Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
Sein Vorhaben fürs laufende Jahr ist ambitioniert: Pro Jahreszeit eine EP, die genauso als Longplayer durchgehen könnte. Zur Halbzeit liegt Hias Ledger im Zeitplan – diesen Freitag, 16. Juni, erscheint mit der „Spring“-EP der zweite Streich. Dieser spiegelt die Entwicklung seit dem Debüt-Mixtape „Ohne Scheiß“ von 2021 wider. Seine markante obersteirische Mundart ist ein angenehmer Kontrast zum sprachlichen Zeitgeist, mit vielseitigen Text- und Stylezugängen reift er langsam zu einem Aushängeschild des Labels Pulverfass, dem etwa auch Al Pone oder Kizmet angehören. Vor einem seiner ersten Wien-Gigs haben wir Hias Ledger zum Interview getroffen – in Begleitung von Flowbird, der immer wieder als Featuregast auf seinen Tracks auftaucht.
The Message: Als Rapper hast du noch ein bisschen Newcomer-Charakter. Auf Soundcloud bist du seit fast zehn Jahren aktiv, da finden sich viele alte Beats von dir. Wie viel früher hast du mit dem Produzieren begonnen als mit dem Rappen?
Hias Ledger: Ich habe schon in der Schulzeit viele Beats gebaut. Irgendwann habe ich gedacht, es muss auch wer drauf rappen – was tu ich sonst damit?
Hat es in der Schule niemanden gegeben, der die Leidenschaft mit dir teilt?
Leidenschaft für Musik schon, fürs Musik machen leider nicht.
Wie bist du selbst reingerutscht?
Ich habe durch meinen großen Bruder und seine CDs früh damit angefangen, Musik zu hören. Wenn du mal mit Rap angefixt bist, funktioniert es.
Was hat er gehört?
Deutschsprachig hat es mit den Berliner Aggro-Sachen angefangen, sonst was Anfang der 2000er so rausgekommen ist – 50 Cent, Eminem und so weiter.
Ab wann hast du selbst aktiv Rap gehört oder selektiert?
Habe ich damals schon bissl. Auf der Familien-PC-Festplatte hatten wir die ganzen Videos. Dann habe ich aber lange Zeit keinen Deutschrap mehr gehört.
Hat dich etwas Bestimmtes daran gestört?
Gar nicht. Es passiert phasenweise. Ich habe mit 12 eine Bob-Marley-Phase gehabt, wo ich nichts anderes gehört habe.
Und dann direkt weiter zu Amirap?
Fix. Ich habe viele Mixtapes gehört. Mit 14 herum Method Man & Redman, etwas später zum Beispiel Lil Wayne und Curren$y.
Was hat dich dazu motiviert, mit dem Produzieren zu beginnen?
Es gab nicht den einen Auslöser. Das Interesse war schon immer da. Mit der Zeit checkst du, dass es sowas wie Fruity Loops gibt und dann probierst du damit rum.
Wer waren zu dieser Zeit deine Beat-Helden?
Fast nur Ami-Leute. Harry Fraud finde ich mega arg, sampletechnisch vor allem. Sonst habe ich mich viel an Beats von Rappern wie Curren$y, Freddie Gibbs, den ganzen A$AP-Sachen, Black Hippy und so weiter orientiert.
Von wann ist deine älteste Rap-Aufnahme?
2018 oder 2019.
Also eher spät.
Das stimmt. Mit 18 herum hätte ich aber auch nichts wirklich Interessantes zu erzählen gehabt.
„Meine Mum hat gesagt, wenn ich schon nicht die Matura mache, soll ich wenigstens was lernen. Das habe ich gemacht“
Aber du rappst heute zum Beispiel über Psychosen mit 18.
Ich habe damals nicht gewusst, ob das für irgendjemanden relevant ist und ob sich jemand das anhören würde. Ich habe wenig Feedback bekommen. Das hat sich erst geändert, als ich vor drei Jahren nach Graz gezogen bin und mit Rappern hier connectet habe. Ich habe Strange paar Sachen vorgespielt und er hat gemeint: ‚Du musst das jetzt raushauen‘. Er hat mir den Tritt in den Oasch gegeben, den ich gebraucht habe. Wenn einer es nice findet, könnten andere es ja auch nice finden.
Die Zeit um 18 herum war generell nicht die einfachste, oder?
