Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute…
Als Galv vor zwei Jahren mit „Stargate“ und der Unterstützung von Pierre Sonality das erste Mal einer breiteren Masse zugänglich gemacht wurde, wusste man noch nicht allzu viel über den MC aus Rottweil. Schon vorher teilte er sich die Bühne mit Legenden wie Torch und Toni L, hat Connections zur HipHop-Szene weit über die Grenzen Deutschlands hinaus (man achte auf diesen Beitrag auf einem Sampler aus Lettland) und arbeitet mit einigen der begabtesten Produzenten des Landes zusammen, natürlich nie, ohne seine Roots bei den Dogtown Boys zu vergessen. Erst 2014 erschienen die ersten physikalischen Tonträger von ihm, das aktuellste Album „Off The 3 Moonz“ über das Label Muther Manufaktur von Pierre Sonality, welcher auch für die Produktion zuständig war. Im Zuge der gemeinsamen Tour (Konzertbericht gibt’s hier) trafen wir die beiden zusammen mit ihren Tourbegleitern The Finn, AzudemSK, Dj Lukutz und Mr. Chrizze in einem Gasthaus am Gürtel, um bei Schnitzel und Gerstensaft über südamerikanischen HipHop, die Rolle der Medien, Cloudrap und Sonnenuhren zu sprechen.
Interview: Julia Gschmeidler & Simon Huber
Fotos: Niko Havranek
The Message: Galv, du bist bereits vor deinem Album „Ogyarre“ in Wien aufgetreten. Woher kommt der Österreich-Bezug?
Galv: Fuzl wohnt in Wien. Fuzl ist ein alter Freund aus Rottweil und eigentlich eine Art Hausproduzent. Der hat auch einen Großteil der Tracks vor dem „Off The 3 Moonz“ produziert. Er ist vor zwei Jahren nach Wien gezogen und hat sich recht schnell mit den Leuten von Fear le Funk connectet und mich da auch zweimal eingeladen, wenn er im Einbaumöbel was organisiert hat.
Gibt es die Dogtown Boys, bei denen du Mitglied bist, noch in der alten Formation?
Galv: Klar! Das übernächste Album wird auch wieder mit Fuzl sein.
Pierre Sonality: Hauptsache, schon wieder ans übernächste Album denken. (lacht)
Galv: Yo, das nächste ist nämlich mit S. Fidelity.
Du hast erst relativ spät angefangen, Musik zu releasen, aber dann sehr viel in sehr kurzer Zeit. Was ist der Grund dafür?
Galv: Einfach erklärt: Ich habe vorher nicht wirklich viel Zeit im Studio verbracht, weil ich auch kein festes hatte und der Fokus nicht so auf dem Releasen von Alben lag sondern auf Reisen. Rap ist etwas, das ich sowieso immer mache, am liebsten aber live. Erst durch Pierre und unser gemeinsames Projekt habe ich ein bisschen mehr Ehrgeiz für Studioaufnahmen entwickelt und deshalb in den vergangenen zwei Jahren sehr viel aufgenommen. Beim „Ogyarre“-Album zum Beispiel wurde jeder Track woanders aufgenommen, weil ich die Tracks immer da aufgenommen habe, wo sich’s grad ergeben hat.
Ihr seid also auch nicht die Fans davon, Spuren hin- und herzuschicken, wie es bei anderen Rappern und Produzenten Usus ist.
Galv: Haben wir bei dem Album kein einziges Mal gemacht.
Pierre Sonality: Es stand auch nie zur Debatte, weil wir so viel Zeit zusammen im Studio verbracht haben. Wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, kann das schon mal passieren.
Galv: Bei mir lässt es sich vielleicht auch so erklären, dass ich am liebsten live rappe und wenn man dann schon so ein Projekt zusammen macht, ist es das Mindeste, dass man auch zusammen musiziert.
Es dreht sich demnach viel um den Session-Gedanken, Momente festhalten, wodurch dann auch solche spontanen Sachen wie der Track „Tezzla“ entstehen?
Pierre Sonality: Ja, genau! Das ist uns sehr wichtig.
