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"Le Mélange" und die Vielfalt der Sprache: LMNZ & Simple One Interview

"Le Mélange" und die Vielfalt der Sprache: LMNZ & Simple One Interview

Photo by Dominik Galizia
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Kürzlich waren die Berliner LMNZ und Simple One in Österreich unterwegs, um gemeinsam mit Yarah Bravo die Clubs zu bespielen. Auf seinem multilingualem Album „Worldwide Rap“ hat LMNZ Songs von 76 Künstlern in 29 Sprachen zusammengetragen und war mit Sister Fa zweimal auf Tour im Senegal, um die Bevölkerung über ihre Rechte zu informieren. Auch Simple One rappt und singt, um Menschen zu berühren und aufzuklären. Zusammen sind die beiden bei der Crew „Le Mélange“, die Tanz und Musik vereint. Im Interview sprechen die beiden über die HipHop Kultur und deren Einfluss und Vorurteile, ihr soziales Engagement bei sozialen Projekten, sowie über Menschenrechte und die Begeisterung für den Wiener Jazz-Musiker Joe Zawinul. 

TM: Wie fandet ihr eure Gigs in Österreich?
LMNZ
: Ich fand’s sehr schön. Die Leute waren alle sehr offen und herzlich. Auch in der Kapu haben alle zugehört und uns am Ende die Peace-Zeichen entgegengestreckt. An sich war’s echt cool und nach den Auftritten kamen viele an, auch wo ich manchmal dachte, dass die das Konzert nicht so gefeiert hätten, weil sie nicht so abgegangen sind. Aber die haben dann auch gesagt sie fanden es richtig gut.

Simple One: Ich kann da LMNZ nur beipflichten. Ich fand einfach grundsätzlich, dass wir gut aufgenommen wurden. Wien ist mir jetzt nicht fremd, ich war da schon ein paar Mal. Aber grundsätzlich war ich schon positiv überrascht, dass so eine gute Stimmung war. Wir waren willkommen, das hat man gemerkt. Die Leute waren nicht gelangweilt und „oh, jetzt kommen wieder ein paar Rapper und okay, Yarah Bravo ziehen wir uns mal rein“. Die waren nicht so überfüttert hatte man das Gefühl und wussten uns zu schätzen. Ob in Wien oder in Linz, das war in beiden Städten das Gleiche. Mir hat das daher auch auf menschlicher Ebene viel Spaß gemacht. Was mir immer sehr wichtig ist.

Auf „Worldwide Rap“ werden viele verschiedene Sprachen benutzt. Welche Signale soll das setzen?
LMNZ: Es geht darum, über den Tellerrand zu schauen und zu sehen, wie sich HipHop von einem lokalen zu einem globalen Phänomen gemausert hat. Viele Leute hier kennen nur Rap aus den USA, Deutschland und vielleicht noch Frankreich. Es klingt aber auch in anderen Sprachen sehr gut und die Leute haben überall auch interessante Sachen zu erzählen. Allgemein ging es mir natürlich darum, ein Zeichen für Unity und Toleranz zu setzen.

Simple One: Ich weiß schon, dass Sprachen zu mischen durchaus zu Verwirrung führen kann. Aber es kann manchmal auch dazu führen, und das wäre wofür ich argumentiere, dass die Leute weniger auf die andre Sprache hören, sondern die Musik als Ganzes einfach annehmen und akzeptieren. Dass unterbewusst das Signal kommt: Hey, Rap bzw. HipHop ist international und wir symbolisieren das. Das find ich gut so. Natürlich wollen die Leute auch was verstehen, aber wie gesagt, wir mischen das Programm so, dass auch was für die Leute dabei ist, die besonders Wert darauf legen.

LMNZ: Also ich hab zum Beispiel einen Text für’s neue Album geschrieben, wo ich wirklich Vokabeln aus sechs bis sieben Sprachen in eine Strophe packe und ich bin schon gespannt, wie das dann ankommen wird. Oder ob die Leute einfach nur sagen: „Hä, was will der jetzt von mir?“ Ich hab das so geschrieben, weil ich Spaß an der Sprache habe und weil sich teilweise dann auch neue Reime bilden lassen. Das fand ich speziell sehr interessant, damit rumzuexperimentieren. Manche werden es feiern und manche nicht. Aber wenn ich grad drauf Lust habe, dann mach ich das einfach. Wenn das dann ein radiotaugliches Ding werden soll, ist es wahrscheinlich von Vornherein zum Scheitern verurteilt, aber ein Album hat ja viele Songs, da kann man sich schon den Platz für Experimente nehmen.

