Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
Die „Klåmm“ – ein Ort, der einen nicht willkommen heißt. Mo Cess hat die engen, meist düsteren Schluchten nicht zufällig als Titel für sein erstes Album als Solo-Rapper gewählt. Der Tiroler Wahlwiener aus der Crew Da Kessl teilt im Heimatdialekt seine innersten Gefühle, Emotionen und Erlebnisse. Er stellt sich seinen Dämonen, um mit ihnen abzurechnen. Seien es Erinnerungen, altgewohnte Strukturen, der Glaubensverlust, der Umgang mit Leistungsdruck, neurotischen Zügen, Angstzuständen, Selbstzweifeln oder dem eigenen Geltungsdrang.
Am 8. Oktober via Duzz Down San erschienen und auch auf Vinyl erhältlich, hat Mo Cess die Beats gemeinsam mit Chrisfader produziert. Es dominieren schwere, düstere Klänge, die den Bogen von Boombap und Turntablism zu zeitgeistigeren Elementen spannen. Inhaltlich wie musikalisch eine neue Facette von Mo Cess, auf die wir im Interview genauer eingehen. Wir sprechen mit den beiden zudem über den erforderlichen Mut für Rap mit Tiefgang, die cheesige Dialektschublade, den perfekten HipHop-Vibe und das „maskulin-getriebene Scheißding Rap.“
The Message: Mo Cess, bis zum Album bist du mit Representer- und Crew-Geschichten in Erscheinung getreten. Wie schwer war die Umstellung, sehr persönliche Texte zu schreiben?
Mo Cess: Als ich mit dem Rappen angefangen habe, hat mich die Battle-Geschichte geflasht. Ich habe gemerkt: Geil, da kann ich was loswerden. Aber ich habe relativ schnell gecheckt, dass ich es nicht so gut kann und dass es mich schnell langweilt. Ich habe damals schon andere Parts geschrieben, aber sie nie jemandem aus meiner Crew gezeigt.
Warum nicht?
Mo Cess: Ich glaube, dass ich mich sogar geschämt habe.
Chrisfader: Dass man etwas wirklich so meinen kann, was man rappt.
Mo Cess: Keine Übertreibungen, sondern straight was erzählen – Storyteller halt. Ich habe das immer gefeiert und war Fan von Blumentopf, den New-York-Geschichten wie Masta Ace und so weiter. Ich habe am Anfang nicht gewusst, wie die Tracks klingen sollen und wie die Texte sein sollen, aber dass ich was in dieser Art machen will. Das hat sich mit Chrisfader gut ergeben. Wir haben anfangen, miteinander Beats zu machen. Es war in einer Zeit, in der ich nicht mehr wirklich rappen wollte.
Gab es einen bestimmten Grund dafür?
Mo Cess: Wieder eine Geschichte, wo ich gemerkt habe: Ich bin nicht so gut (lacht). Beats machen hat mich dann mehr interessiert und geflasht. Da habe ich auch mehr Resonanzen aus meiner Crew gekriegt. Bei den Sessions mit Chrisfader haben wir schnell gemerkt, dass wir den gleichen Geschmack haben, was düstere, reduzierte Produktionen betrifft.
Wie würdet ihr den Geschmack beschreiben?
Mo Cess: Gang Starr – „Hard To Earn“ und dieser Shit.
Chrisfader: Wir sind Fans von Samples und einer organischeren Soundästhetik. Es ist immer gefährlich, weil ich nicht finde, dass es altbackener Boombap ist. Das wäre mir zu langweilig. Es ist ein Mix aus Einflüssen von damals und heute. Für mich ist es logisch, es so zu machen. Ich könnte gar nicht anders. Wir sind in einer Bubble von Freunden, wo zum Großteil der Trap-Shit gefeiert wird. Das feiern wir auch – aber genauso die langsamen, organischen Sample-Beats. Das hat mich geprägt und wird wohl immer das sein, was ich am meisten fühle. Ich tu mir bei elektronischen, aalglatten High-End-Produktionen oft schwer, zu relaten. Die sind fett und gehen nach vorn, aber lösen oft nichts in mir aus.
„Wenn jemand im Dialekt Tracks über Liebe macht, ist die Gefahr größer, dass es mega cheesy ist“
Geht es euch auch bei vielen Produktionene bei Duzz Down San so?
Chrisfader: Na, da gibt es eh viele Leute, die das sehr gut machen und Beats mit Seele produzieren. Aber ich tu mir manchmal schwer damit. Ich tu gern so (nickt langsam mit dem Kopf, Anm.) und mag Beats, die das in mir auslösen. Das sind eher nicht so die Bretter.