Ein Grund, warum du vorher noch keinen Studio-Output hattest, war vielleicht auch, dass du zwei Jahre in Südamerika warst. Wie hast du die HipHop-Szene vor Ort miterlebt?
Galv: Das hat bleibenden Eindruck hinterlassen. Gerade in Ecuador ist HipHop noch in ’nem ganz anderen Entwicklungsstadium als bei uns. Das kann man sich ungefähr so vorstellen, wie es hier vor 20 Jahren war. Es ist absolut nicht Mainstream, es gibt hauptsächlich Tänzer, was bei uns ja auch nicht anders war. Danach Graffiti, dann erst Rap. DJs gibt es dort kaum, weil es auch nicht das nötige Equipment gibt. Das Einzige, was ich gesehen habe, was das noch toppen konnte, war Afrika vor zwei Jahren.
Du hast berichtet, dass du HipHop in Südamerika als aufstrebende kulturelle Bewegung erleben durftest. Inwiefern wird diese Bewegung dort anders gestaltet als in Deutschland beziehungsweise in Europa?
Galv: In den zwei Jahren, als ich dort war, war ich viel auf Jams unterwegs, hatte viele B-Boy-Kollegen, bin gereist und mit den Leuten rumgehangen zum Jammen. Da ist auch nirgends Geld im Spiel, jeder dort macht das aus Überzeugung. Die Leute sind Außenseiter und wenn du dann jemanden triffst, der das Gleiche mag wie du, bist du sofort auf einem Level. Das ist eine ganz andere Atmosphäre als hier. Hier ist HipHop gesellschaftlich anerkannt, in den Charts angekommen, das ist dort nicht der Fall. Eine krasse Community dort. Es gibt auch keine bekannten Rapper in Ecuador.
Im Gegensatz zu Brasilien. Warst du dort auch oder nur in Ecuador?
Galv: Ich war nur in Ecuador und Peru. Brasilien ist auch nochmal was ganz anderes. Ecuador ist sehr klein und sehr eigen, vor allem kulturell. Schon allein von der Landschaft. Du hast von null bis 6000 Meter alles dabei, Küste, die Anden und den Dschungel, das heißt, es gibt im Land selbst schon eine große Vielfalt an Kulturen, Menschen und Lebensweisen. Es ist auch sehr abgeschottet vom Rest, anders als Peru oder Kolumbien. Deshalb tun sich externe Subkulturen wie HipHop noch schwerer, sich zu etablieren.
Könntest du dir vorstellen, auch wieder auf Spanisch zu rappen, wie du es bei DN&DG gemacht hast?
Galv: Ja klar! Immer!
Pierre Sonality: Vor allem könntest du das sogar, bei den ganzen Sprachen, die du sprichst …
Galv: Klar könnte ich das! Ich habe auch oft auf Italienisch gerappt. Aber nur, wenn ich Italiener um mich rum hab, sonst macht’s wenig Sinn.
Du hast vorher schon Afrika schon angesprochen: Du warst für End of the Weak in Uganda. Welchen Platz hast du da gemacht?
Galv: Also beim Contest war ich auf dem drittletzten Platz oder so. Aber das ist auch nicht wirklich ’ne Competition. Es ist das internationale Finale und es gibt fünf Kategorien. Um das wirklich wie einen Wettkampf aufzuziehen und bewerten zu können, bräuchtest du Judges, die fünf Sprachen sprechen …
Pierre Sonality: Oder das Ganze auf Esperanto austragen! (Gelächter)
Galv: Das wäre eigentlich ’ne Überlegung wert! Es war auch ein spezielles Event, weil es in Uganda ausgetragen wurde. Aus dem Grund, weil drei Jahre in Folge Rapper aus Uganda nie Visa bekommen haben, um bei den Finals dabei zu sein. Die Szene dort ist generell sehr krass. B-Boying ist eine Nationalbewegung und war auch nach dem Bürgerkrieg vor 15 Jahren ein Mittel, um die Rivalität zwischen dem Norden und dem Süden aus dem Weg zu schaffen. B-Boys waren auch die Ersten, die sich im ganzen Land frei bewegen durften, da gibt’s ganz viele Dokus, die ich jedem empfehlen kann!
