I'm putting pistols in faces at random places. Free LX!
Als er einige Wochen vor seinem ersten Konzert in Wien bei Willkommen Österreich zu Gast war, hinterließ Romano bereits den Eindruck eines ausgesprochen redseligen Zeitgenossen. Anlässlich seines Tourstopps in der Arena Wien hatten wir die Gelegenheit, den „schönen General“ mit Zöpfen selbst in ein Gespräch zu verflechten. So sitzen wir nun im Beisl mit leiser gedrehtem Metal im Hintergrund und machen es uns zusammen mit Musiker aus Berlin-Köpenick bequem. Er trägt eine frisch angefertigte Romano-Bomber-Jacke, mit der seine komplette Crew ausgestattet wurde. Und schon nach kurzem Wortwechsel ist klar: Das ist kein Image, das ist noch viel besser – das ist Romano, wie er leibt und lebt. Erfrischend freundlich geht es mit einem „Abfahrt, Männer“ zur ersten Frage.
Interview: Heinrich Matis & Wanja Bierbaum
Fotos: Moritz Nachtschatt
The Message: Wenn man einen Blick auf deine YouTube-Videos wirft, stößt man auf Unmengen an Kommentaren aus dem osteuropäischen und asiatischen Sprachraum. Zumal ich russische Wurzeln habe, ist mir vor allem deine russischsprachige Fanbase aufgefallen. Warst du dir dieser Bekanntheit bisher bewusst?
Romano: Ah, aus welcher Ecke kommst du denn – Smolensk oder was?
Nein, eher Novosibirsk.
Ach, das ist ganz weit unten. Hast du noch Familie da oben?
Unter anderem, ja.
Hochinteressant, mich zieht es total dorthin. Ich wollte ja schon immer mal nach Moskau, um mich für ein halbes Jahr in einer Ballettschule einsperren zu lassen. Danach staunen alle, was ich plötzlich für krasse Sachen machen kann. Die Zeit dafür habe ich gerade nicht, aber ich hab’s im Hinterkopf. Freunde sagen mir: „Romano, biste zu alt für.“ – Quatsch, macht doch, was ihr wollt. Darauf hab ich irgendwie Bock.
Kommt durch diese Einstellung auch der gelegentliche Wandel zwischen den Musikrichtungen?
Ich bin vielleicht ein bisschen rastlos. Ich bin immer auf der Wanderung und ich bin interessiert. Das heißt, ich bin am Leben interessiert. Eine gewisse Genre-Verhaftetheit kenne ich aus der Jugend auch. Man passt auf – das geht nicht und das geht nicht. Wenn du beispielsweise im Metal-Bereich mal schaust, hast du oftmals alte Metaler, die jugen Metalern sagen: „Ey, das geht so nicht.“ – Macht euch mal locker. Wo kommt denn Metal her? Das geht über den Punk-Einfluss bis hin zu Blues und Rock’n’Roll, was damals die Musik des Teufels war. Ich will damit sagen: Alles hängt mit allem zusammen, das darf man nicht vergessen. Und deswegen habe ich mich da auch relativ zügig lockergemacht.
„Das Kraftvolle an Metal hat mich beeindruckt – diese Chaos-Stimmung, aggressiv, kreativ.“
Wann konntest du dich denn musikalisch richtig lockermachen?
