Was bei der Musik zählt ist die Qualität. Da das aber leider nicht immer so ist, highlighten wir hier diejenigen, die im übrigen Geschäft wenig oder schiefe Aufmerksamkeit bekommen. Dieses Round-up soll speziell Frauen und queeren Personen einen Platz bieten, die im vergangenen Monat releast haben. Und deren Musik von Qualität ist. Stay tuned!
Little Simz – Boss/Offence, 23.09/17.09
Aggressiv startet Simbi in eine Phase nach dem „Wonderland“– eine Phase, in der sie zu zeigen scheint: Wenn ich für dich eine „Offence“ bin, zeigt das nur, wie viel besser ich bin als du. Ihr „Pen is the maddest“ und sie weiß es. Um das auch zu zeigen, gibt es jeweils ein Lyric-Video zum Mitlesen. Das Karotten-Knabbern im Wunderland hat (Little) Simz nicht satt gemacht – es scheint nur der Anfang gewesen zu sein. Wie viel genug ist, weiß sie wohl selbst noch nicht genau, aber es besteht kein Zweifel, dass trotz „bad habits“ Großes zu erwarten ist.
Um uns nicht lange warten zu lassen, kommt sogleich ein weiterer Beweis ihrer kaum endenden Schaffenskraft – „Boss“. Von Little Simz ist man das musikalische Selbstexperiment ja gewohnt. Hier ist direkt hörbar, was abgeht. Simz ist pissed und das aus einem guten Grund. She is a „Boss in a fucking dress“ und hat keine Zeit dafür, sich von jemandem, für den sie viel gegeben hat, schlecht behandeln zu lassen. Preach it. Lyrisch wie immer dope, noch offensiver als zuvor, stay woke and stay tuned!
Eunique – Wer ist so nice, 23.09
Ob man bei Eunique eine Königin ist, wenn man viel Sport macht oder ob das nur das Nike-Sponsoring ist, sei dahingestellt. „Wer ist so nice wie ich?“, fragt sie einen imaginären Typ und weiß es ja eigentlich eh – sie selbst. Dass sich die Welt um sie dreht, wissen anscheinend aber alle Mädchen und das in jeder Lebenslage. Mit einem basslastigen Beat, Bars, die man bei einem Battle bringen könnte und einer energiegeladenen Perfomance überzeugt Eunique in ihrem Video zu „Wer ist so nice“ auf jeden Fall davon, dass sich ein Mädchen nichts gefallen lassen muss. Auf dem ersten Blick ein Banger für die Fitness-Playlist, gibt Eunique hier einen Einblick in ein sehr verqueres, weibliches Selbstbewusstsein.
Mahalia – Seasons, 21.09
Eine typisch tragische Lovestory in fünf Akten. Entspannter R’n’B mit Akustik-Vibes von Mahalias Gitarre machen das Album zur klassischen Love-Hangover-Therapie. Textlich sehr nah an der Realität gehalten, verarbeitet die Sängerin persönliche Erfahrungen zum Thema Liebe. Wer nicht gerade selber auf einen Kerl wütend ist, kann sich von dem unbeschwerten Vibe trotzdem ein wenig beflügeln lassen.
Jessie Reyez – Dear Yessie, 20.09.
Bis jetzt leider darunter geflogen, gehört Jessie Reyez mit ihrer durchdringenden Stimme und teils kritischen Texten auf jeden Fall auf unseren Radar. Musikalisch ist die Palette breit, aber eher poplastig. Auf ihrer neuen Single „Dear Yessie“ spittet sie Bars auf die Hi-Hats, geht dabei einer resignierten Gesellschaft und später auch mal Melania Trump an den Kragen. Ihre Aussagen sind unverblümt, weil sie selbst es zu sein scheint – „This is the realest I’ve ever been. Singing: ‚Fuck being delicate.'“
Tsar B – Brazil, 19.09.