Gerade in Uganda engagieren sich auch viele deutsche Rapper wie Megaloh, Maeckes oder Marteria. Wie kann man sich den Unterschied zwischen der afrikanischen und der südamerikanischen Szene vorstellen?
Galv: Ich war nur zehn Tage in Kampala (Hauptstadt von Uganda, Anm.), also weiß ich nicht, ob ich für Afrika allgemein sprechen kann. Der Hauptunterschied ist wahrscheinlich, dass die erst aus’m Krieg kommen und der Grad der Armut nochmal viel höher ist als in Südamerika. Es ist unbeschreiblich, wie wichtig vor allem das B-Boying für die Kids dort ist. Es gibt sehr viele Waisenkinder. Ein gewisser Abramz hat ein B-Boy-Movement gestartet (Breakdance Project Uganda, Anm.). Das ist das Paradebeispiel für eines dieser Waisenkinder, das seine Bestimmung im Tanzen gefunden hat und das an nachfolgende Generationen weitergibt. Es werden Spenden gesammelt, um den Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen.
Zurück nach Europa: In einem Interview schwärmst du vom italienischen Liedermacher Jovanotti. Der hat 2000 bei Italiens wichtigstem Musikfestival in Sanremo einen Song performt, der einen Schuldenschnitt für die ärmsten Länder fordert. Daraufhin waren ihm die Titelseiten gewidmet und Politiker haben darauf reagiert. In wie weit könntest du dir vorstellen, in deinen Liedern auch eine politische Message zu vermitteln?
Galv: Das ist ein Wunschtraum, aber davon bin ich noch weit entfernt. Das Einzige, was ich im Moment politisch ansprechen könnte, weil ich mich umfassend genug damit beschäftigt habe, wäre das bedingungslose Grundeinkommen (lacht). Dazu braucht man aber eine gewisse Relevanz, also hat er es vermutlich ganz klug gemacht, der war ja zu dem Zeitpunkt auch schon ziemlich bekannt. Wenn ich das jetzt im Moment machen würde, wäre es wahrscheinlich einfach ein bisschen fehl am Platz.
Pierre Sonality: Jetzt ist erst mal Funky Space Party angesagt!
„Wenn der Nachbar kurz davor ist, an seiner eigenen Kotze zu ersticken, interessiert man sich dafür“
Dein Vater ist Italiener – hast du etwas bezüglich der heiklen Situation am Brenner, der Grenze zwischen Italien und Österreich mitbekommen?
Galv: Ne, nicht wirklich. Geht’s ab oder was? Krass. Siehst du, ich bin gar nicht informiert genug, um politische Ansagen zu machen.
Aber auf Facebook hast du gepostet: „Österreich hat grünes Licht gegeben – Glückwünsch!“ Inwiefern hat man die Bundespräsidenten-Wahl in Deutschland wahrgenommen?
Galv: Das ist noch das Mindeste, das ich mitbekomme, dass hier Wahlen sind, bevor ich herkomme. Gerade bei so einer Wahl, wie ihr sie grad hinter euch habt. Es ist nochmal ein Stück extremer als bei uns in Deutschland, auch wenn sich da ein ähnlicher Trend abzeichnet.
Pierre Sonality: Man kriegt’s auf jeden Fall mit, man redet drüber. Und wenn man merkt, dass der Nachbar auf der Toilette grad kurz davor ist, an seiner eigenen Kotze zu ersticken, dann interessiert man sich auch dafür.
Wird die österreichische Bundespräsidentenwahl in Deutschland auch irgendwie als Richtungsweiser für die Entwicklung der AfD wahrgenommen?
AzudemSK: Man merkt auf jeden Fall, dass der Nationalismus an allen Ecken in Europa wieder stärker aufkommt. In Ungarn gibt es den Orbán und wenn dann drei Meter weiter auch noch ein Hofer wäre, wäre das schon problematisch.
