Als er 1997 THE MESSAGE gründete, hatte er gar keine…
Auch im zweiten Teil des Interviews mit Flip von Texta geht es um die Eigenheiten der Hip Hop Bewegung in Österreich, neue musikalische Wege und bittere Enttäuschungen entlang des harten Pfades zu Ruhm und Anerkennung. Außerdem erklärt der Linzer seine persönlichen Anliegen, die er über seine Werke kommunizieren will und bietet einen Ausblick auf sein Leben nach der Musikkarriere.
Text: Julia Gschmeidler / Interview: Daniel Shaked
War es für dich eine bewusste Entscheidung, sich durch das Hören von Hip Hop zu einem gewissen Freigeist zu entwickeln?
Ich weiß gar nicht, woher diese Einstellung kommt. Ich glaube aber, dass ich schon immer so war und keine bewusste Entscheidung zu diesem Lebensstil geführt hat. Ich war schon immer ein wenig widerspenstig und konnte mit Autoritäten nichts anfangen. Ich akzeptiere sie zwar, wenn sie sich vernünftig verhalten, aber eine ungute Art halte ich überhaupt nicht aus. Dieses Gegen-den-Strom-Schwimmen ist mir mehr oder weniger zufällig passiert, weil es mir einfach egal war, dass ich der Einzige war, der Hip Hop gehört hat und mich alle verarscht haben deswegen. Die meinten dann, dass dieser Rapdreck keine Musik wäre und ich habe sie trotzdem jahrelang gehört.
Ich war auch BMX-Fahrer und es war mir egal, als alle mit dem Moped herumgefahren sind und ich mit meinem Kinderrad durch die Gegend gehupft bin.
Wenn ich für etwas eine Begeisterung finden kann, dann tu ich das auch, egal ob ich dadurch beliebt werde, oder nicht. Ich habe immer gemacht, was mir wichtig war im Leben und das waren unter anderem Hip Hop und Rap. Es geht mir einfach um die Sache selbst und nicht um das Gefühl, berühmt zu sein. Darum haben wir uns auch damals in Texta gefunden, denn Huckey und Laima sind im Prinzip genauso wie ich und Dan und Skero sind auch die Gleichen. Der Schlüssel zum Erfolg ist es, den Erfolg nicht zu suchen, sondern etwas zu schaffen und das dann zu promoten. Alles, was wir gemacht haben, war eigentlich unterpromotet, das liegt aber auch an den Strukturen der österreichischen Musik und der Medienlandschaft. Es hat sich aber trotzdem irgendwie für uns ausgezahlt nicht nur zu schauen, wo die schnelle Kohle zu machen ist, sondern einfach das Ding zu machen und dabei Freundschaften und Beziehungen zu Veranstaltern und Leuten aus der Medienwelt aufzubauen. Dabei war es uns trotzdem wichtig, etwas mit ihnen zu machen, weil sie cool sind, und nicht alleine aus dem Grund, weil sie in der Medienbranche sind oder für die und die Zeitschrift arbeiten. Es gibt nichts Schlimmeres, jemandem vorzumachen, dass er so leiwand ist und in Wirklichkeit kotzt man auf die Leute. Im Endeffekt haben sich unsere Grundsätze mehr ausgezahlt, weil die Leute irgendwie mitbekommen, dass man sich auf uns verlassen kann und wir auch glaubwürdig sind.
Hast du persönlich durch deinen Status und deine Position in Linz einen Einfluss auf die österreichische Musiklandschaft?
Viele Leute sagen das zwar, aber ich denke, es liegt an meiner Offenheit und an meiner Vorgehensweise, dass ich mir Dinge zuerst anschaue, bevor ich darüber urteile. Viele Menschen bilden sich zu schnell ein Urteil und beschäftigen sich danach erst damit. Es kommt schon komisch, wenn auf einmal jemand auftaucht und zu mir sagt, wie lässig er mich nicht findet, wenn er vorher noch gesagt hat, welches Arschloch ich nicht bin. Wenn mir etwas nicht taugt, versuche ich mich diplomatisch auszudrücken, weil ich die Leute auch nicht vor den Kopf stoßen will. Ich bin ein gewisser klassischer Gutmensch und mir taugt es, wenn die Leute Begeisterung für etwas haben und zu mir kommen und mir etwas vorrappen. Dieser Spirit, den diese Menschen haben, taugt mir, denn sie leben für was und das beeindruckt mich und gibt mir Energie.