Voll. Ich habe nicht das Selbstbewusstsein gehabt und war in der Schwebe. Ich hätte nicht den Kopf dafür gehabt, gezielt was zu machen. Ich habe die Schule abgebrochen, mit einer Lehre angefangen und generell nicht gewusst, wohin es mit meinem Leben geht. Meine Mum hat gesagt, wenn ich schon nicht die Matura mache, soll ich wenigstens was lernen – dann lässt sie mich in Ruh. Das habe ich gemacht. Ich habe dann Elektriker gelernt.
Zurück zur Musik: Was waren deine ersten Rap-Erfahrungen?
Ich habe schon früh Texte mitgerappt. In der Volksschule habe ich mal einen Bushido-Text auf einem Bushido-Beat aufgenommen – ich glaube „Bei Nacht“. Ich war noch weit weg vom Stimmbruch. Das Witzigste war: Ich habe es meiner Nachbarin via MSN-Messanger geschickt. Sie hat es dann meinem Bruder geschickt und er hat es meinen Eltern gezeigt (lacht). Ein Volksschüler, der den scheiß Bushido-Text rappt.
Was hast du dir anhören können?
Sie haben zum Glück nicht so viel gesagt. Ich habe viele Wörter, die ich gesagt habe, noch nicht einmal verstanden. Ich habe dann immer wieder Sachen mitgerappt – bis ich mit den Beats angefangen habe.
Und wann hast du die ersten eigenen Texte geschrieben?
Ich habe wenig geschrieben und schreibe nicht so gern. Ich tippe alles ins Handy, weil ich nicht so gern mit der Hand schreibe. Es hagelt mich, wenn ich im Denken schon woanders bin, aber mit den Fingern nicht nachkomme. Dann erkenne ich nix mehr. Ich bin ein bisschen ein ADHSler, was das angeht. Deshalb habe ich auch die Schule abgebrochen.
Dein Namefinding ist kreativ, du hast schon viele Aliasse als Rapper und Produzent durch. Freistil Freddie, Biodope oder Beatknockio zum Beispiel. Wie bist du zu Hias Ledger geworden?
Ein paar Namen habe ich schon wieder vergessen und verdrängt. Weißt eh, wenn keiner den Scheiß hört – auf Soundcloud kannst du eh alles machen. Ich weiß nicht, ob der Track noch online ist, aber er heißt „Joker“. Weil ich es lustig fand, habe ich als Interpret Hias Ledger dazugeschrieben. Dann habe ich den Namen nice gefunden und beibehalten. Auf Soundcloud kannst du eh alles machen.
Magst du das nebenbei beibehalten?
Ich habe mir schon mal überlegt, ob ich unter einem anderen Alias irgendeinen schwindligen Scheiß raushaue, der für die breite Masse nicht zumutbar ist.
Wie hoch ist der Anteil bei deinen Tracks?
Meistens mache ich in einer Session einen ernsten Track, dann brauche ich den kompletten Kontrast und mache irgendeinen Bullshit. Das hat dann seine Höhen und Tiefen (lacht).
Stimmt es, dass du auch mal Dancehall-Geschichten gemacht hast?
Ich spiele gerne mit Autotune und würde gern singen können, kann es aber nicht. Dann kommen auch mal andere Sachen raus. Aber mit Dancehall? Was genau meinst du?
Es gibt einen etwas versteckten Wikipedia-Eintrag, in dem steht, dass du Dancehall-Musiker bist. Dieser ist über die Google-Bildersuche abrufbar. Schau mal.
Arg, was zum Fick. Ich habe mal ein GTA-Roleplay gespielt. Da habe ich auch einen Soundcloud-Alias. Er macht nur Covertracks mit dem schlechtesten mexikanischen Akzent (lacht).
Hast du spanisch gelernt?
In der Schule. Aber die Tracks sind auf Hochdeutsch. Ich habe damals sogar mit hochdeutschen Texten angefangen. Vielleicht weil ich es mehr gewohnt war. Jetzt habe ich schon meinen Stil und schreibe, wie ich schreibe. Damals habe ich nicht gewusst, was ich tue und wo es hingehen soll.
Du rappst bei der „Winter“-EP – wie schon beim „Ohne Scheiß“-Mixtape – auf Beats, die du im Internet gefunden hast. Sie selbst zu produzieren war kein Thema? Irgendwo wäre es ja aufgelegt, ein „Producer on the Mic“ zu werden, oder?
