Ein überdimensionales Auge, viele K.I.Z-Shirts und “Neuruppin”-Sprechchöre: Tarek K.I.Z feierte gestern im Wiener Flex den Auftakt seiner “Golem”-Tour. Mit dem gleichnamigen Album präsentierte Tarek Ende Jänner das erste Solo-Projekt aus dem K.I.Z-Kosmos. Von der allseits beliebten brachialen K.I.Z-Ironie ist auf dieser Platte nur mehr wenig zu spüren. Stattdessen geht es um häusliche Gewalt, den Verlust des Vaters und übermäßigen Drogenkonsum. Tarek packt sein innerstes Gefühlsleben in kluge und harte Texte. Golem ist entlarvend, gewaltvoll, brutal und schwer – und gerade deswegen schon jetzt eines der Alben des Jahres.
Der Berliner Rapper betrachtet Wien als “eine der schönsten Städte Europas”. Vor dem Flex tummeln sich schon früh einige Fans, viele davon treue K.I.Z-Fans, die sich die Premiere eines Solo-K.I.Z-Auftritts nicht entgehen lassen möchten. Perfekte Voraussetzungen also! Bereits im Vorfeld der Veröffentlichung gab es in vielen Kommentaren so manche Kritik. Ein Soloalbum von Tarek? Lieber “Hau drauf”-Rap von K.I.Z – so der Tenor mancher Fans. Diese Zweifel sollten jedoch spätestens jetzt verflogen sein. Das Album ist insbesondere soundtechnisch anders, aber steht den K.I.Z-Werken in nichts nach. Tarek kreierte sich seinen eigenen “Golem”-Stil und überzeugt damit nicht nur K.I.Z-Fans. “Ich höre K.I.Z eigentlich nicht, ich bin jetzt durch das Album auf Tarek gestoßen. Ich finde die Texte gut, die haben mich gepackt”, betont eine Besucherin.
Texthänger egal
Als Voract ist wie bereits bei Kummer die Wiener Rapperin KeKe mit dabei. Mit ihrer ersten EP “Donna” und als beliebter Feature-Gast bei Kummer oder Trettmann sorgte sie bereits für viel positives Aufsehen. Gut eine Stunde steht KeKe auf der Bühne und bringt die noch etwas verhaltene Menge das ein oder andere Mal zum Mitjubeln. Die Rapperin legt dabei selbst eine soliden und gekonnten Auftritt hin. Spätestens bei KeKes Feature-Part von “Tag ein Tag aus” (MAJAN, Around the world, Jugglerz Remix) steigt die Euphorie, bei “Wenn du mich brauchst” wird fleißig mitgesungen. Den ein oder anderen Texthänger, der bei KeKes sanfter Stimme ohnehin schnell vergessen ist, kaschiert sie mit ihrer sympathischen und humorvollen Art. Dass sie derzeit zu Recht eine der gefragtesten Künstlerinnen ist, beweist KeKe an diesem Abend einmal mehr.
“Und, seid ihr gut drauf? Das wird sich jetzt ändern.”
Tarek K.I.Z
Pünktlich und nach lauten “Tarek!”-Sprechchören kommt der Berliner Rapper zusammen mit Schlagzeugerin auf die Bühne. Das Bühnenbild ist schlicht, das gesamte Konzert über ragt ein überdimensionales Auge auf der Leinwand. Mit “Ticket hier raus” eröffnet er die Show und bringt die Menge sogleich zum Jubeln. Schon nach wenigen Minuten ist klar: Tarek ist in Höchstform, das wird ein guter Abend. Von Beginn an rappt er seine Lines einwandfrei und mit der gewohnt starken Präsenz und Kraft. Sein von Autotune untermalter Gesang vermischt sich angenehm harmonisch mit den Drums. Auch die Crowd lässt sich mitreißen und singt, jubelt und tanzt von Anfang an bei Songs wie “Bang Bang”, “Nubischer Prinz” und “Letzte Chance” mit. Der mit Abstand stärkste Track kam mit “Wenn du stirbst”, den Tarek mit einer immensen Kraft von sich gibt.
Kein Ausrasten, keine Moshpits
Wie schon bei einigen K.I.Z-Konzerten beweist Tarek an diesem Abend, dass seine Stärke eindeutig Live-Auftritte sind. Dennoch unterscheidet sich der Vibe des Abends stark von einem gängigen K.I.Z-Konzert: Tarek lässt von seinen gewohnt sarkastischen und derben Ansprachen ab und konzentriert sich mit voller Hingabe auf seine Songs. Kein Ausrasten, keine riesen Moshpits, hier und da ein paar ironische Sager und Songs mit viel Emotion. Ein Auftritt passend zur Platte. Oft bedankt sich Tarek mit sichtlicher Freude für die vielen Fans, die das Flex an diesem Abend fast voll machen.
Bei “K.I.Z für immer” gibt es dann sogar eine kleine Überraschung, als Nico K.I.Z die Bühne betritt und mit seinem T-Shirt mit Maxim-Aufdruck auch den dritten aus der Reihe würdig vertritt. Neben den Songs aus “Golem” performt Tarek auch ein paar K.I.Z-Klassiker wie “Fremdgehen” und unveröffentlichte Songs, von denen einer zu dem wohl sympathischsten Moment des Abends führt: Der Rapper betont, den Text seines neuen Songs noch nicht gut genug zu kennen und entschuldigt sich dafür, dass er ein wenig auf dem Smartphone mitliest. Die Fans applaudieren und jubeln ihm zu, Tarek rappt gewohnt stabil.
Fazit: Der Abend im Wiener Flex war ein gelungener Tour-Auftakt und ein durch und durch schönes Deutschrap-Konzert. Das merkte man auch an den begeisterten Zuschauern: “Auch als eigenständiger Künstler kommt er voll gut rüber. Er steht gar nicht im Schatten von K.I.Z”, betont ein Fan. Mit “Golem” lieferte Tarek K.I.Z also nicht nur ein bewegendes Album, sondern auch Live-Auftritte, die man gerne sieht. Bei derart schweren Inhalten keine einfache Aufgabe. Doch wenn Tarek auf der schlichten Bühne steht, seine Songs mit voller Leidenschaft performt und dem Publikum seinen Tanz mit dem Golem vorführt, bleibt einem selbst nur noch Jubel und Applaus.
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