Ist es dann schwierig, solche Leute gehen zu lassen, wenn man bemerkt, dass sie sich in eine andere Richtung entwickeln?
Es tut schon weh! Zwar nicht bei jedem, aber je persönlicher die Beziehung ist, desto enttäuschter ist man auch. Eigentlich hat man geglaubt, auf einer ideologischen Schiene zu sein und dann war vielleicht alles nur Schmäh, oder was ist da jetzt passiert?
Auch in Linz gab es solche Leute wie zum Beispiel Marquee, für mich war das in Wahrheit surreal. Auf einmal dreht der Typ durch und erzählt mir, dass ich jetzt Gangsterrap machen muss und er muss sich die und die Leute jetzt holen und dies und jenes. Auf einmal machen sie eine 180 Grad Drehung und reden vom kompletten Gegenteil, als noch Monate zuvor. Beim Max war es so, dass er zuerst die Platten nicht einmal auf Vinyl rausbringen wollte, sondern seine Musik nur Underground für ein paar Heads verbreiten wollte, ohne Promo oder Tribe Vibes. Ich wollte die Platte aber auch verkaufen und wir haben eine Stunde in der Kapu miteinander geredet. Ich meinte, dass er nicht blöd sein soll, weil das eine geile Platte ist und wir sollten die wenigstens auf Vinyl rausbringen und ein paar Monate später gab es nichts anderes für ihn, als jeden Tag einen neuen MySpace Track rauszubringen und auf hiphop.at disst er auf einmal alles und jeden und es gibt Streit und vor dem Ottensheim Open Air eine Schlägerei und nur so Sachen. Innerhalb von drei, vier Monaten hat sich alles aufgelöst, obwohl man glaubte, in einer gemeinsamen Unit zu sein, die jeden Tag gemeinsam im Studio gesessen hat. Das ist alles auf einmal nichts mehr wert und alles falsch und das hat mich auf einer freundschaftlichen Basis sehr getroffen. Mir hat eigentlich seine Energie getaugt und dann wird man als großer Abzocker, der bei der AKM angibt, welche Nummern er produziert hat abgestempelt und gemeint, dass ich die Autorenrechte dafür einkassiere und alles war unfair und falsch, dabei habe ich keine Kohle dabei verdient mit der Vinyl, sondern noch die Ausgaben mit meinem Privatgeld vorgestreckt, da bin ich bis heute nicht auf null. Und dann auf einmal bricht alles zusammen, Bauxl und GC waren kurz vor dem Nervenzusammenbruch und alles bestand nur noch aus Wahnsinn, Chaos und Irrsinn.
Gibt es nicht irgendwann den Punkt, in dem alles in sich zusammenzufallen droht und man mit dem Gedanken spielt, alles hinzuwerfen?
Ich habe dann versucht mich auf Texta zu fokussieren, auch wenn ich kurz vor dem Moment angelangt war zu sagen, dass mich Tonträger Records nicht mehr interessiert. Man bekommt keinen Groschen Geld für die Arbeit, denn wenn Gewinn bleibt, bekommt das zu hundert Prozent der Künstler. Dabei ist es ist nicht mal ein Label, sondern nur eine Plattform, die versucht den Leuten die Arbeit abzunehmen. Es ist mir rein um den Support gegangen und dann musst du dir anhören, dass du so ein Arschloch bist – das war echt nicht super. Natürlich macht man auch Fehler und manche Dinge sind falsch gelaufen, aber das war für mich der Punkt, wo ich daran gedacht habe diese Tätigkeit zu beenden und ich wollte auch nichts mehr Ähnliches machen.
Ist daraus die Idee entstanden ein Solo-Album zu machen?
