Das verdammte zweite Album. Eine Hürde, an der eine Unmenge vielversprechender Musiker scheitern, mit nachhaltig negativen Effekten auf die eigene Karriere. Inwieweit dieses musikalische Schicksal auch GZUZ treffen sollte, war bereits durch die Auskopplungen der Singles „Was hast du gedacht?“ und „Warum?“ zu erahnen.
Um den erwarteten Stellenwert des Albums abzuschätzen, bedarf es einer kurzen Beleuchtung der Entstehungsgeschichte und der generellen Entwicklung der 187 Strassenbande. Mehr als zehn Jahre sind die Hamburger bereits musikalisch aktiv. Lange Zeit ohne Erfolg, jedoch dauerhaft mit einer „I-don’t-give-a-fuck“-Attitüde unterwegs, die längst zum Gesamtprodukt gehört. So kommt es, dass sich die Hamburger Crew im Laufe der Jahre zum Aushängeschild der norddeutschen Hansestadt und zu einer Gelddruckmaschine entwickelte. Im Mittelpunkt steht stets die hausierend auf der Stirn getragene Authenzität. Was zuerst mit den legendären 187-Blogs nach außen getragen wurde, fand schnell seinen Weg durch die Kommunikationswege der sozialen Medien des 21. Jahrhunderts.
Aus kleinen Clubauftritten wurden gefüllte Industriehallen, aus den Nike TNs wurden Gucci und Prada und auch der legendäre CL500 aus einem frühen 2000er-Baujahr wurde rasch durch ein moderneres Modell ersetzt. Wo früher Fannähe und eine asoziale antiautoritäre Unterschichtshaltung („Guck mich um“) waren, stehen heute Arroganz und Selbstgefälligkeit. Auf Instagram präsentiert 187-Frontmann Bonez stolz seine wöchentlichen Konsumorgien und frönt dem Kapitalismus – Tischmanieren lässt der Wohlstandsbürger dennoch vermissen. Kritik wird kurzerhand als Teil der deutschen „Neidkultur“ abgetan, wie es bereits bei Genrekollegen wie Fler zu hören war.
Nun gut, die 187er wollen trotzdem etwas zurückgeben – es gibt Geschenkaktionen am „Wolke 7“-Releasetag in Hamburg City, das Image des spendablen Reichen (hallo Drake) muss schließlich gepflegt werden. Dem Höhenflug und medialen Hype wird sich dennoch dankend hingegeben und dank 40.000 verkaufter Premiumboxen flog Gzuz direkt auf Platz 1 der deutschen Albumcharts.
Die 187 Strassenbande sah damit die Gefahr eines Authentizitäsproblem gekommen: Schließlich vergrößert das wachsende Vermögen und die steigende Bekanntheit die Entfernung zu den vielbesungenen und identitätsstiftenden Kreisen. Abhilfe sollten offenbar der Comptonbesuch und die daraus resultierenden WSHH-Videopremieren schaffen. Stolz präsentiert sich Gazi in den Stripclubs von L.A. inmitten von dickbusigen Frauen, die gefühlt mehr Silikon als Fett am Körper tragen, und neben den „echten“ harten Jungs aus Compton. Aus dem „Jungen aus St. Pauli“ ist mittlerweile schließlich ein Mann von Welt geworden.
Das Album beginnt mit den beiden Videoauskopplungen „Was hast du gedacht?“ und „Warum?“, zwei Lieder, die als Video-Singles deutlich hinter den Fanerwartungen zurückblieben. Es handelt sich um Standardwerke, auf denen GZUZ den aggressiven Asozialen mimt, die jedoch aufgrund der geringen musikalischen Halbwertszeit schnell im auditiven Nirvana des Raphörers landen. Positiv herausstechend aber „Halftime“ und der Titeltrack „Wolke 7“, auf denen sich GZUZ in Reinform und musikalisch gut aufbereitet wiederfinden lässt. Ein paar Tracks mehr dieser Sorte hätten dem Album gut zu Gesicht gestanden. Leider ist GZUZ bei diesem musikalischen Globalisierungsprozess der typische, trockene Humor verloren gegangen – depressive Klänge pflastern den Subtext des Albums („Neuer Tag neues Drama“, „Bis das der Tod uns scheidet“, „Träume“), in denen auch kritisch mit der eigenen Berühmheit und dem Reichtum umgegangen wird.
Für kleine Ausreisser sorgen die Pflichtfeatures: „Drück Drück“, auf dem LX deutlich heraussticht, und „Über Nacht“ mit Ufo361. Auf „Was erlebt“ wagen Bonez und GZUZ den Blick in die Vergangenheit und teasern bereits „Palmen aus Plastik 2“ an, auf dem RAF Camora und Bonez die Afrotrapwelle wohl bis zum Erliegen reiten und Shishabars mit neuer Musik beliefern werden. Auch das Feature mit Trettmann illustriert schonungslos das künstlerische Dilemma: Anstatt der Beschreitung neuer musikalischer Wege gibt es ein weiteres Mal musikalische Inzucht mit dem stagnierenden KitschKrieg-Sound – als Titel für das gemeinsame Baby muss die alte und wiederverwertete Songzeile „Nur mit den Echten“ herhalten. Und auch auf „Niemals satt“ ist die Verlagerung des sozialen Standpunktes vom gesellschaftlichen Verlierer hin zum karikierten Werbegesicht des Kapitalismus auch mit geschlossenen Augen hörbar.
Ja, „Wolke 7“ ist leider eine Enttäuschung geworden, eine Enttäuschung, die es in dieser Form nicht hätte geben müssen. Die Gründe hierfür sind schnell ausgemacht: Thematische Stagnation, künstlerische Reduktion und das Verharren auf alten, repetitiven Klangbildern. Mit ein wenig mehr Mut und melodischem Gefühl, wie es GZUZ bereits im bereits erwähnten Titeltrack bewiesen hat, hätte durchaus mehr aus dem Projekt herausgeholt werden können. Doch anstatt mit der eigenen Musik zu wachsen, hält die 187 Strassenbande die eigenen Ansprüche niedrig und handelt strikt nach dem Pareto-Prinzip. Warum auch etwas ändern, wenn die Platte sowieso Gold gehen wird? Es lässt sich also festhalten, dass es sich bei dem Album um kein grottenschlechtes Album handelt. Es ist schlichtweg Durchschnittkost. Die Frage nach der Bewertung ist also eine Frage der Relation. Mit dem vorhandenen Budget und der vergangenen Zeit seit dem letzten Album wäre einfach deutlich mehr drinnen gewesen.
Auch abseits des Albums zeigt sich GZUZ in jüngster Vergangenheit nicht von der besten Seite. „Auf Partys ein paar Nasen zieh
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