Galv: Die einzige Maßnahme, die da helfen kann, ist präventive Bildung. Man sieht das auch an der Verteilung der Stimmen, dass formell höher gebildete Leute eher links wählen. Das fällt mir auch an Rottweil, meiner Heimatstadt auf. Da gibt’s Leute, die vorher nie gewählt haben und sich nicht für Politik interessieren, und dann solche Parteien aus Protest wählen.
Wobei die Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl 2014 in Rottweil nur bei knapp 47 Prozent lag …
AzudemSK: Das ist aber in ganz Deutschland so, egal bei welchen Wahlen. Die Wahlbeteiligung ist quasi nie über 50 Prozent. Dann regen sie sich wieder vier Jahre auf, aber kommen nicht auf die Idee, selbst was zu verbessern, sei es nur durchs Wählengehen.
„Das ist eine Vergewaltigung des Grundgedankens von Freiheit“
Pierre, du meintest in unserem letzten Interview, dass dich der Trend, sich montags auf Marktplätzen zu versammeln, wie das die Pegida macht, nervt. Hat das mittlerweile abgenommen?
Pierre Sonality: Dass die Leute sich am Montag versammeln oder dass ich durch meine eintretende Altersmilde keine Probleme mehr damit habe?
Dass sie weniger geworden sind! Bei uns in Wien kam diese Bewegung nämlich nie richtig ins Laufen …
Pierre Sonality: Montags versammeln ist einfach so ein Ossi-Ding. Als die Mauer gefallen ist, hatten wir die Montagsdemonstrationen, die ein wundervolles Happening waren und wenn unsere Eltern nicht auf die Straße gegangen wären, würden wir heute hier nicht so sitzen und darüber können wir natürlich froh sein. Aber jetzt werden die alten Parolen für andere Zwecke instrumentalisiert und das nervt mich natürlich, weil es eine Vergewaltigung des Grundgedankens von Freiheit ist.
Galv: Das ist eigentlich das Schlimmste daran. Wo wir wieder bei der Bildung wären. Die Leute setzen sich lautstark dafür ein, sich selbst in den noch tieferen Ruin zu treiben. Wer das AfD-Wahlprogramm gelesen hat, müsste wissen, dass die Partei keine Partei für den „kleinen Mann“ ist.
Pierre Sonality: Wenn die Leute, die die AfD wählen, lesen könnten, würden sie sie nicht wählen!
Galv: Es kann doch keiner eine Partei wählen, die dir sagt: „Digger, du hast eh schon nichts. Dieses und jenes gibt’s ab nächster Woche auch nicht mehr!“
Ein weiterer Trend, der dich nervt, ist der, neue Musik als whack abzustempeln, weil diese nicht wie früher klingt. Woher kommt dieses engstirnige Denken, das vor allem im HipHop so allgegenwärtig ist?
Pierre Sonality: Man bekommt es im HipHop mehr mit, weil es lauter Leute gibt, die ständig ihr Maul aufmachen und jeder seine Meinung über alles und jeden preisgeben muss. Was mich aber mehr stört, ist, dass neueren Künstlern einfach keine Chance gegeben wird. Dass sofort der Neid aufkommt, wenn jemand Erfolg hat, während man selbst seit Jahren dabei ist, aber nicht so viel erreicht hat. Dieser Futterneid … dieses Schnitzel ist übrigens der Wahnsinn!
Galv: Es wird einfach keinem was gegönnt. Die Grundeinstellung ist immer erst mal anti, egal, um worum es geht.
Pierre Sonality: Man trifft selbst auch Leute, die immer augenscheinlich nett zu dir sind, aber dann fragen, ob wir Tracks wie „CircaZwei“ ernst meinen. Natürlich mein ich das ernst, du Hurenbock! Und Hurenbock hab ich auch ernst gemeint. Rap hieß für mich immer, dass du als Einzelperson mit relativ wenig Equipment viel aus dir rausholen und dich selbst definieren kannst. Wenn mir jemand sagt, ich soll dieses und jenes nicht machen, hat das nichts mehr mit dem Grundgedanken der HipHop-Kultur zu tun.
