Auch heute noch stehen Frauen in der gesamten Musikindustrie viel zu oft im Schatten. Was bei Musik jedoch zählen sollte ist nicht das Geschlecht, sondern die Qualität. Deswegen widmen wir uns in unserem Format Dope Women den Frauen der HipHop-Kultur und schenken ihnen die Bühne, die ihnen zusteht. Kuratiert von unserer Redaktion, highlighten wir monatlich unsere Lieblingsreleases des Female HipHops.
Da sich der Sommer bereits verabschiedet hat, werfen wir nun nochmal einen Blick auf die spannendsten female Releases der vergangenen Sommermonate.
Juju – Vertrau mir
„Vertrau mir“ heißt nicht nur die aktuelle Single von Juju, sondern fungiert zugleich als Motto des Songs. Denn anstatt auf gewohnte Melodien zu setzen, traut sich Juju an Techno-Sounds heran. Ein Song, der nach einer betrunkenen Liebe nachts in einem holländischen Club klingt und sich definitiv als tanzbar erweist. „Mach mich high an einem Samstag, küss mich wach an einem Sonntag“. Nachdem sich der gemeinsame Song „Vermissen“ mit Henning May als Sommerhit 2019 rauskristallisierte, könnte „Vertrau mir“ sich als Spätsommer-/Herbsthit 2020 erweisen. Auch wenn die Clubs noch länger zu bleiben, darf zu „Vertrau mir“ zu Hause getanzt werden.
Elif – Aber wo bist du
Das deutsche Multi-Talent Elif lieferte mit „Aber wo bist du“ einen emotionalen Track und einen Einblick in ihr im September erschienenes Album „Nacht“. Auf dem Song fühlt sich die Musikerin hin und hergerissen zwischen Erfolg und Herzschmerz. Elif thematisiert ihren Durchbruch, sowie die damit einhergehende Einsamkeit und versucht eine Antwort auf die Frage zu finden, ob ihre Karriere die Verluste wert war. „Ich hab’s geschafft aber wo bist du / Wieso fühl ich mich so alleine / Alles Gold aber wo bist du / Wieso fühle ich mich so scheiße / War der Preis für all das wirklich du?“ Dabei liefert sie ihren typisch poppigen Sound, der sich irgendwo zwischen Gesang und Rap einfindet. Der Beat stammt hierbei aus der Feder des Produzententeams FNSHRS. „Aber wo bist du“ ist ein feinfühliger Liebestrack mit Ohrwurmpotenzial, der auf jeden Fall Bock auf das Album macht.
Layla – Blicke
Auf ihrer mittlerweile vierten veröffentlichten Single schlägt Layla neue musikalische Wege ein und bleibt zugleich ihrem Sound treu. Während sie weiterhin R’n’B-Elemente in ihre Tracks einfließen lässt, zeigt sich „Blicke“ nun auch vom UK-Garage-Sound inspiriert, wodurch der Song eine gewisse Härte, aber auch Tanzbarkeit erlangt. „Lights low, Blicke tief / Und dir gefällt, was du siehst / Willst in meine Galerie / Doch das musst du dir verdienen“. Charakterstark und atmosphärisch kann „Blicke“ somit als Partyhymne fungieren.
Poussey – 5 Sterne Bitch
Im Rahmen einer „Aboveground 3 Session“ präsentiert Poussey ihren Track „5 Sterne Bitch“. Der Nagellack, der farblich zur Tasche passt, ein Tagessatz von 5.000 Euro und die alltime-favorite Line „frisch als wär ich Listerine“ – Poussey glänzt sowohl mit ihrem Wortwitz, als auch mit ihrer Wortgewandtheit. Mit einer Mischung aus Trap und Klavier, Selbstbewusstsein und leichter Arroganz, flowt Poussey über den Song als wäre es nichts. „Alles was ich mache höchste Qualität und Handarbeit“, rappt Pussey auf dem Song und behält damit Recht – „5 Sterne Bitch“ strahlt durch Qualität, Pousseys punktgenauen Flow und ihren Wortspielen.