Wer sich gern in schwummrigem Licht und voller Ekstase tanzen sieht, hat ungefähr die gleiche Vision wie Tsar B, wenn sie in ihrem Schlafzimmer mystische Musik produziert. Die Belgierin beschreibt ihre Musik selbst als „Dark as the night“-R’n’B und bleibt dieser Linie seit ihrer Debüt-EP „Tsar B“ auch mit „Brazil“ treu. Neben dem Produzieren von Beats und dem Singen kann Justine Bourgeus, wie sie bürgerlich heißt, auch Geige spielen und baut das gern in ihre Songs ein. Ihre Vision und ihre Inspiration, der Tanz, wurde im Untergrund zu ihrem Fan. Obwohl die Künstlerin weitgehend unter dem medialen Radar bleibt, erfreut sich eine große Tanz-Community ihrer Musik und widmet ihr Choreographien, wie nicht zuletzt auch Alexander Chung.
Mit „Brazil“ kündigt Tsar B ihr Debütalbum „The Games I Played“ für den 12. Oktober an. „Veni, Vidi Vici“ singt sie, und wenn sie sagt: „I wanna be your girl“, kann man ihr das kaum verwehren. Sehr eigenartig, energiegeladen und auf jeden Fall ein Geheimtipp.
Noname – Room 25, 14.09
Wenn man nicht schon benebelt ist von jazzigen, verträumten Instrumentals, dann spätestens, wenn man versucht beim ersten hinhören zuzuhören. Religiöser Fanatismus, US-Politik, Sexismus – auf dem Album von Noname blitzen einem all diese Themen entgegen, ohne sich durch festgefahrene Statements ins Gehirn zu bohren. Mehr zu dem Album in Kürze auf themessagemagazine.at.
Noga Erez ft. Sammus – Cash Out, 12.09
Noga macht Profit mit dem Druck, den sie auf Frauen ausübt. „Keep your head low, check.“ – sie bringt die Kandidatinnen heran für den Konkurrenzkampf, der sich abspielt. „Fight hard, check.“ – sie bestimmt, wer mitmachen darf und wer nicht. „Who am I to judge? I’m barely understanding“ – sie verkörpert die Macht des Mannes im aktuellen Geschehen. In ihren eher kryptischen Lyrics teilt sie vor allem gegen Donald Trump aus – „Grab ’em by the heart, grab ’em by their gods. Don’t be a pussy!“ Das Machtspielchen läuft ganz gut, bis Sammus in den imaginären Ring steigt. Sie übernimmt mit beeindruckend tiefer Stimme und einer eindeutigen Ansage: „Wait, you don’t even gotta say more, I’m not gonna perform in your pain porn.“ Und am Ende muss Nogas Alter Ego selber dran glauben. Das eindrucksvolle Video endet mit einem Fausthieb in unsere Richtung. „You don’t know me“ Ist das der Aufruf an uns, zu zeigen wer wir sind und was wir drauf haben?
Rola – 12:12, 07.09
Das Debütalbum der sympathischen Frankfurterin mit Soul-Stimme bietet 90er-R’n’B, knackige Bars und eine Prise Trap. Auch wenn die Tracks sehr refrainlastig sind und auch textlich in eine Schmuse-R’n’B-Playlist passen, haut Rola zwischendurch Bars raus, die sich nicht nur die Männer in ihrer Umgebung zu Herzen nehmen sollten. So wie zum Beispiel Olexesh, der sich zusammen mit Rola seine Gedanken über die Generation Smartphone macht:
Estelle – Lovers Rock, 07.09
Estelle widmet ihr fünftes Studioalbum dem englischen Reggae-Subgenre aus den 70er- und 80er-Jahren: Lovers Rock. Sie bezieht sich auf die Liebesgeschichte ihrer Eltern, anhand derer Estelle ihre mehr oder weniger progressiven Gedanken zum Thema Liebe und Männer untermalt.