Pierre Sonality: Aber wir finden auch nicht alles cool, vieles richtig Schrott. Reden wir mal über die Rolle der Medien. Ist euch mal aufgefallen, dass die Titel bei den großen deutschen Rapmedien immer „Kollegah erzählt über bambambam“ lauten? Dann kommen erst mal fünf Namen genannt, über die Kollegah erzählt. Es geht nicht mehr darum, wer er ist, was er macht, was sein Lieblingsessen ist, sondern nur noch darum, was einer über den anderen sagt. Sorry, aber das ist affig.
Es bringt halt Klickzahlen.
Galv: Aber warum rappt man dann überhaupt? Weil es ein Grundbedürfnis für dich geworden ist oder nur, damit du für möglichst viele Leute interessant bist?
Pierre Sonality: Wie viel Traffic würde es bringen, wenn Fler sich vor laufender Kamera in die Windeln scheißt? Warum fragt TV Strassensound ihn das nicht? Ich habe fast das Gefühl, wir sind nur noch einen Fingerschnipp davon entfernt. Der erste deutsche Rapper, der sich live in die Windeln scheißt.
Wie steht ihr generell den deutschen HipHop-Medien gegenüber?
Galv: Ich habe bis jetzt noch kein Interview abgelehnt, aber ich versuche mich so viel wie möglich von den Deutschrap-Medien fernzuhalten, weil ich so wenig Zeit wie möglich mit negativem Shit verbringen will. Wenn du immer nur über Rap redest, kommst du unweigerlich in zwei Minuten zu negativem Shit, weil die Leute lieber haten.
The Finn: Das Wort Journalismus ist auch ziemlich hoch gegriffen in diesem Zusammenhang.
„Yung Hurn ist bunt, frei und laut, ist doch geil“
Weil wir vorher kurz über „neuartige“ Musik gesprochen haben. Die Cloudrap-Schiene aus Österreich ist gerade ziemlich erfolgreich in Deutschland. Wie steht ihr der gegenüber?
Pierre Sonality: Yung Hurn kann ich abfeiern, aber ich könnte mir kein ganzes Album davon kaufen. Aber es ist lustig. Der ist bunt, frei und laut, ist doch geil. Es gibt Abende, da trinken wir Schnaps und feiern das ab als alte Männer.
The Finn: Er schafft damit halt auch etwas, er ist aktiv, er gestaltet etwas. Das kann man finden, wie man möchte, aber das ist tausendmal besser als Leute, die daheim in ihrer Bude sitzen, alles schlecht reden, aber selber nichts machen.
Gibt es eine Art von HipHop, die euch gar nicht anspricht?
Pierre Sonality: Oldschool im klassischen Sinne aus den 80ern, das kann ich mir nicht anhören.
Galv: Wenn’s geil gemacht ist, dann geht’s. Schlechter Rap geht mir auf den Sack, aber damit beschäftige ich mich dann auch nicht. Cloudrap – keine Ahnung, habe ich nichts gehört. Aber mir wurde oft gesagt, dass mein Album, an dem ich mit S. Fidelity arbeite, in diese Richtung geht.
Pierre Sonality: Du rappst halt total wie Jan Böhmermann und Toni L.
Beim Just for the Record hast du angegeben, dass du bei einem fünften aktuellen Album überfragt bist, weil du nicht so viel aktuelle Musik hörst …
Pierre Sonality: Da ging’s um Alben – dafür hab ich nicht die Zeit, ich muss ja Musik machen. Ich habe meine Sachen, die ich gerne höre, wenn was Neues kommt und es mich packt, dann lass ich das auch zu. Aber es gibt auch wenig Musik, die ich ein zweites Mal anhöre.
Galv: Die Zeit, in der man alles aufsaugt, weil man es noch nicht kennt, das war in der Jugend.
Pierre Sonality: Du kriegst durch das Internet auch auf einmal viel mehr Zugang zu Mucke, die vorher unauffindbar war.
