Dalia Ahmed macht ein bisschen mehr als nur „irgendwas mit Medien“. Als DJ ist sie in der Wiener Clubszene aktiv, außerdem arbeitet sie als Journalistin bei FM4, wo sie auch jeden Samstag um 21 Uhr ihre eigene Radiosendung moderiert –„Dalia’s Late Night Lemonade“. Zudem kuratiert sie das heurige Electric Spring Festival Ende April im Museumsquartier und legt bei unserer „22 Years The Message Magazine“-Geburtstagsparty am 18. Mai im Fluc auf. Im Interview mit Dalia Ahmed sprachen wir über die österreichische Musikszene, Sexismus im Rap und wo für sie persönlich die Kunstfreiheit endet.
The Message: Du sagst, dich nervt es, dass HipHop und Pop oft als eingängige und nervige Musik abgestempelt werden. Was sagst du dazu, dass wenn man sich die Charts anschaut, genau diese aussagelos scheinende Musik – vor allem im Rap – dominiert?
Dalia Ahmed: Wenn man sich beispielsweise die Migos anschaut, dann ist das schon – was Kultur und Gesellschaft angeht – mit Message. Lil Pump zum Beispiel finde ich schwieriger, weil diese Musik keinen Background hat. Aber ich finde voll viele Sachen haben dann doch im klassischen Sinne Substanz, wenn man sich damit beschäftigt.
Du bist auch der Meinung, dass es wichtig ist, sich mit der Herkunft von Genres zu beschäftigen. Findest du, dass HipHop heutzutage noch an den Beginn und seine Herkunft denkt bzw. erinnert?
Ja voll, es kommt ja immer noch da her, wo es ursprünglich herkommt. Es machen die Menschen, die man als „die Nachfahren“ bezeichnen kann. Auch beim Pop und beim Rock, eigentlich kommt das ja alles von der afroamerikanischen Musik. Aber natürlich wird viel versucht, wegzunehmen und zu vermarkten.
Findest du es wichtig oder notwendig, dass Musik eine Message transportiert?
Wenn sich schwarze Kids hinstellen und Musik machen, ist das für mich automatisch eine Message, egal, was sie konkret sagen. Ich habe es aber gerne nicht allzu plump sondern liebe es, wenn mehrere Sachen auf einmal mitspielen: Also wenn ein Song unterhaltsam ist, gut komponiert ist, neue Einflüsse mit einspielen, aber auch wenn die Musik von Menschen ist, die was zu erzählen haben.
Du bist dieses Jahr Kuratorin des Electric Spring Festivals. Welche Kriterien waren für dich für die Auswahl der Acts relevant?
Ich war da sehr egoistisch, sie mussten mir selbst taugen! So plump es klingt, ich wollte einfach ein diverses Line-up haben. Zum einen ist es automatisch so geworden, weil die Sachen, die mich interessieren, nicht nur von weißen, alten Männer sind. Zum anderen wollte ich es so divers, weil ich zeigen möchte, was in Wien und in Österreich musiktechnisch alles so los ist. Dass das nicht alles Einheitsbrei ist, sondern dass es viele verschiedene gute Sachen gibt.
Unter anderem spielt auch T-Ser am Electric Spring. Er hat letztens gemeint, dass er in Berlin war, Berlin nur doppelt so groß wie Wien ist, aber musiktechnisch irgendwie nichts in Wien passiert. Würdest du dem zustimmen?
Es hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Es passiert ja sehr viel, man muss nur danach suchen. Und es passiert alles in Österreich in einem viel kleineren Rahmen. Es gibt nice Partys, aber da sind nur wenige Leute – das finde ich ein bisschen schade.
Was kann Wien oder Österreich in Sachen Musik noch lernen? Was muss sich noch verändern?
Mehr Diversität reinbringen! Wenn man immer nur eine Art von Stimme hört, dann wird das schnell langweilig. So gut die Leute auch teilweise sind, es ist dann einfach nur eine Art von Leben, von dem erzählt wird. Und man muss sich trauen, aus der Comfort Zone rauszugehen.
„Je mehr Medien, desto geiler!“
Du meinst, man müsse oft aktiv nach Musik suchen. Wo suchst du nach Musik, wie findest du Musik?
Für meine Sendung mache ich das so, dass ich alles unter der Woche sammle. Anfangs habe ich immer freitags alles durchgehört, mittlerweile passiert es eher, dass ich einfach gute Musik zufällig finde.
In den vergangenen Jahren mussten leider viele Print-Magazine, darunter auch Musikmagazine wie die Spex, ihre Arbeit einstellen oder auf digitalen Journalismus umstellen. Du bist beim Radio. Wer oder was ist in deinen Augen die größte Konkurrenz für das Radio?
Ich sehe das generell nicht so als ein Konkurrenz-Ding. Je mehr Medien, desto geiler! Auch für die Künstler und Künstlerinnen gibt es dadurch viel mehr Möglichkeiten. Was ich aber noch am ehesten als Konkurrenz sehen würde, ist, dass Leute sich selbst ihre Playlists zusammenstellen. Wenn man ein Lied hören will, muss man nicht das Radio aufdrehen und hoffen, dass es gespielt wird, sondern man geht halt auf Spotify. Aber von dem her können wir als Radio-Menschen auch umspringen und auf das kuratierte Ding setzen, Leute aus der Bubble rausholen zu wollen.
