"The hardest thing to do is something that is close…
Vor 20 Jahren veröffentlichte die altehrwürdige Spex eine Ausgabe mit einer bemerkenswerten Covergeschichte. Der Titel dieser lautete „Eminem vs. Eins Zwo. Reimgipfel: Slim Shady trifft Dendemann“, für das Coverfoto ließ das Berliner Magazin die beiden Rapschwergewichte Rücken an Rücken posieren. Das alles geschah zu einem Zeitpunkt, an dem noch unklar war, wohin sich die Karrieren von Dendemann und Eminem in den nächsten zwei Jahrzehnten bewegen würden. Die Story von Eminem, der es zu einem der prominentesten Rapper überhaupt schaffte, ist bekannt und steht im Jahr 2019 noch vor keinem Ende. Wobei zur ganzen Wahrheit gehört, dass der gegenwärtige Zeitgeist für Eminem eine harte Nuss ist und er noch kein Rezept gefunden hat, wie er als Rapper würdevoll altern kann.
Im Vergleich dazu verlief die Karriere des deutschen Teilnehmers am Gipfeltreffen nicht ganz so rasant, wenngleich 1999 die Zeichen darauf hindeuteten. Im Monat der Spex-Ausgabe erschien auch der Eins-Zwo-Klassiker „Gefährliches Halbwissen“, der sich mit Dendemanns Wortwitz, seiner Fähigkeit zur dichten Beschreibung sowie frischem BoomBap-Sound mit Bläsersamples und Cuts von J-Treds und KRS-One ganz vorne in der Liste der wegweisenden Alben des Deutschrap eintrug. Nicht den gleichen Einschlag, aber doch von gediegener Qualität fiel der 2001er-Nachfolger „Zwei“ aus. „Zwei“ läutete jedoch das Ende von Eins Zwo, der Zusammenarbeit mit DJ Rabauke, ein. Im gleichen Jahr verabschiedeten sich die beiden mit der EP „Discjockeys“.
Seit 2003 wandert Daniel Ebel, so der Rapper mit sauerländischem Ursprung und Hamburger Homebase bürgerlich, auf Solopfaden. Mit inkonstantem Output, weist seine Diskografie immer wieder größere Leerstellen auf. Nach der 2003er EP „Dasschweigendilemma“ war drei Jahre Pause, bis Dendemann 2006 mit „Die Pfütze des Eisbergs“ sein Solodebütalbum veröffentlichte, ein Manifest großen Wortwitzes. Danach wieder: Pause. Diesmal von vier Jahren, bis mit „Vom Vintage verweht“ der nächste Longplayer, ein Ausflug zu den Def-Jam-Veröffentlichungen aus den 80er-Jahren, folgte.
Nach „Vom Vintage verweht“ legte Dendemann erneut das Mikrofon zur Seite und tauchte erst 2015 wieder auf, als bekannt wurde, dass er für Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“ den Bandleader der Showband mimen wird. Wöchentliche Auftritte waren die Folge, mit denen Dendemann Ausrufezeichen nach Ausrufezeichen setzen konnte. Als 2016 Dendemann seinen Job bei Böhmermann mit einem standesgemäßen Abschluss beendete, verdichteten sich die Anzeichen für ein neues Album. Von dem Rapper, den ein Kollegah und ein Casper als eines ihrer Vorbilder nennen.
2019 hat die lange Reise Richtung drittes Soloalbum mit „da nich für!“ ihr Ende gefunden. Über dem die zentrale Frage kreist, ob Dendemann mit Mitte 40 Musik abliefern kann, die nicht nach Midlife-Crisis klingt. Die Gründe für die Zweifel gedeihen schließlich auf fruchtbarem Boden: So scheitern besonders im Deutschrap fast alle seiner Generation an dem Versuch, in der Gegenwart noch brauchbares musikalisches Material zu kreieren. Im weniger schlimmen Fall klingen Sound und Inhalt erzwungen, im schlimmen Fall regelrecht anbiedernd.
Frei vom Verdacht einer Midlife-Crisis kann sich Dendemann nicht machen, zumindest, wenn man nach optischen Kriterien geht. Betont flashige Balenciaga- und Burberry-Hoodies und gefärbte Haare, das sieht schon gefährlich aus. Ungemach versprechen dann noch die Credits, tauchen dort die Meister des gehypten Zeitgeist-Sounds, The Krauts und KitschKrieg, mit starker Beteiligung auf. Das Einnisten mancher Geschmacksverirrung auf „da nich für!“ war so nicht auszuschließen, vor allem nicht nach den Top-oder-Flop-Video-Singles.
