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„Scho wieda a Taubm im Holzpyjama“ // Rapper lesen Rapper #6

„Scho wieda a Taubm im Holzpyjama“ // Rapper lesen Rapper #6

Rapper lesen Rapper
Die Ruhe vor dem Sturm. Alle Fotos: Moritz Nachtschatt

Neue Location, altes Spiel bei Rapper lesen Rapper: Die sechste Wiener Ausgabe der vom Verein Oida organisierten Rap-Literarisierung findet im Neubauer Ateliertheater statt. Wie bisher ist auch hier nur begrenzt Platz für Besucher vorhanden, wodurch einigen Interessierten der Einlass verwehrt bleibt. Das routinierte Moderatorenduo Fozhowi aka Heinrich Himalaya und David Scheid aka DJ DWD (der mittlerweile auch als Reporter bei Tagespresse Aktuell tätig ist) startet das Abendprogramm mit HipHop-bezogenem Klatsch und Tratsch. Neben der Bewährungsstrafe von „Hamburgs härtestem Mann“ GZUZ, der einen Aldi-Mitarbeiter „herg’fotzt“ hat, greifen die beiden das Garagen-Battle von Eminem gegen Donald Trump auf. Dieses stellt DWD eindrucksvoll nach – er setzt sich aus Kredibilitätsgründen eine Kapuze auf und legt den Text mäßig subtil, dafür mit gekonnt pathetisch inszenierter Bos(s)haftigkeit auf heimische Politiker wie Sebastian Kurz und HC Strache um. Legitime Grundaussage: „Ich zerfick‘ das verfickte Bundeskanzleramt“.

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Das obligatorische Anschneiden des ohne Label versehenen Packerlweins verläuft diesmal holprig – auf die Frage von Foz, ob jemand zufällig ein Springmesser dabei hat, pfeift mit Esref unter Gelächter einer der Lesenden, die allesamt hinter der Bühne platziert sind, bevor sie aufgerufen werden. Schließlich entscheidet sich Foz doch dazu, den edlen Tropfen in eleganter Manier aufzubeißen, bevor sich mit DJ Funky P der erste Gast auf das freie Platzerl neben der edel wirkenden Chaiselongue begibt. Das Gespräch vor seiner Lesung dreht sich um Battles und die vom DJ mitinitiierte Battle-Plattform Dreistil. Für diese habe man drei Disziplinen (A capella, Freestyle und Songs) von den deutschen Kollegen Rap am Mittwoch gefladert und nach eigener Aussage eine bessere Kopie geschaffen. DJ DWD lenkt den Talk anschließend auf ein gemeinsames Battle-Erlebnis, dem 2014 in Salzburg abgehaltenen „Stierhodenkracherlwettbewerb“ aka Red Bull Thre3style sowie der heiteren Hinfahrt mit dem Bus. Damals sind beide als Verlierer nach Wien zurückgekehrt, denn der Sieg ging an DJ Kapazunda.

Auch die erste Lesung, für die Funky P mit mehreren A4-Zetteln bewaffnet zum Pult schreitet, dreht sich um Battles. Dafür greift er ausgewählte Bars von aus Duellen der Ligen Dreistil (JerMc vs. Davie Jones), Rap am Mittwoch (Ji-Zi vs. Jey Jey Gründerling) und  DLTLLY  (Bad-Bars-Duell zwischen Bong Teggy und Brian Damage) auf. Seine Lieblings-Parts hat Funky P jedoch gestrichen, weil er ihnen aufgrund der Heftigkeit die Publikumsreife abspricht. Eine etwas dürftige Begründung. Dennoch erscheinen die gelesenen Ausschnitte gut gewählt. Besonders die Wien-Lines von JerMc, die der Lesende als „Lokalpatriotismus zum Warmwerden“ bezeichnet sowie die bewusst peinlich gehaltenen Lines von Bong Teggy und Brian Damage sorgen für laute Lacher.

