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Lieber Fans von Voodoo Jürgens als von Helene Fischer // Fatoni Interview

Lieber Fans von Voodoo Jürgens als von Helene Fischer // Fatoni Interview

Die Tour zu seinem aktuellen Album führt Fatoni gleich als zweiten Stopp nach Wien. Obwohl die Show schnell von der Grellen Forelle ins Flex hochverlegt wird, ist sie ausverkauft. Wir treffen uns mit ihm zwischen Soundcheck und Konzert (Review hier) am Donaukanal, um mit ihm über die neofaschistische Szene zu sprechen, überraschend viel über Klimaschutz und dass er gern mit seinen Fans gemeinsam altern möchte. Im Videointerview gibt er doch einen kurzen Einblick über sein Aufwärm-Ritual vor den Shows und widmet sich sechzig Sekunden seiner Liebe zum „Tatort“ in der One Minute Message.

Nach den letzten Porträt-Fotos kommt ein Jugendlicher auf uns zu. Er stellt sich bei Fatoni vor: Er komme ebenfalls aus München und möchte Rapper werden. Er und seine drei Freunde seien gerade zufällig in Wien und würden doch gerne zur Show, vielleicht könne man ja noch Karten bekommen. Fatoni muss leider absagen: „Sorry für zwei Leute hätt‘ ich vielleicht noch was machen können, aber vier sind zu viele. Tut mir leid„. Aber München ist jetzt hochverlegt in eine größere Halle und da gibt’s noch Tickets, sie sollen doch da vorbeikommen.

Fotos: © Matthias Schuch | www.matthiasschuch.com

The Message: Du hast „Andorra“ als Rückblick auf dein Leben und Schaffen als Musiker konzipiert, insbesondere „Alles zieht vorbei“ ist da ganz stark. Warum ist der Song Album-Opener?
Fatoni: Die melancholischeren Songs habe ich früher immer eher hinten auf Alben versteckt. Das wollte ich dieses Mal einfach nicht so machen. Wenn die Platte mit „Die Anderen“ angefangen hätte, wäre das auch logisch gewesen, aber das wäre mir dann zu klassisch geworden – und das hatte ich ja auch schon gemacht. Ich will halt auch nicht wiederholen, was ich schon mal gemacht habe.

Auf „Nein Nein Nein Nein Nein Nein“ rappst du davon, wie viel einfacher das Leben wäre, hättest du nur ein einfacheres Weltbild. Schwingt da Überdruss an der Welt mit?
Ja. Vor allem auch Überdruss dadurch, dass man immer alles zerdenkt und generell immer zehnmal nachdenkt. Ich meine das schon auch ernst, wenn man Leute sieht, die – das klingt jetzt immer so arrogant – aber Leute, die ein bisschen einfacher gestrickt sind. Also manchmal ist das eine gute Sache, wenn man mit einem einfacheren Weltbild glücklich ist. Natürlich ist das auch ein Trugschluss, die sind nicht alle automatisch glücklich, aber wenn man denkt, die Welt zu verstehen, alles einordnen kann, ist das nicht schlecht. So geht’s mir auf jeden Fall nicht.

Vor allem bei Thematiken wie der Flüchtlingsdebatte prallen die Weltbilder aufeinander. Damit beschäftigst du dich schon seit Langem – hast auf „Yo, Picasso“ mit „32 Grad“ einen eigenen Song darüber. Was hat sich dazu in deiner Auffassung bis heute verändert?
Das Thema wurde sehr schnell sehr extrem omnipräsent und hat ganz Europa gespalten, beziehungsweise gefühlt die ganze Welt. Deutschland zumindest auf jeden Fall – Österreich ja auch. Und das hat auch viele Populisten hervorgebracht. Aber für mich hat sich da nicht viel verändert. Ich stehe dem Ganzen immer noch mit einer Ohnmacht gegenüber. Jetzt würde ich wohl keinen Song mehr zu dem Thema machen, ich glaube da wurde auch schon zu viel dazu gesagt, auch von mir. Ich habe auch keine Lösungsansätze dafür. Die Auswirkungen, die das Ganze auf die Länder hat, sind belastend. Ich habe das Gefühl, das alles ist ja eigentlich gar nicht so tragisch, aber es wird zu so einem großen Thema gemacht. Gerade von den vielen Rechten, die das natürlich ausnutzen. Deshalb war das die vergangenen Jahre das Nummer-eins-Thema, obwohl es vielleicht gar nicht das Nummer-eins-Problem in der Gesellschaft ist.