„da nich für!“ kann dennoch zu großen Teilen überzeugen. Das erste Aufatmen gibt es bei der Produktion. Bekömmlicher als bei „Vom Vintage verweht“, was man erwarten durfte, stellenweise etwas zu sauber, aber ein annehmbares 2019er-BoomBap-Update, das hier von Reaf, Torky Tork, Dexter oder The Krauts für Dendemann zusammengeschustert wurde. Wesentlichen Anteil an das Gelingen des Soundbilds haben die Samples. Zwar ist kein HipHop-Nerdkram der Marke Rahzel oder J-Treds wie auf „Gefährliches Halbwissen“ vorhanden, dafür tauchen aber Rio Reiser (sehr gelungen auf „Zauberland“), Bilderbuch („Menschine“) Hildegard Knef („Müde“) sowie Mia. („Drauf & Dran“) auf, deren Schnipsel nicht nur äußerst lebhaft eingewebt wurden, sondern optimalerweise Dendemann gar zum Spielen damit animieren. Das zeigt sich besonders auf dem Abschlusstrack „Nochn Gedicht“, wo auf elegante Weise mit einem Sample von Heinz Erhardt umgegangen wird.
Auf einem ähnlichen Niveau wie die Beats rangiert die Wortkunst. Die Anzahl an Wortspielereien hält sich diesmal zwar vergleichsweise in Grenzen, raptechnisch wird aber eine starke Leistung abgeliefert, kein altersbedingter Einbruch ist zu verzeichnen. Inhaltlich bietet „da nich für!“ eine bunte Palette an Thematiken, die nicht nur im Mikrokosmos von Dendemann über Relevanz verfügen. Gesellschaftskritik wird geübt, gerne mit politischer Botschaft gewürzt („Keine Parolen“, „Müde“, „Zeitumstellung“, „Menschine“), zudem wird sich dem Partytreiben im Alter gewidmet („Alle Jubilare wieder“ mit Casper) oder einfach in Nostalgie geschwelgt („BGSTRNG“, „Wo ich wech bin“).
Inhaltlich macht Dendemann damit vieles richtig, wenngleich die politischen Aussagen oft plattitüdisch wirken. Diese gesellschaftskritischen-politischen Töne mit Böhmermann-Bobos als Zielgruppe gehen trotzdem in Ordnung; vor allem im Vergleich zu einigen anderen Nummern, auf denen ein Bauchfleck hingelegt wird. „Nochn Gedicht“ hat fernab der fulminanten Nutzung des Erhardt-Samples den Charakter eines Poetry-Slam-Abends im Studentencafé deiner Wahl, fallen die ulkigen Blumenwortspiele („Denn weil auch dieses Spiel nur ein paar Regeln gehorcht/Brauchst Du mehr Themen als Chrysan und Ideen als Orch“) genau in dieses Schema. Getoppt im negativen Sinne wird das noch von „Littbarski“, einer der Video-Singles. Dort tritt Dendemann komplett in die Falle des Berufsjugendlichen, die „Sie sagt, ‚Versace, Versace‘/Ich sach‘, ‚Gesundheit, Gesundheit‘“-Line ist der traurige Höhepunkt einer trostlosen Riddim-Veranstaltung mit Trettmann, bei der so gar nichts passen will.
Trettmann legt zwar wie Teutilla, der auf „Zeitumstellung“ tragisch die Hook übernimmt, keine Glanzleistung hin. Aber: So schlecht können sich die beiden gar nicht anstellen, um nicht von den Beginnern auf „BGSTRNG“ unterboten zu werden. Natürlich ist es eine nette Sache, wenn Dendemann seine alten Freunde auf sein neues Album holt. Dass ein Denyo jedoch der Typ ist, der sich auf der gemeinsamen Geburtstagskarte für Oma den peinlichen Verschreiber leistet und damit der ganzen Sache den Glanz nimmt, sollte sich bei Herrn Ebel herumgesprochen haben.
Ein Flop mit Ansage also, der sich auf nahezu grauenhafte Weise bestätigt. „Zeit was zu ändern, Zeit für ’ne neue Testphase/Euphorihanna, Funkmaster Flextase“ – was will Denyo uns damit sagen? Ein Rätsel, das einen glatt vergessen lässt, dass auch der Part von Eizi Eiz keine Jubelarien wert ist. Dendemann rettet hier noch, was zu retten ist. Aber das wäre alles nicht nötig gewesen, wenn er auf dieses Feature verzichtet hätte, Nostalgie hin oder her. Zum Glück wiederholt sich diese Chose nicht oft, „da nich für!“ kann sich somit noch als ordentliche Veranstaltung mit einigen Mängeln präsentieren. Diese Mängel schmerzen, weil Dendemann einfach ein überragender Rapper ist, der wenig bis nichts von seinem Können eingebüßt hat. Dafür liefert das Album ebenfalls einen Beweis.
Fazit: „da nich für!“ ist das Album eines Rapveterans, der in seiner Karriere einiges gesehen hat und dementsprechend routiniert an die Arbeit geht, zugleich aber die Begeisterung für Neues nicht verloren hat. So klingt das Album, auf dem nur wenige Tracks sich als Ausfälle aus dem Rahmen bewegen. Ein Rahmen, mit dem Dendemann beweist, dass man noch im reifen Rapalter eine relevante Rapplatte produzieren kann. Das ist nun einmal keine Selbstverständlichkeit. Falls es also noch einmal noch zu einem Gipfeltreffen mit Eminem kommen sollte: Wäre fein, wenn Dendemann ihm sein Geheimrezept zustecken könnte. Denn dass die harte Nuss des Zeitgeists zu knacken ist, das hat Dendemann hiermit bewiesen.
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