Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute…
Wiedersehen macht bekanntlich Freude. Okay, es existieren bekanntlich genügend Ausnahmen dieser Regel, aber im Falle der bitterbösen Gesellschaftskritiker von Zugezogen Maskulin, die zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate zu einem Konzert in Wien laden, trifft dies auf jeden Fall zu. Genießt das Duo doch einen ausgezeichneten Ruf als Live-Act, der, wie sie bereits bei ihrem Juli-Konzert im Rahmen von Beat the Fish bewiesen haben, nicht von ungefähr kommt. Statt in die Arena geht es diesmal jedoch ins Flex Cafe – ein Vorraum der großen Konzertbühne, der einen Hauch von Jugendzentrum versprüht und bei dem Torch sicher feuchte Augen bekommen würde. Richtig real, richtig HipHop.
Dass die Anlage trotz der kleinen Location zu veritablen Leistungen imstande ist, zeigte sich bereits bei Fashawn (Konzertkritik). Über den Sound gibt es auch beim Gig der Berliner nichts zu bemängeln, im Anbetracht der Umstände wird hier das Maximum herausgeholt. Grim104 und Testo, unterstützt von DJ und Violonist Kenji451, zeigen sich motiviert und gut aufgelegt, auch wenn die Show nicht fehlerfrei über die Bühne geht: Vor allem Grim kämpft immer wieder mit kurzen Textaussetzern. Zur humoristischen Auflockerung wird die Zeit zwischen den Songs mit allerhand Anspielungen auf die üblichen Verdächtigen Prinz Pi und Olson („Ich hole mir jetzt einen Mikrofonständer, um ernstzunehmende Musik zu machen, wie Olson oder Prinz Pi – LOL“) sowie Kool Savas („Wir lassen es jetzt fließen wie Wasser oder wie Nasenbluten“) überbrückt. Die Ercandize-Lines („Wer kann sowas? Ich kenne keinen!“) verstehen zwar sichtlich nicht alle im gut besuchten Flex Cafe. Jene, die wissen, worauf sich diese beziehen, belohnen Grims Ansage aber mit lautem Lachen.
Neben Songs aus ihrem aktuellen Album „Alles Brennt“ (Review) spielen die beiden auch Nummern aus ihrem vier Jahre alten Album „Kauft nicht bei Zugezogenen“. Man merkt am Publikum, dass Tracks wie „Häuserkampf“ oder „Rotkohl“ nicht so bekannt sind wie die neueren. Zu „Endlich wieder Krieg“ und „Grauweißer Rauch“ sowie dem Grim-Klassiker „Frösche“ rappen die Konzertbesucher die Texte mit und atmen dabei dicke Rauchschwaden aus. „Ihr raucht hier auch ganz schön dicke Papphörner, Kollegen“, spricht Grim104 das süßlich riechende Lokal an. Dieses Odeur sollte sich ändern, als die beiden Rapper nach „Guccibauch“ mit dem „teuersten Champagner von Wien“ ihre alt bekannte Sektdusche vollziehen. Grim104 kontert danach mit einer Anekdote von einem nächtlichen Wald-Spaziergang. „Ihr müffelt wie ein Tier im Wald – dem Fuchs“. Was folgt, ist ein neuer Track von Zugezogen Maskulin mit Beginner-Anleihen.
Auch wenn Grim104 und Testo zwischen den Songs immer wieder Späße machen und das Publikum unterhalten, wirklich politisch zeigen sich die in ihren Texten so gesellschaftskritischen Rapper nicht. Auch die anstehende Wien-Wahl wird nicht thematisiert. Ganz anders, als Audio88 und Yassin, die zwei Tage zuvor bei ihrem Konzert in Wien des Öfteren aufgerufen haben, zur Wahl zu gehen und „das Richtige“ zu wählen.
Generell haben Konzerte von Zugezogen Maskulin wenig mit herkömmlichen Rap-Konzerten gemein, bei denen sich die Interaktion zwischen Publikum und Künstler in abgedroschen Phrasen wie „Hallo Wien, hebt mal alle die Hände hoch“ erschöpft. Das mag auch an der Entertainer-Qualität von Grim liegen. Zugezogen-Maskulin-Konzerte bedeuten zudem Action à la Metal, weswegen auch der Flex-Cafe-Gig nicht ohne „Wall of Death“ über die Bühne geht. „Sind wir eher Tocotronic oder Blumfeld des Deutschrap?“, fragt Grim104 seine Zuhörer. „Tocotronic!“, schreien diese zurück, Grim zeigt sich erleichtert. Das Publikum zeigt sich gut unterhalten, nach etwas mehr als einer Stunde ist dann Schluss. Zugezogen Maskulin live in Wien, immer wieder ein Freude. Bis nächstes Mal.
Ein Interview mit den beiden findet ihr hier.
Text: Thomas Kiebl & Julia Gschmeidler
Fotos: Alexander Gotter
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