Wenn du sagst, dass die Energie zählt: Simple, du hast deine ersten Texte in den USA geschrieben. Hat dich die Umwelt und Gesellschaft dort stark beim Schreiben beeinflusst?
Simple One
: Klar, auf jeden Fall. Ich hab früher ziemlich viel Wu-Tang und solche Geschichten gehört. Ich war O.D.B. Fan damals und der ist wirklich jemand, den man oft nicht wirklich verstehen konnte. Da musste man auch erstmal drauf einsteigen. Auf der Ebene könnte man genauso sagen: Wenn man rappt, dann sollte man nicht singen. Drauf geschissen, ich mache Musik. Was auch immer meine Musik fordert, das versuche ich irgendwie zu manifestieren. Damals in den USA hab ich halt Vibes von überall aufgeschnappt. Aber ich hab auch Vibes von Stevie Wonder, Sting und Prince aufgeschnappt. Daher kann man gar nicht mehr sagen, welchem Vibe ich da genau folge. Ich bin Musiker.

 

 

 

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Nicht nur. Durch das Goethe-Institut warst du für das Projekt „Deutsch mit voller Kraft“ zweimal in Russland. Wie fühlt man sich als Botschafter der deutschen Sprache und Kultur?
Simple One:
Ich habe das Gewicht der Verantwortung auf meinen Schultern gespürt. (lacht) Ne, ich hatte da echt viel Spaß. Man arbeitet ja dann da, wo man mit deutscher Sprache umgeht, wirklich sehr einfach, weil viele Sprachanfänger dort sind. Daher konnte ich auch eher mit Energie arbeiten. Ich hab z.B. meine kleinen Workshops in Russland komplett auf Deutsch gehalten. Ich hab da kein Englisch reingebracht, ich hab auch keine englischen Songs performt. Ich hab alles auf Deutsch gesagt, was ich sagen wollte. So damit sie ach die Chance hatten, Wortverwandtschaften instinktiv zu erforschen. Und ich habe Körpersprache eingesetzt, damit sie mich trotzdem verstehen. Das hat sehr gut funktioniert. Ich hatte auch Dolmetscher mit dabei, aber grundsätzlich war das ein super Gefühl, alles so auf Deutsch durchzuziehen. Ich hab das sehr genossen und hatte viel Spaß. Ich hab extrem viel gefreestylt in der ganzen Zeit. Klar haben die Leute mich auch oft nicht verstanden, aber da war z.B. ein russischer Junge in einer Klasse, der konnte als einziger an der Schule beatboxen und wir haben einfach eine Session zusammen gemacht. Auch wenn die nicht extrem ausgiebig war, haben wir trotzdem connected und eine Ebene gefunden. Die gemeinsame Ebene war weder die Sprache noch der Beatbox, sondern die war HipHop. Ich hätte in diesem Moment auch Türkisch rappen können.

Du meintest in einem Interview, dass wenn die Korruption in Deutschland so existent ist wie in Russland, dann ist sie hinter einem schillernden Vorhang versteckt. Was genau meinst du damit?
Simple One:
Ich will damit sagen, dass wir Menschen gute Blender sind und dass es evident ist, dass Leute, die z.B. einen schönen Anzug anziehen, von Vornherein anders beurteilt werden, als wenn sie in zerfetzten Klamotten herumlaufen. Bei den Werten stellt sich später heraus, dass jemand im Anzug genauso unehrlich sein kann, und schlechte oder negative menschliche Werte in sich tragen und ausdrücken kann, wie jemand in zerfetzten Klamotten ein supercooler, ehrlicher Mensch sein kann. Wir lassen also unsere Lügen oft einfach nur besser aussehen. Das kann man in Deutschland auf jeden Fall ziemlich oft beobachteten.