„Die Welt ist sexistisch, deswegen gibt es viel sexistischen Rap“
Wie siehst du als Frau die Häufigkeit beziehungsweise die Salonfähigkeit von Frauenfeindlichkeit im Rap? Kannst du mit dieser Musik etwas anfangen?
Es kommt drauf an, von wem es kommt. Was ich an HipHop sehr schätze, ist, dass er mir Lebensrealitäten zeigt und mir Geschichten erzählt, von denen ich sonst nie mitbekommen würde. Die Welt ist sexistisch, deswegen gibt es viel sexistischen Rap. Rap bildet einfach ab, wie die Welt ist. Wenn ich jetzt sagen würde, ich höre einfach keine sexistischen Songs mehr, dann würde ich mich vor der Realität verschließen. Das Ding ist auch: Was ist Sexismus? Ist „Bitch“ zu sagen schon sexistisch? Das kann genauso auch Empowering sein – auch wenn es Typen sagen. Also „Bitch“ zu sagen ist für mich nicht automatisch sexistisch, aber ich finde es sehr schwierig, wenn das so Mittelschicht-Kids sind, die es eigentlich besser wissen sollten. Obwohl man da auch in ein Gefährdungsgebiet kommt, wenn man sagt „Okay, die dürfen das sagen, weil die wissen es nicht besser, aber die dürfen das nicht sagen“. Das ist herablassend.
Meistens wird bei so einer Diskussion das Argument der Kunstfreiheit gebracht. Wo endet für dich persönlich Kunstfreiheit?
Wenn es zu extrem ist und kein Ziel verfolgt. Also wenn es nicht darum geht, auf etwas aufmerksam zu machen, sondern nur darum, arg zu sein, um arg zu sein. Dann würde ich es vielleicht hören, aber nicht auflegen.
Hat man als Fan auch eine Verantwortung, welche Musik man hört und welche Musiker man dann automatisch dadurch unterstützt?
Ich achte schon sehr darauf, was ich mir kaufe und wo ich draufklicke. Ich habe aber das Gefühl, dass dieser Diskurs nur in eine Richtung geht, von wegen „Das ist böse, das darf man nicht hören, weg damit!“. Vielleicht sollte man da mal aufpassen, auf wen man immer schießt und wen man quasi verbieten möchte.
„Es kann nie wieder jemand sagen, dass es schwierig wäre, weibliche Acts zu finden“
Du sagst Kanye West war dein Wegbereiter zum HipHop. Er steht auch immer wieder in der Kritik für riskante Aussagen oder seine politischen Äußerungen. Trotzdem hat er in den Augen vieler Menschen Großartiges geleistet. Kannst du bei solchen Beispielen zwischen der Kunstfigur und der privaten Person unterscheiden?
Das kommt drauf an. R. Kelly spiele ich nicht mehr, obwohl die Musik gut war. Aber dass ich die Musik nicht mehr hören kann, ist ja das geringste Übel an der ganzen Geschichte. Da kommt es drauf an, was der Künstler oder die Künstlerin getan hat. Wenn jemand Menschen verletzt hat, dann ist das schlimmer, als wenn jemand etwas Dummes gesagt hat. Klar, die Aussagen von Kanye waren auch verletzend, aber er hat leider seine psychischen Probleme.
Zurück zum Thema Frauen und Musik: Warum bekommen deiner Meinung nach Frauen so wenig Aufmerksamkeit im Musikbusiness? Liegt es wirklich an mangelnder Qualität, daran, dass es zu wenige Frauen gibt oder schlichtweg an zu wenig Toleranz?
Sexismus. Jetzt wird es langsam besser. Das hat man bei Cardi B und Nicki Minaj gemerkt, da haben Leute geglaubt, dass es nur eine geben darf. Sobald es eine zweite Frau gab, wurde gesagt, dass die eine der anderen etwas wegnimmt. Sowas würde man doch nie bei Drake sagen. Aber das Feld macht sich langsam auf. Es ist immer noch nicht ideal, aber es wird besser.
Achtest du selbst darauf, dass du genügend Musik von Künstlerinnen spielst?
Beim Line-up für das Electric Spring ist es echt automatisch passiert, das hat mich selbst ein bisschen verwundert. Da kann auch echt nie wieder jemand sagen, dass es schwierig wäre, weibliche Acts zu finden – ich habe es selbst erlebt und es ist absolut nicht schwierig! Bei meiner Sendung höre ich mir im Vorhinein meine Playlist durch und wenn mir auffällt, dass da zu wenige Frauen vertreten sind, dann änder ich das noch. Aber auch das passiert mittlerweile so selten, weil es so viele und gute Releases gibt!
Du legst bei unserer The Message Geburtstagsparty heuer auf. Welchen Sound können wir erwarten?
Viele Banger! Ich freue mich selbst sehr drauf, weil man eher selten in Wien ein Publikum findet, das HipHop-affin ist. Dadurch macht das voll Spaß! Weil man weiß, dass man hier vor Leuten steht, die Ahnung von dem haben, was man hier spielt.
Hier findet ihr das Line-up vom Electric Spring Festival von 25. bis 26. April und hier die Tickets für unsere „22 Years The Message Magazine“-Feier am 18. Mai!
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