"The hardest thing to do is something that is close…
Trotz mehr als drei Jahrzehnten im Musikgeschäft sind DJ Muggs Ideenarmut oder Abnutzungserscheinungen fremd. Der 53-Jährige Produzent, der dank seines Wirkens als musikalischer Mastermind hinter Cypress Hill längst Legendenstatus genießt, liefert unverändert hohen Output auf einem außerordentlich hohen Niveau ab. Das ist ungewöhnlich und verlangt nach Erklärungen.
Offensichtlich ist, dass DJ Muggs sich über all die Jahre seine musikalische Neugierde beibehalten konnte. Ständig begibt er sich auf die Suche nach neuen Inspirationen, nach frischen Künstler*innen: Da kann etwa eine Reise nach Ägypten schon zur musikalischen Horizonterweiterung dienen, wie das etwa beim letzten, psychedelischen Cypress-Hill-Album „Elephants on Acid“ (2018) der Fall war. Auch zuvor war es Muggs, der im Plattenladen nach seinem Glück in der Psychedelic-Rock-, Krautrock- oder Metalabteilung suchte und es dort fand. Unbestritten, dass Cypress Hill ganz anders klingen würden, gäbe es Led Zeppelin oder Black Sabbath nicht.
Vielfalt herrscht auch bei DJ Muggs‘ Kollabo-Partner*innen vor. Das zeigt seine Diskografie. Dort stehen neben den bekannten Weed-Bangern mit Teekessel-Sound-Loops für Cypress Hill und Hit-Produktionen für Ice Cube oder House of Pain auch Kollabo-Alben mit so unterschiedlichen Künstlern wie Planet Asia, GZA, Tricky, ILL BILL oder Roc Marciano.
Ein Spiegelbild seiner eigenen Biografie, verbrachte DJ Muggs in New York seine Kindheit und zog erst im Alter von 14 Jahren nach Los Angeles. Ostküsten- und Westküsten-Sound lebt gleichermaßen in DJ Muggs. Damit nicht genug, scheute er sich nie, sich immer wieder in gänzlich neue Bereiche vorzuwagen, wie etwa das Projekt mit Tricky („Juxtapose“, 1999) oder die Dubstep-EP „Bass for Your Face“ (2013) zeigen.
Mehr „The Omen“, weniger „Halloween“
Zwar nicht musikalisch, aber ein releasetechnisch neues Kapitel schlägt DJ Muggs 2021 mit „Dies Occidendum“ auf, handelt es sich hier um sein erstes Instrumental-Album. Für diesen Release verwendete er sein Moniker DJ Muggs the Black Goat. Ein Pseudonym, das einst als Name für ein gemeinsames Projekt mit Yolandi Visser von der südafrikanischen Rap-Rave-Gruppe Die Antwoord angedacht war.
„Dies Occidendum“ ist zugleich seine erste Veröffentlichung über Sacred Bones Records. Das New Yorker Label machte sich als Heimat von Künstler*innen wie der Gothic-Pop-Queen Zola Jesus oder Electro-Tüftler wie Blanck Mass einen Namen. Sacred Bones ist aber auch als Plattform für Veröffentlichungen der künstlerisch pfundigen Film-Regisseure und Komponisten David Lynch und John Carpenter bekannt – kreative Geister, die ihren Hang zur Dunkelheit mit DJ Muggs teilen.
Das trifft besonders auf John Carpenter zu. Der für seine Horrorfilme bekannte Regisseur, der unter anderem das ikonische „Halloween“-Theme komponierte, hatte schließlich großen Einfluss auf das musikalische Schaffen von DJ Muggs. Musikalische Anknüpfungspunkte an John Carpenter gibt es auch auf „Dies Occidendum“ zu hören, das aufgrund seiner bedrohlichen Atmosphäre Soundtrack eines Horrorfilms sein könnte. Allerdings nicht eines gewöhnlichen Slashers, sondern zur Untermalung eines Streifens, in dem der Antichrist in Erscheinung tritt: Muggs‘ Klangwelten sind mehr „The Omen“ (1976), weniger „Halloween“ (1978).
Musikalisches Necronomicon
Dabei besteht Muggs‘ musikalisches Necronomicon aus Songs, die teilweise schon mehrere Jahre auf dem Buckel haben. Diese Unterschiede hört man allerdings nicht, gelang es DJ Muggs, zeitlos klingende Musik zu komponieren. „Dies Occidendum“ ist daher ein vielfältiges Gericht, zubereitet in DJ Muggs‘ Küche der musikalisch dunklen Künste: So ist „The Chosen One“ mit dem gespenstischen Vocal-Sample „The dark side? How could you possibly know anything about the dark side?“ aus dem 1953er-Science-Fiction-Streifen „Cat-Women of the Moon“ und Minor-Key-Piano eine Witch-House-Produktion, während das psychedelische „Nigrum Mortem“ mit geheimnisvoller Orgel, verzerrter, von Muggs selbst eingespielter Desert-Gitarre und Vocal-Sample aus dem Historien-Film „Black Death“ (2010) an den Sound des letzten Cypress-Hill-Albums erinnert.
Minimalistisch fällt „Subconcious“ aus, das aus einem beklemmenden Drone-Sound besteht, der von Bass und Snare eingerahmt wird. In diese ungemütliche Richtung gehen auch das gespenstische „Alphabet of Desire“, das als Soundtrack zum Streifen „Phantasm“ (1979) getaugt hätte, „Anointed“, das unheilsame Echos mit 808s kombiniert, oder der Opener „Incantation“, das mit seinen „La-La-La“-Vocal-Sample Assoziationen an das Theme des Horror-Klassikers „Rosemary’s Baby“ (1968) weckt. Im Vergleich dazu entspannt klingt der TripHop-Track „Veni Vidi Amavi“. Aber solche Momente sind die Ausnahme.
Der Standard sind vielmehr Grusel-Songs wie „Anicca“: Hier lässt DJ Muggs eine schrille String-Melodie verstummen, bevor ein Gewitter aus Hi-Hats und Bass einsetzt. Es sind unerwartete Übergänge wie diese, die „Dies Occidendum“ zu einem dichten Stück Musik machen. Das verdeutlicht noch einmal der Abschluss-Track „Transmogrification“, auf dem DJ Muggs‘ nach einem Giallo-Soundtrack-artigen Einstieg mit zirpenden Grillen in das Gebiet des Field Recordings eintaucht. „Transmogrification“ endet mit dem Geräusch von lodernden Flammen. Ein passendes Ende, das ein wenig an die flammenverhangene Schlussszene von „The Ninth Gate“ (1999) erinnert.
Fazit: DJ Muggs erstes Instrumental-Album ist eine Ansammlung von dunklen und bedrohlichen Soundlandschaften, die sich zu einem dichten atmosphärischen Gesamtbild zusammenfügen. Die Wahl obskurer Samples und die Produktion hypnotischer, schwerer Drums sind bekannte Muggs-Qualitäten, die sich auf „Dies Occidendum“ finden. Gepaart mit einem hohen musikalischen Verständnis erweist sich „Dies Occidendum“ als beklemmender musikalischer Trip – und als Beleg, warum DJ Muggs ein Meister der dunklen Künste ist.
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