Welche Bedeutung hatte es für dich, LMNZ, als Vertreter des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission z.B. bei der Expolingua zu spielen? Das war ja auch eine ähnliche repräsentative Aufgabe.
LMNZ:
Naja, es war ja in Deutschland, also ich sehe da nicht so viele Parallelen zu dem was Simple gemacht hat. Wenn man dann im Ausland der einzige Vertreter für irgendwas ist, fühlt man schon die Verantwortung, auch wenn er das mit einem Schmunzeln gesagt hat. Für mich war das eine schöne Sache, dass das geklappt hat. Dieses Youth on the Move“, das wir da machen, find ich eine gute Sache. Es ermöglicht Jugendlichen, die finanziell keine Möglichkeit haben, Auslandsaufenthalte. Aber ich muss sagen, diese ganze Geschichte, dass wir da auftreten konnten, da haben wir auch viel mit Jugendlichen connectet. Aber es ist nichts, das für mich krass heraussticht – außer gagentechnisch, weil die natürlich besser zahlen als jemand in ‘nem kleinen HipHop Club. Ich hab zwar diesen Titel des „German Ambassador for Youth on the Move“, aber im Endeffekt passiert da nicht so viel, wie wir gehofft haben. Wir haben da jetzt zwei, drei Gigs gemacht mit denen, die waren auch alle cool und es war schön, aber wir dachten wir könnten wirklich mal ins Ausland gehen und da repräsentieren und mit Leuten in den Austausch gelangen, die wir nicht sowieso schon irgendwie treffen. Das hätte ich mir jetzt eher gewünscht, dass man woanders hinkommt und für sich auch neue Sachen sieht, Leuten neue Perspektiven geben kann. Aber das ist bisher leider noch nicht passiert. Es kam gerade eine Anfrage für die Worldskills Messe in Leipzig von denen…Vielleicht haben wir ja noch Glück und bald geht es wirklich los.

 

 

 

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Du wolltest damit junge Leute motivieren, mehr zu reisen, um Vorurteile abzubauen. In wie weit unterstützt deine Musik den Aufbau von Toleranz oder Wissensdurst?
LMNZ
: Auf jeden Fall. Ganz ehrlich, in der Schule war ich jetzt nicht so besonders gut und hab mich nicht so für die Inhalte wie Geschichte oder Politik interessiert. Das kam erst durch HipHop. Da hörte ich mir irgendeinen Conscious Rapper an und mir gefiel was er da machte…und dann sagt er Sachen und ich denk mir, ich hab davon gar keine Ahnung. Dann hab ich angefangen mich darüber zu belesen. Für mich hat Musik eine unglaubliche Kraft Dinge zu bewegen, weil sie mich auch total verändert hat durch Inhalte und mich für Sachen geöffnet hat. Für mich hat das eine riesige Macht und ich glaube schon, dass wir deswegen auch von der Kommission ausgewählt wurden. Die sagen ja auch: „Pass auf, wenn wir das denen erzählen, dann interessiert es sie nicht, aber mit euch können sie über die Musik connecten und dann könnt ihr ihnen die Inhalte vermitteln, die wir ihnen eigentlich vermitteln wollen“. Und dadurch, dass ich diese Inhalte fühle, kann ich das auch mit gutem Gewissen machen. Ich find das an sich eine coole Sache, aber von der Kommission aus kamen einfach zu wenige Aufträge bisher, als dass es sich für mich so angefühlt hätte, als hätte ich da wirklich groß was bewegt. Es waren fünf, sechs Tage und da ist nicht viel hängen geblieben muss ich sagen. Im Endeffekt können die das auch ruhig wissen. Ruft mich mal an und gebt mir mehr Jobs, ich will das gerne representen! Aber nicht nur auf dem Papier und dass ich sagen kann: Yeah, ich mach da sowas. Sondern wirklich, dass auch was passiert. Für mich ist da Musik auf jeden Fall das beste Tool, um meine Meinung zu sagen und Leute auch zu inspirieren, wenn die da auch offen dafür sind. Das klappt besser, als auf allen anderen Wegen, weil man Leute auch durch die Klänge, Akkorde, Beats und Stimmung viel krasser treffen kann, sodass es sie auch interessiert, was da erzählt wird.

