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Shawn The Savage Kid – LowLife Schickimicki

Shawn The Savage Kid – LowLife Schickimicki

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Showdown Records / VÖ: 30.10.2015

Vor genau zwei Jahren führte The Message das erste Interview mit Shawn The Savage Kid (kurz STSK) und seinem damaligen Produzenten Melik. Schon damals benutzen sie den Ausdruck „LowLife Schikimiki“. „Das bedeutet, dass du dein iPhone und dein Macbook Pro hast, aber deine Miete nicht zahlen kannst (…) Jeder hat alles, aber man kann sich’s in Wahrheit nicht leisten.“. Zwei Jahre später greift Shawn The Savage Kid diesen „gelebten Gegensatz“ auf, um sein hoch antizipiertes Debüt-Album danach zu benennen. Mittlerweile zählt er nach zwei EPs und zwei Free-Download-Mixtapes zu den Fixgrößen in der Wiener Szene (er zog des Studiums wegen von Regensburg nach Wien). Dementsprechend hoch waren die Erwartungen an „LowLife Schickimicki“.

Mit „Goldjunge“ startet Shawn The Savage Kid ironisch in das Album und leitet damit ein, worum es eher weniger gehen wird. Oder doch? Was die Hauptthemen des Albums sind, wird schließlich mit dem darauffolgenden Titeltrack „LowLife Schickimicki“ klarer. Nämlich genau um diesen schon erwähnten „gelebten Gegensatz“ zwischen dem MacBook zuhause und keinem Cent (oder „Zehn Bucks“) in der Tasche. Diesem roten Faden folgt der Rest des Albums konsequent. Allein die Storytellings tanzen dabei minimal aus der Reihe, ohne die Harmonie der Platte zu stören. Die erzählte Geschichte fügt sich immer in das Gesamtkonzept ein, Ab- bzw. Ausschweifungen finden hauptsächlich in den Texten statt.

In „Cowboy“ beschreibt der Künstler seine Beziehung zu unserem Freund und Helfer. Dazu sagt er selbst auf Nachfrage zu The Message: „Jeder, der in Bayern aufgewachsen ist, hatte schon einmal mit der Polizei zu tun. Jeder. Aber wenn du so aussiehst wie ich, dann passiert das wohl noch etwas häufiger. Konkret beziehe ich mich in dem Track auf den Fall Tennessee Eisenberg – vermischt mit persönlichen Erfahrungen und Erfahrungen von Freunden.“ STSK zeichnet dabei das Bild eines autoritären und vor allem rassistischen Cops, der mit seinem treuen Schäferhund wie ein Wild-West-Sheriff durch die Stadt stolziert.

 „Schon als Kind war er Sheriff und jagte Indianer/
Heut sind’s ein paar Schwarzafrikaner, Afghanen, Iraner“
(„Cowboy“)

Einer der stärksten Tracks des Albums ist mit „Highland“ ebenfalls ein Konzeptsong. Im Aufbau dazu wird klar, wie sehr die Storytellings sich in das Gesamtkonzept einfügen: Nach der „Kugel im Kopf“ und der „Stunde X“ findet sich der Protagonist im „Highland“, also dem Paradies wieder. Nur ist hier nichts „wie damals in der Bibelstunde“.

Da wird ein richtig dickes Ding gebaut/
Hier dreht man dreifaltig, scheiß auf Inside-Out“
(„Highland“)