Du wurdest in anderen Interviews oft auf deine Vorliebe zur Weltraummetaphorik angesprochen. Hast du dich mal mit dem Free-Jazz-Pionier Sun Ra auseinandergesetzt?
Galv: Der ist für mich kein großer Einfluss. Ich kenn’s durch meinen Vater, der kennt sich recht gut aus im Jazz. Es gibt ein paar Jazzer aus Sardinien, die haben die alten sardischen Musikstile in den Jazz reingebracht und bekommen dadurch Respekt auf der ganzen Welt. Sun Ra hat mal Sardinien besucht, seine krasse Freak-Show abgezogen mit seinen kosmisch verkleideten Leuten. Sardinien ist auch historisch hochinteressant. Da gibt es mitunter die ältesten Spuren der Menschheit. Da hat Sun Ra voll die Filme geschoben auf Sardinien, ist ein paar Monate geblieben, herumgereist mit vielen Musikern. Die Doku, die dabei entstanden ist, ist ziemlich abgefahren.
Beeinflussen dich eigentlich die drei Sonnenuhren in Rottweil?
Galv: Gibt’s drei Sonnenuhren? Wie geil bist du denn? Ab sofort auf jeden Fall, da werde ich nicht mehr drum herumkommen. (lacht) Geile Frage auf jeden Fall. Die Sonnenuhr, die mich bisher am meisten geflasht hat, war in Frankreich, da hat sich Ludwig XIV., der Sonnenkönig, eine hingebaut. Die könnte Flavor Flav sich nicht um den Hals hängen.
Zum Abschluss: An welchen Projekten und Platten arbeitet ihr gerade?
Pierre Sonality: Das Album mit Hiob ist fertig und gerade im Presswerk. Nach drei Sessions in Hamburg haben wir acht oder neun Tracks gemacht, die wird „Die Zampanos“ heißen. Ein Zampano ist ein feiner Herr, der sich für etwas Besseres hält und mal gern einen ausgibt. Das kommt im Sommer. Dann habe ich endlich mein Beat-Album „Vather“ fertig und freu mich mega. Das ist der Knüller. Und das Album mit Doz9 kommt auch noch, „Die Kraszesten“, das kommt dann im Herbst. Unbedingt erwähnenswert ist Mr. Chrizze, der große Soul-Boy. Der hat vor 1,5 Jahren noch gar nicht gewusst, dass er rappen kann und jetzt sind wir am Machen. Als Galv und ich uns kennen gelernt haben, sind wir erstmal saufen gegangen, da haben wir in der Kneipe Chrizze kennen gelernt, der da gearbeitet hat. Dann haben wir mit ihm über Rap gequatscht.
Galv: Zuerst hat er erstmal drei kleine Wassergläser auf den Tresen gestellt und gemeint: Ihr seid korrekt, jetzt saufen wir erstmal einen Jägi.
Pierre Sonality: Irgendwann haben wir gesagt, er soll nach Feierabend mal mit ins Studio kommen und besoffen hat er einen Biggie-Part gerappt und ich war geflasht von der Stimme, Alter. Der hat eine Menge zu erzählen, der Chrizze, und wir freuen uns, ihm helfen zu können, dass das auch rausgeht. Er hatte nie vorgehabt, ein Rapper zu sein, aber jetzt hat er Hunger danach. Zuerst kommt ein Mixtape, dann ein richtiges Album. „Hands ov tha Slum Vol. 2“ habe ich auch angefangen, da werde ich die Scheuklappen ein bisschen wegnehmen. Lange waren wir mit den Funkverteidigern sehr engstirnig, haben uns nicht um die Bookings gekümmert. So haben dich nicht mehr viele Leute auf dem Schirm, da wollen wir auch was daran ändern, zum Beispiel for free ein Mixtape raushauen.
Galv: Obacht, wir haben noch ein Projekt, Bechaz kommt noch!
Pierre Sonality: Das ist ein großes Projekt mit AzudemSK, Mr. Chrizze, Hiob, Galv und mir. Wir machen ganz abstrakten Shit, ganz andere Rhymes-Patterns.
Galv: Wir hatten Bock, auch was abseits vom „3 Monde“-Ding zu machen.