Mo Cess: Ich kann das nur unterschreiben.
Chrisfader: Es ist eine Zeit, in der ich gefühlt von Leuten umgeben bin, die in erster Linie darauf schauen: Es muss nach vorn gehen, das ist das Einzige was die jungen Leute interessiert! Irgendwann habe ich für mich entschieden, dass ich nicht versuchen will, 15 Jahre Jüngere zu beeindrucken. Die sind ganz wo anders, haben einen anderen Zugang und das ist voll okay.
Mo Cess: Es war ein Zufall, dass wir beide die gleiche Ansicht haben. Generell ist es cool, dass wir die Abwechslung haben.
Aber bis zum Album hast du dich auch solo auf andere Sachen fokussiert.
Mo Cess: Bei der „Koan Sinn“-EP ist Pirmin an mich herangetreten. Er ist eine Beatmaschine und haut dauernd geile Sachen raus. Er hat mir Beats geschickt, ich habe es im Lockdown innerhalb von zwei Wochen daheim geschrieben und im Wandschrank recordet. Ich liebe die EP, ich würde sie nie diskreditieren. Genauso war es bei der „Lamo“-EP. Es war in einer Zeit, wo mit Da Kessl nicht so viel weitergegangen ist. Ich habe gewusst, dass ich mich als Soloartist präsentieren muss. Mir haben die Sachen getaugt und es hat mich geflasht, auch mal auf 120 oder 140 BPM zu rappen. Aber im stillen Kämmerchen habe ich schon länger an diesem Album geschrieben.
Aber du hast Selbstzweifel als Rapper gehabt und wolltest lieber produzieren. Wie kam es zum Umdenken?
Mo Cess: Es war, als wir angefangen haben, diese Beats zu machen. Es hat was in mir ausgelöst. Dann habe ich mit dem Schreiben angefangen, es trainiert. Ich habe Tracks geschrieben, nur damit ich Tracks mache, sie aufgenommen und verworfen. Ich habe gemerkt, wie viel mir das gebracht hat. Früher habe ich immer die Backups von meinen Jungs auf der Bühne gebraucht, jetzt kann ich meinen Shit auch so delivern. Ich glaube, dass ich viel besser rappe als früher.
Chrisfader: Er hat in den vergangenen Jahren eine krasse Entwicklung durchgemacht. In allem – Delivery, Betonungen, wie man was rüberbringt. Es ist für mich ein riesen Unterschied, ob man als Rapper was sagt, was man wirklich meint, oder was sagt um lustig zu sein. Beides kann cool sein, aber vor allem im Tiroler Dialekt finde ich es schwieriger, weil man sofort in dieser Schublade ist.
Würde das nicht alle Dialekte betreffen?
Chrisfader: Ich würde es auf den Tiroler Dialekt beziehen, weil nur wenige Leute in diesem Dialekt rappen. Da ist für mich bei „Klåmm“ das erste Mal, dass jemand etwas sagt, was er wirklich so meint. Sich zu trauen über diesen Schatten zu springen ist schwierig. Wenn jemand im Dialekt Tracks über Liebe macht ist die Gefahr größer, dass es mega cheesy ist. Auf Hochdeutsch wird es eher angenommen, kommt mir vor.
Findest du? Mir würden mehr cheesy Nummern auf Hochdeutsch einfallen. Ein Jamin bekommt das beispielsweise gut hin.
Chrisfader: Stimmt, Jamin macht absolut sein Ding. Ich kenne ihn und sein Schaffen schon lange, aber es hat Jahre gedauert bis ich verstanden habe was er macht. Beim Album mit dem Fid Mella ist mir der Knopf aufgegangen. Da habe ich erstmals verstanden, wo er rapmäßig herkommt und was er macht. Ich war lange nicht in diesem Singsang-Ding drin. Das bin ich auch heute nicht. Ich brauche keine Ohrwurm-Melodien – im Gegenteil. Wahrscheinlich ist es deswegen solange an mir vorbeigezogen. Ich weiß nicht, ob ich musikalisch offen bin. Manche sagen, ich bin der größte Hater den sie je gesehen haben. Beides wird irgendwie stimmen. Ich kann jeder Facette von diesem Genre was abgewinnen, aber es gibt Dinge wo ich sofort sage: das ist nicht meine Welt. Ich traue mich mittlerweile mehr, das zu sagen und dazu zu stehen.