Ein witziger Track über den Kiffer-Himmel, bei dessen Anblick man sich nicht wundern braucht, dass unsere Gebete nicht erhört werden und, dass „die Welt ist wie sie ist.“ Auch das ist eine Stärke des Albums: schwere Themen – meist von einer recht pessimistischen Message begleitet – werden mit solch einer Leichtigkeit und einer „Scheißegal“-Einstellung (z.B. im unkonventiellen Sommerhit „Strandmatte“) gebracht, dass das Schwere daran vergessen wird. Beeindruckend ist ebenfalls, dass STSK bis auf zwei Beats die ganze Platte selbst produziert hat.  Das unterstreicht den roten Faden der sich durch das Album zieht, was  auch ein Grund für Shawn war die Produktionen hauptsächlich selbst in die Hand zu nehmen. Produziert wird übrigens mit Logic und diversen Midi-Controllern, verarbeitet werden viele Samples und viele Synths. Shawn The Savage Kid konkretisiert: „Bei der Samplesuche bin ich immer ganz offen. Generell stehe ich aber extrem auf Symphonic Progressive Rock aus den 70ern.“

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Das Album wirkt wie eine Anleitung für das simple, aber schöne Leben. „LowLife Schickimicki“ ist dabei mehr als nur ein Slogan oder irgendein Hashtag, mit dem man seine Promophase ankurbelt. Es soll ein Lebensgefühl ausdrücken. Und zu diesem gibt es also nun einen Soundtrack auf Albumlänge. Hier wird nicht lange schwadroniert, sondern wunderschön umschrieben. Worum es geht, Himmel und Hölle vielleicht, aber vor allem um das Leben im Hier und Jetzt. Auch wenn der Ausdruck schon ausgelutscht ist, man kommt nicht darum herum zu sagen, dass Shawn The Savage Kid mit dem Album den Zeitgeist trifft. Und sei es der von Kids, die im Kleinstadtidyll vor bayrischen Cops flüchten müssen oder Hipster, die in Wien auf Szene-Partys rumhängen. Shawn the Savage Kid ist in diesen Bereichen genauso Beobachter wie auch Miterleber. Das „Wir“ zieht den Hörer in den Bann, das lyrische „Du“ bezieht sich höchstens auf Autoritäten und Rap-Konkurrenten (die kriegen u. a. in „Gebrüder Grimm“ mit Phil Dizzy indirekt ihr Fett ab). Und das „Ich“? Es beschreibt das Leben eines „Strizzis“, der sich meist zwischen seiner zugemüllten Wohnung, dem Club oder hier und da einer Vernissage („Über die Bilder verlieren wir vielleicht ein, zwei Worte/ Aber danke für die Weißweinschorle“) aufhält. Nachtleben-POV sozusagen. Doch Shawn zieht nicht allein um die Häuser. Auch seine RC Gäng (mit der er letztes Jahr das herausragende „NGT“ veröffentlichte) darf in dem vom Album transportierten Gemeinschaftsgefühl nicht fehlen. Mit „Es ist die Gäng“ sorgen sämtliche Mitglieder mit teils wahnwitzigen Wie-Vergleichen für eins der Highlights der Platte. Zu diesen gesellen sich auch die Eskapismus-Hymne „Nie Wieder Weg“ und die Monatsende-Hymne „Zehn Bucks“.

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Fazit: Shawn The Savage Kid liefert mit seinem Debüt-Album ein großartiges Produkt, das (wohl vor allem für Wiener und Regensburger) von seiner hohen Nachvollziehbarkeit lebt. Man erkennt entweder sich oder andere wieder und begleitet den Protagonisten durch dessen Alltag. Produktions- wie auch raptechnisch gibt es hier nichts auszusetzen, wobei man den ein oder anderen Wie-Vergleich vielleicht schon woanders oder gar nicht hören wollte. Doch auch diese „Wurschtigkeit“ birgt einen gewissen Charme (sollte wohl auch nicht allzu ernst genommen werden) und beeinflusst ohnehin kaum die Qualitäten der Platte. Die Tatsache, dass so gut wie alles auf dem Album selbst produziert wurde, macht das Ganze nochmal um einiges bemerkenswerter. Insgesamt ist „LowLife Schickimicki“ ein Toast auf die guten Seiten des Lebens, den man sich unbedingt zu Gemüte führen sollte. Prost, Mahlzeit!

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(JM)