Nein, das war unabhängig davon. Eigentlich habe ich kurz nach dem „So oder So“ Album angefangen und die ersten Nummern 2005 gemacht. Zu Beginn ist relativ viel weiter gegangen, aber dann kam das Unsichtbaren Projekt, dann ist noch das Tonträger Allstars Album gekommen und ich habe mein Vorhaben und mein Ego immer weiter nach hinten verschoben und meine Zeit in die anderen Projekte investiert. Dann ist noch das Texta Album „Paroli“ gekommen, ich habe einige Nummern für den Fiva Tonträger und für Mono und Nikitaman gemacht, dazwischen gemischt und nebenbei mein Projekt angetrieben, weil ich dachte, dass dies nicht so wichtig ist und dann oder wann rauskommen kann. Für das erste Album hat man ja sprichwörtlich das ganze Leben lang Zeit, da soll man nichts überhudeln. Aber dann fand ich, dass es an der Zeit wäre, es rauszubringen, sonst geht das überhaupt nicht mehr, sonst kann ich die Nummern selbst schon gar nicht mehr hören. Insofern ist das Album ein Best Of der letzten sechs Jahre.
Wie denkst du über das Soloalbum von Skero?
Nach dem „Paroli“ Album wussten wir, dass wir einige Zeit keinen Texta Tonträger mehr produzieren werden und wir einigten uns darauf, ein paar Sologeschichten zu tätigen. Huckey hat mit Average eine EP gemacht, ich habe das Fiva Album produziert, Skero hat ein Soloalbum fabriziert und das ist alles so schnell gegangen, da hat mich extrem die Arbeit gepackt und ich habe mich zeitintensiv mit meinem Projekt beschäftigt, weil ich wusste, dass ich die Zeit nützen muss. Im Endeffekt hat mein Album dann noch ein halbes Jahr oder länger gedauert, weil dann noch mein Perfektionswahn zugeschlagen hat und ich habe noch herumgefeilt und alles noch einmal aufgenommen und dies und jenes hinzugefügt.
Skero hat diesen Fahrrad-Track namens „Fuß vom Gas“ mit Kamp gemacht, was hälst du davon?
Ich habe ihn gefragt, was mit ihm los ist, er als Anti-Radfahrer. Er meinte nur: „ Aja, an das hab ich nicht gedacht.“ Vielleicht hätte ich einmal ein BMX Video machen können als BMX Fahrer. Huckey ist es ähnlich gegangen mit der Fuball-Nummer. Wir waren in der bandinternen Kritik hart mit ihm und haben ihn gefragt, was er uns da eigentlich erzählt. Du redest über Fußball, über das Radfahren und Kabinenpartys, das ist Zeug, das du gar nicht bist und das nennst du dann Memoiren? Was sind das für Memorien, denn ich höre nichts von dir? Bei ein paar Nummern gibt es viel fiktives Storytelling, wo er meinte den Beat gehört und dabei gedacht zu haben, dass ein Track über Fußball gut drüber passen würde. So ist einfach Skero, der funktioniert in seiner eigenen Logik, die ich nicht immer nachvollziehen kann. Wir hatten da schon ziemlich viel Diskurs darüber, finden das Album aber eigentlich lässig, auch wenn wir teilweise andere Erwartungen daran hatten, aber es ist eine super Platte, mir taugt sie schon. Aber bei der Fußball-Nummer habe ich mich schon gefragt, was das ist. Der größte Fußball-Hater der Welt, der Huckey jahrelang dafür gedisst hat, weil dieser immer ins Stadion rennt, macht auf einmal einen Fußball-Track. Was war der Beweggrund dafür? Das sind Geschichten, von denen ich keinen blassen Schimmer habe. Aber so ist Skero, wenn er eine Idee hat, dann versucht er die irgendwie umzusetzen und das ist eine Fähigkeit, die ich an ihm schätze. Denn ich kann das so nicht, dass ich mir Sachen aus den Fingern sauge und dann darüber recherchiere, sonst könnte ich auch sofort eine Nummer über Molekularphysik machen.
Wie spielt die Ambivalenz aus MC und Producer beat- und rhymemäßig zusammen?
Das ist ein wenig die Flip Umberto Ghetto Schizophrenie. Das Denken über Beats und Rhymes ist sehr autark und die beiden Ströme existieren parallel. Ich denke beim Beats machen nicht sofort daran, wie ich am besten darauf rappen könnte, das mache ich erst später. Ich denke auch nicht daran, wie ich einen Beat bauen könnte, damit ich einen gewissen Rhyme darüber kicken kann. Ich denke eigentlich eher als DJ und wie man den Track auflegen könnte, außerdem schreibe ich auch die wenigsten Texte auf den Beat selbst.