Was denkst du muss oder kann der deutschsprachige Raum tun, um den neofaschistischen Background abzustreifen, wie soll damit umgegangen werden?
Grundsätzlich wird da auch schon relativ viel gemacht. Aber wahrscheinlich noch nicht genug. Man müsste eigentlich versuchen – und das ist auch die schwierige Aufgabe in einer Demokratie – die rechtspopulistischen oder die rechtsradikalen Parteien viel mehr auszugrenzen. In Österreich sowieso. Aber in Deutschland auch. Deutschland hat zwar keine Koalition mit einer rechten Partei, aber die sind auch schon so zur Normalität geworden. Und werden auch zitiert in ihrer verachtenden Sprache und als so normal angenommen. Man müsste die viel mehr ausgrenzen. Aber es gibt auch Leute, die sagen, das würde nichts bringen, das würde die nur noch stärker machen – weil sie ja die Opferrolle auch so sehr lieben. Ich habe schon das Gefühl, dass viel versucht wird und ganz viele Leute auch immer ganz klar aussprechen, was das für Menschen sind und was die eigentlich wollen. Aber es ist doch immer noch eine Demokratie und man kann sie trotzdem wählen, vielleicht sogar gerade deshalb. Und deswegen weiß ich auch nicht genau, wie man das Problem wirklich löst.

In diesem Zusammenhang hast du auch die Kooperation mit Fritz Kola gemacht. Die „Mein rechter Platz bleibt frei“-Kampagne.
Ja, genau. Ich wurde gefragt, ob ich da mitmachen will. Bisher war ich immer sehr skeptisch gegenüber Werbepartnern. Ich hab‘ auch viele Sachen bewusst nicht gemacht. Das war jetzt natürlich mit einem politischen Background bzw. einer politischen Haltung. Deswegen habe ich mich dann dazu entschlossen, das trotzdem zu machen, weil es dann doch ein gute Sache war. Und es ging da nur um vier Instagram-Posts, das finde ich jetzt auch nicht so schlimm.

Wie wichtig ist es dir, wen du mit deiner Musik erreichst? Auf Facebook hast du ein Bild von Werder-Bremen-Fans geteilt, die auf Bannern „Ideale sind wie Koks / ein Teil bleibt immer am Geldschein kleben“ stehen haben – eine Line aus deinem Feature mit Dexter „Authitenzität“.
Ich fand das irgendwie absurd. Klar, das stecken auch immer nur einzelne Menschen dahinter und natürlich gibt’s Leute, die meine Musik hören und auch Werder-Bremen-Fans sind. Man kann das immer alles entromantisieren. Aber ich fand es voll das krasse Bild, das war dann auch in den Fußball-Medien mit einer Zeile von mir. In dem Moment hat mich das krass gefreut. Das war schon fast ein „Marteria-Moment“. Mit der Zeile haben sie ja auch gegen ihren eigenen Verein demonstriert, wegen des Stadions (Anm.: Der Klub hat die Namensrechte verkauft, das Stadion heißt ab sofort nicht mehr Weserstadion sondern „Wohninvest Weserstadion“). Somit haben sie das auch noch als Protest gewählt, das fand ich cool.

Und wenn der Protest von der „falschen“ Gruppe ausgeht?
Ich habe bisher noch nicht mitbekommen, dass das bei mir passiert. Da ist meine Musik wohl zu nischig, ich habe ja auch keinen großen Hit. Ich kann mir vorstellen, wenn du einen großen Hit hast – wie Marteria oder so – kann das einfacher passieren und dann ist es auch voll schwierig, was dagegen zu tun. Materia positioniert sich zum Beispiel immer ganz stark, aber meine Musik ist immer noch von der Form her für den Mainstream so unzugänglich, da ist es unwahrscheinlich, dass das passiert.

