"The hardest thing to do is something that is close…
Auch ohne Veröffentlichung blieb Haftbefehl letztes Jahr eine Grundkonstante des Deutschrap-Geschäfts — mit dem Höhepunkt der Jan-Böhmermann-Kontroverse, die den Namen Haftbefehl erneut in den Feuilleton der Mainstream-Medien katapultierte. Beinahe leichtsinnig, wenn Haftbefehl dieses Momentum nicht für einen neuen Release genützt hätte. Im Laufe des Red-Bull-Soundclash verdichteten sich die Anzeichen, bis Haftbefehl schließlich mehr oder weniger plötzlich das Internet mit seinem Mixtape „Unzensiert“ bereicherte. Während US-Rap-Fans beim Wort „Mixtape“ sofort Seiten wie livemixtapes.com
ansteuern, muss man sich im Deutschrap immer noch auf Kauf-Versionen beschränken. Wäre ein schönes Statement gewesen, wenn Haftbefehl sein Tape gratis in das Netz gestellt hätte. Aber das scheitert wohl bereits an den Strukturen, die sich nicht mit jenen in den USA vergleichen lassen.
Fernab dieser Diskussion ist ein Mixtape immer ein spannende Sache, weil dieses Format oft als kreative Spielwiese von Rappern dient, die darin die Möglichkeit sehen, sich in neue Felder hervorzuwagen, stilistisch zu experimentieren oder Konzepte zu versuchen, die auf Ablehnung bei der Major-Veröffentlichung stoßen würden.
Haftbefehl hält allerdings wenig von diesem Gedanken, sondern greift auf „Unzensiert“ den musikalischen Faden von „Russisch Roulette“ zu großen Teilen auf. So beliefert Benny Blanco aka Bazzazian Haftbefehl weiterhin mit atmosphärischen Beats, die den Geschmack von Paris und Atlanta versprühen und als ideale Untermalung der Offenbacher Hood-Tales dienen. Paris oder generell Frankreich ist ein gutes Stichwort, denn die Einflüsse aus dem deutschen Nachbarland sind auf „Unzensiert“ deutlich hörbar: So schreien die Synthies am Ende von „Frisch aus der Küche“ einem geradezu SCH entgegen – und Hafti beweist selbst, dass er zumindest ein Album von Kaaris ganz genau gehört hat. „Kalash“ ist der beste Kaaris-Song, nur ohne Kaaris und in deutscher Sprache. Anders als auf „Russisch Roulette“ bietet „Unzensiert“ aber mehr BoomBap-Einfüsse, was Haftbefehl definitiv gut zu Gesicht steht.
Während auf „Russisch Roulette“ mit Features gespart wurde, darf sich diesmal eine breite Armada an Rappern das Mic mit dem Ober-Azzlack teilen. Unter den vielen Features stechen Capo, der auf „Frisch aus der Küche“ seit Langem wieder einen annehmbaren Part abliefert, Abdi auf „Rolle auf Chrom“ und Newcomer Bausa auf „Oddysee“ heraus. Das erneute Zusammentreffen von Haftbefehl mit Xatar verläuft hingegen enttäuschend, wofür primär die Aufnahme des Xatar-Parts Schuld trägt: Die Stimme des Biras klingt, als wäre sie die letzten Monate um Jahrzehnte gealtert. Da wäre mehr möglich gewesen.
Haftbefehl selbst liefert auf dem Mixtape erneut eine starke Leistung als Rapper ab: Er vereinnahmt die Tracks in bekannter Manier und kreiert dank dichter Beschreibung Bilder im Kopf des Hörers („Oddysee“) – auf eine Weise, die zur Zeit im Deutschrap seinesgleichen sucht.
Einen negativen Beigeschmack tragen aber manch Inhalte des Offenbachers mit sich. Während Haftbefehl seine „Rothschild-Theorie“ noch kontextlos in einigen Tracks auf „Unzensiert“ platziert, schießt er mit „Hang the Bankers“ den Vogel ab: Die ganze Palette von Verschwörungstheorien wird dargeboten, Featurepartner Olexesh vergisst sogar die Echsenmenschen nicht. Ein Traum für den gewöhnlichen Aluhut-Träger.
Hinzu kommt, dass der mit Spannung erwartete Posse-Track „Chabos“ sich als plumper Werbesong für die eigene Klamottenmarke entpuppt. Ein Beigeschmack, der die Rezeption der Parts unweigerlich beeinflusst und noch einmal den Mixtape-Charakter von „Unzensiert“ unterstreicht. Das schließlich eben kein lang überlegtes, ausgeklügeltes Werk darstellt, sondern eine Aneinanderreihung von „Russisch Roulette“-Leftovers, kombiniert mit einigen neuen Tracks. Haftbefehl, der sich auf dem Cover in Malcolm-X-Pose zeigt, bringt mit „Unzensiert“ ein ordentliches Mixtape mit einer Handvoll herausragender Perlen, die sich zu unspektakulären Nummern und Ausfällen gesellen. Wenn Haftbefehl aber den Elan von Tracks wie „CopKKKilla“ oder „069“ auf die nächsten Projekte übertragen kann, steht einem würdigen Nachfolger von „Russisch Roulette“ nichts im Wege. Inhalte der Marke KenFM sollten dann aber besser der Vergangenheit angehören.
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