefühlsregungen offenbart die ausgebildete Psychologin vor allem im phlegmatischen, nur von einer Akustik-Gitarre begleiteten „Mother Earth“ sowie in der Piano-Ballade „To the Hilt“. Während „Mother Earth“ Depressionen zum Thema nimmt, steht in „To the Hilt“ das bekannte Motiv des Endes einer Beziehung im Fokus. Wobei sich BANKS hier vordergründig auf die Folgen des plötzlichen Fehlens ihrer Muse konzentriert: „You were my muse for so long/Now I’m drained creatively“.
Zwischen den beiden Tracks reiht sich mit „Judas“, auf dem nicht nur fleißig religiöse Metaphern heruntergebetet, sondern mit „Beggin‘ me for thread, I think you need to change your brain“ auch Bezüge zu „Goddess“ hergestellt werden, der beste The-Weeknd-Track ohne The-Weeknd-Beteiligung ebenso ein wie „Haunted“ und „Poltergeist“ – Tracks, die mehr oder weniger spannend illustrieren, dass die Chose einer Trennung nicht so einfach überwindbar ist. Den Schlussakkord setzt BANKS mit „27 Hours“, das mit einem langsamen Piano-Intro beginnt, in der Hook aber mit einbrechenden Synthies und zittrigen Hi-Hats beste „Brain“-Stimmung entfacht. „27 Hours“ ist auch deswegen der ideale Schlusspunkt, weil beide Persönlichkeitszüge von BANKS enthalten sind. Schüchterne Zurückhaltung trifft auf enthemmte Angriffslust – und das alles in einem Track.
Wer „The Altar“ mit „Goddess“ vergleicht, wird zweifelsfrei eine Steigerung bemerken. Das Songwriting erreicht zwar nicht das Niveau einer Lauryn Hill, mit der BANKS oft verglichen wird, wirkt diesmal dennoch viel ausgereifter. Die Beats gleichen erneut einer Vernissage aktueller Trends, BANKS bleibt ihrem dunklen, elektronischen Sound zu großen Teilen treu. Einerseits verständlich, weil sie sich in gewohnter Umgebung hörbar am wohlsten fühlt, anderseits wäre die Zeit für einen Ausbruch aus der Wohlfühlzone gekommen („Trainwreck“ bietet nur einen zaghaften Versuch). Dies trifft auch auf die Vielzahl an Effekten zu, mit denen die Stimme BANKS modifiziert wird. Warum sie in diesem Fall kein ähnliches Selbstbewusstsein wie auf dem ungeschminkten Artwork-Foto (Alicia Keys lässt grüßen) beweist und auf stimmliches Make-up verzichtet, ist nicht wirklich nachvollziehbar.
Fazit: Mit „The Altar“ legt BANKS ein durchaus bekömmliches Alternative-R’n’B-Album vor. Passables Songwriting, unterkühlte Electro-Instrumentals mit vereinzelten Überraschungseffekten und eine gefällige gesangliche Darbietung, bei der sogar das Filtermeer auf der Stimme der Sängerin kaum stört. Zudem hält sich das Füllmaterial äußerst in Grenzen, womit BANKS eine ziemlich runde Veröffentlichung gelungen ist, die ihr bisheriges Karrierehighlight darstellt. Ihr künstlerisches Limit hat sie mit „The Altar“ noch nicht erreicht – Injektionen für das eigene Selbstvertrauen aber auf jeden Fall bekommen.
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