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Coronakrise und die österreichische Rapszene

Coronakrise und die österreichische Rapszene

Die Wirtschaft röchelt. Und mit ihr die finanzielle Lage von Künstlern und Veranstaltern. Wir haben bei einigen Musikern und Bookern nachgefragt, wie sie mit der Situation umgehen und wie weit sie davon betroffen sind.

Einer von ihnen ist Babu. Er ist Chefbooker bei der 808 Factory und durch die jetzige Situation dazu gezwungen, einige Events zu verschieben oder generell abzusagen. Sechs eigene Produktionen und vier Hostings/DJ-Bookings seien betroffen. Die Show von Pashanim & Symba musste ersatzlos gestrichen werden. „Das wurmt uns sehr, da wir erstens den Sound von Pasha & Symba seit Sommer in Wien pushen und zweitens uns wichtige Einnahmen entgehen, mit denen wir noch größere Acts nach Wien holen wollten“, sagt der Wiener Veranstalter. „Weitere geplante Shows wackeln, aber da warten wir noch ab wie sich die Situation entwickeln wird.

808Factory
Babu (ganz links) und die 808 Factory. Foto: Niko Havranek

Die Folgen durch die derzeitige Situation sind Babu und der der 808 Factory bewusst. ‘’Durch das allgemein dichte Konzertprogramm wird es wahrscheinlich geringere Ticketverkäufe bei Untergrund-Konzerten geben, da die Leute einfach nicht das Geld haben, zehn Konzerte im Monat zu besuchen.

Auch in Linz scheint die Situation nicht besser zu sein. Der Künstler und Veranstalter Flip erzählt uns, dass er dieses Jahr einige DJ-Gigs gehabt hätte, im Sommer einige Open-Airs mit Texta, die nun voraussichtlich wegfallen. Einige Mix-Projekte liegen rum, an denen er arbeitet und durch die er nun auch Einnahmen hätte. Im Mai wäre sein Instrumental-Album über das Münchner Label Beat Art Department erschienen, was nun aber auch keinen Sinn mehr ergäbe. „Da die Vinyl-Stores zuhaben und es so keinen Sinn macht, wenn wir die Platten nirgends reinstellen können. Da ändert sich im Release-Schedule auch alles. Jeder probiert seine Platten-Releases nach hinten zu verschieben“, sagt Flip.

Die radikalen Maßnahmen, die getroffen wurden, befürwortet Flip allerdings, auch wenn es für ihn und die KAPU schwierige Zeiten mit sich bringen könnte. Als Anlaufstelle und Hilfe kämen die AKM (Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger) und die austro mechana (Urheberrechtsverwertungsgesellschaft für mechanisch-musikalische Urheberrechte) infrage, da auch im Bereich der Einpersonenunternehmen Hilfe angeboten wird. „Ob das alles was bringt und hilft, kann ich nicht einschätzen und ich hoffe, dass es genügt. Die Bereitschaft ist ja da bei der Regierung, und vielleicht kommen wir mit einem blauen Auge davon“, kommentiert das Texta-Mitglied die aktuelle Situation. Er könne jetzt nur an alle Verbraucher, die Hörer und Hörerinnen appellieren, die Artists und vor allem die Local Artists zu unterstützen. „Nicht nur die Big Player, die eh schon vier Maseratis in der Garage stehen haben und die Tour-Einnahmen relativ easy verkraften können“, sagt er.

Doch nicht nur die Veranstalter haben zu kämpfen, auch die Musiker vollführen zurzeit einen Drahtseilakt.

Foto: Daniel Shaked

Svaba Ortak war gerade in Vorbereitungen zu seinem kommenden Album, als das Coronavirus in Österreich aufklatschte. Auch Musikvideos waren in Planung. Der Wiener Rapper erinnert sich noch genau an den Tag, an dem er realisiert hat, welche Ausmaße die Krise mit sich bringen wird. Es war der Geburtstag eines Freundes und der letzte Tag, an dem er seine Freunde gesehen hatte, bevor die De-facto-Ausgangsserre ausgerufen wurde. Sein Album wird nun gut zwei Monate später erscheinen, einige Shows wurden verschoben, aber nicht abgesagt. Dies sei zumindest positiv, meint er. Die Maßnahmen der Regierung teilte Svaba auf seinem Instagramaccount, um seine Reichweite zu nutzen. „Der Ernst der Lage ist jedem mittlerweile bewusst. Es ist kein Spiel mehr. Menschen sterben. Italien bricht jeden Tag den Rekord erneut – und Italien liegt nicht im fernen Osten, sondern unmittelbar neben uns. Das ist schockierend“, sagt er.

Für die Jahresplanung bedeute die Coronakrise jedenfalls eine Zeitverschiebung. „Die Folgen sind in meinem Fall nicht so dramatisch. Es hätte viel schlimmer kommen können, um ehrlich zu sein“, meint Svaba Ortak. Abschätzen könne man jedoch nichts, im Drei-Stunden-Takt würden neue Regelungen gesetzt. „Wir sprechen hier von einer Situation, die es so bei uns bis dato nicht gab. Wichtig ist auf jeden Fall, nicht gleich alles über Bord zu schmeißen – man muss der Sache mit einem Lächeln und einem klaren Kopf gegenübertreten“, appelliert er an die Bevölkerung.

Finanziell sei es natürlich auch für Svaba mies, aber nicht so tragisch, wie er selbst sagt. Die entgangenen Einnahmen von Liveshows mit mehr Releases zu kompensieren, wäre ein Beispiel, der Krise etwas zu entgegnen. Dennoch stelle er sich die Frage, wie man das ganze handhaben sollte. „Bringst du einfach etwas for Fun raus ohne Planung? Oder bringst du etwas gezielt mit gutem Marketing an den Mann?“, fragt er. In beiden Fällen müsse man sich der momentanen Situation anpassen und da würde es aufgrund von Homeoffice und fehlender Drehgenehmigungen schwierig. „Heutzutage wird Musik gehört und gesehen“, spricht Svaba die Wichtigkeit von Videos an.

