Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute…
Als wir Karate Andi vor über drei Jahren zum Interview in einem Café in der Leopoldstadt trafen, hatte niemand damit gerechnet, dass der Battle-Rapper irgendwann große Wiener Clubs ausverkaufen wird. Damals hatte er gerade seinen Rap-am-Mittwoch-Titel mehrmals im Kingfinale verteidigt und kurz darauf mit Produzenten wie 7inch und Figub Brazlevič zusammengearbeitet. Später folgte schließlich sein Debütalbum „Pilsator Platin“ sowie ein Vertrag bei Selfmade Records.
Ein Album später verschlägt es Karate Andi schließlich auf seiner „Turbo“-Tour auch das erste Mal für ein Konzert nach Wien – mit Unterstüzung von Caramelo, der auch schon mit Yung Hurn zusammengearbeitet hat. Überraschenderweise war es Caramelo selbst, der erst am Tag des Auftritts auf Facebook ankündigte, den Support für Karate Andi zu übernehmen. Fast zur Primetime begeben sich der Rapper aus NRW und der Wiener DJ Poe auf die Bühne, um mit dem bekannten Kollabotrack namens „Blunt“ von Caramelo und Skinny „Voyou“ Finsta zu starten. Caramelo schafft es von Beginn an, die Stimmung des Publikums aufzugreifen, welches durchaus positiv auf den Bielefelder Rapper reagiert und geht locker mit der Erwartungshaltung der Fans von Karate Andi um. Zwar hat Caramelo seinen Kollegen Skinny Finsta nicht an seiner Seite, dennoch gibt es zur Freude des Publikums überraschenden lokalen Besuch von Meilner, der mit Caramelo spontan einen bisher noch unbekannten Kollabotrack performt.
Neben dem Ultra-Banger „Step 2 Me Wrong“, der komplett zersägt, performt Caramelo wider Erwarten vor allem unbekannte oder unreleaste Lieder und somit leider nur einen einzigen Song aus dem sehr starken Mixtape „Slidephonefunk“. Nach insgesamt knapp acht Tracks und einem halbstündigen Auftritt verabschiedet sich Caramelo inklusive DJ von einer aufgewärmten und mittlerweile aufs Doppelte gewachsene Menschenmenge und gibt die Bühne für Karate Andi und Entourage frei.
Zu Hiobs „Drama Konkret“ erscheint Karate Andi schließlich nach einer längeren Wartezeit in „Andis Klause“, die Teil des Bühnenbilds ist. Schade nur, dass die Stage viel zu niedrig ist, um in einer ausverkauften Grellen Forelle auch nur irgendwas von den auftretenden Personen zu sehen. Aber immerhin die Anlage ballert. „Ich bin das Gegenteil von feige, also mutig, und komm deswegen nicht alleine auf die Bühne!„, kündigt Karate Andi seinen Back-up und Human-Traffic-Kollegen John Borno sowie seinen DJ an. Gleich zu Beginn tanzt er selbst mit zwei gebrochenen Knien den Boogie und stellt klar, dass Religion den zweitwichtigsten Platz in seinem Leben einnimmt. Man muss sich ja auch gutstellen mit Gott, wenn dieser alle Schandtaten sieht! Danach ist Wien, diese „gefühlvolle Stadt“, endlich bereit für „die geballte Liebe“ in Form vom Boss vom Hinterhof.
Für „Spiel des Lebens“ wird’s sogar wissenschaftlich: Karate Andi erzählt, dass laut einer Studie Männer mit Spielsucht potenter wären und fragt dann, welche beiden Konzertgäste aus dem Publikum eigentlich schneller einen Liter Bier exen können. „Augenfarbe schwarz, sehr gut„, kommentiert Andi den Gemütszustand eines Kandidaten beim Bier-Ex-Wettbewerb. Freibier gibt’s aber generell des Öfteren für die mitten im Club chemische Drogen konsumierenden Fans, was angesichts des Preises für ein kleines Bier (vier Euro) eine doch ganz nette Geste von Karate Andis Team ist.
Die Vorliebe für Bier, synthetische Drogen und Mofas sowie das Leben als Berliner Druffi bestimmen generell den Abend – sowohl textlich, als auch bei den Ansagen zwischen den Songs. „Ich habe letztens gemerkt, wie man einen Spiegel noch verwenden kann: nicht nur zum Koksen, sondern auch zum Ketaziehen„, teilt Karate Andi seine neuen Erkenntnisse mit. „Wortgewordenes Milieu“ bezeichnet die FAZ seine Raptexte, andere reden von „Penner-Rap“. Abgesehen von den kurzen Pausen zwischen einzelner Tracks scheint der arrogant wirkende Wahl-Berliner aber ganz fit zu sein. Zum Glück, denn die „Generation Andi“ w��re wohl komplett ausgezuckt, wenn ihr Lieblings-Mofa-Fahrer frühzeitig die Bühne verlassen hätte. Ungefähr so wie beim Pogen, als eine weibliche Konzertbesucherin unter die schubsende Menge kommt und keine Hilfe bekommt – und dann noch versucht wird, ihr das Handy abzuziehen. Diese Rücksichtslosigkeit ist schon erstaunlich.
Da hilft es auch nicht, dass Karate Andi predigt, dass deutscher Rap viel mehr zu bieten hätte als den „Scheiß Sexismus“ und auffordert, den „Kreis der unehelichen Abtreibung“ zu bilden, während eine Besucherin mehrmals ihr T-Shirt hochzieht, um Karate Andi und dem Publikum ihre Brüste zu zeigen. Irgendwie verliert sich das Konzert damit in seiner hedonistischen Welt zwischen Drogenglorifizierung und Realitätsflucht. Schade auch, dass sich Karate Andi am Schluss des Konzerts weigert, noch ein paar Freestyles zu bringen – wurde er doch gerade erst durch seine Battle-Rap-Fähigkeiten bekannt. „Freestylen? Das kann ich doch gar nicht„, ist seine kurze Antwort.
Weitere Fotos vom Abend:
Text: Julia Gschmeidler & Max Cornelius
Fotos: Niko Havranek
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Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute verbessert sie, hievt Beistriche wieder auf ihren richtigen Platz und hält die ganze Bande mit liebevoller Strenge zusammen. Nach dem Dienst im KURIER-Newsroom hört sie dann eine Zugezogen-Maskulin-Platte zum Einschlafen.