Wenn dich damals diese kritische Musik angespornt hat, weiterzumachen: Simple unterstützt in einer gewissen Weise auch diese Rapinitiative gegen Rechtsradikalismus „Spuck auf Rechts“. Wie ausgeprägt und bemerkbar ist dieser gerade in Berlin?
Simple One
: Also ich hab jetzt lange keine Erfahrung mehr mit Rechtsradikalismus direkt gemacht. Aber ich krieg über andere Leute mit, dass noch relativ viel passiert. Die Zahlen sprechen für sich, wie man bei Kaveh und Madogs Texten in „Spuck auf Rechts“ mitkriegt. Für den Song war ich eigentlich als Sänger vorgesehen, deswegen hab ich das auch weiter supportet. Die beiden wissen da noch viel mehr Bescheid, was eigentlich tatsächlich passiert. Ich steh da nicht wirklich im Bilde. Ich hab nur mal persönlich meine Erfahrungen, die Gott sei Dank eher in der Vergangenheit liegen. Aber natürlich trete ich immer dafür ein, dass Rechtsradikalismus einfach keinen Platz haben sollte. In Berlin hab ich nicht das Gefühl, dass hier so viel Rechtsradikalismus existiert. Ich seh weder Faschos auf der Straße, noch bin ich oft bei einer Gegendemo dabei. Auf der anderen Seite spiel ich auch mal ne Show für eine Antifagruppe, z.B. in Frankfurt. Also Rechtsradikalismus, ob ich ihn jetzt sehe oder nicht, ich weiß, dass er vorhanden ist. Der ist nicht nur auf der Straße vorhanden, sondern auch in den höheren Etagen unseres Regimes, daher kann man sich glaub ich nicht genug dagegen einsetzen. Ich denke die Message an sich ist eine, die nie alt wird.

Und was ist mit rechtsradikalem HipHop?
Simple One:
Hmm, das ist wirklich schwierig. In dem Moment, wo man sagt jeder hat das Recht zur freien Meinung, hat natürlich auch jemand das Recht ein Mikrofon in die Hand zu nehmen und sein Lied zu singen. Das ist eine schwierige Geschichte rein moralisch gesehen. Ich kenne selber wirklich keine rechtsradikale Mucke. Ich weiß, dass das immer mal wieder diskutiert wird. War da nicht auch die Rockband Freiwild, die auch in diese Sparte gesteckt wurde? Es gibt bestimmt noch wesentlich mehr Faschobands, deren CDs dann vielleicht alle zehn Jahre mal von der Polizei eingesackt und verboten werden, aber die machen trotzdem weiter. Das ist halt ihre Szene und ihre Meinung. Mir kommt’s drauf an, dass ich nicht einfach dabei zuschaue. Dass ich etwas hie und da dagegen tue. Also da gibt’s Leute, die setzen sich noch wesentlich mehr ein, als wir das jetzt aktiv tun in unserer Musik. Gegen Rechtsradikalismus machen wir nicht so viel wie für Toleranz und Offenheit.

LMNZ: Ich hab mal in Pankow gewohnt oben in Berlin, danach noch in Wedding. Ich hatte in beiden Vierteln nie wirklich Stress, aber in Pankow hatte ich vergleichsweise relativ häufig Stress mit Rechten. Es gab da oft Naziaufmärsche in meiner Straße. Hier betrifft das meinen Alltag überhaupt nicht, in Neukölln sieht man keine Nazis. Auf der anderen Seite gab’s hier mal eine SAE Jam-Session, bei der wir Zweiter geworden sind in Berlin. Die Gewinner sind in ne andere Stadt gefahren und haben da auch von Nazis auf’s Maul bekommen. Es hätte also auch genauso uns treffen können, wenn wir da gewonnen hätten. Ich weiß nicht, ich seh ja auch jeden Tag diesen unterschwelligen Rassismus, wo Leute Sachen sagen oder projizieren, die sie nicht als rassistisch empfinden oder wenn sie schwarzen Freundinnen von mir in die Haare fassen beispielsweise. Das bekomm ich alltäglich sehr viel mit. Nazis direkt bekomm ich nicht so viel mit im Moment. Aber wenn man in die Medien schaut oder sich mit anderen Leuten unterhält, merkt man, dass es auf jeden Fall noch ein großes Problem ist, vor allem in Dörfern und so.

Simple One: Aber ganz ehrlich, ich glaube Rassismus gehört fast zum Menschen dazu. Ich mein das ist ne radikale Aussage, aber egal wo ich jetzt war auf der Welt – und ich hab wirklich schon viele, viele Orte besucht – überall gab es Rassisten. Die waren zwar nicht die, die mich am Flughafen abgeholt oder mich die meiste Zeit begleitet haben, aber wenn ich gefragt habe, habe ich immer rausgefunden, dass es dort welche gibt. Es gibt in jedem Land Menschen, die einfach nicht diese Offenheit haben, die anders geprägt sind, die Wut in sich tragen, weswegen auch immer, die andere Leute dafür verantwortlich machen…Also Rassismus wird glaub ich solange der Mensch auf der Erde ist, auch so ein ewiges Thema bleiben. Deswegen ist es auch wichtig, dass man versucht aufklärerisch dagegen vorzugehen. Ich glaub, dass Rassismus viel aus Angst und einer Unkenntnis anderer Kulturen entsteht und ich glaube, dass dem eigentlich fast nur mit Aufklärertum und einer gewissen menschlichen Verständnis entgegenzutreten ist. Wenn Faschos viel reisen würden, würden sie ganz schnell merken, dass ihr Denken überhaupt keinen Sinn macht.

