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„R.I.P. Lil Peep“ // $uicideboy$ live

„R.I.P. Lil Peep“ // $uicideboy$ live

 

$uicideboy$
$uicideboy$ live – leider ohne Fotos.

Thank you for keeping us alive“. Die $uicideboy$ live in Wien. Konzert- und Pressefotos waren an diesem Abend keine erlaubt. Doch das großteils gerade volljährig gewordene Publikum dokumentiert schon die leere Bühne mit massenhaft Snaps und Storys. Begleitet von G*59-Sprechchören betritt der DJ die Bühne. Es wummert 6IX9INE und Lil Peep aus den Boxen und bei „Look At Me“ von XXXtentación möchte man meinen, dass das Konzert schon begonnen hat, denn die Menge grölt jedes Wort mit.

„Sold out shows, but I don’t believe in souls
So I doubt these shows are going to leave me feeling whole“
(I No Longer Fear the Razor Guarding My Heel III)

Ruby Da Cherry und $crim aka Suicide Leopard aka Suicide Christ sind auf ausverkaufter Europa Pre World War III Tour. Mit ihrem regelmäßigen Output der „KILL YOURSELF„-Saga haben sich die zwei Cousins aus New Orleans mittlerweile an die Spitze des Trap-Olymps gerappt. Horrorcore, Dark Trap, Shadow Rap und düstere Texte, die merklich auch ein größtenteils sehr junges Publikum anziehen, aber doch auch klassische Three 6 Mafia-Hörer in ihren Bann ziehen. Nicht umsonst hat Juicy J schon sein zweites Tape releast, das fast komplett von den $uicideboy$ produziert wurde.

Es wird gefragt „Siehst du eh was?“. Man ist solidarisch. Vereinzelt stehen Eltern und Begleitpersonen in den hinteren Reihen, denen der permanente Weed-Geruch weniger Angst macht, als das, was auf sie zukommt. Denn mit den zwei Rappern auf der Bühne zieht für eineinhalb Stunden der Ausnahmezustand in die Arena ein. „Dead Batteries“, „2nd Hand“ und „Paris“ dürfen dabei nicht fehlen – das Wiener Publikum ist textsicher und die Moshpits sorgen für reichlich Turbulenzen. Mit „$outh $ide $uicide“ wird auch dem Homie und Wegbereiter Pouya bedacht. Wie das so üblich ist, laufen natürlich die Stimmen auch recht laut auf dem Playback mit, was dem Ganzen aber nur noch mehr Druck verleiht. Rubys Gesangseinlagen, die an vergangene Emo-Core-Zeiten erinnern, zeigen zudem seine facettenreiche Stimmgewalt.

Mit den Klängen von „LTE“ und „Antarctica“ geht das Konzert nach einer lebendigen Zugabe zu Ende. Abschließende emotionale Worte des Danks an die Fans entschärfen auch für die zusehenden Eltern die Masse an Mittelfingern und Fuck-Rufe des Abends. Und ein großer Haufen verschwitzter Jugendlicher mit roten Bäckchen und in $uicideboy$-Merch strömen an die frische Luft.

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Fazit: Mitte 2015 sind mir die $uicideboy$ zum ersten Mal unter die Ohren gekommen. Hätte mir damals jemand gesagt, wie groß die Jungs werden, hätte ich es schlichtweg nicht geglaubt. Doch die destruktive, düstere und emotionale Seite der Musik hat schon immer einen Reiz auf die Jugend gehabt. Und so entwickeln sich die $uicideboy$ aus kommerzieller Sicht ein bisschen zu den Bring Me The Horizon des Shadow Raps. Vollkommen zu Recht. Dazu vertiefen die beiden ihre Fan-Bindung mit jedem Gig – herzlich, ehrlich und emotional. Inklusive einer bombastischen Show, wie man sie selten in der Arena erlebt hat. Trotzdem bringt der Trend, offen über Depressionen, Drogenkonsum und suizidale Gedanken zu sprechen in Hinsicht auf die Vorbildfunktion der Rapper auch einen fahlen Beigeschmack mit sich. Nicht zuletzt durch den Tod von Lil Peep. Aber das ist für diesen Artikel ein zu weites Feld.

Ein spezielles Danke an Beat The Fish für dieses exquisite Booking.

Text: Michael Reinhard & edHardygirl14