Clemes Bacher schwirrt unter dem Künstlernamen Cid Rim schon lange durch die Welt der elektronischen Musik. Der studierte Schlagzeuger und Multiinstrumentalist hat über die Jahre einen unverkennbaren Stil zwischen Jazz, Clubmusik und HipHop kultiviert. Nach einigen EPs veröffentlicht der Wiener am 20. Oktober seine erstes Album „Material“ auf dem schottischen Label LuckyMe Records. Im Interview mit The Message plaudert Cid Rim über Fußball, Fusion-Platten und darüber, wie die italienische Küche seine Musik beeinflusst.
The Message: Du bist ein Grüner oder?
Cid Rim: Eher grün, aber weißt eh, in Wien … Ich war jetzt einmal im neuen Stadion, um mir das anzuschauen, aber lieber geh ich zu Sportclub oder Vienna. Das ist mehr Realitycheck. Einfach nach Hütteldorf fahren und sich die Leute anschauen. Wer sonst alles noch Wiener ist. Bissl aus der Bubble rauskommen.
Bleiben wir gleich beim Fußball. Du hast für den Ballesterer, das heimsche Fußball-Magazin, Videos vertont?
Ja, ich mach das mit The Clonious zusammen. Die Trailer zu den Ausgaben über China, Redbull Leipzig und das, wo wir Gabber gemacht haben, was war das? Fanfreundschaft! Volle Gaudi, taugt mir voll. Ich kenn die Leute, die die Videos machen, das sind gute Freunde von uns. Die sind von drei Designagenturen und alle die ärgsten Fußballcracks. Die haben uns gefragt, ob wir die Musik zu den Trailern machen wollen. Ein bisschen bei der Arbeit mit Fußball zu tun haben, fand ich nett. Man muss die Hobbys integrieren.
Machst du öfter Soundtracks oder Sounddesign?
Für einen Freund aus Schottland, der die LuckyMe-Videos macht, hab ich seinen ersten Kurzfilm vertont. Den zweiten werd ich wahrscheinlich auch machen. Das ist so eine Fingerübung für mich, ein bisschen mehr mit Bild arbeiten. Manchmal hat man eine Idee und wenn du es dir mit dem Bild anschaust, passt’s einfach nicht. Manchmal probierst du was schnell aus und wow, es ist genau richtig. Es geht nicht nur darum, dass die Schnitte im Takt sind, sondern dass die Grundstimmung, die das Bild vermittelt, kongruent mit der Musik ist.
Dein neues Album erscheint beim schottischen Label LuckyMe. Du hast in Wien mit Freunden das Label Affine Records mitaufgebaut. Wie wichtig war das Umfeld für dich und deine musikalische Entwicklung?
Sehr wichtig. Es ist viel schwieriger, cool zu sein mit seiner eigenen Box, die nicht in eine andere hineinpasst, wenn man keine Leute um sich rum hat, die auch eine eigene Box haben. Der ganze Affine-Freundeskreis war immer ein Sammelbecken von Leuten, die sich für viel verschiedene Sachen interessiert haben. Es gab nie Zwänge oder Schubladisierung. Die erste Platte von Olli (Dorian Concept, Anm.) war Clubbanger-Brechstangenmusik. Die Nummern vom Wandl-Album, wo er singt, sind die romantischsten HipHop-Balladen. Das ist schon extrem weit weg voneinander, aber es geht sich irgendwie aus. Da sind die Einflüsse und der musikalische Geschmack, den man teilt, wichtiger als das, was am Ende rauskommt.
Im Video zur ersten Single „Surge“ des neuen Albums redest du am Ende über die Minimalismus in der japanischen und italienischen Küche und ziehst einen Vergleich zur Musik. Deine Musik ist nicht gerade minimalistisch oder?
Nein gar nicht. Es geht darum, dass die Ausgangsmaterialien minimalistisch sind. Ich hab eigentlich kaum Gear zuhause. Keinen echten Synth. Ich hab ein Klavier, Schlagzeug hab ich im Proberaum, und einen Wurlitzer. Sonst hab ich nur Oldschool-Reason-Software, von der Leute sagen würden, dass sie komplett outdated ist. Im Programm benutz ich auch fast nix. Eigentlich nur einen Softwaresynth, einen Sampler und eine Drummachine. Das ist die Connection in meinem Schädl zu japanischer und italienischer Küche. Es kann trotzdem sehr aufwendiges Zeug sein, aber die Grundbausteine sind extrem simpel. In der italienischen Küche sieht man das so schön, dass irgendwelche aglio e olio Nudeln das beste Essen sind. Ultraspartanisch. Das taugt mir.
Das Arbeiten mit Samples hast du im neuen Album auch reduziert?