Bei neunzig Prozent der Songs auf meinem Soloalbum hatte ich auch schon die Texte und hab dafür dann Beats ausgesucht.
Während des Schaffens für dein Soloalbum hast du parallel einige Alben für andere Leute gemacht. Hast du dir dabei auch ein paar Beats aufgehoben, weil du die so leiwand gefunden hast?
Ich habe mir einige Beats bewusst weggelegt, die mir extrem getaugt haben und dann geschaut, welcher Text dazu passt. Texte, die ich direkt auf den Beat geschrieben habe, waren zum Beispiel bei der „Oldschool“- Nummer oder „Schwindelfrei“ und andere Tracks wie „A&O“ habe ich dann auf irgendwelche Beats gemacht, die ein ähnliches Tempo hatten. Das Intro habe ich klarerweise schon auf den Beat geschrieben, das hört man auch ein bisschen. Der MC in mir denkt eher ans Beatbauen und nicht ans Rappen.
Wie sind die Features auf „Umberto Ghetto“ zustande gekommen?
Eigentlich habe ich da sehr selektiert. Die Nummer mit Buff1 & 14KT ist zum Beispiel 2007 entstanden, als die beiden Vorgruppe von Slum Village in Linz waren und einen Day Off hatten. Da habe ich sie dann geschnappt und ohne Hintergedanken ins Studio gebracht und das war es dann auch. Dann haben wir die Beats durchgeskippt und einfach etwas aufgenommen. Das Ganze basierte eher auf menschlichen Komponenten, ich habe auch bis heute nichts gezahlt für das Feature.
Die Nummer mit Fiva wäre eigentlich für ihr Album gedacht, hat dann aber nicht so gut drauf gepasst und wir haben die für ihre Platte erst später aufgenommen. Kayo wollte ich ursprünglich eigentlich auch auf einem anderen Track haben, ihm hat aber „Leere Versprechen“ thematisch mehr getaugt. Das Feature bei „Ghetto?“ mit Baay Sooley war aber ganz bewusst. Ich habe mir speziell ihn ausgesucht, weil ich die Klangfarbe interessant fand und sie gut auf die Musik passt. Außerdem wollte ich jemanden aus Afrika haben, bei dem die typischen Österreicher sagen würden, dass er im Ghetto lebt, obwohl er es nicht tut, aber für die ist Afrika sowieso ein Ghetto. Wenn er dort leben würde, würde er auch raus wollen und das war eine ganz witzige Aufhebung von der Nummer. Mein Text ist ein bisschen älter als dieser Ghetto-Fanatismus in Deutschland, bei dem jeder reklamiert aus Ghettos zu kommen. Da habe ich an solche Länder wie Kenia, Senegal oder Jamaica gedacht, wo man wirklich von Ghettos sprechen kann. Da habe ich mich gefragt, welchen Scheissdreck mir die deutschsprachigen Rapper erzählen, was soll das für eine schwachsinnige Kacke sein, wenn man in einem Sozialbau lebt, in dem es vielleicht eng und nicht top renoviert ist, aber in dem es Wasser gibt und das Licht immer brennt, wo man aus der Tür geht und alles hat, zum Beispiel Geschäfte und man muss sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, wo es heute Abend Kohle fürs Essen gibt. Was erzählen die mir von einem Ghetto? Das ist doch, wenn 700.000 Leute ohne Kanalisation, Frischwasser und Licht leben und wenn es mehr Black Outs als Strom gibt. Und dann erzählt mir irgend so ein in der Mittelschicht Aufgewachsener vom Ghetto in Berlin, dass das sein Beweggrund wäre, Texte zu schreiben und ich dachte es wäre spannender, wenn nicht noch ein Österreicher diese Thematik aufgreift.
Du hast eine gewisse Verbindung zu Afrika und bist auch öfters dort. Bestehen ein Interesse und eine Leidenschaft zu Afrika?
Mittlerweile kann man das so sagen. Dort leben total spannende Leute, die Rap und Musik machen. Ich kenne Tänzer und Modeschöpfer im Kongo und es ist spannend, was dort passiert und wie sich die Dinge entwickeln und rückentwickeln, dort herrscht einfach ein ganz anderer Spirit.