„Ich will auch nicht, dass alle möglichen Leute zu meinen Konzerten kommen. Nicht weil ich so elitär sein will, aber einfach weil ich nicht mit allen auf einer Wellenlänge bin.“

Bei unserem letzten Interview, das war 2015, hast du noch davon gesprochen, dass du mal den großen Hit schreiben möchtest, „den die Leute hören, cool finden, aber erst in zehn Jahren checken“.
Echt, das war mein Ziel damals? Habe ich komplett vergessen. Ist eigentlich ein ganz cooles Ziel, aber jetzt nicht mehr. Bei der jetzigen Platte war ich auch kurz davor, mich zu verkrampfen, weil ich dachte, ich müsse jetzt so etwas machen. Aber dann habe ich mir gedacht ‚Ne, das ist doch Quatsch‘. Ich kann einfach keine Musik machen, wenn ich mich so darauf fokussiere, etwas schaffen zu müssen, was ich noch nie zuvor gemacht habe. Ich mache die Dinge einfach, wie sie passieren, die kommen so aus mir raus – das klingt so ein bisschen …  künstlerisch. Den großen Hit nach Blaupause habe ich wohl immer noch nicht gemacht, habe ich so aber auch noch nicht versucht. Ehrlich gesagt weiß ich aber auch gar nicht, wie das geht.

Naja, Dieter-Prinzip oder?
Ja (lacht). Es gibt schon Leute, die das so machen. Aber ich hab’s noch nicht herausgefunden.

Denkst du, es würde bei dir funktionieren, wenn du strikt nach einem Plan vorgehst?
Es ist eher ein schmaler Grat. Ich bin über meine jetzigen Fans so krass glücklich – klar, das sagt wieder jeder, die meinen das vielleicht auch so und ich meine es so. Das sehen manche wohl anders, aber ich würde gar nicht wollen, dass auf einmal Leute zu meinen Konzerten kommen, die dann den Rest gar nicht verstehen. Leute, die nur den einen Song feiern. Das würde mich total belasten, denn der Rest der Show ist dann noch eineinhalb Stunden lang. Ich bin nicht der komplizierteste oder anstrengendste Künstler, ich bin schon zugänglich. Aber für den Mainstream in Deutschland und Österreich bin ich auf jeden Fall nicht so einfach.

Die Orsons haben immer erzählt, als die „Horst und Monika“ hatten, fanden sie es total ekelig auf den Konzerten. Tua meinte mal, dass er es dann wirklich unangenehm fand. Plötzlich waren da Leute, die auch den Rest der Show überhaupt nicht gecheckt haben und die er da auch gar nicht dahaben wollte. Das klingt vielleicht Assi, aber ich will auch nicht, dass alle möglichen Leute zu meinen Konzerten kommen. Nicht weil ich so elitär sein will, aber einfach, weil ich nicht mit allen auf einer Wellenlänge bin. Das ist überhaupt keine bewusste Entscheidung, mit manchen Leuten möchte ich einfach nichts zu tun haben. Wenn da so Leute wären, wegen einem Song, die – ganz platt gesagt – auch zu Helene Fischer gehen, das fände ich super weird. Also das Genre ist da grundsätzlich egal, sie müssen auch kein Rap-Fans sein, die können auch zu Voodoo Jürgens gehen, um ein Beispiel von hier zu nehmen. Aber du weißt, was ich meine.

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Klimatechnisch gesehen, wie glaubst du, entwickelt sich da die Welt in den nächsten Jahren?
Also da ist seit den vergangenen Jaren mehr Bewusstsein da, aber ich bin da jetzt nicht so krass im Thema drinnen. Ich kann da keine kluge Antwort drauf geben à la wie wird die Welt in 50 Jahren aussehen. Ich habe mega Schiss davor. Aber ich persönlich mach da gar nicht viel, ich ändere jetzt auch nicht extra mein Verhalten. Das ist vielleicht auch das Problem. Wahrscheinlich aus Bequemlichkeit auch. Ich gehe ja auch auf Tour. Ich glaube manchmal, es ist eigentlich schon verloren. Das ist wahrscheinlich auch die falsche Einstellung, aber selbst die Leute, die es eigentlich richtig machen müssten, machen’s nicht. Es hat sich alles so an dieses moderne Leben gewöhnt.

