Während Der traurige Gärtner mit „Climate Justice Volume 1“ den Soundtrack zu den Wiener Klimademos liefert, hat RAF Camora zusammen mit der „slowenischen Cardi B“ Senidah die Single „100%“ veröffentlicht. Besonders platt fällt mit „Pick Up“ der neue Track seines langjährigen Weggefährten Joshi Mizu aus. Auch abseits davon ist in der vergangenen Woche einiges geschehen.
100 KG – Auf Achse
Zuletzt disste er noch Jugo Ürdens, SLAV und generell die Wiener Rap-Szene, nun liefert der im 808factory-Dunstkreis verwurzelte 100 KG seine EP „Auf Achse“. Vorab im Rahmen einer Pre-Listening-Session im Einbaumöbel präsentiert, beinhaltet „Auf Achse“ acht Tracks. 100 KG startet mit einer gesunden Portion Selbstbewusstsein, zugleich sorgen catchige Lines oftmals für Schmunzeln. Subtil-traurige Songs wie „Krise“ oder „Merlot“ schaffen dann wieder den stiltechnischen Ausgleich und überraschen durch ihre ehrliche Traurigkeit, aber auch melodische Eingängigkeit. „Sie will Platz, aber sie will auch meine Hand / Ich mach was ich kann, doch oft verlier ich mich selbst / Das verlorene Ich ist was sich zwischen uns stellt“. Auf „Auf Achse“ zeigt 100 KG seine musikalische Diversität, die ihm definitiv gut steht. Seine verflossene Liebe nimmt dabei einen großen lyrischen Platz auf der EP ein, dennoch ist sie keineswegs ein musikalischer Trauermarsch.
Devillion – Novemberkind
Vor wenigen Wochen haben die Beatbangers & Devillion von der Feuerfabrik mit „Killamanjaro“ den ersten Vorboten auf ein gemeinsames Album veröffentlicht. Doch bevor es dieses erscheint, gibt es noch jede Menge Solomaterial von Devillion. Mit „Novemberkind“ hat der selbsternannte „King of the Chill“ am Freitag einen Longplayer veröffentlicht. Auf den 13 Tracks macht der Rapper und Produzent, was ihm am besten liegt: Auf entspannten Boombap-Beats liefert er abgebrühte Raps, bei denen häufig seine Battle-Attitüde zur Geltung kommt. Mit der Singleauskopplung „Whut Up?“ – produziert von Scientific aus Schweden – sorgt er für verspätetete Sommer-Vibes. Weiters hat Devillion noch für heuer eine EP engeündigt, bei der er auf Beats von The Doppelgangaz setzt.
Philiam Shakesbeat & Bangies – Schämen
Am 13. Dezember erscheint mit „Philanthrosophie“ das Debütalbum von Philiam Shakesbeat. Die Wartezeit darauf verkürzt er uns mit einer Live-Session zu „Schämen“. In gewohnter Manier behandelt Philiam die vorherrschende Heteronormativität und durchaus hypokritische Verhaltensweisen unter dem Deckmantel der Emanzipation. Dabei weiß er aber genau, wie laut seine Stimme sein darf und wann er diese Aufgabe besser anderen überlässt: „Ja ich hab‘ meine Meinung, ja ich teile sie auch gern‘ / Ja es fällt mir leicht, mich über Stillstand zu beschweren / Jetzt hör‘ mir endlich zu, der weiße Hetero-Mann spricht / Dann dämmert es mir endlich und ich sage nichts“. Aufgenommen mit der griechischen HipHop-Gruppe Bangies, ist diese Herangehensweise wirklich alles andere als „zum Schauma“.
KGW3 – Red
„Drum ’n’ Bass und Rap, ein Traum, den ich mit mein‘ Bruder leb“, heißt es auf dem neuen Song von KGW3, damit setzt die Band erneut auf genau das, was seit jeher ihr Steckenpferd zu sein scheint: Drum ’n’ Bass und Rap vermischen, einen melodisch harmonierenden und eingängigen Mix daraus erschaffen. „Klar, bin am Start, sag nur wann und wo / Danach der Afterglow, läuft bis zum Abendrot“. Mit ordentlicher Power und auf einem auf den Punkt gebrachten Flow versprüht „RED“ gute Laune – und eignet sich damit gut als Party-Track.
Xéna N.C. – Prisoner
Xéna N.C. fühlt sich in „Prisoner“ gefangen in einer Welt, in der sie noch nicht aussprechen kann, was sie sagen möchte; in einer Welt in der Umstände herrschen, die sie ändern möchte, aber allein nicht ändern kann. All das sind Dinge, die sie beschäftigen und trotzdem geht’s schlussendlich nur um materielle Güter – „Meanwhile starvation isn’t getting better, kids starving / And my friends and me worrying about a Reebok sweater“. Die Wiener Rapperin zählt der Reihe nach auf, warum sie sich wie in einem unsichtbaren Käfig fühlt und schafft es, mit jeder Zeile und jedem Frame mehr und mehr daraus ausbrechen, bis sie aufrecht aus Bild und Methapher ausbricht.
Da Staummtisch – Bella Vita feat. Skero
Wie der Titel „Bella Vita“ andeutet, widmet sich Da Staummtisch nach „DFN“ – einer Abrechnung mit der türkis-blauen Regierung – diesmal den angenehmeren Seiten des Lebens und der Leichtigkeit des Seins. Mit Hook-Unterstützung von Skero nimmt sich das Linzer Quartett eine Auszeit vom Alltagstress und zelebriert den Müßiggang: „Heit pick i ma die Rosinen ausm Kuchen / Oder mi hauts wie die Formel-Ans-Boliden aus da Kurvn / Drum lautet jetzt die Devisn ‚Des Leben genießn‘ / Und kumm jo ned auf die blede Idee, mir des zu vermiesen.“ „Bella Vita“ ist ein Vorgeschmack auf das am 10. Jänner erscheinende Album „Zucker“, das als Ode an das Schöne im Leben konzipiert ist.
Ron21, Noli & Locco – Kalte Gegend
„Du darfst nicht in unser Viertel wenn es Nacht wird / Weil deine Mama Angst hat, dass dich jemand absticht / Tragisch, besser komm erst gar nicht / Wir ballern dreimal in die Luft und schieben einen Lachkick“ – auf „Kalte Gegend“ sinnieren Ron21, Noli und Locco über das Leben in einem Wiener Grätzl, das nicht gerade den besten Ruf hat. Sie skizzieren einen Ort, an dem es ums Hustlen geht und an den sich Außenstehende nur selten verirren. Wie das geschulte Auge bei einem Blick aufs Cover erkennt, handelt es sich dabei um die Großfeldsiedlung in Floridsdorf. Catchig produziert von Jiggytown und mit einer prägnanten Hook ausgestaltet, erweist sich der Track als durchaus stimmig.
Text: Simon Nowak, Chiara Sergi & Francesca Herr