An sich schon. Tatsächlich habe ich irgendwann mit dem Beats machen aufgehört, weil ich sie beim Produzieren schon totgehört habe. Ich habe sie nur noch auf einer technischen Ebene gehört und sie haben mich nicht mehr abgeholt. Ich habe dann auf YouTube nach Beats gesucht, die mich catchen.
Nach welchen Kriterien hast du gepickt?
Komplett intuitiv. Ich habe zum Beispiel „Griselda Type Beat“ eingegeben. Ich habe letztes Jahr echt viele Tracks gemacht. Das nächste Projekt klingt soundtechnisch wieder ganz anders. Bei „Winter“ zieht es sich ziemlich durch – es ist klassisch angehaucht, da ist glaube ich keine einzige 808 drauf. Auf der neuen EP wird es viel offener, verspielter, da ist alles dabei. Wenn es mich im Moment catcht, kann ich auf jedem Beat schreiben. Ich will mich aber nicht dazu zwingen, auf einem Beat zu schreiben, den ich scheiße finde.
„Ein zwei Meter großer Araber hat mir gesagt, dass ich ausschaue wie Russ – ich habe es als Kompliment aufgefasst“
Das macht bei deinen jetzigen aktuellen EP-Projekten Sinn – wenn es mal Richtung Album gehen sollte, vielleicht weniger. Ist eines bei der im Kopf, irgendwo ganz hinten vielleicht?
Einerseits ja, aber ich habe ein bisschen Angst davor. Es ist ein großes Wort. Andererseits denke ich mir: Scheiß drauf, ich hätte die EP schon als Album raushauen können und was wäre gewesen? Hätte nichts geändert. Die kreative Energie ist da, die Inspiration kommt auch immer wieder. Da wird noch einiges passieren. Was genau, weiß ich nicht. Dieses Jahr ist ja schon einigermaßen durchgeplant. Aber es werden jetzt auch wieder Tracks entstehen. Es wird auf jeden Fall poppig, trappig und drillig. „Spring“ noch ned, aber später.
Mal schauen, ob sich nicht doch auch was Dancehall-mäßiges einschleicht.
Genau. Es könnte schon passen, auch optisch. Ich habe mir vor zwei Jahren in Afrika Cornrows gemacht und original ausgeschaut wie Sean Paul. Ein zwei Meter großer Araber hat mir gesagt, dass ich ausschaue wie Russ – ich habe es als Kompliment aufgefasst. Das hat mir auf Tinder auch schon mal eine geschrieben. Dann habe ich als Tinder-Bio nur „Russ auf Wish bestellt“ reingegeben (lacht).
Du hast heuer vier EPs am Plan, eine pro Jahreszeit. Was war dein Schreibzugang?
Ich habe letztes Jahr eigentlich nichts releast, aber die ganze Zeit Mucke gemacht. Im Nachhinein habe ich die Tracks rausgepickt, die zusammenpassen und gefühlstechnisch nach den Jahreszeiten sortiert.
Wie kommst du mit dem Zeitdruck klar? Die „Spring“-EP kommt ja wie die Winter-EP schon kurz vorm offiziellen Sommerbeginn.
Easy, weil eigentlich alles schon fertig ist. Features, Mix und Mastering passieren aber oft am letzten Drücker. Ich brauche das. Ich habe mir die Deadline selbst gesetzt, dann bei „Winter“ zwei Wochen lang den Stress meines Lebens gehabt, wenig geschlafen, aber es muss so sein. Sonst komme ich auf Ideen für noch mehr Videos, dann kommt es erst irgendwann.
Welche ist deine Lieblingsjahreszeit?
Hias Ledger: Sommer. Die Tracks dazu sind meine Lockersten. Der Herbst ist wieder ein bisschen schwerer.
Flowbird: Das Lustige ist: Es funktioniert wirklich mit diesen scheiß Gefühlen. Er hat mir um die 50 Tracks vorgespielt und mich gefragt, was wo reinpasst. Bis auf drei, vier Tracks waren wir uns immer einig.
Hias Ledger: Da habe ich gemerkt, dass es andere auch so mitnehmen. Ich hasse den Winter – als Jahreszeit, die EP ist natürlich geil (lacht). Es ist am meisten Frust drinnen.
Was hat dich beim Schreiben am meisten angefuckt?
Menschen. Andere Rapper inspirieren mich auch für sowas. Ich habe doppelt so viele Parts geschrieben (bei „Warnlicht“, Anm.) und dann die Hälfte gestrichen, damit man nicht checkt, um wen es geht.
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