Tash Sultana – Flow State, 31.08
…ist non-binär, deswegen wird hier nicht von Er oder Sie, sondern von Tash gesprochen. Tash jedenfalls hat ein erstes Album releast, nachdem vor ziemlich genau zwei Jahren die „Notion“-EP durch die Decke gegangen ist. Das erste Studioalbum des ehemaligen Straßenkunst-Stars aus Australien lässt sich auf den ersten Eindruck nicht als Loopmaschinen-Kunstwerk einer One-Man-Band identifizieren. Wer nicht aus den Selfmade-Homevideos der früheren Tracks weiß, dass Tash ein multimusikalisches Improvisationstalent ist, wird spätestens mit dem trailerähnlichen Video zur Single „Free Mind“ darauf hingewiesen.
Auf „Flow State“ ist weniger Zeit für instrumentale Spielereien als auf der „Notion“-EP und man kann nicht mehr zuschauen, auf welchen Knöpfchen Tash beim Musizieren herumdrückt. Einem Stil ist Tash aber treu geblieben, denn sie spielt nach wie vor so viele Instrumente wie möglich. Auf der Künstler-Website ist die Sprache von 15 gemasterten Instrumenten. So wie Tash ist auch die Musik nicht so leicht einzuordnen. Mit dominierender E-Gitarre, verträumter Stimme und dramatischen Aufs und Abs in jedem Song muss man sich auf jeden Fall Zeit nehmen, um die ganze Kraft der Musik wahrzunehmen. Für Tash ist die Musik eine Therapie und das ist hörbar.
Mit „Seven“ und „Blackbird“ lässt sich die volle Palette Tashs musikalischen Könnens auskosten. Ein Studioalbum ist aber eben keine Straßenmusik, für die spontanen Vibes muss man vor Ort sein. Dafür gibt es Auftritte rund um den Globus, bis Tash Sultana im Juli 2019 unter anderem in Berlin, Köln oder Amsterdam landet.
misses U – I Am Me, 30.09.
„Focussed and ambitious“ und „Resilient and unflappable“ sind nur zwei der vielen Selbstbeschreibungen, die misses U auf dem Cover ihres Debütalbums „I Am Me“ auflistet. Attribute, die auch für das musikalische Schaffen der Wienerin mit oberösterreichischen Wurzeln gelten. Auf diesem setzt die in Wien lebende Singer-Songwriterin ihre großartige Stimme für überwiegend melancholische, soulige Downtempo-Klänge ein. Textlich verarbeitet sie diverse Gefühle und Episoden aus dem eigenen Leben. Daneben widmet sie sich dem Umgang mit gesellschaftlichen Um- und Missständen. Dass misses U seit Kurzem auch rappt und dabei sehr schnell lernt, zeigen ihre Parts auf dem stark britisch angehauchten „Mind The Gap“ sowie auf „Show A Little Respect“.
Das Album ist gleichzeitig das erste Release des weiblichen Beat-Kollektivs und Labels Beatzarilla, das von der vielseitigen Musikerin mitgegründet wurde. Auf dem Album stammen die meisten der sphärischen, mit druckvollen Basslines ausgestatteten Instrumentals aber von ihrem Homie Def Ill, der ein wichtiger Mentor ihres Soloschaffens ist. Einige der 13 Tracks hat misses U mitproduziert, den Abschlusstrack „I Am Me“ ganz in Eigenregie. Die Releaseparty steigt am Donnerstag, 04. Oktober im Chelsea, dabei wird auch Def Ill alias Ruffian Rugged sein neues Album „Planet Purge“ präsentieren.
Auf „More“ thematisiert misses U das nicht enden wollende Streben nach mehr. Die erste Videoauskoppelung des Albums bildet verschiedene Ausprägungen davon (inklusive negativen Auswirkungen) ab. Neben dem Drogen- und Alkoholrausch kommen im Point-of-View-Shot etwa auch Kaufsucht und ein dubioses Arbeitsverhältnis zur Geltung.
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