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Man spürt die Liebe // Chefket live

Man spürt die Liebe // Chefket live

Chefkets neues Album „Alles Liebe (Nach dem Ende des Kampfes)“ erschien im August diesen Jahres, nun hat er im Rahmen der „Alles Liebe“-Tour in die Grelle Forelle geladen. Chefket findet schon seit mehreren Jahren mit seinem musikalischen Schaffen Anklang in der Szene, er ist der Lieblingsrapper deiner Lieblingsrapper und selbst ernannter Live MC.

Fotos: Lena Bischoffshausen

Als Voract Dizzy pünktlich um 20 Uhr die Bühne betritt, ist das Publikum noch eher beschaulich. Eine schlechte Angewohnheit, die man gerne mal als Konzertbesucher an den Tag legt: Erst zum Mainact zu erscheinen. Wer als Supportact spielen darf, kommt aber meistens nicht von irgendwoher und so beweist auch Dizzy den anfänglich 30 Zuschauern, dass er das Zeug zum Rappen hat. „Den Song wollten wir nochmal anders machen so Wiener Style“, meint er irgendwann und liefert eine astreine Cloud-Rap-Nachmache inklusive Adlips, ins Mikrofon nuscheln und einen Dab am Ende. „Der nächste Song ist eine Hommage an Blumentopf. Falls wer Blumentopf nicht kennt, das ist eine HipHop-Band. Und falls wer HipHop nicht kennt, das ist eine Musikrichtung aus den Achtzigern“. Neben Talent kann Dizzy beim Publikum auch mit Humor und Sympathie punkten.

Nach Dizzys Auftritt und einer kurzen Pause wird es dunkel mittlerweile ist die Grelle Forelle auch schon angenehm gefüllt. Mit dem Song „Scheinwerferlicht“ liefert Chefket einen ruhigen Einstieg in den noch bevorstehenden Konzertabend. Doch bei dieser Atmosphäre soll es nicht lange bleiben: Dass Chefket ein Live MC ist, beweist er nicht nur mit dem gleichnamigen Track, sondern auch mit seiner Fähigkeit und der Ausdauer, die Lines zu spitten. Wer braucht schon eine Atempause? Chefket definitiv nicht. Die Hände gehen hoch, das Publikum kennt die Texte und Chefket weiß, wie man einem eher kleineren Publikum Komplimente macht: „Das sieht aus wie beim Splash, auf jeden Fall“.

An dieser Stelle soll die unfassbare Frauenpower nicht unerwähnt bleiben. Da ein wahrer Live MC ja sowieso keinen Back-up-Rapper benötigt, hat Chefket gleich zwei weibliche Background-Sängerinnen dabei Flinte und Wanja. Den Track „Lass geh’n“ nimmt Chefket wortwörtlich, überlässt den beiden Sängerinnen die Bühne und nimmt ihren Platz am Rande ein. Die beiden geben alles und bringen das Publikum zum Mitsingen, Mittanzen und Mitjubeln. „Wow, das ist Frauenpower“, stellt auch Chefket fest.

Wer zu einem Chefket-Konzert geht, der darf sich auf feinsten und realsten HipHop einstellen, denn wie er selbst auf seinem neuen Album sagt, hat er „keinen Respekt vor Playback-Rappern“. Parts werden ohne Beat vorgetragen, die Hände sind fast ununterbrochen oben und Chefket fordert vom Publikum ein, Platz für eine kleine B-Boy-Einlage zu machen: „Und immer, wenn wer in die Mitte geht, rasten wir aus. Okay, Wien?“. Kurz fühlt man sich in der Geschichte des HipHops um Jahre zurückversetzt einige Zuschauer geben im Kreis ihre Dancemoves zum Besten und das Publikum feiert jede Performance.

Wer von euch hat einen Hund? Wer von euch hat eine Katze? Und wer von euch will morgen einen Kater haben?“

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Neben Freestyle-Parts beglückt Chefket seine Fans auch mit etwas älteren Songs, die sich mittlerweile schon als Klassiker etablieren konnten. Die gesamte erste Strophe des Songs „Fliegen“, von Chefkets 2015 erschienenem Album „Nachtmensch“, wird ausschließlich vom Publikum gesungen ohne Chefket, ohne Beat, nur begleitet vom Keyboard. „Okay, das ist zu emotional“, unterbricht Chefket das Publikum und der Track beginnt erneut, diesmal mit seinen Parts, mit Beat.

„Es ist so heiß geworden“  für den vorerst letzten Song zieht Chefket sein Shirt aus. Und er hat recht: Mittlerweile ist sowohl die Grelle Forelle als auch das Publikum ordentlich eingeheizt. Aber es ist noch nicht vorbei, als Zugabe gibt es unter anderem den Track „Was wir sind“ inklusive Moshpit und „So gut“, in welchem Chefket dem Inhalt des Songs getreu wird. „Du bist die Kippe in meiner Hand, du tust mir so gut / Auch wenn du schlecht für mich bist, nehm‘ ich ein‘ Zug“, singt er mit selbstgedrehter Zigarette in der Hand.

Fazit: Chefket wird auf der Bühne definitiv seinem Titel als Live MC gerecht. In Zeiten von aussagelosen Party-Tracks und Live-Turn-up beweist Chefket, wie angenehm eine Abwechslung dazu mal sein kann. Aber vor allem zeigt er, dass ein Konzert auf seine ganz eigene Art und Weise genauso gut funktioniert: Die Liebe zur Musik, die Liebe zum Inhalt der Songs, die Liebe zum Publikum zeigen. Stimmungstechnisch bewegt man sich während des Konzerts irgendwo zwischen romantischem Mitsingen und dem Feiern einer Party. Und genau diese Mischung macht ein Chefket-Konzert zu einem ehrlichen, eindrucksvollen Konzert, bei welchem man als Besucher definitiv mehr geboten bekommt als bei so manch einer Rap-Playback-Show.