Ich bin ja ein Kind der Wende. Nach der Wende ging es in Berlin richtig rund – Techno-Bewegung, mit HipHop-Kassetten handeln in der Schule, aber auch Metal. Ich hatte zu der Zeit jemanden kennengelernt, in dessen Bude ich Aschenbecher in Totenschädel-Optik und Iron-Maiden-Plakate an der Wand gesehen habe. Das Kraftvolle an Metal hat mich beeindruckt – diese Chaos-Stimmung, aggressiv, kreativ. Das war Berlin, diese Anarchie. Teilweise gab es das auch in Norwegen, wo sich diese aggressive Stimmung in Kirchenbränden entladen hat. Die christliche Kirche hat sich damals angemaßt, ihre Kirchen an heidnischen Plätzen zu bauen, die damals heilig waren. Natürlich sind das schöne Stabkirchen, aber die Leute dort haben sich gefragt: „Was soll das? Das machen wir jetzt genauso kaputt.“ Ich glaube, diese Chaos-Haltung oder Anti-Stimmung von damals hat mich geprägt, insbesondere das Infragestellen von Dingen. Ich hab die DDR-Zeit erlebt, genauso wie die Zeit danach in der neuen Bundesrepublik. In der DDR hat man es offiziell gesehen, dass es irgendwie ein Gefängnis ist. Und jetzt ist es eben eine bisschen größere Zelle mit bunteren Bildern.
In jungen Jahren hast du mit der Wende einen Regimewechsel an der eigenen Haut miterlebt. Vergangene Woche wurde in drei deutschen Bundesländern gewählt – das Ergebnis und dessen Bedeutung für die Gesellschaft wurde kontrovers diskutiert. Man kann einen deutlichen Rechtsruck erkennen. Du scheust dich nicht vor politischen Statements – wie schätzt du die aktuellen Entwicklungen in der Gesellschaft ein?
Wir Menschen müssen endlich lernen, Kritik zuzulassen. Wir müssen gemeinsam an einem Tisch sitzen können und Sachen klären. Wenn ich mich beispielsweise mit meinen Freunden an einen Tisch setze, diskutieren wir auch gerne mal. Da sollte man kritikfähig bleiben. Wir haben seit der Antike nichts gelernt. Wir vertreten eine Meinung, das ist dann die Richtige und die andere wird nicht zugelassen. Die Welt besteht jedoch aus so vielen Meinungen, Gedanken und Einflüssen. Und wenn man ein Problem mit jemandem hat, dann soll man sich bitte einmal an den Tisch setzen. Doch das können wir insgesamt nicht, ob in großen Machtgeflechten oder im kleinen Gefüge innerhalb des Landes. Wir kriegen es nicht auf die Reihe. Staaten benehmen sich teilweise untereinander wie Kinder im Buddelkasten. Und genau dann werden extreme Bewegungen gefüttert. Leute, die vielleicht gar nicht so extrem sind, gehen genau in diese Richtung, weil sie andernorts kein Gehör finden. Das ist die Problematik. Zum Schluss hast du nur noch Extreme. Die Frage ist: Wie kommen wir zu einer Balance, die es ermöglicht, einen Konsens zu finden? Das wäre eine Stärke, wie ich finde.
Auf der anderen Seite steht auch eine gewisse Scheinheiligkeit – Deutschland liefert permanent Waffen in Kriegsgebiete. Deutschland ist der viertgrößte Waffenexporteur weltweit, soweit ich weiß. Vor ein, zwei Jahren von China verdrängt. Und dann wundert man sich: „Ja was ist denn jetzt hier los?“ Das ist Volksverdummung. Auf der einen Seite hast du unseren Einsatz für Menschen in Not auf dieser Welt und auf der anderen Seite wird rumgebombt – samma läuft’s noch? Das ist so fragwürdig, wirklich. Da bekomme ich schlechte Laune.
Kannst du dir vorstellen, noch politischer mit deiner Musik zu werden?
Ich habe zwei neue Nummern geschrieben. Und die präsentiere ich schon live. Lasst euch überraschen.
„Nur noch sich übereinander stapelnde Goldketten, dreißig Mädels und permanent geleaste Autos zeigen.“
Würde ja gut passen, als musikalisches Chamäleon politisch einzusteigen.