LMNZ, du warst im Senegal mit Sister Fa auf Tour, um Menschenrechte zu unterstützen. Du meintest, dass HipHop dort einen starken Einfluss auf die Öffentlichkeit und die Politik hat und in Deutschland der Lebensstandard zu hoch ist und die Leute lieber Clubmusik hören. Ist HipHop also ein Sprachrohr der Armen und Unterdrückten und Deutschland eine ignorante Nation?
LMNZ: Ganz so kann man das wahrscheinlich nicht sagen, aber ich hab’s schon gemerkt. Also da ist HipHop wirklich ein politisches Werkzeug. Ein Rapper sagt irgendwas und am nächsten Tag ist es in jeder Zeitung auf Seite 1. Erst auf Seite 2 folgt, was der Politiker sagt. Und das war für mich dann so: „Äh? Was ist denn hier los?“ Ich war dann auch auf Pressekonferenzen von einer Bewegung, die von einem befreundeten Rapper gegründet wurde, namens „Y’en a Marre”. Das heißt „Es reicht uns“, „We are fed up“. Die Rapper gehen da dauernd in den Knast, der Präsident hat denen 25 Mio. in ihrer Währung angeboten und ein Haus, wenn sie für anstatt gegen ihn rappen. Irgendwelche Leute haben dann gesagt sie seien Journalisten und: „Hey kommt mal mit, wir filmen da und da ein Interview mit euch…“ und dann waren es in Wirklichkeit Leute vom Staat und sie haben sie dann dort verprügelt. Ganz kranke Geschichten. Oder es wurden verwanzte, hübsche Frauen geschickt, die Informationen rausbekommen sollten, indem sie versuchen, die Rapper zu verführen. Die Rapper sind schon komplett paranoid teilweise, fast schon wie in einem Film. 2000 haben die dort den Präsidenten mit Hilfe von HipHop gestürzt. Jetzt ist auch grad ne riesige Bewegung mit „Y’en a Marre” da, um wirklich aufzupassen: „Was? Ihr baut Scheiße da oben, den Leuten geht’s schlecht und ihr haut das Geld für das und das raus? Ihr veruntreut Gelder? Wir lassen das nicht mit uns machen.“ Ich seh das hier einfach nicht in Deutschland. Ich hab das Gefühl der ganze Rap, der gerade gepusht wird, da geht’s nicht groß um Inhalte. Ich mein hier und weltweit gibt’s auch Probleme. Die Leute wollen das aber gar nicht hören. Ich hab schon das Gefühl, die haben ihre Arbeit hier die ganze Woche, sind davon gestresst und am Wochenende wollen sie abschalten, sich abschießen, wollen feiern gehen. Was auch voll okay ist. aber an nem Samstagabend noch die Texte reinzuziehen von jemanden, der da schon wieder von irgendwelchen Problemen erzählt, ist vielen zu viel. Was ich auch nicht kritisieren will, weil ich nicht jeden judgen kann. Jeder hat da seine Probleme, aber dieser Unterschied hat mich schon geflasht. Ich kann dort einfach meine Musik machen und die Leute fühlen das sofort und hier hab ich das Gefühl, dass es schwerer ist. Es gibt nur ein paar, die sich über Inhalte freuen. Sachen wie „Die Atzen“ oder irgendwelche, die auf Spaß und Party aus sind, das kommt hier definitiv viel besser an. Vielleicht muss es uns auch einfach nur beschissener gehen, damit die Leute sagen: Okay, wir haben jetzt auch genug und der da drüben tritt für unsere Rechte ein, es ist geil, dass er das macht, ich geb ihm mehr Respekt, als jemanden, der sagt „komm, wir saufen“. Es ist sehr schön, dass es uns hier anscheinend gut genug geht, dass wir noch nicht an diesem Punkt sind. Vielleicht kommt der Punkt irgendwann, ich hoffe es nicht. Deswegen kann ich schon zustimmen, dass es eher das Sprachrohr der Unterdrückten ist. Aber es ist ja auch das Sprachrohr der Leute, die Party machen wollen. Es ist einfach das Sprachrohr für alles geworden. Ich glaub nur, dass das Sprachrohr hier in Deutschland für Themen, die problematischer sind, nicht so viel Anklang findet.