Mama Malou – LMP
„Hey Bitch, leck meine Pussy”, heißt es auf Mama Malous neuem Song „LMP“. Während Kool Savas vor 20 Jahren denn Klassiker „LMS“, kurz für „Lutsch mein‘ Schwanz“, rausbrachte, liefert Mama Malou sozusagen das weibliche Pendant dazu. Dabei geht es ähnlich derb und direkt zu – „Ich bin ein weiblicher Gigolo / Und fick deinem Freund seine Libido“. Der einzige Unterschied: Das Patriarchat. Während Kool Savas für seine schmutzigen Lines durch die Bank gefeiert wurde, stößt Mama Malou mit ihrem Song an die Toleranzgrenze einiger. Dabei zeigt sich „LMP“ selbstbestimmt, qualitativ und witzig. Mama Malou zeigt sich als eine spannende, erfrischende Persönlichkeit in der weiblichen Rapwelt.
CHAN LE – SiS
Inspiriert von US-Trap, gepaart mit einem markanten Flow ist „SiS“. Auf der Debütsingle von CHAN LE wird geflowt und geflext – Taschen, die wie Aktien gekauft werden, weiße Ledersitze im Maybach, dicke Batzen. Dabei setzt CHAN LE nicht auf inhaltliche Tiefe, viel eher scheint es um die Stimmung, den Vibe zu gehen, der durch den Song transportiert wird. „Er fragt wie ich mein Geld mach und wodurch ich Erfolg hab, pssst“. „Fassade“, ihre zweite veröffentlichte Single, zeigt sich dagegen tiefgründig und nachdenklich: „Das ist alles nur Fassade und du denkst du kennst die Wahrheit über mich schon seit Tag Eins“. CHAN LE zeigt dabei ihre diversen Facetten und das Talent, einen modernen Sound mitprägen zu können.
Ebow feat. Douniah – FRIENDS
Ebow und Douniah sorgen mit ihrem Track „Friends“ für Sommer-Feelings, die auch die kommenden Wintermonate leichter aushaltbar machen. Auf einem heiter-sonnigen Beat von Kabu Beats liefern die beiden Good Vibes ohne Ende. Ebow rappt über Freundschaft und alles was darüber hinaus geht. Douniah liefert nicht nur die catchige Hook, sondern auch einen melodischen, zweiten Part. Trotz Lines wie „Ich chill allein in der Friendzone“ steckt kein Hauch Melancholie im Song. Auch im Musikvideo sind sie alles andere als alleine, sondern chillen mit einer Gruppe von Friends – passend zum Songtitel. Ein Track, mit dem sich nochmal musikalisches Vitamin D für die kalten Tage tanken lässt.
Princess Nokia – I Like Him
Die Ära der „Wet Ass Pussy“ ist im HipHop-Kosmos angebrochen und Princess Nokia steuert mit „I Like Him“ ihren Teil dazu bei. Auf einem Beat von Powers Pleasant rappt sie über genau das, was der Titel verspricht: über all die Männer, die sie mag. Aber noch viel wichtiger, die sie mögen. Denn im Rahmen des Songs stellt die Rapperin sich selbst und ihre Sexualität in den Mittelpunkt. „I’m the player / I am the pimp / All them boys / Make em the trick“. Genderspezifische Beleidigungen wie slut und hoe, die sexuell aktive und selbstbewusste Frauen shamen sollen, werden von ihr effektiv auseinandergenommen. Princess Nokia rappt schamlos über ihre weibliche Sexualität und produziert dabei nicht nur eine ermächtigende Message, sondern auch einen catchigen Track.
Kerosin95 – Nie Wieder Gastro
Auf „Nie wieder Gastro“ rechnet Kerosin95 mit allen sexistischen Kommentaren, Blicken und Anmachversuchen ab, denen Frauen in der Gastronomie seit jeher besonders ausgesetzt sind. Mit der Line „Sag mir nochmal, dass ich lächeln soll und ich spuck dir in dein Bier“ spricht sie wohl genau das aus, was sich so viele Kellnerinnen schon des Öfteren beim Servieren gedacht haben. Der Track geht an alle Frauen, Inter-, Non-Binary- und Trans-Personen, die in der Gastro schon mal scheiße behandelt wurden. Es ergibt sich ein Song mit top Message, leichten Old-School Vibes und genau der richtigen Prise Feminismus.