Ich glaube, dass es bei mir bestimmend ist, was mich gerade inspiriert und reizt. Das hat man ja bereits gemerkt. Als „Metalkutte“ rauskam, dachten alle: „Okay, jetzt kommt der Metalrapper mit dem nächsten Song über seinen Metalschuh oder seine Metal-Dauerwelle.“ Natürlich totaler Quatsch. Ich liebe Metal unglaublich, habe aber mit Metalkutte etwas Abgeschlossenes geschaffen. Dann ging’s weiter mit der Thematik „Brenn die Bank ab“ und die Nächsten dachten, jetzt kommt der Polit-Rapper. Aber mit dem „Klaps auf den Po“ habe ich alle Menschen wieder zusammengebracht. Und dann kam sogar noch „Köpenick“, meine Heimatstadt. Das heißt, mich reizt so viel. Wenn ich eine Sache erzählt habe, merke ich, dass ich sie meistens nicht nochmal erzählen muss. Da gibt es vielleicht politische, gesellschaftliche oder andere Themen, die mich interessieren. Ich breche es gerne auf den Alltag runter. Im Alltäglichen passiert so viel. Es ist immer die Mischung, auch im HipHop. Goldkette – Mülltonne. Es ist dieser Spagat zwischen den Dingen, die ich hochinteressant finde – gerade bei Bewegungen, die neu entstehen. Wie bei Slick Rick, Eric B. & Rakim oder Ice-T: Da hast du zwar den Typen gesehen, der in seinem Ferrari rumfährt, doch trotzdem hat man die Mülltonne gespürt – es wirkte irgendwie nah und authentisch. Das ist dann irgendwie verkommen. Nur noch sich übereinander stapelnde Goldketten, dreißig Mädels und permanent geleaste Autos zeigen. Was soll das? Das kannste doch später nicht mitnehmen. Das ist mir zu plakativ.
Musikalisch gesehen symbolisierst du einen Angelpunkt zwischen den Extremen.
Genau. Mir geht es eigentlich grundlegend um eine Sache, wenn die Leute das Album hören, oder auf ein Konzert kommen: und zwar Nächstenliebe. Zu einem Auftritt von mir kommen Metaler, Gothic-Ladys, Techno-Heads, Homosexuelle, Heterosexuelle und ’ne bunte Mischung aus dem Schlagerbereich. Und zum Schluss geht ein Metaler zum Vater, der sonst nur Pop hört, und fragt ihn nach ’nem Feuer. Die Leute kommen ins Gespräch. Es geht darum, dass sie eine schöne Zeit verbringen. Im Endeffekt sind wir alle nur Menschen, wenn wir uns nackt gegenüberstehen und keine Feinde. Das muss einem bewusst werden. Feindbilder werden aufgebaut, um aus einer anderen Machtposition heraus irgendetwas zu erreichen. Doch hinter jedem Feindbild steckt ein Mensch, der vielleicht eine Prägung hat, vielleicht anders geformt ist als sein Gegenüber. Genauso, wie die westliche Welt probiert, anderen Staaten den tollen Westen zu bringen. Locker bleiben. Den Mensch dahinter sehen. Verständnis zeigen. Zuhören.
Lass uns über Köpenick reden. Wie kamst du zu dem Thema Heimatliebe?
Ich bin im Krankenhaus Köpenick geboren, bin dort aufgewachsen. Ich hab ja Mediengestalter gelernt. Ich bin morgens in die Stadt gefahren, abends wieder zurück. Meine Chefs haben mir damals gesagt: „Sag mal, willste nicht in die Stadt ziehen? Du hast Fahrtwege von teilweise zwei bis drei Stunden.“ Ich habe es mir dann überlegt und bemerkt, warum ich jeden Tag zurückfahre – es ist kein Flirt, es ist wahre Liebe. Da ist etwas Spezielles zwischen uns, also eine richtige Beziehung. Köpenick sorgt dafür, dass ich zur Ruhe komme. Da kann ich abschalten. Wenn ich zurückkomme, stehe ich imaginär am Bahnhof Köpenick im Bademantel und Schlappen und fühle mich total wohl. Du kennst die Postfrau, kannst mit der Bäckerin quatschen, und schaltest nochmal ab, indem du Enten füttern gehst oder sonstwas. Köpenick ist mein großes Wohnzimmer. Wie ich schon einmal gesagt habe, es riecht nach Kaffee, Sekt und Erdbeerkuchen. Es ist gewissermaßen eine heile Welt. Und dann geht’s wieder raus in den Sturm.