Du arbeitest im Rahmen des GangwayBeatz-Projekts mit Jugendlichen zusammen. Wie sehr hilft die Musik diesen Menschen ein gewaltfreies Leben auszuüben?
Simple One: Also Gangway ist der eine Träger, ich bin aber auch bei Outreach angestellt. Gleich kommt auch ein Rapper bei mir zu Hause vorbei, weil ich von dem denke, dass er wirklich extrem talentiert ist. Die Soundkarte auf der Arbeit funktioniert nicht und ich meinte bevor er für sechs Monate in Therapie geht, helf ich ihm noch zwei zusätzliche Songs aufzunehmen, dass er seine Lieder fertig machen kann. Ich finde die soziale Arbeit ist wirklich ein schwieriges Feld, weil der Bedarf extrem hoch ist. Dennoch kann man nur extrem langfristig wirklich eine Wirkung erzielen. Bei den Leuten, die ich kennen gelernt habe, die schon lange im Programm drin stecken, kann ich sagen: sie sind gewaltfreier und vernünftiger geworden, ihre Perspektivlosigkeit hat sich in das Gegenteil verwandelt und sie sind kritischer geworden mit der Welt. Sie haben angefangen sich zu informieren und zu bilden. Ich seh da zwar insgesamt ein extrem großes Defizit, aber da, wo die Leute schon lange dabei sind und mit Musik und HipHop zutun haben, bei denen sieht man definitiv eine positive Veränderung.

LMNZ: Ich hab als Jugendlicher auch irgendeinen Scheiß gebaut, geklaut usw. Durch den HipHop in Jugendzentren bin ich auch davon weggekommen. Ich hatte dann einfach was anderes zu tun, das sehr viel Zeit in Anspruch genommen hat. Ich hatte so viel Motivation und Spaß dabei, dass ich gar nicht mehr über die anderen Sachen nachgedacht habe. Ich bin sicherlich kein riesiges Problemkind gewesen, aber das hat mich auch schon von solchen Sachen abgehalten. Deswegen kann ich das auch gut vertreten, weil es bei mir schon gewirkt hat; warum also nicht bei jemand anderem auch? Es ist nicht das Allheilmittel, aber auf jeden Fall eine gute Möglichkeit, mit Jugendlichen zu connecten, die diese Ausdrucksform mögen. Weil HipHop auch durch die verschiedenen Elemente vereint. Nicht jeder will seine Stimme benutzen, manche wollen vielleicht malen oder tanzen, sich bewegen, da gibt’s eben genug Ausdrucksformen, um auch mehr Leute zu erreichen. Man bekommt mehr Selbstvertrauen, eine Aufgabe, der Rest entwickelt sich dann je nach Person auch weiter. Wenn man wirklich keine Perspektive hat, ist das eine beschissene Situation. Jede Perspektive, die dann kommt, hält einen dann auch vom Kacke Bauen ab.