Eigentlich sind keine (fremden, Anm.) Samples im Album zu hören. Früher hab ich mehr mit Samples gemacht. Aber durch viel selber Schlagzeug aufnehmen habe ich meine eigene Samplebank. Ich bin kein Samplenerd … mehr. (lacht) Früher war das schon ein arger Sport, den wir betrieben haben, wer was zuerst findet. Aber an sich ist es Komposition, was mich am meisten interessiert. Wie man eine Nummer so arrangieren kann, dass sie am Ende funktioniert.
Deine Musik trägt eine ganz eigene Handschrift und auch das neue Album klingt sehr eigen. Woher kommen die Ideen und wo liegen deine Einflüsse?
Ich hab irrsinnig viele Mitte bis spätere 70er-Jahre Fusion-Platten zuhause. Vom Sound her, bevor das Ganze so clean geworden ist. Irre komplizierte Musik, virtuose Leute, die das aber so klingen lassen, als wär’s ganz normale Rockmusik. Alle, die mit Billy Cobham gespielt haben, haben mir schon sehr getaugt. Alles, was in die höher-schneller-weiter-Richtung geht, was aber nicht so slick-clean-showoff-mäßig klingt. Die Jungs konnten das einfach spielen, weil sie irrsinnig viel geübt haben. Das hat mich schon sehr beeinflusst. Deswegen hat meine Musik auch manchmal kompliziertere Auswüchse, wo ich mir denk: Kann man das jetzt noch so irgendeinem Club spielen? Aber wenn’s mal so weit ist, ist’s eh schon wurscht, dann muss man die Nummer einfach fertig machen und es ist, was es ist.
Aber du hast schon auch den Anspruch, etwas Zugänglicheres mit Pop-Appeal zu machen, dass nicht zu absurd komplex wird?
Naja, so ein Mittelding. Ich hab den Anspruch, dass es mir taugt am Ende. Da spielen alle Einflüsse rein. Da ist man 16, fängt grad an zu drummen und findet die ganzen Fusion-Platten. Auf der anderen Seite bin ich voll mit HipHop aufgewachsen. Insofern ist ein guter Loop, den man sich ewig lang anhören kann oder ein schönes Sample zu finden, auch ur wichtig für mich. Ich habe natürlich auch viel Michael Jackson gehört als Kind – also ist die Popkomponente auch dabei. Das ist ein Riesen-Eintopf, der sich vermischt. Aber ich hab irgendwann aufgehört, mich vorher zu fragen, was es denn am Ende sein soll. Ich schau eher, dass ich eine coole Akkordfolge find und der Track selber entscheidet, wo er hinwill. Ich würde mir schwertun, wenn ich mir ein Konzept überlegen müsste und daraus ein in sich kongruentes Album machen müsste. Es ist besser, wenn man einfach schaut, worauf man Bock hat. Die Sachen, die ich vor zehn Jahren gemacht hab, klingen ganz anders als das, was ich jetzt mach, obwohl sie in der Theorie nicht weit auseinander sind. Es ist aber immer eine Momentaufnahme von einer Zeit und wo man grad musikalisch war. Ich find das auch schön, weil das den absoluten Anspruch wegnimmt. Es ist irrsinnig schwer, eine Platte von 68 und 78 zu vergleichen, weil das immer zwei verschiedene paar Schuhe sein werden. Und so seh ich das bei den eigenen Sachen auch. Arbeitsweisen, Interessen und Einflüsse ändern sich. Die Einflüsse aus den prägenden Jahren, der Teenage-Zeit, ändern sich glaub ich nie. Wenn jemand Die-hard HipHop-Fan war und die Hosen richtig tief getragen hat, wie wir alle, dann geht das nie wieder weg.
Was feierst du denn aktuell so?
Da gibt’s eine echt flashige neue Punkband. Franz Fuexe aus dem Mostviertel. Da war ich zwei bis drei Mal auf Gigs etwas Pogo-Action machen, das wird sich vielleicht auch irgendwie manifestieren? Was ich recht viel gehört hab, ist die neue Platte von Monophobe, die er zusammen gemacht hat mit Karma Art. Karma Art das ist eine Hälfte von Leyya. Monophobe ist ein fresher neuer Produzent aus Wien. Und Deutschrap ist eh auch fett. Bonez‘ Instastory. Ich schau keine Serien mehr, nur noch Bonez‘ Insta. Andere Baustelle, aber Schostakovic und Korngold höre ich viel. Korngold ist ein Wiener Komponist, der nach Hollywood gegangen ist. 40er-Jahre Soundtracks haben mich immer schon beeinflusst. Diese großen Orchesterwerke in Schwarz-weiß-Filmen, in denen alle tschicken. Die Filme sind alle voll zach, aber die Soundtracks sind irre. Zuerst waren das Wiener Kaffeehauskompositionen um die Jahrhundertwende und auf einmal ist es der Grand-Orchestra-Hollywood-Sound. Die ersten Soundtracks und die letzten Sinfonien, die er noch hier in Wien gemacht hat, sind voll flashig. Es ist schwierig, das in Kontext mit elektronischer Musik zu bringen, aber das war das Letzte, mit dem ich mich beschäftigt hab.
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