Wenn man dein bisheriges Schaffen aus einer gewissen Distanz betrachtet, gewinnt man den Eindruck, dass du dich mit deinen vorherigen Projekten über Genre-Grenzen hinweg ausgetobt hast, von Crossover über Drum’n’Bass bis hin zum Schlager. Dein aktuelles Album klingt ein wenig wie der Brückenschlag zwischen den bisherigen Projekten – als hättest du einen Schnittpunkt gefunden, gemeinsam mit deinen Partnern Siriusmo und Jakob Grunert. Wie sieht es mit dem nächsten Projekt aus, werdet ihr wieder zusammenarbeiten?
Ja, die beiden neuen Nummern sind auch komplett von Siriusmo, Jakob Grunert und mir, den drei Musketieren. Ich bin gespannt und offen für Neues. Alte Thematiken werden nicht wiederholt. Ich freue mich auch wirklich, hier in Wien zu sein und das Projekt zelebrieren zu können. Daran werde ich auch weiter anknüpfen, aber hinsichtlich der Thematiken und Beats kann ich noch nichts sagen. Ob es jetzt auch mehr Schlagermomente geben wird, oder in Richtung R’n’B geht, oder ob es dann wirklich eine technoide, ganz brutale Platte wird, weiß ich nicht. Ich hab noch keine Ahnung, da lass ich mich von der Zukunft leiten.
„Ich musste ja nur einen Blick in meinen Kleiderschrank werfen, um ein Aushängeschild für die Thematik zu finden.“
Du wirst oft damit konfrontiert, Stereotypen zu bedienen. Pickst du die Klischees bewusst – quasi die Sahnehäubchen der Genres – wie die Metalkutte als Symbol für Metal?
Die Metalkutte ist für mich sozusagen das Aushängeschild des Genres. Damals habe ich mir eines überlegt: Die ganzen Rapper singen über die Rapper, die sie lieben, die sie groß finden – hat 2Pac schon gemacht. Es gibt ja zig Rapper, die das schon gemacht haben. Siriusmo hatte mir damals einen Beat von sich geschickt und ich habe eine alte Satyricon-Platte (Anm. d. Red.: norwegische Metal-Band) gehört und dachte: „Wow, ich mach es in dem Stil, aber mit Bands aus dem Metalbereich, die ich liebe“. Automatisch kam ich dann auf „Metalkutte“. Ich musste ja nur einen Blick in meinen Kleiderschrank werfen, um ein Aushängeschild für die Thematik zu finden. Da hat man dann natürlich noch ein paar alte Patches rumliegen. Das war für den Bereich dann in gewisser Weise ein Klischee, aber auf der anderen Seite auch so nah dran. Es war sozusagen ein ehrliches Klischee, weil ich es auch so gefühlt habe. Genauso wie „Brenn die Bank ab“ – ist ein harter Slogan. Ich hab da sehr einfache Sprechgesänge drin, fast wie in der Bild-Zeitung. Aber mit solchen Phrasen kannst du oftmals mehr ausdrücken. Mit ganzen Sätzen nimmst den Leuten auch das Imaginäre, das Träumende, darüber nachzudenken. Wenn du sagst: „Edelhure, Menschenhandel, Haute Couture, Wintersport, Waffenexport, VIP.“ – dann brauchst nichts über Waffenexport erklären. Es steht für sich, wie eine Schlagzeile. Und so wollte ich es auch haben. Irgendjemand hat mal über den Track geschrieben, es wäre verkürzte Kapitalismuskritik – natürlich ist es verkürzt, ich kann auch ne 40-Minuten-Nummer machen, vielleicht ist die immer noch zu kurz. Aber in dem Moment war’s genau, knackig, greifbar. Die Leute können den Refrain mitbrüllen – ist doch super. Um mehr geht es bei mir in dem Moment nicht.
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