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(c) Philip Pesic

Aber wenn du sagst es hält dich davon ab, warum wird HipHop dann in den Medien so oft als Gangsterrap dargestellt, der die Jugendlichen und Kinder kriminalisiert?
LMNZ:
Da war auch ein großes Problem mit der Europäischen Kommission und dem Parlament zusammenzukommen. Ich musste vorher vor einem kleinen Teil des Parlaments einen Vortrag über mein Projekt und über die HipHop-Kultur halten. Sie fänden mein Projekt mit 29 Sprachen und dass ich die Welt zusammenbringen würde super und dass sie das unterstützen wollen würden. Aber der Haken sei: das ist doch HipHop. HipHop ist doch diese Gangstermusik. Dann hab ich ihnen erstmal von dem Grundgedanken der Kultur erzählt und dass es eigentlich genau das Gegenteil ist. Es wurde damals schnell von der Industrie gesehen, dass man mit HipHop Geld verdienen kann. Dann wurden so stereotype Sachen wie kriminelles Verhalten, das Ghetto und dieser Gangsterlifestyle glorifiziert. Vor allem in den USA besitzen die Leute, denen die Medien gehören, große Anteile an privaten Gefängnissen. Es gibt da eine Klausel, die besagt, dass diese Gefängnisse zu 90% gefüllt sein müssen. Wenn du die Gefängnisse also vollhaben willst – was Geld für dich bedeutet, wenn sie dir gehören – dann macht es natürlich sehr viel Sinn „a life of crime“ mit Hilfe von Rapmusik auf Kanälen zu pushen, die dir auch noch gehören und die viele Leute erreichen.
Kann ich noch kurz ein Shoutout an Love Skateboards in Wien geben? Viele Marken werben mit Totenköpfen oder ähnlichen negativen Images um die Aufmerksamkeit der Jugendlichen. Das wird den Jugendlichen als cool verkauft. Genauso ist es mit HipHop. Die Kultur wird mit negativen Images behaftet, die dann als „normal“  und cool argestellt werden. Props deshalb an Love Skateboards, die Liebe wieder cool machen wollen und eher mit Symbolen für Liebe werben, als mit Destruktivem.
Das Bild von HipHop hier in Deutschland ist auch komplett in den Dreck gezogen worden. Ich musste diesen Vortrag halten und dann haben sie mir noch immer nicht geglaubt und mein Album supportet, sondern mich nur einen Auftritt machen lassen. Die ganze Idee zu pushen, sei nicht durchzukriegen, weil eben trotzdem Leute Angst vor HipHop hätten. Es ist schade, ich würde viel dafür geben, das Bild hier wieder zu ändern. Das kann man vielleicht zumindest partiell, indem man genug positive Sachen macht, also aktiv ist. Irgendwann bekommen dann mehr Leute Wind davon. Aber gegen diese große Maschinerie kommt man einfach nicht an. Es reicht, wenn die jeden Tag ein, zwei negative Bilder raushauen und die ganze Arbeit, die man dann reinsteckt, ist umsonst. Auch Leute wie Moneyboy, die dann extrem gepusht werden, wo dann wieder Leute von HipHop was mitbekommen, die halt nicht so viel davon wissen… sowas regt mich tierisch auf. Klar, ich kann auch darüber lachen und sing das dann auch mit, aber im Endeffekt zieht es die Kultur wieder völlig in den Dreck, wenn irgendein Vollidiot solche Sachen raushaut. Das lässt dann wieder alle anderen, die sich nicht mit der Kultur auskennen, die nicht kritisch denken und das nicht verstehen, was leider viele sind, wieder schlecht über diese Kultur denken und das fügt nur neue schlechte stereotype Bilder hinzu. Das wir alle dumm sind und so. Das ärgert mich vor allem.
Ich glaube an sich ist es so eine Kultur hier geworden mit Youtube und TV Total: Es geht einfach nur darum, dass du Leute siehst, denen es noch beschissener geht als dir selbst. Also es werden Extrembeispiele gezeigt, Leute die etwas extrem schlecht machen, etwas extrem dumm machen, die ein extrem schlechtes Leben führen, damit die Leute zu Hause sich besser fühlen und auf etwas herabschauen können. Das hat dann auch die meisten Klicks bei Youtube, irgendwelche Leute, die irgendeine Scheiße bauen. Menschen haben einfach einen riesigen Spaß an Schadenfreude. Ich nehme mich da auch nicht unbedingt aus. Es macht auch mal Spaß, aber es muss alles in Balance sein. Ich glaub das ist an sich ein Riesenproblem in unserer Gesellschaft, dass sowas eben gepusht wird. Vielleicht ist es ja sogar nötig, vielleicht hält es die Leute friedlich, vielleicht wäre sonst alles ganz anders, das muss ich mal überdenken. Im Moment find ich es eher scheiße, dass einfach nur solche Gefühle regieren, das find ich ungesund.

Das Magazin Jazzthing hat geschrieben, dass du dich auf „Shade of Ivory“ vom Mira Mode Orchestra Album als lasziver Crooner outest – mit einem Groove der an Gilles Peterson erinnert. Würdest du ihn auch zu deinen musikalischen Einflüssen zählen?
Simple One:
Meine musikalische Sozialisation reicht definitiv über Funk, Jazz, Rap und Rockmucke. Gilles Peterson kenne ich leider nicht. Ich habe halt früher Miles Davis rauf und runter gehört, oder Dizzy Gillespie und die Platten meiner Mutter, die auch ne große Weltmusik CD-Sammlung hat. Ich steh halt irgendwie total auf Joe Zawinul und Jaco Pastorius und solche Leute. Einfach großartige Musiker, die Musik geschrieben haben, die universell und zeitlos ist. Hau mir Led Zeppelin rein und ich geh ab wie Schmidts Katze. Das ist für mich einfach großartig geschriebene Musik. Da gibt’s viel. Ich bin auch ein totaler Prince Fan. Ich hör viel alte Musik, weil ich glaube, dass damals wirklich hochwertigere Musik mit wesentlich mehr Niveau gemacht wurde. Es gibt das natürlich heute auch noch, aber man kriegt das gar nicht mehr so mit. Die Leute, die damals Stars waren, hatten diese Bezeichnung auch verdient. Das waren wirklich krasse Tiere, die haben das einfach so gemacht.