(Anm.: Kerosin95 identifiziert sich als nicht-binär. Unser Format „Dope Women“ soll sich jedoch keineswegs nur auf Frauen beschränken, sondern auch queere Künstler*innen inkludieren)
Antifuchs – Schutzschild
Der Titel „Schutzschild“ weckt beim ersten Lesen eher Erwartungen an einen gefühlvollen Track. Doch ganz im Gegenteil. Antifuchs hat den Antihelden-Modus aktiviert und ihre Superkraft ist ihr Mittelfinger. Auf einem harten Beat von Dasmo & Mania droppt die Rapperin noch härtere Lines. Antifuchs rasiert lyrisch. Sie braucht dabei keine Unterstützung und auch kein Schutzschild, denn sie weiß wie man alleine kämpft. „Mit dem Kopf durch die Wand / Niemand kann mich stoppen, denn ich weiß was ich kann / Und ich weiß, was ich will und ich weiß auch wie viel / Und ich weiß Bitch ich hab mir das alles verdient“ Dabei ist der Track nicht nur ein aggressiver Banger, sondern auch Teil des Soundtracks zum Netflix-Film „Freaks – Du bist eine von uns“. Also ab auf die Couch zu Netflix & Kill.
Joy Denalane – Let Yourself Be Loved
Drei Jahre ist es her, dass Joy Denalane ihr jüngstes Album “Gleisdreieck“ veröffentlichte. Sang sie damals noch auf Deutsch, so präsentiert sich “Let Yourself Be Loved“ in englischer Sprache. Releast über das hochrenommierte Label Motown, reiht sich Joy Denalanes neues Album somit neben Alltime-Lieblingen wie Marvin Gaye oder The Temptations ein. “Let Yourself Be Loved“ strahlt durch den souligen Sound, durch Joy Denalanes unverkennbarer Stimme und ihr Talent, starke Gefühle durch Musik zu transportieren. Das Album ist ein Gesamtpaket zum breiten Themenfeld der Liebe – es geht um das Geliebt werden, das Lieben und Leiden, das Kämpfen. „There’s a rumor round town and they say you gonna let me down / Don’t hurt me baby, don’t cause me pain / I can’t believe things they say / What you do is killing me / Why you wanna strip me of my dignity?”, fragt Joy Denalane ihr Gegenüber auf “I Gotta Know”. Auf Albumlänge spielt sie mit den Klängen und Variationen ihrer kraftvollen Stimme. Neben den Worten erzählen auch die Sounds der einzelnen Songs. „Your love always burned the brightest / And left the deepest scars / At times, you pulled me far from home / But always back to your heart”. Es ist ein Album, das emotional nahe geht, aber zugleich Kraft schöpfen lässt. Auf “Stand“ heißt es: „I gotta stand and fight for the things I love, you better understand”. “Let Yourself Be Loved” ist selbstbewusst, künstlerisch, ehrlich. Außer Frage steht, dass dieses Album geliebt wird.
addeN – Diamonds
„Ich bin einfach anders mit Absicht“, sagt addeN auf ihrem neuen Song „Diamonds“. Ein melodischer Track mit harten Ansagen: „Für mich ist die ganze Szene Dreck“. addeN, die bereits seit 2004 rappt, hatte sich einige Zeit eine musikalische Pause gegönnt, seit knapp über einem Jahr ist sie jedoch wieder am Start. „Diamonds“ repräsentiert dabei den neuen Straßenrap-Sound und addeN sagt frei raus, was sie denkt.
LARY – Taxi
Von toxischen Beziehungen und ihrem Major Label getrennt, meldet sich Lary von einer Pause zurück. „Taxi“ heißt ihr Quasi-Comeback, der Song eine Zusammenarbeit mit dem Produzentenduo Jugglerz. In einem Urlaub in Jamaika entstand „Taxi“, darin zeigt Lary die Mitfahrt auf der Rückbank in diversen Momentaufnahmen ihres Lebens. Das Taxi als Rückzugsort, um entspannt ein Buch zu lesen, ein Streit-Telefonat während der Fahrt zu führen oder aufgebracht eine Zigarette zu rauchen. „Ich fang an zu labern, erzähl ihm von meinem Drama / Wie jeder Ex-Freund wegläuft so wie mein Vater / Er fragt dann wohin er mich fahren kann / Und ich sag Straße, Name, bla bla“. Es wird geweint, geschrien, geredet. Die Taxifahrten als Auffangnetz für die diversen Emotionen und Gedanken, die sich ansammeln und rausgelassen werden wollen. Irgendwie auch typisch für das turbulente Berliner Großstadtleben: Der Taxifahrer als dein bester Freund.
Text: Mira Schneidereit & Chiara Sergi
Beitragsfoto: Screenshot von Lary – „Taxi“
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