Die Frage, welche Initiativen und Hilfe für Kunstschaffende in Österreich nach der Krise eingeführt werden sollen, stellt sich für Svaba zurzeit noch nicht. „Da ich sowieso dafür bin, dass alle mal auf Zero schalten, solange dieses Virus sein Unwesen treibt. Auch aus Respekt zu den älteren Risikogruppen. Danach sehen wir weiter“, sagt er und hofft, dass wir alle gut durch diese Zeit kommen und anschließend unsere geschäftlichen Dinge wieder ohne Probleme aufnehmen können. „Ich habe das Gefühl, dass dieser Moment auch bald kommen wird.

Auch Kreiml & Samurai sind, zumindest in ihrer Arbeit schwer, von der Pandemie betroffen.

Foto: Daniel Shaked

Von ihrer „Zruck in die Zua-kunft“-Tour, auf der die beiden Wiener Rapper gerade waren, konnten sie nur fünf von 13 Terminen wahrnehmen. „Außerdem schweben weitere schon fixierte Bookings für das weitere Jahr und die gesamte Festivalsaison in der Luft. Die Zusammenarbeit mit Produzenten und anderen Musikern ist unter solchen Umständen auch viel schwieriger, da der direkte Kontakt momentan quasi nicht möglich ist“, sagt Kreiml.

Eine Jahresplanung ist im Hause Kreiml & Samurai zurzeit schlichtweg nicht möglich, die möglichen Folgen sind – wie bei den meisten Menschen – fatal. Was genau auf sie zukommt, können und wollen sie zurzeit noch nicht abschätzen. „Mittlerweile sind Konzerte die wichtigste Einnahmequelle für fast alle Musiker geworden, weil weniger physische Tonträger gekauft werden und sehr viel gestreamt wird“, führt der Rapper weiter aus. In ihrem Fall sei Timing direkt nach dem Album-Release sehr ungünstig, da sie sowohl die Ticketeinnahmen, als auch die Möglichkeit, auf den Konzerten Tonträger zu verkaufen, verlieren würden. Laut Kreiml & Samurai brauche es jetzt auf jedenfalls finanzielle Unterstützung für die Branche, da vor allem kleinere Labels und Selbstständige jetzt schon ums Überleben kämpfen würden.

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Bei Polifame herrscht auch im Berufsleben als Arzt Ausnahmezustand

Foto: Daniel Shaked

Gerade erst hat Polifame über The Message seine Comeback-Single premiert, schon steht die Promo-Maschine wieder. Die für Mitte April geplante Releaseparty hat er auch schon verschoben. Der Coronavirus trifft Polifame jedoch nicht nur aus künstlerischer Sicht, sondern auch aus beruflicher, denn der Rapper ist hauptberuflich Arzt in einem Wiener Krankenhaus. Auf künstlerische Ebene treffe ihn die Situation sogar weniger, da er die Musik quasi „nebenbei“ in seiner Freizeit mache. Aus ärztlicher Sicht ist die Lage schon um einiges brenzliger.

An der Klinik herrscht Ausnahmezustand und die Lage ändert sich fast täglich. Zum Schutz der Patienten und des Personals werden nur Patienten, die unbedingt versorgt werden müssen, ins Spital gelassen – dies funktioniert gut über eine eigens eingerichtete Triage“, erzählt Polifame von seinem Berufsalltag in der Klinik. Zurzeit laufe alles geregelt ab und Notfallpatienten können auch adäquat versorgt werden. „Ich hoffe, dass dies auch weiterhin so bleibt“, sagt er.

Die Maßnahmen der Regierung unterstützt Polifame, auch wenn dies einigen Menschen finanziell das Genick brechen könnte. „Aufgrund der hohen Infektiosität von CoViD-19 und des sehr unterschiedlichen Verlaufs, der auch asymptomatische Träger zu Vektoren – Personen, die das Virus auf andere übertragen – werden lässt, sind insbesondere die Absage von Veranstaltung, bei denen viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen, sicher notwendig und auch gerechtfertigt“, kommentiert er die erste Maßnahme der Regierung, die Veranstaltungen über 100 Personen verboten hatte. Die Ausgangsbeschränkungen und Versammlungsverbote seien zum jetzigen Zeitpunkt ebenfalls notwendig. „Ich bin aber der Meinung, dass es unbedingt möglich sein soll, nach draußen zu gehen, um Sport zu machen, spazieren zu gehen und den Kopf frei zu bekommen. Mit Personen, die im Haushalt leben, muss das möglich sein“, fügt er hinzu. So könne man verhindern, dass Akzeptanz gegenüber der Maßnahmen nicht in Aggression umschlägt.

Selbst ist er derzeit nur mit dem Rad unterwegs, wäscht sich gründlich die Hände, wenn er nach Hause kommt und trifft im Spital alle Sicherheitsvorkehrungen, um das Risiko für Patienten, Kollegen und ihn selbst zu minimieren. „Für die Psyche versuche ich, mich mit Positivem zu beschäftigen: Musik zu machen, zu lesen, zu schreiben, mit Freunden zu skypen, Sport zu machen und jedem Tag die Chance zu geben, mich positiv zu überraschen“, sagt er abschließend.

Mitarbeit: Sophie Krumböck, Julia Gschmeidler, Daniel Shaked, Simon Nowak, Florian Lichtenberger