Im Anschluss begrüßen Foz und DWD „ein Wiener Urgestein, den Simmeringer Hackler“ Esref. Dieser verweigert die Benützung der Stiege, stürzt sich lieber in gekonnter Weise direkt auf die Bühne, bevor er kurz seine rudimentären Beatbox-Skills demonstriert. Im Interview zeigt er sich gut gelaunt, bezeichnet sein im Jänner erschienenes Tape „A Hackla | Du Wappler“ als „zamgwürfelte Gschicht“. Mittlerweile habe sich jedoch einiges geändert, denn der Rapper wird mittlerweile vom AMS „gesponsert“, wie er mit schelmischem Blick preisgibt. Auf die Frage von DWD, ob er sich als Genussspecht betrachtet, kontert Esref gekonnt: „Willst damit sagen, dass ich ein Vogel bin?“ Mehr Zustimmung erhalten die Moderatoren für die Feststellung, dass der türkischstämmige Rapper gerne mit Klischees spielt: „A Tiak mit Glotzn auf Wienerisch? Des passt ned!“ Weiters thematisieren sie das Gemeindebau-Ding im Kontext von „Unkraut Vageht ned. Der Rapper erzählt daraufhin von seinem Alltag im Bau: „Wenn da Nachbarshund laut is, muass i gegen d’Tia treten“, worauf DWD unter Beifall antwortet: „Gegen die Tia oder gegen des Tier?“

Esref trägt mit „Machoman“ einen „bisserl brutalen, bisserl erotischen“ Text seines Eastblok-Kollegen Reflex vor, der „35 ist und seit circa 30 Joa rappt“ und sich die lyrische Aufarbeitung seines Tracks aus der ersten Reihe im Publikum anhört. Vorahnend fährt Foz ein Schild mit „Parental Adisory“-Logo aus. Esref liest „Machoman“ sehr energisch, hat offenbar einige Parts des derben Textes auswendig gelernt. Nach Part eins kommt eine weitere Vorwarnung: „So, jetzt wird’s hoat!“ Treffendes Fazit der Darbietung: „De Babsi is a Sau.“ Der Rapper ist übrigens auch am Tag nach dem Event live zu sehen – mit „Honig & Blut“ feiert er im B72 die Releaseparty seiner gemeinsamen EP mit Svaba Ortak.

Auf ihn folgt „Wiener Schnitzel“ (aus Hundefleisch!) Kreiml, der im Jänner im Zusammenspiel mit Schweinderl Samurai mit „Wuff Oink“ den bereits dritten Teil der Schweinehund-Saga releast. Da stellt DWD die berechtigte These auf, dass der innere Schweinehund gar nicht so groß sein könne. Kreiml klärt auf: „Es ist zu zweit einfacher, weil man immer nur einen Part schreiben muss.“ Da nachgesagt wird, dass Hund und Schwein große Trinker sind, erhält Kreiml ein prall gefülltes XXL-Weinglas. Seine Antwort auf die Frage, wer von den beiden Tieren mehr verträgt, sorgt für Erheiterung: „Wir vertragen gleich viel, aber er will mehr.“ Letztlich konstatiert Kreiml, der „halt Wiener ist, aber deswegen noch lange kein Mundl“, dass der Schweinehund am besten auf Wienerisch funktioniert, die dargebotenen Themen und das Hinnige, Selbstzerfressene so am besten rüberkomme. Im abschließenden Wordrap zieht er die Neue Donau der Alten Donau vor – Begründung: „Angst vor Schwänen.“ DWD meint darauf: „Die Algen kitzeln so schee“, worauf Kreiml antwortet: „Darum schwimm ich immer am Rücken.“ Lebenspraktische Tipps also.

Der Honigdachs-Rapper liest „Ok Cool“ von Yung Hurn. Er habe es etwas Politischem vorgezogen, „weil es sich irgendwie leiwand angehört hat beim Lesen.“ Das häufige Wiederholen der Phrase „Ok Cool“ entfaltet bei der Lesung – trotz gezielter Stimmvariation – eine fast hypnotische Wirkung. Zeitweise gelingt es Kreiml sogar, die Hurn’sche Aussprache kongruent zu imitieren. Nach der letzten Wiederholung und einigen kleineren Lachpausen resümiert er am Ende geschafft: „Oida!“ DWD lobt hingegen den „Ernst-Jandl-mäßigen Dadaismus in der heimischen Rapszene, bevor es in die Pause geht. Dem Rauchverbot im Theater geschuldet strömt eine Schar an Besuchern nach draußen, wo sie im Stile eines Sardinenschwarms qualmend den Gehsteig der Burggasse bevölkert. Parallel dazu wird im stickigen Theaterraum kräftig durchgelüftet – eine gute Idee.

