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„Ich wollte nie wieder ein Rap-Label aufmachen“ // Samy Deluxe Interview

„Ich wollte nie wieder ein Rap-Label aufmachen“ // Samy Deluxe Interview

Samy Deluxe
Foto: Pascal Kerouche

Kaum jemandem gelingt der Spagat zwischen Major-Label-Vertrag und einem gewissen Grad an Credibility so gut wie Samy Deluxe. Dennoch ruft sein Name bei HipHop-Heads verschiedene Reaktionen hervor. Der Umstand dürfte mit seinem in quantitativer Hinsicht stets hohem, aber insgesamt doch recht unbeständigem Output zusammenhängen. Nachdem in den vergangenen Jahren eher experimentelle Projekte rund um Herr Sorge sowie das misslungene Album „Männlich“ das musikalische Schaffen von Samy Deluxe geprägt hatten, konnte er zuletzt mit dem überwiegend von Bazzazian produzierten Album „Berühmte Letzte Worte“ wieder eher brauchbares Rap-Material liefern. Mit einigen neuen Songs im Gepäck war Samy Deluxe Ende Juni als Headliner zu Gast auf der FM4-Bühne am Donauinselfest. Dabei hatten wir ein paar Minuten Zeit, um mit ihm über seinen Zugang zu gesellschaftspolitischen Themen, AfD-Wähler, die KunstWerkStadt sowie die Zusammenarbeit mit Appletree zu plaudern.

The Message: Du verfolgst das politische Geschehen nur rudimentär und hast mal gemeint, „komplett unqualifiziert“ zu sein, um über Weltpolitik zu sprechen. Dennoch handeln deine Tracks oft von gesellschaftspolitischen Themen. Inwieweit kannst du diese überhaupt reflektiert betrachten?
Samy Deluxe:
Ich glaube, darum geht es nicht wirklich. Wenn man Talkshows guckt und da sitzen fünf Politik-Experten, dann ist danach noch weniger geklärt, als wenn irgendein Idiot da sitzen würde, der einfach die richtige Frage stellt, wirklich nachhakt und sagen würde: ‚Nee, ich versteh‘ das System nicht – erklär‘ mir das doch!‘ Mit meiner Schreibweise, wie beispielsweise am neuen Album „Mimimi“, erzähle ich von meinen eigenen Erfahrungen als Mitbürger mit Migrationshintergrund in Deutschland die Situation sehr spezifisch.

Also orientierst du dich besonders an deinen persönlichen Erfahrungen?
Genau. Bei „Klopapier“ ist es so ein Ding, dass ich ganz viele verschiedene Themen anspreche und da sind Statements dabei, was mir Spaß macht – einfach, wo ich einen Widerspruch sehe. Im deutschen HipHop ist oft Bushido der Böse, der die Jugend vergiftet. Und HipHop ist dann schuld.  Am Ende ist das ein Land, das unglaublich viele Waffen exportiert. Wenn ich so kleine Widersprüche sehe und diese in eine Punchline verpacken kann, finde ich’s immer gut.

Inwieweit möchtest du dabei polarisieren?
Ich mag mit solchen Songs nicht polarisieren, aber Sachen sagen, die ich für mich vertreten kann und dann gucken, was an Reaktionen passiert. Das Wichtigste ist immer, dass Sachen überhaupt diskutiert werden – und dann ist es gut zu polarisieren und dass nicht alle komplett deiner Meinung sind.

Du hast mal behauptet, keine Lust an einer „intellektuellen Auseinandersetzung“ mit AfD-Wählern zu haben. Wo soll man deiner Meinung nach bei diesen Leuten ansetzen?
In manchen Bundesländern kriegen sie 20 Prozent – das sind Sachen, die aus Angst entstehen. Ich glaube, dass sehr wenige Leute wirklich idealistisch diese Partei wählen. Ich bin auch ehrlich gesagt nicht mehr ganz sicher, ob es nicht trotzdem wichtig ist, sich mit denen auseinanderzusetzen. Aber ich weiß nicht, ob das unbedingt meine Aufgabe sein soll.

Als Musiker ist das im Grunde nicht unbedingt deine Aufgabe.
Genau. Ich hab‘ da neulich auch in einem anderen Kontext darüber nachgedacht. Wenn ich jetzt eine Plattform hätte, um Politiker zu interviewen – wirklich aus dieser „Idiot, der ich bin“-Sicht. Wenn du mir so eine Politiker-Antwort gibst, stell ich einfach nochmal die gleiche Frage, nur damit ich irgendwann mal eine Antwort kriege. Da hab‘ ich überlegt, würde man dann per se keinen AfD- oder NPD-Typen einladen, nur weil man dem dann ’ne Plattform bieten kann oder ist es wichtig und richtig, dass sich Leute wie ich mit ihnen auseinandersetzen? Da hab‘ ich noch nicht wirklich ’ne Antwort.

Du hast kürzlich via Twitter eine Kollabo mit Chefket angekündigt, der sich klar zu politischen Themen positioniert. Geht euer Projekt in eine ähnliche Richtung?
Ähm nee, überhaupt nicht (lacht).

Wie sieht es bezüglich Produktion und Aufgabenverteilung aus?
Es gibt nur Mutmaßungen, was das überhaupt ist. Ich habe nur ein Foto gepostet und gesagt, dass wir im Studio waren und da kommt irgendwas. Es könnte eben ein Song sein, oder auch sechs Alben, oder irgendwas dazwischen.