Wie wichtig empfindest du es, diese andere Realität auch kennen zu lernen?
Ich denke, dass diese Erfahrungen für jeden wichtig sind, um diese Blockmentalität abzulegen, denn die haben mittlerweile schon so viele Leute. Sie denken nur, wie wichtig ihre Hood ist, im Zehnten sind die Chefs und auch Ottakring ist echt peinlich. Jeder kann es sich leisten, irgendwo einmal hinzufliegen, um den Horizont zu erweitern, aber sie sind alle auf ihre 200 mal 200 Meter fixiert und wollen auf diesem Fleckerl die Helden sein, das finde ich irgendwie traurig. Diese Menschen sollten selbst einmal Leute treffen, die ohne Mittel aufgewachsen sind, aber etwas kreiert und bewegt haben, die selbst auf Politik Einfluss nehmen können. Bei einem Hip Hop Festival in der Nähe von Dakar haben diese ärmeren Menschen ein Studio aufgebaut und Tanzworkshops organisiert, diese Leute sind voller Energie und wollen etwas verändern. Sie versuchen diese Scheisse nicht zu glorifizieren, sondern versuchen durch Kreativität ihre Lage zu verbessern. Das ist ein sehr spannender Aspekt und nicht so destruktiv wie die US-Raps. Der Süden von Amerika ist zwar auch eine elendige Gegend, in der es katastrophale Gebiete gibt, die teilweise ärger aussehen als die in Afrika. Daher haben sie eher diesen destruktiven Zugang, den man in Afrika überhaupt nicht kennt, denn die haben eher einen lebensbejahenderen Entwurf mit weniger Gewalt, Waffen und Drogen, denn diese Faktoren haben die Hirne der Amis zerstört. Dieser hirnlose Kreislauf von Gewalt, Drogen und Vergewaltigungen ist ein bisschen deprimierend.
Für diese konstruktive Auffassung von Hip Hop im ursprünglichen Sinn stehst du auch als Person ein. Mit Texta warst du in Gefängnissen und hast Workshops gemacht, trotzdem entwickelt sich diese Kultur ein wenig in die andere Richtung?!
Jein, denn mir kommt es vor, als würde sich das Ding wieder ein wenig in Richtung Hedonismus und Oberflächlichkeit drehen. Allerdings geht es auch vom stumpfen „Ich muss der Härteste sein um Respekt zu bekommen“ wieder weg, sowohl im Rap als auch bei den Kids. Das Stumpf-ist-Trumpf Konzept ist meiner Meinung nach wieder im Aufbrauch und war vor fünf Jahren katastrophaler. In Wien fällt es mir bei vielen ausländischen Jugendlichen noch stärker auf, aber es geht ein wenig zurück von dieser ganz hirnlosen „ich hab den Größten und die härteste Faust“ – Mentalität. Es bringt auch nichts, denn rein raptechnisch gesehen bleibt Bushido wohl der Einzige, der damit Erfolg hat. Chakuza ist der Zweiterfolgreichste mit dem Sound, sonst kann man niemanden mit dem Erfolg messen aus dieser härteren Rapecke. Sonst tut sich nichts, außer vielleicht noch K.I.Z., die locker flockig sind, oder Huss und Hodn und die Orsons. Ich glaube, die Rapszene dreht sich wieder ein bisschen, denn es ist langweilig geworden und was ist schon härter als hart. Ich glaube, dass es den harten Rap immer als Sparte geben wird, denn den gab es schon von Anfang an, auch im deutschsprachigen Raum und es wird auch immer spannend bleiben, wenn jemand mit Charisma und Profil in der Post-Bushido-Zeit auftaucht, falls es die jemals geben wird. Aber diese Flächenausbreitung, als man das deutsche Rapgame völlig vergessen konnte, wenn man nicht aus Berlin war und über Obszönitäten gerappt hat, ist glaube ich vorbei. Denn wie oft will man noch Gewalt androhen, wenn es dann nicht passiert, wird man irgendwann unglaubwürdig.
Die Nummer „Alt“ vom „So oder So“ Album aus dem Jahr 2004 hat damals schon viel vorgegriffen. Trifft es in der Retrospektive zu, dass du mittlerweile zu alt für dieses junge Genre bist?