Du meintest, dass Joe Zawinul ein Krieger der Musik sei. Was fasziniert dich so an ihm und seiner Musik?
Simple One: Die Musik, die er geschrieben hat, berührt mich auf ganz einzigartige Art und Weise, wie natürlich seine Kollaborationen mit tollen Musikern. Zawinul kam aus Wien und ging raus in die Welt und machte mit allen möglichen Leuten dope Musik. Und mischte so viele Stilrichtungen und erschuf damit etwas ganz Eigenes. Ich meine, sowas kann nur für Toleranz stehen, für hohe menschliche Werte und Verständnis. Ich hab dazu auch noch aus privater Hand gehört, dass das ein supernetter Mensch gewesen sein soll. Weißt du, für solche Leute hab ich einfach einen Riesenrespekt, die das repräsentieren was ich mir wünsche, was ich tun könnte, wozu ich die Fähigkeiten gerne hätte. Da ist mein Werk ein ganz kleiner, bescheidener Beitrag im Vergleich zu solchen Leuten.

LMNZ, weißt du schon, wann dein Album „Anders als die Besseren“ kommen wird?
LMNZ:
Definitiv diesen Sommer, ich kann’s aber noch nicht genau sagen. Das Album ist fertig gemischt und gemastert, Cover und Booklet sind auch fertig. Wir arbeiten noch an den Designs für das Merch und ich werde Montag ein paar CDs an Labels verschicken, um zu überlegen, ob wir zusammen arbeiten. Je nachdem, ob ich es alleine mache oder mit jemandem zusammen, wird das Releasedate festgelegt werden. Die Hymne zum Welttag des Tanzes „Sun“ featuring KC Da Rookee war die erste Single und ist am 29.4 erschienen. Flip hat auch einen ni-sun Verse beigesteuert. Er hat sich bereit erklärt, als wir in der Kapu gespielt haben. Ziemlich geil, weil der Typ ist supercool und natürlich eine Legende in Österreich. Ich will auch noch ein Video mit Bajka und Nosliw machen, da haben wir einen schönen Song gemacht. Und mit Gunman Xuman aus dem Senegal habe ich auch noch ein Video gedreht auf unserer letzten Tour im Senegal. Er ist einer der Pioniere der HipHop Bewegung dort, eine echte Ehre für mich mit ihm zu arbeiten. Darüber hinaus sind noch zwei bis drei andere Videos in Planung…Es sind ja auch 23 Songs geworden. Stay tuned, ihr werdet es sicher über „themessagemagazine.at“ erfahren, wenn das Album dropped!

 

 

 

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Was hast du noch geplant, Simple One?
Simple One:
Ich arbeite mit einem Produzenten zusammen, der heißt Creative Maze. Das Album heißt auch „Creative Maze“, also der kreative Irrgarten. Dieses Album liegt jetzt schon länger bei uns herum, wir haben letztes Jahr mit einem Label verhandelt, das ist nichts geworden. Das hat sich dann als heiße Luft herausgestellt. Daher haben wir’s dann nochmal liegen lassen, aber dieses Jahr wollen wir es so oder so rausbringen, weil’s eine echt schöne Platte ist. Ich denke mal, dass wir bereit sind so um den Juli, dass wir das irgendwie droppen. Ich weiß noch nicht über welche Kanäle, aber das steht definitiv schon in den Startlöchern. Und natürlich arbeiten LMNZ und ich mit unserer Crew „Le Mélange“ (Simple One, LMNZ, die BBoys Micky und Reese und Queen Bella, Anm.) an weiteren Projekten und hoffen, unsere Show mal bei euch in Österreich präsentieren zu können.

http://simpleone.bandcamp.com/
http://www.worldwide-rap.com/

Interview: Julia Gschmeidler