Zum Beispiel bekomme ich einen Drehtag rein für eine Vorabend-Serie, sage zu, dann gebe ich meine Sperrtermine für die Tour durch und dann sind das drei verfügbare Drehtage. Die bauen sie dann drumherum, weil sie wollen, dass ich da mitspiele und im Nachhinein erfahre ich, das ist nicht nur irgendwo in Deutschland, sondern schon fast in der Schweiz. Ich wohne in Berlin und dann bin ich auf Tour und soll da dreimal hin- und zurückfliegen. Dreimal. Ich hasse fliegen eh und das ist dann auch noch total sinnlos. Man macht das immer so mit. Aber es ist eigentlich nicht notwendig, dass ich jetzt da mitspiele. Könnten auch irgendeinen Schauspieler aus Stuttgart nehmen, der fährt dann wenigstens mit‘n Zug. So ist es in jedem kleinen Bereich, ja. In Kiel an der Uni ist dann ein Dozent aus Wien, der fliegt dann einmal pro Woche hin und retour, mindestens. Und das wird sich einfach nicht so schnell ändern. Es sei denn, die Flüge werden wirklich unbezahlbar. Auch die Politik ist da einfach so langsam.

Gerade für Kurzstreckenflüge gibt es alternativ auch die Möglichkeit, dass man in Relation zum verbrauchten CO2-Gehalt einen Geldbetrag an Organisationen oder Projekte spendet, die sich für Klimaschutz einsetzen.
Klar, so etwas wäre wahrscheinlich eine Option. Aber das CO2 wird ja trotzdem in die Welt geschossen. Klar, wenn man sich dann mit der Wirtschaft beschäftigt, heißt’s ja auch Inland- oder Innerkontinental-Flüge nicht zu nehmen, bringt ja auch nichts, weil der Co2-Ausstoß da irgendwie Teil des Emissionshandels ist. Also wenn du da Co2 einsparst, dann gehen diese Emissionen an einen anderen Wirtschaftsteil, der die dann stattdessen verschießen darf. Das ist alles so krass kompliziert, ich bin da nicht ansatzweise so im Thema, dass ich wissen würde, was Sinn macht. Aber was du sagst, hört sich schon nach ‘nem guten Ansatz an.

Aber ich habe mich noch nie damit auseinandergesetzt. Ich fliege eigentlich auch gar nicht oft, das ist jetzt echt ne Ausnahme. Und ich hasse es auch. Ich bin zwar schon ein paar Mal nach Asien geflogen, das war mir zuerst auch überhaupt nicht so bewusst. Ich hab das dann im Nachhinein in einen Co2-Rechner eingegeben und dann wurde mir klar, dass ein Flug nach Japan – und zwar One-Way – schon den Co2 hat, den man als Mensch im Jahr verbrauchen darf. Bezüglich Fleischessen braucht man da auch gar nicht erst anfangen. Deswegen habe ich dann manchmal das Gefühl, ich kann eh nichts mehr machen. Ist natürlich immer die falsche Einstellung, aber es ist manchmal schon sehr frustrierend. Man darf nie wieder Langstrecke fliegen, wenn man ehrlich ist. Das will keiner sagen und auch keiner machen, auch nicht von den richtigen Leuten. Ich war zum Beispiel noch nie in den USA und das habe ich schon noch vor.

Warum genau USA?
Weil ich krass geprägt bin durch das Land und die Kultur. Ich war ganz oft schon in Asien und in Europa unterwegs, aber das will ich noch abhaken.

Was hat dich so oft nach Asien getrieben?
Das war immer Zufall, ehrlich gesagt. Es gab eine Asien-Tour vom Goethe-Institut, die haben Juse Ju und ich gemacht. Juse Ju ist ja auch in Tokio aufgewachsen und dann hat er seine Videos dort gedreht, da bin ich dann wieder mitgekommen und aus privaten Gründen die vergangenen zehn Jahre immer wieder. Dann war ich mal in Thailand, mal in Vietnam, das hat sich einfach immer so ergeben. Aber ist auch geil da.