Einerseits wachsen die Leute mit der Musik mit, aber andererseits sind schon viele Leute wieder abgeturnt von diesem Genre. Es gibt nicht viele 37-Jährige wie mich, die noch Hip Hop hören. Das Image dieser Musiksparte hat sich leider diskreditiert als Idioten- und Kindermusik, aber Texta hat noch seine Fans, ob jung oder alt und insofern gibt es noch einen riesigen Markt für die Leute, die diese Musik noch immer interessant finden. Solange man Musik macht, ist man auch nicht zu alt für Rap, glaube ich. Das ist immerhin eine 40 Jahre alte Kultur, KRS One und Chuck D gehen dem Fünfziger zu und sind noch immer aktiv. Hip Hop ist noch immer ein komplett akzeptiertes Genre, wird im Endeffekt aber von der Major-Industrie und den Medien auf Kinderniveau gehalten. Die waren es auch, die Bushido irgendwo hinaufgehievt und Sido zu MTV gebracht haben. Sie versuchen dieses simple Niveau zu pushen und dann ist es kein Wunder, wenn das Genre ein infantiles Image bekommt. Beim US-Rap mit Gruppen wie The Roots, Common oder Q-Tip ist diese Schiene auch schon vorhanden und ich denke, dass es immer spannend bleiben wird. Ich glaube schon, dass es einmal den Zeitpunkt geben wird, an dem es mich nicht mehr freut auf der Bühne zu stehen und zu rappen. Momentan macht es mir aber noch viel Spaß und produzieren und Beats machen werde ich sicherlich auch noch lange.
Hast du denn schon Pläne für die Zeit nach der Musikkarriere?
Nein, gar nicht. Ich bin ehrlich gesagt total schlecht im Planen, alleine wenn ich daran denke, Kinder zu machen, bekomme ich schon eine Krise, obwohl das eigentlich schnell gemacht wäre. Da steckt das Kind in mir drinnen, ich bleibe wohl ewig eines, darum bin ich auch Hip Hopper. Ich mache noch immer dieselben Dinge, die mir schon als Kind getaugt haben, wie BMX fahren und Rapmusik, meine Hobbys haben sich kaum weiterentwickelt. Mein Vater hat einmal treffend gesagt, dass es für ihn erschreckend ist, wie Leute ihre Ideale weggeschmissen haben, wie er sie bei einem Klassentreffen wieder gesehen hat. Mit 19 oder 20 hatten noch alle Ideale und Träume, von denen heute bei 90 Prozent nichts mehr übrig geblieben ist. Mein Vater meinte auch, dass ihm diese Eigenschaft an mir taugt, weil ich das alles durchziehe und das mache, was mir Spaß macht. Als ich vor zehn Jahren noch studiert habe, hat das noch anders ausgesehen, denn da sollte ich meine Zeit nicht vertrödeln und nach zehn Jahren Studium haben meine Eltern dann bemerkt, dass ich das schon irgendwie richtig machen werde. Das ist cool, wenn die eigenen Eltern akzeptieren, dass man seine eigenen Ideale verwirklichen will, was wirklich selten ist und auch nur die wenigsten schaffen. Es ist schlimm, wie manchmal die Ideale der Kindheit und der Jugend, die noch so frisch und idealistisch sind, in der grauen Masse versinken. Das ist dann das typische Durchschnittsgesicht in Österreich, das sich freut, wenn der neue Audi in der Garage parkt. Genres wie Musik, Sport und Kunst sind Tools, wo diese Ideen am Leben bleiben und darum glaube ich an Hip Hop, denn es ist eine spannende Musik, die mit Tanz, Graffiti, DJing und weiteren Elementen wie zum Beispiel Fashion verbunden ist. Wenn ich dann die Hater lese, die meinen, dass The Message kein Hip Hop Magazin ist, dann denke ich mir immer welche Idioten das eigentlich sind. Natürlich ist eine Marianne Mendt null Hip Hop, in dem Moment wo sie vor dir sitzt, eine 65-jährige, kettenrauchende Jazzsängerin. Aber das sind die Grundsteine, die gelegt wurden und aus denen diese Kultur die Energie bezogen hat, also ist das auch Hip Hop. Früher war das eben Funk, das war Kraftwerk, Hip Hop war irgendwas. Hip Hop