Der zweite Teil des Abends beginnt mit elaboriertem Lulu-Talk, der in einem Duell ausartet. So folgt der Wurf des Fehdehandschuhs und eine überzeugende, sprachlich am Mittelalter orientierte Battle-Darbietung von Foz und DWD. Den durchs langjährige Rapper-Dasein geschuldeten technischen Vorteil von Foz kontert sein Kontrahent durch Bars aus – „Mein Rappel trägt Sattel voll Gold!“ Anschließend erscheint mit Nora Mazu die einzige weibliche Vortragende des Abends – und die einzige Weißweintrinkerin, für die Foz das zweite Packerl in „Otto-Wanz-Manier“ aufreißt. Die Protagonisten plaudern über die Frühphase der hiesigen Rapszene, die „aus Zufall entstandene“ Female-Rap-Crew MTS, der Nora Mazu angehört, ihr Solowerk „Headonismus“ sowie das Video zum Track „Deja Vu. Bei diesem ist DWD der YouTube-Thumbnail mit einem „Sexy Latinolover“ aufgefallen. Nora erzählt, ihn bei ihrer Kuba-Reise auf der Straße entdeckt zu haben, inklusive Hundewelpen in der Hand – „Da musste ich einfach draufhalten.“ Weiters kommt es zum Vergleich des hiesigen Rapper-Paares Kayo und Nora Mazu mit Jay-Z und Beyoncé, worauf Nora antwortet: „Ich kann nicht singen, aber er kann’s. Somit ein zulässiger Vergleich.“ Der Jay-Z Österreichs (also Nora) werkelt übrigens gerade an einem Trip-Hop-artigen Projekt mit dem deutschen Produzenten Firnwald.

Ihr Beitrag entpuppt sich als beste Darbietung der Show – sie hat „Fu-Gee-La“ von The Fugees in überzeugender, subtiler Manier auf Wienerisch übersetzt. Nora Mazu trägt den Text mit Damenspitz als feinste Dialekt-Pücha-Story vor, erklärt zwischendurch den Kontext. Auszug gefällig? Aus „Squeeze the Charmin“ wird ganz nach dem Werbespot „Quetsch die Küchenrollen“, „Test mich, Wickerl“ ersetzt „Test Wyclef“ und „Chicken George became dead“ wird zu: „Da Hendl-Schorsch is zum todn Schorsch wordn“. Folglich wird „Damn, another dead pigeon“ durch „Oida, scho wieda a Taubm im Holzpyjama!“ ersetzt. Das Publikum quittiert den Vortrag zu Recht mit viel Applaus, auch Foz zeigt sich beeindruckt von der Lehreinheit: „Ah, jetzt versteh i den Text. Beim Mitsingen früher hab ich ja keine Ahnung ghabt.“

Als letzter Gast des Abends betritt „der schönste Mann von Wien“, „TrainerJugo Ürdens die Stage. Der Rapper aus dem Hause FuturesFuture erzählt von seinen Rap-Anfängen: „Mit 16 war ich beim HipHop-Workshop von Schoko MC. Dann haben wir Sprachsex gegründet und ganz schlechte Musik gemacht. Jetzt mach‘ ich allein weiter mit noch schlechterer Musik.“ Wie sein ehemaliger Mentor hat Jugo mazedonische Wurzeln. Den Antrag auf eine österreichische Staatsbürgerschaft habe er übrigens immer noch nicht eingereicht, diesbezüglich mehrmals seine Verwandten angelogen: „Bruder, das dauert!“ Falls sich aber jemand für einen mazedonischen Pass interessiert, kann er dafür womöglich aushelfen: „Ich kenne den mazedonischen Außenminister über Ecken, falls du brauchst.“ Weiters handelt das Gespräch von Landschaftsgärtnerei, Gießhübler Bloggerinnen und kulturellen Werten.

Den ausgewählten Text kündigt er als politisch und „True Story“ an, wenn es um die Einlasspolitik in Clubs geht. Im Gegensatz zu dunkelhäutigen Freunden habe er aber selten Probleme reinzukommen. Jugo liest „Bonn17“ von SSIO, der eben diese Türsteher-Konflikte aufgreift. „Das ist ein Puff in Bonn, aber darum geht’s gar nicht. Eher ums Politische“, stellt der junge Rapper klar. Nach seinem schnellen, aber klar verständlichen Vortrag reden die drei über die teilweise im Text vorkommende Bi-Sprache und dem Comedian-Talent von SSIO, ehe die Veranstaltung zu ihrem Ende kommt.

Fazit: Eine weitere gelungene Ausgabe von Rapper lesen Rapper, obwohl die Vorträge insgesamt nicht an das Level der Texte bei der vorherigen Veranstaltung im Brut herangekommen sind. Die Messlatte lag allerdings ziemlich hoch. Rahmenprogramm und Überleitungen der Moderatoren waren wie gewohnt stark. Eine größere Location wäre jedoch längst angebracht – diesbezüglich haben DWD und Fozhowi am Ende der Veranstaltung jedenfalls „Big Things“ für 2018 angekündigt. Wie wär’s mit einem Open-Air?

 

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