Genaueres kannst du also noch nicht verraten?
Nee. Also wenn schon Promo-Wert vorhanden wäre, würde ich es gerne machen, aber es ist noch nicht so weit.

Dein im April erschienenes Album „Berühmte Letzte Worte“ wurde vor allem von Bazzazian und Farhot produziert, die Hausproduzenten deines Förderprojekts KunstWerkStadt waren hingegen kaum beteiligt. Ein bewusster Schritt, oder hat sich diese Änderung erst während der Arbeiten am Album ergeben?
Beides auf jeden Fall. Farhot hatte uns Beats für ASD gegeben, aber da war nichts dabei. Er hat er uns dann mit Benny Bazzazian connectet, der gleich drei Beats für das ASD-Album produziert hat. Mit ihm habe ich einen superguten Workflow entwickelt und dann auch schnell Solo-Sachen mit ihm gemacht. Die beiden Farhot-Songs sind noch von davor und die haben irgendwie erst ganz spät wieder reingepasst. Zwischendurch war ein bisschen Stilfindungsphase für das Album und als dann klar war, dass es eher traditionellerer HipHop mit Breakbeats und Samples ist, haben seine Beats wieder Sinn gemacht. Ich wollte auch ein bisschen weniger Hands-on in die Produktion stecken.

Inwieweit wolltest du dabei neue Impulse einbringen beziehungsweise über den Tellerrand deiner vertrauten Produzenten blicken?
Gar nicht so unbedingt. Sechs Beats sind von Benny Bazzazian, zwei von Farhot und weitere sechs sind dann eben schon von Matteo Capreoli, der mit mir hier in Wien ist und Teil meiner Band ist. Einer kommt von Vito und die restlichen sind von mir, die hat Benny dann ausproduziert. Ich wollte nur nicht bis zum Ende in dieser Produktion hängen und mich selbst mit jedem Detail zeitmäßig beschäftigen, sondern wirklich der Rapper der Platte sein, der trotzdem noch sehr viel Input in die Produktion gibt, aber nicht unbedingt jeden Schnippel selbst macht.

Im Rahmen der KunstWerkStadt arbeitest du auch mit Appletree zusammen. Wie ist euer Kontakt zustande gekommen und wie läuft die Zusammenarbeit?
Ganz klassisch eigentlich. Ich hab‘ letztes Jahr hier beim HipHop Open mit ASD in der Arena gespielt und da ist er auf mich zugekommen, wir haben ein bisschen gequatscht. Er hat mir dann erzählt, dass er so Bookings macht und auch rappt und mir einen Song gezeigt, den er gerade neu aufgenommen hatte. Den fand ich richtig krass und da war auch diese Zeile „Zwischen Stiernacken und Tiermasken“, die jetzt irgendwie sein EP-Name ist. Wir haben ihn dann mal nach Hamburg eingeladen und er hat in einem Restaurant perfomt. Dann hat er direkt sehr viel mit Vito gemacht. Es ist eine entspannte Zusammenarbeit mit einem fleißigen Rapper, der das Business versteht und auch diese Seite davon kennt. Er ist kein desillusionierter junger Mensch, der hofft, dass er in zwei Wochen zum Superstar wird. Er weiß auch, dass man viel geben muss, wenn man irgendwas kriegen will.

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(c) Philip Pesic

Dieser Schritt hat sich also ganz zufällig ergeben?
Ich wollte eigentlich nie wieder ein Rap-Label aufmachen, habe dann aber gemerkt, dass ich so viele Beats mache und so viele Sachen habe, die ich geil finde. Also eigentlich bin ich ein guter Produzent für Rapper und Vito macht auch viele Beats. Wir haben gemerkt, dass Produktionskapazität da ist und jemand die Beats vollrappen könnte. Mein altes Label war auch kein krasser Business-Move, sondern auch sehr idealistisch. Es ging natürlich schon auch darum, Platten zu verkaufen, aber die KunstWerkStadt ist da wieder ganz anders. Das ist eher ein Ort, an dem einfach unheimlich viel passiert.

Also im Endeffekt ein Studio?
Genau, deshalb ist das auch ein cooles Outlet für unseren ganzen Extra-Output und eine Möglichkeit für uns, Leuten zu helfen, um mit an den Start zu kommen. Appletree kommt auch auf meine Herbst-Tour nach Deutschland mit und das ist dann natürlich auch ein großes neues Publikum, das sich da für ihn erschließt. (Die „Berühmte letzte Worte Tour“ hat leider keinen Österreich-Termin, Anm.)

Was erwartest du dir dabei von Appletree?
Mit Erwartungen ist es immer schwer, da ist die Enttäuschung schnell da. Ich finde es immer gut, wenn Leute ihr Potenzial ausschöpfen. Als quasi Außenstehender, der aber schon sehr viel Business-Erfahrung und sehr viele Connections hat, kann ich Leuten eine Plattform geben und ihnen damit helfen, zu wachsen. Das ist in meiner Rolle das Einzige, was man sich so richtig vornehmen kann und es ist schon cool, wenn man das dann einigermaßen schafft.

Ein erfahrener Booker wie er müsste doch ohnehin hervorragende Connections zu Labels und Studios haben.
Ja, der hat schon selbst viele Connections, auf jeden Fall.

Samy Deluxes Album „Berühmte letzte Worte“ ist am 29. April 2016 über Universal erschienen.

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