war immer schon diese Melange, die aus pasten und fladern besteht, in der man etwas herholt aus Richtungen, die fresh, dope und funky sind. Hip Hop ist der funkigste Typ der Welt, der den Scheiss an hat, den sonst niemand hat, der das Sample checkt, das noch keiner hatte und wenn doch, dann macht er es doper als der Vorige. Hip Hop heißt Respekt zeigen, nämlich den Bausteinen, den Architekten und den Grundwerten, da gehört ein Falco genauso dazu, wie auch andere ganz dubiose Menschen. Manche verstehen nicht, warum ich das ganze mache und wie wichtig das ist. Als Trishes nicht verstand, warum ich so eine Nummer wie „Back to the Old School“ gemacht habe, war meine Antwort einfach. Wenn ich nur fünf 15-Jährige dazu bringe, sich den Track anzuhören und die dann recherchieren, wer Kool Herc oder Grandmaster Caz waren und wie diese Kultur entstanden ist, dann hat die Nummer schon ihre Daseins-Berechtigung. Man sollte den alten Leuten Props geben und sich in Erinnerung rufen, wie alles entstanden ist, auch wenn das alles nur an der Oberfläche kratzt, weil ich versuche in 16 Bars die Entstehung zu skizzieren. Für mich ist das ein Erziehungsauftrag, der sagt, dass man sich die älteren Sachen auch anhören sollte.
Nicht nur der neueste Download ist top, sondern auch das steinälteste Break von 1972 ist funkier, als alles was irgendwer mit seinem scheiss Laptop zusammenproduziert und den Synthiegurkerln, die da irgendwo herumschwimmen.
Es ist auch kein Hip Hop, nur weil jemand ein künstliches Orchester einspielt. Auch wenn diese Denkweise vielleicht manchmal belächelt wird, ist sie mir wichtig und ich finde es schade, wenn die ältere Generation ihr Wissen nicht weitergibt und so tut, als würde sie den heiligen Gral bewachen, es geht einfach um die Weitergabe. Du setzt jetzt den Samen ein und wenn dann etwas wächst, kannst du von den Früchten zehren und dich ernähren. Oft gibt man zu viel und das saugt dich aus und man bekommt von den Leuten nichts zurück, dann muss man überlegen. Vielleicht waren es einfach die Falschen, aber ohne etwas herzugeben, kann man auch nichts zurückbekommen, das hat noch nie funktioniert.
Was möchtest du noch als Schlusscredo loswerden?
Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass „Umberto Ghetto“ mich im Rap-Kontext widerspiegelt. Es gibt mich auch im BMX-Kontext, im privaten Kontext mit Freunden und meiner Freundin, aber das sind alles verschiedene Universen, in denen man sich bewegt und von denen man umgeben wird. Umberto Ghetto ist sozusagen mein Rap-Universum, in dem ich meine Ideale und Lebenserfahrungen preisgebe. Es würde mir so elendig vorkommen, mich zu persönlich zu präsentieren, das kann ich einfach nicht. Ich bewundere die Leute, die ihre Seele und ihr Herz offenbaren, aber ich bringe das nicht zusammen. Ich zeige schon viel von mir, aber ich bin kein Eminem, der sich pudelnackt auszieht und alles zeigt. Wenn das wer kann, dann finde ich das auch gewaltig, aber ich fühle mich nicht wohl dabei. Es ist schon ein altes Ego von mir im Album dabei, aber eben nicht alles, was ich bin. Es ist wichtig, diese Distanz zu wahren und man erfährt schon viel über mich, wenn man sich das Album anhört, alleine im Intro. Eigentlich hätte ich nur das machen müssen, dann wäre ich schnell fertig gewesen.
Foto: www.supercity.at
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Als er 1997 THE MESSAGE gründete, hatte er gar keine Ahnung, was da alles auf ihn zukommen würde. Als Fotograf überlässt er lieber Berufeneren das Schreiben. Dafür fragt er gerne nach. Nur in seltenen Fällen haut er selbst in die Tasten. Aber da muss schon viel passieren. Einfach lieber am Auslöser