Mo Cess: Ich finde es ist generell schwierig, wenn man seine Meinung zu einem Track oder Album sagt oder dass es einem nicht so gefällt. Du bist sofort der Hater. Wenn man diese Zuschreibung kriegt, fragt man: Wieso? Ich fühle es nicht so. Aber das reicht vielen Leuten nicht.
Chrisfader: Mich hat es gestört, gerade wenn die Hater-Zuschreibung von Freunden gekommen ist: ‚Du bist immer nur negativ.‘ Da steckt viel drinnen. Wenn das von irgendwem kommt, scheißegal. Aber wenn es von Freunden kommt, denke ich: Hörst du oder siehst du irgendwas, was ich mache? Dass ich 2.500 Platten daheim habe? ich habe einfach viel Leidenschaft für was anderes. Es ist ein Scheißwort. Ein Hater ist für mich jemand, der jemandem aktiv Steine in den Weg legt. Zu sagen, dass was nicht mein Geschmack ist hat nix mit Hate zu tun.
Passiert euch das häufig in der österreichischen HipHop-Welt?
Chrisfader: Ich habe den Anschluss an die österreichische Szene längst verloren. Ich sehe mich gern als Teil dieser Kultur und Szene, aber ich habe nicht am Schirm was gerade passiert. Ich kenne vielleicht 50 Prozent der aktiven Artists. Ich bin nicht mehr so drin, dass ich merke, wer gerade der Newcomer ist, der steil geht. Solche Sachen haben mich noch nie interessiert. Ich bin nie der gewesen, der etwas als erster auflegt oder auscheckt.
Dafür bist du mit Testa mit anderen Sachen um die Ecke gekommen, die keiner am Schirm gehabt hat. Ihr habt früh Balkan Beat Box in eure HipHop-Sets eingebaut, generell einen elektronischeren Zugang. Das wart ihr und B.Visible.
Chrisfader: Voll, das hat uns früh beeinflusst. Als ich nach Wien gekommen bin, hat es mich genervt, weil alles so Detroit war. 2007 haben alle von Dilla und verhatschten Beats geredet. Damals war ich auf einem ganz anderen Film. Bei mir ist es erst paar Jahre später gekommen, wo keiner mehr darüber geredet hat. Ich bin immer hinten nach und habe das zu akzeptieren gelernt. Alles andere würde sich wie ein Verbiegen anfühlen. Ich kann und will nicht schauen müssen, was gerade jeder hören will und das auflegen oder produzieren.
„Rap ist ein maskulin-getriebenes Scheißding“
Zurück zum Album: Es sind ja samplebasierte Beats. Habt ihr gemeinsam gediggt?
Mo Cess: Wir haben uns manchmal getroffen, sind Platten diggen gegangen, haben sie beim Chris durchgehört und Beats gebaut – finden manche auch schon wieder cheesy (lacht).
Chrisfader: Es ist die einzige Inspirationsquelle, die ich habe. Ich will nicht so tun als wär ich ein Übermusiker, der alles einspielt. Das ist mir nicht wichtig.
Wonach sucht ihr beim Diggen?
Mo Cess: Ich habe davor schon gediggt, aber gemerkt, was für ein Toy ich war. Für mich ist der Jahrgang wichtig. Von 1965 bis 1980: i buy it – wenn mir das Cover taugt. ich habe gelernt, auf die verwendeten Instrumente zu schauen. Wenn zum Beispiel eine Mundharmonika drauf ist, lass ich die Finger davon.
Gibt es auch zu gute Samples?
Chrisfader: Es gibt immer noch Samples, die ich bis heute noch nicht umgesetzt habe, weil ich sie so geil finde. Ich habe dreimal probiert, einen Beat daraus zu machen, aber es war alles whack. Es gibt die richtige Umsetzung für dieses Sample.
Mo Cess: Das funktioniert manchmal, wenn andere Leute dabei sind und man einen anderen Zugang kriegt.
Chrisfader: Wobei ich kein Problem damit habe, einen Loop zu nehmen. Mir ist dieses dogmatische HipHop-Produzenten-Ding – du musst was Eigenes draus machen – scheißegal. Mir geht es um den Vibe. Wenn der Loop geil ist, ich Drums programmiere und es fühle, passt es. Ich würde nie sagen, dass HipHop-Produzenten die großen Musiker sein müssen. Für mich ist dieses Professionelle oft zu clean und perfekt. Ich will dieses Unperfekte, fast Dissonante mit Dingen die eigentlich gar nicht zusammenpassen. Das kreiert für mich den HipHop-Vibe. Das kann man durch nix ersetzen, das kann nie eine Band so spielen.