Pierre Sonality: Wir haben damals bei KiK Becher von Prinzessin Lillifee mit Einhörnern drauf bekommen und aus denen haben wir immer harten Schnaps gesoffen. Daher kam dann der Name „Bechaz“.
In welche Richtung geht das?
Pierre Sonality: Es ist viel freier – mal fröhlicher, mal düsterer. Wenn man’s in so eine Sparte einteilen will, ist ein Cloudrap-Einfluss dabei.
Galv: Wir haben aber auch einen Track, der ist Original Bone Thugs-N-Harmony, dann Tracks, die sind richtig Outkast-like und ein paar, da kenn ich niemanden, die je so was gemacht haben.
Pierre Sonality: Das ist schöner Sound, der nur darauf abzielt, geil Welle zu machen und bunt zu sein.
Galv, du hast auch ein Projekt mit Knowsum angekündigt. Gibt’s da konkretere Informationen?
Galv: Ich habe ein Album mit S. Fidelity gemacht, der die ganzen Sichtexot-Leute kennt. Der hat mir ein paar Sachen gezeigt, die fand ich ganz cool. Dann waren wir auf der Tapefabrik und weil ich keinen Bock hatte, im Hotel zu pennen, war ich dann zwei Tage bei Knowsum und wir haben ’ne kleine Session gemacht, da sind ein paar Tracks entstanden. Konkret weiß ich bis jetzt nur, dass es über Sichtexot kommt. Je nachdem, ob ich in absehbarer Zeit noch einmal dazu komme, mich mit Knowsum zu treffen, wird da vielleicht auch ein ganzes Album draus, bisher reicht das Material wahrscheinlich nur für ne 7-inch. Wir haben uns da noch nicht festgelegt, keiner von uns beiden hat irgendwie Zugzwang. Wir haben beide mehr Projekte als überschaubar wäre, von dem her hat das jetzt im Moment nicht so die hohe Priorität. Aber es ist cool genug, um es irgendwann rauszuhauen.
Ansonsten habe ich wie gesagt noch das Album mit S. Fidelity aus Berlin fertig, das kommt noch dieses Jahr oder Anfang nächsten Jahres. Dann gibt’s ein paar Side-Projects, eine EP mit DJ Crypt von den Snowgoons. Mit Figub gibt’s auch ein paar Tracks, wenn ich mit ihm tatsächlich ein Album mache, müssen wir uns dafür viel Zeit nehmen. Und das nächste Album mit Fuzl ist auch schon fast fertig.
Hast du noch einen italienischen Musik-Geheimtipp, Galv?
Galv: Sardinien hat eine Rapgang übernommen, die richtig geil ist. Ich weiß aber leider den Namen nicht. Generell muss ich Freunde von mir shoutouten. Einmal das Umfeld des in Deutschland schon bekannten Oldschool-Duos Gente Guasta, die sind auf dem Torch-Album drauf. Das ist eine alte Connection, die hab ich mit meinen Jungs vor ein paar Jahren in Mailand aufgefrischt. Da haben wir 50 andere Leute kennengelernt und auch Sachen produziert, von einem gewissen Ekstra von der HCB-Crew, super geil, super Understatement. Da sind Hardcore-Writer, B-Boys und ein Tätowierer, die machen das auch alle nur 4 the Love. Es gibt einen Song, der ist der Shit: „Rappin’ On a Funky Loop“. Das hat vielleicht 4000 Aufrufe, aber ich schwör’s euch, seit drei Jahren bringt mich das Ding so zum Ausrasten. Der hat auch die Brille vor mir getragen. Zwei Monate später habe ich so eine Brille geschenkt bekommen und danach nicht mehr ausgezogen. Der Typ ist so funky, geht gar nicht mehr.
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Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute verbessert sie, hievt Beistriche wieder auf ihren richtigen Platz und hält die ganze Bande mit liebevoller Strenge zusammen. Nach dem Dienst im KURIER-Newsroom hört sie dann eine Zugezogen-Maskulin-Platte zum Einschlafen.