Mo Cess: Das aktuelle Evidence-Album ist ein gutes Beispiel. Da war unser Album schon fertig, es war also keine Inspirationsquelle. Er hat eine krasse Entwicklung als Rapper gemacht. Bei den Dilated Peoples hat er mir nicht so getaugt, aber die letzten zwei Alben sind richtig stark.
Chrisfader: Das merkt man, wenn man ihn länger verfolgt. Er ist an einem Punkt, wo er persönliche Dinge sagt, die er ernst meint. Für mich ist das der beste Rap.
Warum dauert es bei vielen Rappern so lange, bis sie dahin kommen?
Mo Cess: Weil Rap ein komplett – schreib das so ins Interview – maskulin-getriebenes Scheißding ist, wo ganz viele nur Asis und Proleten sein wollen. Es war bei mir genauso, als ich angefangen habe.
Es gibt ja gemeinsame Nenner als Vorbilder. Sei es ein Kendrick Lamar, Evidence oder sonst wer – warum fängt man mit Beidlvergleichen an, wenn das die Sachen sind, die man eigentlich hören will?
Mo Cess: Was ich sagen kann: Die meisten fangen als Teenager zum Rappen an.
Aber es soll auch Rapper geben, die als Teenager ihre besten Alben geschrieben haben.
Mo Cess: Stimmt. Es liegt ja keine Wertung drin. Ich sage nur, wie es sich für mich anfühlt. Ich habe damals angefangen und wollte auf die Kacke hauen. Ich habe gemerkt, dass ich sagen kann was ich will. Das ist der Konsens in der Crew. Dann wird man älter und hat paar Situationen wo man reflektiert, was man sagt.
Chrisfader: Oder auch nicht, das muss jeder für sich entscheiden.
Mo Cess: Ich kann die Frage auch nicht beantworten. Es ist schwierig.
Harte, asoziale Texte sind ja per se nichts Verkehrtes. Aber ist es schwieriger, gehaltvolle Texte zu schreiben?
Mo Cess: Ja. Gehaltvoll bedeutet in meinem Sinn, dass ich was schreibe, was mein Leben und mich selbst betrifft. Was ich erlebt habe, was ich gemacht und falsch gemacht habe. Ich schreibe eher Sachen, die ich festhalten will. Das verlangt mir viel ab. Aber wenn ich es geschrieben und recordet habe, fühlt es sich gut an. Als würde ich es von mir verabschieden und weitergehen.
Sind die Tracks teilweise direkt aus der Emotion heraus entstanden?
Mo Cess: Es war eher ein Aufwühlen, ein Zurückgehen. Ich habe viele Menschen in meinem Umfeld, die zur Therapie gehen. Die haben erzählt, was da gemacht wird und dass sie über viele Sachen aus der Vergangenheit nachdenken. Das hat mich – so blöd es klingt – inspiriert, weil ich das sehr stark finde. Dann habe ich meine eigene Form daraus gemacht. Es gab einige persönliche Momente wie die Scheidung meiner Eltern, Menschen aus meiner Familie haben sich verabschiedet. Es gab Brüche mit Freunden, Streit, aber auch positive Erfahrungen.
Für mich stechen „Narziss“, „Haus“, „Hålt die Fiass still“ und die Tracks am Ende besonders heraus. Wie viel Verfremdung ist bei solchen Tracks und generell am Album dabei?
Mo Cess: Ich habe probiert, das Album so zu schreiben, dass ich meine Stories einbaue, man aber eine zweite Ebene dazu finden kann, damit relaten kann. Bei „Haus“ zum Beispiel.
Chrisfader: Ich finde „Hålt die Fiass still“ textlich krass. Jeder, der solche Eltern hat, kann damit relaten. Er sagt so viele Dinge, wo ich sofort denke, dass ich wieder zehn Jahre alt bin.
Mo Cess: Ich muss dazu sagen, dass es nicht um meinen Vater geht. Es ist eine Sammlung von Klischees. Natürlich wird sich mein Papa bei manchen Sachen angesprochen fühlen, aber wenn man zuhört: Ich bin nicht 18 Jahre alt, habe keine kleine Schwester und so weiter, das ist alles erfunden. Aber ich habe alles von verschiedenen Leuten gesammelt. Ich wollte eine Emotion schaffen, von der es kein Entrinnen gibt. „Fliagntatsch“ ist dafür eine zu hundert Prozent echte Story. Ich habe eine Obsession mit dem Zerklatschen von Fruchtfliegen entwickelt. Fragt meine Freundin, das Intro war nicht gescriptet (lacht).
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